Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2011, Az. II ZR 188/09

II. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5138

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

II [X.]/09
Verkündet am:
5.
Juli 2011
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 538 Abs. 2
Bei der vor einer Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht an das Gericht des ersten [X.] nach §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO erforderlichen Ermessensausübung sind der Umstand, dass die Sache bereits einmal an das Land-gericht zurückverwiesen worden war, und die damit einhergehende Verzögerung des Rechtsstreits gebührend zu berücksichtigen.
[X.], Urteil vom 5. Juli 2011 -
II [X.]/09 -
OLG München

LG München I

-
2 -
Der II. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 5.
Juli 2011 durch [X.]
Strohn, die Richterinnen [X.] und Dr.
Reichart sowie [X.] und Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Beklagten und die Anschlussrevisionen der Kläger zu 2, 3,
5 bis 7, 10, 11, 13 und 14 wird das Urteil des 5. Zi-vilsenats des [X.] vom 5. Mai 2009 auf-gehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwie-sen.

Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger machen gegen die beklagte Aktiengesellschaft und ihre bei-den ehemaligen Vorstandsmitglieder Schadensersatzansprüche wegen unrich-tiger [X.] geltend. Das [X.] hatte die Klage wegen Ver-jährung
abgewiesen
und dazu ausgeführt, die am 31.
Dezember 2005 einge-reichte Klage sei nicht demnächst im Sinne des §
167 ZPO zugestellt worden 1
-
3 -

und habe daher die an diesem Tag ablaufende Verjährungsfrist
nicht gehemmt. Mit Urteil vom 4.
Dezember 2007 ([X.] ZIP 2008, 1479) hat das Berufungsgericht das Urteil
des [X.]s
aufgehoben und die Sa-che
an das [X.] zurückverwiesen. Nach Auffassung des Berufungsge-richts ist die Zustellung demnächst erfolgt. Die Entscheidung erweise sich auch
nicht aus anderen Gründen als richtig. Insbesondere könne für den Beginn der Verjährung nicht auf die Anklageerhebung gegen die Beklagten zu 2 und 3 im Oktober 2001 abgestellt werden. Die Verjährung habe vielmehr erst mit der Er-öffnung des Hauptverfahrens
im Jahr 2002 begonnen und sei daher durch die Klageeinreichung am 31. Dezember 2005 gehemmt worden.
Das [X.]
hat die Klage erneut wegen Verjährung abgewiesen
und dabei angenommen, dass die Verjährungsfrist
mit der Anklageerhebung im Ok-tober 2001
begonnen habe und damit Ende 2004 abgelaufen sei. Das [X.] (BeckRS 2009, 19407) hat das landgerichtliche Urteil nach
§
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO wegen Missachtung seiner Rechtsauffassung (§
563 Abs.
2 ZPO analog) nochmals
aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen. Hiergegen richten sich die vom Senat zugelassenen Revisio-nen der Beklagten und die Anschlussrevisionen der Kläger zu 2, 3, 5 bis 7, 10, 11, 13 und 14.
Entscheidungsgründe:
Die Rechtsmittel haben Erfolg und führen
zur Aufhebung der angefoch-tenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.
2
3
-
4 -

I.
Die Revisionen und die Anschlussrevisionen sind zulässig. Da die [X.] eine abschließende Sachentscheidung des Berufungsgerichts begehrt hatten, sind sie durch die Zurückverweisung der Sache an das [X.] be-schwert und können das Berufungsurteil deshalb mit ihren Rechtsmitteln
zur Überprüfung stellen (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Juni 2004 -
XI
ZR
90/03, ZIP
2004, 1742, 1745; Urteil vom 1.
Februar 2010 -
II
ZR
209/08, [X.], 776 Rn.
10).
II.
Die Revisionen und die Anschlussrevisionen haben Erfolg. Das [X.] hat die Sache verfahrensfehlerhaft gemäß §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO an das [X.] zurückverwiesen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt. Schon wegen dieses [X.] ist das angefochtene Urteil aufzuheben (vgl. [X.], Urteil vom 21.
März 1968 -
VII
ZR
84/67, [X.]Z 50, 25, 26).
1.
Das Berufungsgericht war nicht nach §
538
Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO berechtigt, von einer eigenen Entscheidung in der Sache abzusehen. [X.] des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 5.
Mai 2009 haben die Parteien ihre schriftsätzlich angekündigten [X.] gestellt. Keine der [X.]
hat -
auch nicht hilfsweise
-
eine aufhebende und zurückverweisende Ent-scheidung des Berufungsgerichts beantragt. Ein solcher Antrag ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des §
538 Abs.
2 Satz
1 Halbs.
2 ZPO aber er-forderlich ([X.], Urteil vom 22.
Juni
2004 -
XI
ZR
90/03, ZIP
2004, 1742, 1745 m.w.N.).
2.
Unabhängig davon hat das Berufungsgericht
die bei der Anwendung des §
538 Abs.
2 ZPO notwendige Ermessensausübung nicht dargelegt, was ebenfalls zur
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt. Verweist das Berufungsgericht den Rechtsstreit wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers 4
5
6
7
-
5 -

