Bundessozialgericht, Urteil vom 20.02.2014, Az. B 14 AS 53/12 R

14. Senat | REWIS RS 2014, 7665

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - keine Absetzbarkeit von Unterhaltszahlungen auf Unterhaltsschulden


Leitsatz

Eine Zahlung auf Rückstände von titulierten Unterhaltsforderungen aus der Vergangenheit ist nicht als Absetzbetrag vom Einkommen nach dem SGB 2 zu berücksichtigen.

Tenor

Das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2011 wird geändert und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 8. April 2009 werden insgesamt zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind für alle Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Strittig ist nur noch für Januar 2007 die Höhe des vom beklagten Jobcenter den Klägern zu zahlenden Arbeitslosengeldes II ([X.]) im Hinblick auf die Berücksichtigung von Zahlungen des [X.] zu 2 auf Unterhaltsrückstände als Absetzbetrag von seinem Erwerbseinkommen.

2

Die Klägerin zu 1, geboren im Jahr 1973, und der Kläger zu 2, geboren im Jahr 1966, lebten zusammen in einem Haushalt mit den Kindern der Klägerin [X.], geboren am 28.9.1992, und [X.], geboren am 1.8.1996. Beide Kinder erhielten jeweils monatlich 257 [X.] Unterhalt und 154 [X.] Kindergeld. Monatlich waren für die Unterkunft zu zahlen 287,68 [X.] Grundmiete, 100,84 [X.] Betriebskosten sowie 93,12 [X.] Heizkosten - ohne Warmwasserbereitung. Der Kläger hatte monatlich ein Erwerbseinkommen von 960 [X.] brutto und 746,90 [X.] netto sowie Ausgaben für eine Kfz-Haftpflichtversicherung von 21,05 [X.] und Fahrkosten von 64,60 [X.]. Außerdem leistete er monatlich Zahlungen auf einen Unterhaltstitel in Höhe von 269 [X.] in dieser Höhe sowie weitere 150 [X.] auf Rückstände von ebenfalls titulierten Unterhaltsforderungen ihm gegenüber aus der Vergangenheit.

3

Der Beklagte bewilligte den Klägern für Januar 2007 insgesamt 690,67 [X.] [X.] (für die Klägerin 339,75 [X.], für den Kläger 350,92 [X.]) und berücksichtigte dabei die Regelleistungen, jeweils ein Viertel der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung sowie Mehrbedarfe für kostenaufwändige Ernährung (für die Klägerin: 35,79 [X.], für den Kläger: 51,13 [X.]; Bewilligungsbescheid vom 11.1.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18.4.2007; Widerspruchsbescheid vom 24.4.2007).

4

Das Sozialgericht ([X.]) hat die auf höheres [X.] gerichteten Klagen abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das [X.] (L[X.]) hat auf die Berufungen der Kläger den Beklagten verurteilt, für Januar bis September 2007 weiteres [X.], davon für Januar 2007 an die Klägerin weitere 59,98 [X.] und den Kläger weitere 48,81 [X.], zu zahlen, und ihre weitergehenden Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 7.12.2011). Zur Begründung hat es neben der rechnerischen Herleitung der Beträge als für das Ergebnis entscheidend ausgeführt, dass die Zahlungen des [X.] auf die Unterhaltsrückstände als Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] in der damaligen Fassung ([X.]B II aF) zu berücksichtigen seien, weil nach dem Wortlaut der Vorschrift die Absetzung nicht auf die laufenden Unterhaltszahlungen begrenzt sei, der Sinn der Regelung ebenfalls für diese Auslegung spreche und die Zahlungen auch nicht mit einer freiwilligen Schuldentilgung vergleichbar seien.

