Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.11.2019, Az. X ZB 6/18

10. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 1011

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rechtsbeschwerde im Patentanmeldungsverfahren: Umfang der Hinweispflicht des Patentgerichts vor Zurückweisung einer Patentanmeldung


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 19. Senats ([X.]) des [X.] vom 4. April 2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. [X.]ie Anmelderin begehrt mit der Patentanmeldung 10 2014 001 881, die am 11. Februar 2014 unter Inanspruchnahme der Priorität einer [X.] Gebrauchsmusteranmeldung vom 13. Februar 2013 eingereicht wurde, Schutz für ein [X.]element. Nach dem im Beschwerdeverfahren zuletzt gestellten Antrag lautet Anspruch 1 wie folgt:

[X.]element zum Kontaktieren eines Leiters, mit einem Grundkörper (2), der mit zwei spiegelsymmetrisch zu einer Mittelachse (3) angeordneten V-förmigen Federschenkeln (4, 5) verbunden ist, wobei jeder Federschenkel (4, 5) einen an den Grundkörper (2) anschließenden [X.] (6, 7) und einen an den [X.] (6, 7) anschließenden Schneidarm (10, 11) aufweist, der mit seinem freien Ende zum Grundkörper (2) hingerichtet ist, wobei beide [X.] (10, 11) eine zum anderen Schneidarm hinweisende Schneide (12, 13) aufweisen, wobei die [X.] (10, 11) im Bereich ihrer freien Enden als Anschläge dienende Verbreiterungen (14, 15) aufweisen, die sich von der Mittelachse (3) fortweisend in Richtung zu je einer Wand (16, 17) des jeweils mit dem Schneidarm (10, 11) verbundenen [X.]s erstrecken,

wobei der Grundkörper (2) eine [X.] (24) umfasst und der Leiter zwischen den Schneiden (12, 13) soweit eingeführt werden kann, bis er an der [X.] (24) des Grundkörpers (2), die sich in einem geringen Abstand zu den freien Enden der [X.] (10, 11) befindet, zum Anschlag kommt.

2

[X.]as Patentamt hat die Anmeldung zurückgewiesen. [X.]ie dagegen eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.

3

Mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Begehren aus der Beschwerdeinstanz weiter.

4

II. [X.]as Rechtsmittel ist statthaft, da mit der Rechtsbeschwerde die eine Zulassung nicht voraussetzenden Gründe der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 [X.]) und des Fehlens von Gründen (§ 100 Abs. 3 Nr. 6 [X.]) geltend gemacht werden. Es ist aber nicht begründet.

5

1. [X.]as Recht der Anmelderin auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt.

6

a) [X.]ie Rechtsbeschwerde macht geltend, das Patentgericht habe im Rahmen der Neuheitsprüfung zwar den Einwand behandelt, bei dem Ausführungsbeispiel des vorveröffentlichten Gebrauchsmusters 20 2010 008 457 ([X.]) sei nicht erkennbar, dass ein [X.]raht nicht nur in einer in der Mitte der [X.] platzierten [X.] seine Endlage erreichen könne, sich aber nicht mit dem weiteren Argument der Anmelderin auseinandergesetzt, die [X.] offenbare kein [X.]element gemäß Anspruch 1 der Anmeldung, sondern lediglich ein Klemmkontaktelement, weil es nicht möglich sei, den in Figur 4 der [X.] gezeigten [X.]raht (40) so dick zu wählen, dass er wirksam am unteren Ende gleichzeitig geschnitten und gehalten werden könne. Vielmehr würden alle [X.]rähte, die in der Figur 4 durch den Spalt zwischen beiden Enden der Innenschenkel passten, herausfallen, wenn diese weiter nach unten bewegt würden, weil sie nicht ausreichend dick seien, um den gegenüberliegenden Anschlag zu erreichen.

7

[X.]iese Rüge ist nicht begründet.

8

aa) [X.]er Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. [X.]abei ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen (st. Rspr.: etwa [X.], Beschluss vom 26. November 2008 - 1 BvR 670/08, [X.], 1584 Rn. 14; [X.], Beschluss vom 24. Juli 2007 - [X.], [X.], 996 Rn. 11 - Angussvorrichtung für Spritzgießwerkzeuge; Beschluss vom 28. November 2011 - [X.] [X.], 318 Rn. 9 - Sorbitol).

9

bb) [X.]as Patentgericht hat den Einwand der Anmelderin, die [X.] offenbare lediglich ein Klemmkontaktelement und kein [X.]element, nicht unberücksichtigt gelassen. Vielmehr hat es ausgeführt, in der Entgegenhaltung sei das [X.]urchschneiden der Lackisolierung erwähnt, so dass nicht nur ein [X.]raht geklemmt, sondern, wie bei der Anmeldung auch, dessen Isolierung durchschnitten werde.

