Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.06.2011, Az. X B 245/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 5944

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verstoß gegen klaren Akteninhalt


Leitsatz

NV: Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt vor, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht .

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) liegen nicht vor.

2

1. Das Finanzgericht ([X.]) hat den Anspruch des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O) nicht verletzt.

3

a) Das Recht auf Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 29. November 1990 IV R 30/90, [X.] 1991, 531). Für die schlüssige Rüge einer Verletzung des Rechts auf Gehör muss der Kläger darlegen, inwiefern ihm das [X.] das rechtliche Gehör versagt habe, zu welchen dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Tatsachen er sich nicht habe äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des Gehörs noch vorgetragen hätte, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, den [X.] vor dem [X.] zu rügen und inwiefern sein unterbliebenes Vorbringen die Entscheidung des [X.] auf der Grundlage dessen materiell-rechtlicher Auffassung anders hätte ausfallen lassen können (z.B. [X.] vom 24. November 2000 [X.]/99, nicht veröffentlicht). Ein Gericht ist aber nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, die nach seiner Rechtsauffassung unerheblich oder unsubstantiiert sind.

4

b) Der Kläger rügt, seine Ausführungen zu dem [X.] nicht mehr existenten [X.] auf Übertragung eines Grundstücks habe das [X.] zwar im Tatbestand erwähnt, in den Entscheidungsgründen jedoch nicht mehr in Erwägung gezogen und das Gedächtnisprotokoll seines Onkels nicht beachtet. Damit macht der Kläger nach Auffassung des Senats jedoch nicht die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, sondern bringt zum Ausdruck, das [X.] habe dieses Vorbringen im Rahmen seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung nicht mit dem Gewicht berücksichtigt, das der Kläger selbst für geboten hält. Die Grundsätze der Tatsachen- und Beweiswürdigung sind aber revisionsrechtlich dem materiellen Recht zugeordnet und deshalb der Prüfung des [X.] im Rahmen eines mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten [X.]S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O entzogen (vgl. [X.] vom 20. August 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 2233).

5

2. Auch die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht des [X.] führt nicht zur Zulassung.

6

Es kann dahinstehen, ob das Vorbringen des [X.] im Schriftsatz vom 6. April 2011, dem [X.] sei ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O) vorzuwerfen, weil es das Gedächtnisprotokoll des Onkels nicht beachtet habe, verspätet ist. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt jedenfalls nicht vor.

7

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt u.a. dann vor, wenn das [X.] eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 17. März 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 1827, m.w.N.).

8

Nach diesem Maßstab hat der Kläger auch insoweit lediglich eine fehlerhafte Beweiswürdigung geltend gemacht, die nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Das [X.] hat dem vom Kläger vorgelegten Gedächtnisprotokoll des Onkels vom 1. Oktober 2010 keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass der Vater des [X.] nach dem Tod seiner Mutter aufgrund des Vermächtnisses wirtschaftlicher Eigentümer des betrieblich genutzten Grundstücks geworden sei und hieran auch das Vorkaufsrecht des Onkels nichts geändert habe. Zudem bestätige der tatsächliche Geschehensablauf nach dem Tod der Mutter, dass das Grundstück --wirtschaftlich betrachtet-- dem Vater des [X.] zuzurechnen gewesen sei. Der Vater habe das Grundstück in die Eröffnungsbilanz aufgenommen, in den Bilanzen der Folgejahre weitergeführt, zumindest partiell die Grundstücksaufwendungen getragen und kein Entgelt für die laufende Grundstücksnutzung entrichtet.

9

Im Übrigen stellt sich die Frage, weshalb der Onkel des [X.] diesem aufgrund des notariellen Vertrags vom 5. Oktober 2004 für den Verzicht auf das Vermächtnis bezüglich Grundstücksübertragung 170.000 € bezahlen sollte, wenn --entsprechend dem klägerischen [X.] doch schon der Vater gegenüber seinem Bruder den [X.] gemäß § 2180 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeschlagen hatte. Zudem ergibt sich aus dem Gedächtnisprotokoll des Onkels, dass die Verhandlungen über das Vermächtnis angesichts der schweren Krankheit des [X.] erst mit dem [X.] abgeschlossen werden konnten.

Meta

X B 245/10

08.06.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 11. November 2010, Az: 11 K 4309/07 F, Urteil

§ 96 Abs 1 S 1 Halbs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.06.2011, Az. X B 245/10 (REWIS RS 2011, 5944)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5944

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV B 3/10 (Bundesfinanzhof)

Verstoß gegen klaren Inhalt der Akten; gewerblicher Grundstückshandel


X B 151/10 (Bundesfinanzhof)

Darlegungserfordernisse bei grundsätzlicher Bedeutung - Verfahrensmangel bei Zeugenvernehmung


III B 53/12 (Bundesfinanzhof)

Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten - Ermittlungspflicht des FG - Rechtliches Gehör


IX B 110/15 (Bundesfinanzhof)

Widerruf des Verzichts auf mündliche Verhandlung


XI B 17/11 (Bundesfinanzhof)

Freie Beweiswürdigung - Akteninhalt - Umsatzbesteuerung der entgeltlichen Leistungen eines regionalen Vereins zur Förderung des …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.