5

Der Beklagte hat die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt und rügt eine Verletzung des § 11 Abs 2 [X.]B II aF, weil es sich bei der Zahlung auf Unterhaltsrückstände um die Tilgung von Schulden handeln würde, nicht aber um laufende Unterhaltszahlungen.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Dezember 2011 zu ändern und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 8. April 2009 insgesamt zurückzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben auf Vorschlag des Senats sich hinsichtlich der im Revisionsverfahren ursprünglich ebenfalls umstrittenen Monate Februar bis September 2007 dem Ausgang des Verfahrens hinsichtlich des Monats Januar 2007 unterworfen sowie einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Das Urteil des [X.] vom 7.12.2011 ist zu ändern und die Berufungen der [X.]läger gegen das Urteil des [X.] sind insgesamt zurückzuweisen. Denn weder die [X.]lägerin noch der [X.]läger haben für Januar 2007 einen Anspruch auf höheres [X.] als ihnen der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden in Höhe von 339,75 [X.] für die [X.]lägerin und von 350,92 [X.] für den [X.]läger bewilligt hat.

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die aufgrund des [X.] zwischen den Beteiligten auf den Monat Januar 2007 beschränkte Überprüfung der Verurteilung des Beklagten durch das [X.] zur Zahlung von weiteren 59,98 [X.] an die [X.]lägerin und weiteren 48,81 [X.] an den [X.]läger, einschließlich der entsprechenden Änderungen des Urteils des [X.] und der Bescheide des Beklagten. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, insbesondere ist die Revision des Beklagten zulässig, ebenso die [X.]lagen und Berufungen der [X.]läger. Aufgrund des von allen Beteiligten erklärten Einverständnisses kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 [X.]G).

Rechtsgrundlage für den von den [X.]lägern geltend gemachten und vom [X.] zugesprochenen Anspruch auf höhere Leistungen sind §§ 19 ff iVm § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II in der für die strittige Zeit geltenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 ([X.] 2954, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2006, [X.] 3376, im Folgenden: [X.]B II aF). Denn in Rechtstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Die Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II, um Leistungen nach dem [X.]B II zu erhalten, werden von den [X.]lägern erfüllt, ebenso wenig liegt ein Ausschlusstatbestand (vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 [X.]B II) vor. Strittig ist nur das Ausmaß ihrer Hilfebedürftigkeit und damit die Höhe ihrer Ansprüche auf [X.].

Die [X.]läger haben keine höheren Ansprüche auf [X.] als die ihnen vom Beklagten bewilligten 339,75 [X.] für die [X.]lägerin und 350,92 [X.] für den [X.]läger, weil sie nur jeweils einen Anspruch auf 326,04 [X.] haben, wie sich aus der Verteilung nach § 9 Abs 2 [X.]B II (dazu 4.) ihres zu berücksichtigenden Einkommens von insgesamt 214,51 [X.] (dazu 3.) auf ihren jeweiligen Bedarf von 431,41 [X.] (dazu 2.) und den ihrer Bedarfsgemeinschaft angehörenden Tochter [X.] in Höhe von 15,41 [X.] (dazu 1.) ergibt. Ob sie zu berücksichtigendes Vermögen nach § 12 [X.]B II haben, kann angesichts dessen dahingestellt bleiben.

1. Die [X.]lägerin und der [X.]läger bilden eine Bedarfsgemeinschaft, weil sie, wie dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen entnommen werden kann, in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zusammenleben (vgl § 7 Abs 3 [X.], 3 [X.]B II aF).

Die Tochter [X.] der [X.]lägerin ist nicht Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft, weil sie ihren Bedarf aus ihrem Einkommen decken kann (vgl § 7 Abs 3 Nr 4 [X.]B II). Denn ihr Bedarf aus 207 [X.] Regelleistung plus anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 [X.]B II in Höhe von 120,41 [X.] (287,68 [X.] Grundmiete plus 100,84 [X.] Betriebskosten plus 93,12 [X.] Heizkosten - ohne Warmwasserbereitung - ergibt 481,64 [X.], dividiert nach dem [X.]opfteilprinzip durch vier) liegt unter ihrem zu berücksichtigenden Einkommen von 381 [X.], berechnet aus den 257 [X.] Unterhalt plus 154 [X.] [X.]indergeld, bereinigt um die [X.] nach § 3 [X.] Arbeitslosengeld II/[X.] vom 20.10.2004 ([X.] 2622, im Folgenden: [X.]-V 2004), sodass sogar ein [X.]indergeldüberhang von 53,59 [X.] verbleibt.