zurück, müssen seine Ausführungen erkennen lassen, dass es das ihm in §
538 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 ZPO eingeräumte Ermessen, eine eigene Sachentschei-dung zu treffen oder ausnahmsweise den Rechtsstreit an das Erstgericht zu-rückzuverweisen, pflichtgemäß ausgeübt hat
(vgl. hierzu [X.], Urteil vom 10.
März 2005 -
VII
ZR 220/03, NJW-RR 2005, 928; Urteil vom 1.
Februar 2010 -
II
ZR
209/08,
[X.], 776
Rn.
16). Das Berufungsgericht hat weder in Er-wägung gezogen, dass eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu ei-ner Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits führt, was den schützens-werten Interessen der Parteien entgegenstehen kann,
noch hat es nachprüfbar dargelegt, dass eine aus seiner Sicht durchzuführende Beweisaufnahme so aufwändig und umfangreich ist, dass eine Zurückverweisung an das [X.] ausnahmsweise gerechtfertigt erscheint
(vgl. [X.], Urteil vom 1.
Februar 2010 -
II
ZR
209/08, ZIP
2010, 776 Rn.
16; Urteil vom 22.
September 2006 -
V
ZR
239/05, NJW-RR 2006, 1677 Rn.
14). Gerade der Umstand, dass die Sache bereits einmal an das [X.] zurückverwiesen worden war, hätte im Rahmen der erforderlichen
Abwägung berücksichtigt werden müssen. Das Be-rufungsgericht ist demgegenüber
erkennbar von einem Automatismus ausge-gangen.
III.
Dem
Senat ist eine eigene Sachentscheidung verwehrt. Die
Frage, ob die [X.] verjährt sind, hängt nach §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB davon ab, ob die Kläger schon zum Zeitpunkt der Anklageerhebung im Oktober 2001 oder erst zum Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die [X.] zu
2 und 3 im Mai 2002 Kenntnis von den die Ansprüche begründenden Umständen und den Personen
der Schuldner erlangten hatten oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen. Die Beantwortung dieser Frage erfor-dert eine
Würdigung des Sachverhalts, die dem Tatrichter vorbehalten ist und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden kann
([X.], Urteil 8
-
6 -

vom 23.
Juni 2009 -
XI
ZR
171/08, BKR
2009, 372 Rn.
13; Urteil vom 23.
September 2008 -
XI
ZR
262/07, ZIP
2008, 2164 Rn.
17). Die dafür erfor-derlichen Feststellungen und diese Würdigung wird das Berufungsgericht in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung nachzuholen haben.
Es ist dabei nicht entsprechend §
563 Abs.
2 ZPO an seine Ansicht gebunden, die [X.] habe erst mit der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die [X.] zu 2 und 3 im Jahr 2002 begonnen. Denn dabei handelt es sich nicht um eine Rechtsansicht, sondern um die wertende Beurteilung tatsächlicher Fest-stellungen.
Jedenfalls wäre eine Bindungswirkung des Berufungsgerichts an seine Ansicht, für den Beginn des Laufs der Verjährung könne nicht auf die An-klageerhebung gegen die Beklagten zu 2 und 3 im Oktober 2001 und die damit einhergehende umfangreiche Presseberichterstattung abgestellt werden, durch
-
7 -

die Entscheidung des erkennenden Senats vom 22.
September 2008 (II
ZR
235/07, [X.], 2228) entfallen (vgl. Gemeinsamer Senat der obers-ten Gerichtshöfe des [X.], Beschluss vom 6.
Februar 1973 -
GmS-OGB
1/72, [X.]Z 60, 392, 397
f.).

Strohn
[X.]
Reichart

[X.]
Sunder

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.06.2008 -
20 O 25582/05 -

OLG München, Entscheidung vom 05.05.2009 -
5 U 4547/08 -

Meta

II ZR 188/09

05.07.2011

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2011, Az. II ZR 188/09 (REWIS RS 2011, 5138)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5138

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 188/09

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