[X.]as Patentgericht hat zudem in der [X.] ein Klemmkontaktelement als offenbart angesehen, bei dem die [X.]rähte durch den Spalt zwischen den beiden Enden der Innenschenkel hineingedrückt und an der U-förmig gekrümmten Wand zum Anschlag kommen. [X.]enn es ist unter Bezugnahme auf die Beschreibung der [X.] (Abs. 53) davon ausgegangen, dass der [X.]raht zunächst in den Klemmkontakt hineingedrückt wird, und hat darüber hinaus auf Grundlage der in der Beschreibung der [X.] genannten Maßangaben für zwei Leiter unterschiedlichen [X.]urchmessers dargelegt und durch zeichnerische Ergänzungen der Figur 2 der [X.] in seinem Beschluss veranschaulicht, wie die Leiter jeweils zum Anschlag an der U-förmig gekrümmten Wand kommen können und damit nicht durchrutschen.

Soweit die Rechtsbeschwerde dem gegenüber ausführt, alle [X.]rähte, die in der Figur 4 der [X.], die dasselbe Ausführungsbeispiel wie die Figur 2 der [X.] betrifft, durch den Spalt zwischen den beiden Enden der Innenschenkel passen, würden herausfallen, wenn sie weiter nach unten bewegt würden, weil sie nicht ausreichend dick seien, um den gegenüberliegenden Anschlag zu erreichen, bewertet sie den [X.] der [X.] lediglich in einer anderen Weise als das Patentgericht, zeigt aber nicht auf, dass das Patentgericht diesen Gesichtspunkt bei seiner Beurteilung nicht gewürdigt hat.

cc) [X.] liegt auch nicht darin, dass das Patentgericht die in der Urteilsbegründung zweifach wiedergegebene und jeweils um einen [X.]raht unterschiedlichen [X.]urchmessers ergänzte Figur 2 in der mündlichen Verhandlung nicht zur Stellungnahme vorgelegt hat.

[X.]ie abgeänderten Figuren 2 illustrieren lediglich die Ausführungen des Patentgerichts, dass es hinreichend sei, jeweils in bestimmter Weise den Wert [X.] von der zeichnerisch dargestellten Relation zu vergrößern und die Ausdehnung [X.] der Verbreiterung zu verkleinern, damit sich ein Gegenstand ergibt, durch den Leiter unterschiedlichen [X.]urchmessers in der durch Anspruch 1 angegebenen Weise zum Anschlag an der U-förmig gekrümmten Wand kommen können. Aus dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde ergibt sich nicht, dass die Anmelderin keine Gelegenheit hatte, zu diesen Ausführungen des Patentgerichts ausreichend vorzutragen.

b) [X.]ie Rechtsbeschwerde rügt, die Hilfsbegründung des Patentgerichts, mit der dieses den Gegenstand von Anspruch 1 durch die US-Patentschrift 6 908 331 ([X.]3) und die [X.] als nahegelegt angesehen habe, sei ebenfalls von einem Gehörsverstoß beeinflusst, da dieses nicht dem Angebot der Anmelderin nachgegangen sei, Beweis über die unterschiedlichen technischen Wirkungen der patentgemäßen Erfindung einerseits und der [X.]3 andererseits durch Simulationen auf der Basis der Finite-Elemente-Methode (FEM) zu erheben. [X.]ies sei überraschend gewesen. [X.]enn das Patentgericht habe noch in der mündlichen Verhandlung angekündigt, dem [X.] müsse nicht nachgegangen werden, da seine Richtigkeit nicht in Zweifel gezogen werde, dann aber in seinem Beschluss ausgeführt, ein solcher Beweis habe zu keinem anderen Ergebnis führen können, da in Anspruch 1 lediglich der Ausgangspunkt für Berechnungen mit Hilfe der FEM angegeben sei, nicht aber deren Ergebnis. [X.]amit sei der Anmelderin außerdem die Möglichkeit genommen worden nachzuweisen, dass es sich bei der erfindungsgemäßen Anordnung der als Anschläge dienenden Verbreiterungen an den Schneid- statt an den [X.]en nicht um eine kinematische Umkehr handele.

[X.]iese Rüge ist ebenfalls unbegründet.

aa) [X.]as Patentgericht hat sich nicht in Widerspruch zu seiner Ankündigung in der mündlichen Verhandlung gesetzt. Vielmehr ist es in seinem Beschluss zu der Beurteilung gekommen, dass die vorgetragenen Wirkungsunterschiede für die rechtliche Beurteilung nicht maßgeblich seien. [X.]amit hat es den Vortrag zu den [X.] nicht in Frage gestellt, sondern - wie in der mündlichen Verhandlung angekündigt - als zutreffend unterstellt.

Soweit die Rechtsbeschwerde Anspruch 1 in diesem Zusammenhang anders auslegt als das Patentgericht, setzt sie lediglich ihr Verständnis von der Lehre des Patentanspruchs 1 an die Stelle der patentgerichtlichen Auslegung, zeigt aber keinen Gehörsverstoß auf.

bb) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt auch nicht darin, dass der Anmelderin aufgrund der Nichterhebung des angebotenen Beweises die Möglichkeit genommen wurde, nachzuweisen, dass es sich bei der Anordnung der als Anschläge dienenden Verbreiterung an den [X.]n statt an den [X.]en nicht um eine kinematische Umkehr handele.