Die Tochter [X.] der [X.]lägerin ist hingegen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der [X.]läger, weil sie ihren Bedarf aus ihrem Einkommen nicht decken kann (vgl § 7 Abs 3 Nr 4 [X.]B II). Denn ihr Bedarf aus 276 [X.] Regelleistung plus anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 [X.]B II in Höhe von 120,41 [X.] liegt über ihrem zu berücksichtigenden Einkommen von 381 [X.], berechnet aus den 257 [X.] Unterhalt plus 154 [X.] [X.]indergeld, bereinigt um die [X.] nach § 3 [X.] [X.]-V 2004 (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] AS 39/08 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]0 ff), sodass eine Deckungslücke von 15,41 [X.] verbleibt.

2. Der Bedarf der [X.]läger errechnet sich mit jeweils 431,41 [X.], bestehend aus 311 [X.] Regelleistung nach § 20 Abs 3 [X.]B II aF und 120,41 [X.] anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 [X.]B II. Einen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 [X.]B II haben sie jeweils nicht, wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat.

Denn die den [X.]lägern vom Beklagten gewährten Mehrbedarfe wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 [X.]B II sind Teil des vorliegend umstrittenen [X.] (vgl nur Urteil des Senats vom heutigen Tage in der Sache [X.] AS 65/12 R mwN). Ein Anspruch auf einen solchen Mehrbedarf ist für die [X.]läger zu verneinen, da die bei ihnen bestehenden Erkrankungen Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus Typ I als Ernährung Vollkost bedingen und der [X.]ostenaufwand für diese mit dem in der Regelleistung enthaltenen Ernährungsanteil zu decken ist (vgl die Mehrbedarfsempfehlungen des [X.] von 2008 und die entsprechenden Ausführungen im zuvor genannten Urteil des Senats). Besondere Umstände des Einzelfalles, die eine andere Bewertung nach sich ziehen könnten, sind vom [X.] nicht festgestellt worden; von den Beteiligten sind keine dahingehenden [X.] erhoben worden.

3. Bei den [X.]lägern ist ein Einkommen von insgesamt 214,51 [X.] zu berücksichtigen.

Das Einkommen der [X.]lägerin von 23,59 [X.] ergibt sich aus dem [X.]indergeldüberhang ihrer Tochter [X.] in Höhe von 53,59 [X.] (vgl § 11 Abs 1 Satz 1, 3 [X.]B II aF), bereinigt um die [X.] nach § 3 [X.] [X.]-V 2004.

Beim [X.]läger ist ein Erwerbseinkommen von 190,92 [X.] zu berücksichtigen. Dieser Betrag ergibt sich ausgehend von seinem Nettoeinkommen von 746,90 [X.], wenn es um die einkommensbezogenen Absetzbeträge von insgesamt 286,98 [X.] (dazu a) und die Zahlung auf den titulierten laufenden Unterhalt (dazu b) bereinigt wird (746,90 - 286,98 - 269 = 190,92 [X.]). Seine Zahlung auf die [X.] ist jedoch - entgegen dem Urteil des [X.] - nicht von seinem Erwerbseinkommen abzusetzen (dazu c). Dem steht die Rechtsprechung zu den "bereiten Mitteln" nicht entgegen (dazu d).

