Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.05.2019, Az. II B 55/18

2. Senat | REWIS RS 2019, 7286

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Gegenstand

Ungleichbehandlung von Grundstückskäufen und Anteilskäufen bei der Grunderwerbsteuer


Leitsatz

NV: Die Besteuerung des Erwerbs eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück von weniger als 95 % verstößt im Verhältnis zum nicht steuerbaren Erwerb eines entsprechenden Anteils an einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 4. April 2018 4 K 900/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Es bestehen bereits Zweifel, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Gründe für die Zulassung der Revision den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) entsprechend hinreichend dargelegt hat.

3

a) Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) orientierte rechtliche Auseinandersetzung (z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 31. Januar 2017 III B 55/16, [X.], 609, Rz 6).

4

b) Daran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat zwar die Rechtsprechung des [X.] umfangreich zitiert. Er hat sich jedoch nicht im Einzelnen mit deren Auswirkung auf die Regelungen des Grunderwerbsteuergesetzes ([X.]) oder mit den Besonderheiten des [X.] auseinandergesetzt und auch keinen konkreten Verfassungsverstoß aufgezeigt. Dem Vorbringen ist zwar zu entnehmen, dass der Kläger die Besteuerung des Erwerbs von Miteigentumsanteilen unter 95 % für gleichheitswidrig und damit für verfassungswidrig hält, weil der entsprechende Erwerb von Anteilen in gleicher Höhe an grundbesitzenden Gesellschaften nicht der Besteuerung unterliege. Der Kläger setzt sich jedoch nicht im Einzelnen mit den rechtlichen Unterschieden beider Erwerbsvorgänge auseinander. Der Erwerb von Miteigentumsanteilen wird in vielen Fällen noch nicht einmal wirtschaftlich dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen an grundbesitzenden Gesellschaften gleichkommen. Erst recht bestehen erhebliche rechtliche Unterschiede, die es nicht nur rechtfertigen, sondern sogar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gebieten, die unterschiedlichen Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Dies hat das Finanzgericht ([X.]) im Einzelnen in der Urteilsbegründung ausgeführt. Der Kläger setzt sich in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend damit auseinander.

5

2. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügt. Die Beschwerde ist nämlich in jedem Fall unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

6

a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O.

7

aa) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. [X.] ist eine Rechtsfrage, wenn hinsichtlich ihrer Beantwortung Unsicherheit besteht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird dagegen nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das [X.] getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] vom 29. August 2018 II B 9/18, [X.], 44, Rz 10).

8

Dieselben Grundsätze gelten für die Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. [X.] vom 21. Juni 2016 III B 95/15, [X.]/NV 2016, 1575, Rz 13).

9

bb) Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine verfassungswidrige Benachteiligung vorliegt, wenn bei einem Grundstückskauf weniger als 95 % einer Immobilie erworben werden und dafür Grunderwerbsteuer zu zahlen ist, während bei einem Anteilskauf von weniger als 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft keine Grunderwerbsteuer zu zahlen ist. Ein Verfassungsverstoß lässt sich jedoch anhand der Regelungen des [X.] und der Rechtsprechung des [X.] verneinen.

cc) Wie das [X.] in seiner Urteilsbegründung bereits unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des [X.] im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, gebietet der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02, [X.]E 112, 164, und vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, [X.]E 116, 164). Daraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und [X.] unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an [X.] reichen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 7. November 2006  1 BvL 10/02, [X.]E 117, 1, [X.], 192, und vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, [X.]E 123, 1, [X.], 1035).

dd) Im Bereich des Steuerrechts wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.]E 116, 164, und in [X.]E 117, 1, [X.], 192). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleichhoch zu besteuern (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]E 116, 164). Bei der Ausgestaltung des [X.] muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.]E 116, 164, und in [X.]E 117, 1, [X.], 192). Anders als bei der Einkommensteuer kommt dem Leistungsfähigkeitsgrundsatz für die [X.] und Verkehrsteuern jedoch keine prägende Bedeutung zu (vgl. [X.]-Urteil vom 9. April 2008 II R 32/06, [X.]/NV 2008, 1526).

ee) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, den Erwerb eines Miteigentumsanteils von weniger als 95 % anders zu besteuern als den Erwerb von weniger als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft.

Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unterscheidet sich sowohl in rechtlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht grundlegend von dem Erwerb eines [X.] an einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft. Während beim Erwerb des Miteigentumsanteils das Eigentum an dem Grundstück (anteilig) auf den Erwerber übergeht, erlangt der Erwerber des [X.] nicht unmittelbar Eigentum an den der Gesellschaft gehörenden Grundstücken. Die Erwerbstatbestände des Grunderwerbsteuergesetzes besteuern Rechtsträgerwechsel an Grundstücken. Bei dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen findet jedoch kein Rechtsträgerwechsel statt. Es bedarf einer gesetzlichen Fiktion, den Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft einem Rechtsträgerwechsel an den der Gesellschaft gehörenden Grundstücken grunderwerbsteuerrechtlich gleichzusetzen. Insoweit ist es sachgerecht, nicht jeden Erwerb eines [X.] an einer grundbesitzenden Gesellschaft einem anteiligen Grundstückserwerb gleichzusetzen, sondern nur solche, die einem Rechtsträgerwechsel nahekommen. Dabei kann im Streitfall dahinstehen, ab welchem Anteilserwerb die Annahme eines fiktiven Rechtsträgerwechsels im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG noch gerechtfertigt ist. Der Erwerb eines Anteils in Höhe von 3/14 --wie im [X.] ist einem (anteiligen) Rechtsträgerwechsel jedenfalls nicht gleichzusetzen.

b) Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) zuzulassen.

aa) Die Zulassung der Revision aus diesem Grund setzt voraus, dass das [X.] in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des [X.] zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 9. September 2015 II B 28/15, [X.]/NV 2015, 1668, Rz 9, und vom 12. Juni 2017 III B 157/16, [X.], 1318, Rz 13). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen [X.]-Urteil einerseits und aus den behaupteten, genau bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. [X.] in [X.]/NV 2015, 1668, Rz 9).

bb) Nach Auffassung des [X.] ist das [X.] von der Entscheidung des [X.] zur Einheitsbewertung des [X.] ([X.]-Urteil vom 10. April 2018  1 BvL 11/14, [X.]E 148, 147) insoweit abgewichen, als es genügen lasse, dass eine Steuer auf dem Papier gleichmäßig wirke, während das [X.] verlange, dass eine Steuer auch in der Realität gleichmäßig belasten müsse.

Tatsächlich ist das [X.] jedoch nicht von der Rechtsprechung des [X.] abgewichen. Es hat lediglich seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Gestaltungsanfälligkeit des § 1 Abs. 3 [X.] keine Verfassungswidrigkeit begründe. Insoweit beruht das Urteil auf der Rechtsprechung des [X.], der bereits entschieden hat, dass § 1 Abs. 3 [X.] trotz der im Hinblick auf die durch das Gesetz selbst eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten nicht verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Besteuerungstatbestände so auszugestalten, dass ihre Erfüllung nicht vermieden werden könne ([X.] vom 23. August 2004 II B 122/03, juris, unter 1.). Im Übrigen will § 1 Abs. 3 [X.] gerade durch die Fiktion eines Rechtsträgerwechsels auch solche Gestaltungen erfassen, die einem Grundstückserwerb gleichkommen, ohne dass ein Grundstück oder ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück übertragen wird. Die Vorschrift dient damit gerade der gleichmäßigen Erfassung von grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgängen.

3. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

4. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.

Meta

II B 55/18

15.05.2019

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 4. April 2018, Az: 4 K 900/17, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 1 Abs 3 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.05.2019, Az. II B 55/18 (REWIS RS 2019, 7286)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7286


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. II B 55/18

Bundesfinanzhof, II B 55/18, 15.05.2019.


Az. 4 K 900/17

FG Nürnberg, 4 K 900/17, 04.04.2018.


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