[X.]as Patentgericht hat den Gesichtspunkt einer kinematischen Umkehr in seinem Beschluss zwar erwogen, darauf aber letztlich nicht abgestellt. Weiterer Vortrag zu diesem Thema war deshalb nicht entscheidungserheblich.

c) [X.] ergibt sich auch nicht daraus, dass das Patentgericht in dem angegriffenen Beschluss zu der Beurteilung gelangt ist, der Fachmann habe Anlass gehabt, dafür Sorge zu tragen, dass in den Bereichen, in denen die [X.]e 14, 16 am Grundkörper 12 der aus der [X.]3 bekannten [X.]elements angelenkt sind, die Zahl von Brüchen reduziert wird, ohne der Anmelderin diese Beurteilung zuvor in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt zu haben.

[X.]as Gericht muss den Verfahrensbeteiligten grundsätzlich nicht mitteilen, wie es den die Grundlage einer Entscheidung bildenden Sachverhalt voraussichtlich würdigen wird. Es reicht vielmehr in der Regel aus, wenn die Sach- und Rechtslage erörtert und den Beteiligten dadurch aufgezeigt wird, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung voraussichtlich von Bedeutung sein werden. Ein Hinweis kann lediglich geboten sein, wenn für die Beteiligten auch bei sorgfältiger Prozessführung nicht vorhersehbar ist, auf welche Erwägungen das Gericht seine Entscheidung stützen wird (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 28. November 2012 - [X.], [X.], 318 Rn. 10 - Sorbitol; Beschluss vom 27. März 2018 - [X.] Rn. 5).

Im Streitfall hat das Patentgericht seine Beurteilung auf das Vorbringen der Anmelderin gestützt, das objektive Problem bei dem aus der [X.]3 bekannten [X.] habe darin bestanden, dass es in den Bereichen, in denen die [X.]e 14, 16 am Grundkörper 12 angelenkt seien, insbesondere beim Klemmen relativ großer Leiterquerschnitte zu auffallend häufigen Brüchen gekommen sei. [X.]ie hieraus gezogene Schlussfolgerung, eine auffallende Häufung von Brüchen habe dem Fachmann Anlass gegeben, deren Zahl zu reduzieren, ist nicht fernliegend. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Anmelderin diesen Zusammenhang offensichtlich übersehen hatte oder dass ihr Vorbringen darauf gerichtet war, nur sie selbst habe die hohe Zahl von Brüchen erkannt, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

2. Auch die Rüge eines Begründungsmangels greift nicht durch.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Entscheidung auch dann im Sinne von § 100 Abs. 3 Nr. 6 [X.] nicht mit Gründen versehen, wenn sie zwar eine Begründung aufweist, aber wegen deren Unverständlichkeit oder Verworrenheit nicht erkennbar ist, welche tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen für die Entscheidung maßgeblich waren, oder wenn die angeführten Gründe sachlich inhaltslos sind und sich auf leere Redensarten oder auf die Wiedergabe des Gesetzestexts beschränken ([X.], Beschluss vom 10. August 2011 - [X.], [X.], 1055 Rn. 6 - Formkörper mit [X.]urchtrittsöffnungen).

b) Im Streitfall hat das Patentgericht nachvollziehbar begründet, weshalb es in der mit dem Bezugszeichen (30) beschriebenen Bereich nicht nur eine Klemm-, sondern auch eine Schneidezone sieht.

[X.]ie angeführte Begründung, in der Beschreibung der [X.] sei das [X.]urchschneiden der Lackisolierung erwähnt, ist zwar sehr knapp gefasst. Sie lässt dennoch hinreichend deutlich erkennen, welche Erwägungen für das Patentgericht maßgeblich waren.

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 22 Abs. 1 GKG).

IV. Eine mündliche Verhandlung erachtet der Senat für nicht erforderlich (§ 107 Abs. 1 [X.]).

[X.]     

      

Grabinski     

      

Hoffmann

      

[X.]eichfuß     

      

Marx     

      

Meta

X ZB 6/18

28.11.2019

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 4. April 2018, Az: 19 W (pat) 84/17, Beschluss

§ 100 Abs 3 Nr 3 PatG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.11.2019, Az. X ZB 6/18 (REWIS RS 2019, 1011)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1011

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X ZR 21/16 (Bundesgerichtshof)


X ZR 47/21 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitsverfahren: beschränkte Verteidigung eines mit Teilnichtigkeitsklage angegriffenen Patentanspruchs - Anschlussklemme


X ZR 91/09 (Bundesgerichtshof)


X ZB 18/22 (Bundesgerichtshof)


X ZR 73/20 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitssache: Öffentliche Zugänglichkeit gewonnener Erkenntnisse bei gewerblicher Entwicklungs- oder Erprobungstätigkeit; öffentliche Zugänglichkeit von nicht dem …


Referenzen
Wird zitiert von

XI ZB 18/17

Zitiert

X ZB 6/11

X ZB 11/17

X ZA 1/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.