a) Die einkommensbezogenen Absetzbeträge des [X.] errechnen sich ausgehend von seinem Nettoeinkommen von 746,90 [X.] mit insgesamt 286,98 [X.] wie folgt: Anstelle des Grundfreibetrags nach § 11 Abs 2 Satz 2 [X.]B II aF ist ein Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 3 [X.]B II aF von 130,98 [X.] anzusetzen, weil der [X.]läger nach den Feststellungen des [X.] zu berücksichtigende monatliche Aufwendungen nach § 11 Abs 2 Satz 1 [X.], 5 [X.]B II aF iVm § 3 [X.]-V 2004 in Höhe von 130,98 [X.] hatte ([X.] 30 [X.], [X.]fz-Haftpflichtversicherung 21,05 [X.], Werbungskostenpauschale 15,33 [X.], Fahrkosten 64,60 [X.]), plus 140 [X.] Freibetrag nach § 30 Satz 2 [X.] [X.]B II aF sowie 16 [X.] Freibetrag nach § 30 Satz 2 [X.] [X.]B II aF, weil das Bruttoeinkommen 960 [X.] betrug.

b) Außerdem sind - unstreitig - die laufenden Unterhaltszahlungen von 269 [X.] pro Monat abzusetzen (vgl § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 [X.]B II aF), weil es sich um eine Zahlung auf eine entsprechende titulierte Forderung handelt.

c) Die Zahlung des [X.] in Höhe von weiteren 150 [X.] auf Rückstände aus ebenfalls titulierten Unterhaltsforderungen ihm gegenüber aus der Vergangenheit ist jedoch - entgegen dem Urteil des [X.] - nicht als Absetzbetrag von seinem Erwerbseinkommen zu berücksichtigen.

Das [X.] hat hinsichtlich dieses Betrags ebenfalls die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 [X.]B II aF bejaht, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht auf die laufenden Unterhaltszahlungen begrenzt sei und eine teleologische Einschränkung der Vorschrift in dem Sinne, dass [X.] nicht erfasst sein sollten, weil es sich um Schulden handele, nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (Hinweis auf BT-Drucks 16/1410 [X.]) nicht gerechtfertigt sei, vielmehr habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten bis zu dem in einem Unterhaltstitel festgelegten Betrag nicht als "bereites" und damit als einsatzfähiges Einkommen zur Verfügung stehe, auch wenn noch keine Pfändung zugunsten eines Unterhaltsgläubigers erfolgt sei.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Wortlaut des früheren, im strittigen Zeitraum geltenden § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 [X.]B II aF, der mit dem heutigen § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 7 [X.]B II identisch ist, lautet: "Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag" und bezieht sich auf den einleitenden Satzteil "Vom Einkommen sind abzusetzen". Dem [X.] ist zuzubilligen, dass dem Wortlaut der Norm nicht entnommen werden kann, ob es sich um laufende Unterhaltsverpflichtungen handeln muss oder ggf auch Schulden für die Vergangenheit umfasst sein können. Entscheidend ist jedoch, und darüber geht das [X.] hinweg, dass nach dem Wortlaut nur Aufwendungen bis zur Höhe des in einem Unterhaltstitel festgelegten Betrags abgesetzt werden können, nicht aber darüber hinausgehende, nicht titulierte Beträge (B[X.] vom [X.] - [X.] AS 78/10 R - B[X.]E 107, 106 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5). Dem vom [X.] festgestellten Unterhaltstitel entsprechen nur die vom [X.]läger erbrachten Aufwendungen für die - laufenden - Unterhaltszahlungen in Höhe von 269 [X.], die auch als Absetzbetrag bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt wurden. Die vom [X.]läger begehrte und vom [X.] bejahte Absetzung seiner Zahlungen von weiteren 150 [X.] für [X.] geht gerade über diesen titulierten Betrag pro Monat hinaus.

Für diese an dem Unterhaltstitel und dem in ihm bezeichneten Betrag orientierte Auslegung streiten auch der Sinn und Zweck dieses Absetzbetrags, der einerseits bezogen ist auf die nach dem Monatsprinzip des [X.]B II (§ 41 [X.]B II) zu berechnenden Einnahmen der leistungsberechtigten Person und andererseits auf die ebenfalls nach Monaten berechneten Unterhaltsverpflichtungen sowie das den Leistungen nach dem [X.]B II ebenso wie den Unterhaltszahlungen zugrunde liegende Ziel, den aktuellen Lebensbedarf der betroffenen Personen zu sichern. Dies folgt auch aus der Gesetzesbegründung, die auszugsweise lautet: "Mit der Einfügung von Nummer 7 wird geregelt, dass Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag, den Betroffenen nicht als 'bereites', d. h. einsatzfähiges Einkommen zur Verfügung stehen" (BT-Drucks 16/1410 [X.]). Auch hierin wird der aktuelle Bezug zu dem titulierten Betrag zur Befriedigung des [X.] deutlich. Aus diesem gemeinsamen Ziel sowohl der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II als auch der Zahlung von Unterhalt, die Existenz der betroffenen Personen in bestimmten Zeitabschnitten zu sichern, wird deutlich, dass eine Auslegung, die eine Zahlung auf Schulden für die Vergangenheit miteinbezieht, die nicht von dem aktuell fälligen Titel umfasst sind, über das gesetzgeberische Ziel hinausgeht, zumal die Berücksichtigung von Aufwendungen zur Erfüllung titulierter gesetzlicher Unterhaltspflichten im Ergebnis bewirkt, dass die Unterhaltspflicht mittelbar vom Jobcenter getragen wird. Aus diesen Überlegungen folgt auch, dass entgegen der Auffassung des [X.] eine Gleichstellung von Zahlungen auf [X.] mit laufenden Unterhaltszahlungen grundsätzlich nicht möglich ist, weil sich beide Zahlungsziele grundlegend unterscheiden. Laufende Zahlungen dienen der Befriedigung des aktuellen Bedarfs, während Zahlungen auf [X.] zunächst die Vergangenheit betreffen, auch wenn diese in aller Regel Auswirkungen auf die Gegenwart hat.

Aus systematischen Gründen spricht gegen eine Berücksichtigung von Zahlungen auf [X.] als Absetzbetrag, dass als Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen zu berücksichtigen sind und Ausnahmen nur für bestimmte Einnahmen und bestimmte Absetzbeträge gemacht werden (vgl § 11 [X.]B II aF; §§ 11 bis 11b [X.]B II nF). Angesichts dieses [X.] bedarf das Eingreifen einer Ausnahme einer klaren gesetzlichen Rechtsgrundlage (den Ausnahmecharakter betonend auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 11b Rd[X.]57 ff). Zudem ist zu beachten, dass das [X.]B II die Übernahme von Schulden nur ausnahmsweise vorsieht, nämlich zur Sicherung der Unterkunft, aber auch dann in der Regel nur darlehensweise (§ 22 Abs 5 [X.]B II aF, § 22 Abs 8 [X.]B II nF; vgl zur grundsätzlichen Verneinung der Übernahme von Schulden schon die Gesetzesbegründung zum Entwurf des [X.]B II in BT-Drucks 15/1516 [X.] sowie: B[X.] vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R - B[X.]E 101, 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5, Rd[X.]9; B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 112, 229 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]4; Söhngen in Juris-P[X.] [X.]B II, § 11b Rd[X.]6). Dies folgt aus dem Zweck der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II, in einer aktuellen Notlage das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum zu sichern (vgl § 1 Abs 1 [X.]B II nF). Die durch die Berücksichtigung einer Zahlung auf [X.] als Absetzbetrag von den Einnahmen bewirkte mittelbare Übernahme von solchen Schulden durch das Jobcenter ist damit nicht in Einklang zu bringen.

Aus der Vorschrift des § 170 Strafgesetzbuch (StGB) über die Strafbarkeit bei einer Verletzung der Unterhaltspflicht folgt nichts Anderes, weil diese voraussetzt, dass der Betreffende "sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht" und auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit erfüllt ist (Fischer, StGB, 60. Aufl 2013, § 170 RdNr 8 ff). Dass eine Person, die neben ihrem Erwerbseinkommen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II als sog Aufstocker erhält, diese Tatbestandsmerkmale erfüllt, ist von weiteren Voraussetzungen abhängig, nicht aber die automatische Folge einer Nichtzahlung auf [X.], wenn die laufenden Unterhaltspflichten erfüllt werden.

Die Regelung des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 [X.]B II aF trägt im Übrigen durch ihre Bezugnahme auf den in dem Unterhaltstitel festgelegten Betrag auch Gründen der Verwaltungspraktikabilität Rechnung, weil durch die Vorlage des Titels und des Nachweises der Zahlung der Absetzbetrag relativ einfach zu bestimmen ist (B[X.] vom [X.] - [X.] AS 78/10 R - B[X.]E 107, 106 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5, Rd[X.]6). Dies ist aber nicht mehr der Fall, wenn über den titulierten Betrag hinausgehende Zahlungen auf [X.] als Abzugsbetrag berücksichtigt werden, wie es nach der Entscheidung des [X.] der Fall wäre.

d) Die Zahlung der 150 [X.] auf die [X.] führt auch nicht aufgrund der Rechtsprechung zu Einkommen als "bereiten Mitteln" zu einer entsprechenden Verringerung des zu berücksichtigenden Einkommens. Diese Rechtsprechung bezieht sich vielmehr auf die Berücksichtigung von fiktiven Einnahmen, insbesondere in Fallkonstellationen, in denen den Anspruchstellern eine größere einmalige Einnahme zugeflossen war, die nach den jeweiligen normativen Vorgaben auf mehrere Monate aufzuteilen war und letztlich in den jeweiligen Monaten eine fiktive Einkommensanrechnung erfolgte (vgl § 2 Abs 3 [X.]-V 2004, heute § 11 Abs 3 [X.]B II nF; vgl B[X.] vom 25.1.2012 - [X.] [X.]/11 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]; B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 112, 229 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]; B[X.] vom [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]), oder wenn bestimmte Einkommensteile zB gepfändet waren und von daher von vornherein nicht zur Verfügung standen (B[X.] vom 10.5.2011 - [X.] [X.]G 1/10 R - B[X.]E 108, 144 = [X.] 4-5870 § 6a [X.], Rd[X.]9: Pfändung; B[X.] vom 16.5.2012 - [X.] AS 132/11 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]2: Einbehaltung eines Betriebskostenguthabens). Vorliegend ist jedoch nicht die Berücksichtigung einer fiktiven oder den [X.]lägern grundsätzlich von vornherein nicht zur Verfügung stehenden Einnahme umstritten, sondern ein Absetzbetrag von einem realen Einkommenszufluss im jeweiligen Monat, also letztlich die Berücksichtigung einer bestimmten mangels Pfändung nicht zwingenden Einkommensverwendung.

Auch die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 [X.]B II aF geht davon aus, dass es sich bei den zufließenden Einnahmen grundsätzlich um bereite Mittel handelt, solange keine Pfändung erfolgt ist (ebenso B[X.] vom [X.] - [X.] AS 78/10 R - B[X.]E 107, 106 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5, Rd[X.]1) und hat gerade mit dieser Begründung den weiteren Absetzbetrag wegen der erbrachten laufenden Unterhaltszahlungen bis zur titulierten Höhe geschaffen.

4. Der Anspruch der [X.]lägerin und des [X.] auf jeweils 326,04 [X.] [X.] im Januar 2007 errechnet sich aus ihren Gesamtbedarfen von jeweils 431,41 [X.] plus dem Restbedarf der ihrer Bedarfsgemeinschaft angehörenden Tochter [X.] in Höhe von 15,41 [X.] und der anteilsmäßigen Verteilung ihres zu berücksichtigenden Einkommens von insgesamt 214,51 [X.] nach § 9 Abs 2 [X.]B II.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 53/12 R

20.02.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Schwerin, 8. April 2009, Az: S 11 AS 498/07, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11 Abs 2 S 1 Nr 7 SGB 2, § 11b Abs 1 S 1 Nr 7 SGB 2, § 41 Abs 1 S 3 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.02.2014, Az. B 14 AS 53/12 R (REWIS RS 2014, 7665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7665

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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