Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2016, Az. 1 StR 352/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 11522

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:110516B1STR352.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 352/15

vom
11. Mai
2016
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

4.

wegen
zu 1.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.

zu 2. bis 4.: Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat am 11.
Mai 2016
beschlossen:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 4.
Dezember 2014 werden als unbe-gründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§
349 Abs.
2 [X.]).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:
1.
Die von den Angeklagten B.

, Ba.

und D.

erhobenen [X.] der Verletzung von §
338 Nr.
7
[X.].
§
275 Abs.
1 und 2 [X.] dringen unter keinem der durch die jeweilige Angriffsrichtung der Verfahrensbeanstan-dungen erfassten Aspekte durch.
a)
Eine Verletzung von §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] liegt nicht vor. Das
Urteil ist innerhalb der bis zum 5.
Februar 2015 laufenden Frist vollständig ab-gesetzt worden. Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle (§
275 Abs.
1 Satz
5 [X.]) auf dem zu den Akten gelangten Urteil ist dieses am 27.
Januar 2015 und damit vor Ablauf der am 5.
Februar 2015 endenden Absetzungsfrist dort eingegangen. Es trägt die Unterschriften der Vorsitzenden und eines der beiden beisitzenden [X.]. Bezüglich des weiteren Beisitzers hat die [X.] auf dieser [X.] einen Verhinderungsvermerk angebracht, nach dem der betreffende [X.] wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert ist. 1
2
-
3
-
Durch den Vermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist die Einhaltung der Absetzungsfrist belegt, auch wenn es sich bei dem Vermerk gemäß §
275 Abs.
1 Satz
5 [X.] nicht um die einzige Weise handelt, durch die der Nachweis der Fristwahrung erbracht werden kann ([X.], Beschluss vom 21.
April 2015

1
StR
555/14 Rn.
7).
Dem Nachweis der Einhaltung der Absetzungsfrist steht nicht entgegen, dass die den Verteidigern zunächst zugestellten Urteilsausfertigungen den auf dem [X.] vorhandenen Verhinderungsvermerk nicht erkennen ließen. Anhaltspunkte für eine erst nachträgliche Anbringung dieses Vermerks und eine damit inhaltlich unrichtige Beurkundung sind nicht ersichtlich. Dienstliche Erklä-rungen über den Zeitpunkt der Anbringung des Verhinderungsvermerks und den Grund für die zunächst erfolgte Zustellung von diesen nicht enthaltenden Urteilsausfertigungen waren daher nicht einzuholen.
b)
Soweit die Revisionen der genannten Angeklagten zudem eine Verlet-zung von §
275 Abs.
2 Satz
2 [X.] beanstanden, bleiben diese ebenfalls ohne Erfolg.
aa)
Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit der jeweiligen Rü-gen, weil diese nicht sämtliche tatsächlichen Umstände vortragen, aus denen sich ein Verstoß der Vorsitzenden gegen §
275 Abs.
2 Satz
2 [X.] ergeben soll.
bb)
Jedenfalls sind die Beanstandungen unbegründet.
3
4
5
6
-
4
-

(1)
Nach in der Sache übereinstimmender Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs steht dem Vorsitzenden ein Spielraum hinsichtlich der Annahme der Verhinderung eines Beisitzers aus tatsächlichen Gründen zu (vgl. [X.], Urteile vom 18.
Januar 1983

1
StR
757/82, [X.]St 31, 212, 215; vom 23.
Ok-tober
1992

5
StR
364/92, [X.], 96; [X.], Beschluss vom 14.
Septem-ber 2011

5
StR
331/11, [X.]R [X.] §
275 Abs.
2 Satz
2 Verhinderung
8 so-wie Beschluss vom 27.
Oktober 2010

2
StR
331/10, [X.], 358
f.). Teils wird dieser Spielraum als Ausübung pflichtgemäßen Ermessens verstanden ([X.], Urteile vom 18.
Januar 1983

1
StR
757/82, [X.]St 31, 212, 215; vom 23.
Oktober 1992

5
StR
364/92, [X.], 96), teils als Beurteilungsspiel-raum gedeutet ([X.], Beschlüsse
vom
14.
September 2011

5
StR
331/11, [X.]R [X.] §
275 Abs.
2 Satz
2 Verhinderung
8 und vom 27.
Oktober 2010

2
StR 331/10, [X.], 358
f.). Ungeachtet der Unterschiede in den [X.] besteht in der Sache Einigkeit darüber, dass der im Verhinde-rungsvermerk genannte Grund generell geeignet sein muss, den [X.] von der im Gesetz als Grundsatz vorgesehenen Unterschriftsleistung (§
275 Abs.
2 Satz
1 [X.]) abzuhalten ([X.], Urteile vom 18.
Januar 1983

1
StR
757/82, [X.]St 31, 212, 215
und
vom 23.
Oktober 1992

5
StR
364/92, [X.], 96). Durch Urlaub eines [X.]s bedingte Abwesenheit stellt einen solchen Grund dar (siehe nur [X.], Beschluss vom 14.
September 2011

5
StR
331/11, [X.]R [X.] §
275 Abs.
2 Satz
2 Verhinderung
8; [X.] in [X.] Kommentar zur [X.], 7.
Aufl., §
275 Rn.
33 mwN; [X.] in Systematischer Kommentar zur [X.], 4.
Aufl., Band
V, §
275 Rn.
35). Ob im konkreten Fall ein generell geeigneter Grund zur Verhinderung eines an der Urteilsfindung betei-ligten [X.]s führt, obliegt der Beurteilung des Vorsitzenden (vgl. [X.], Urteil vom 18.
Januar 1983

1
StR
757/82, [X.]St 31, 212, 215).
7
-
5
-
Wurde

wie vorliegend

eine Verhinderung fristgerecht beurkundet und auf einen diese grundsätzlich tragenden Grund gestützt, kann das Revisions-gericht die Entscheidung des Vorsitzenden lediglich daraufhin überprüfen, ob dabei der eingeräumte Spielraum in rechtsfehlerhafter Weise überschritten ist oder die Annahme der Verhinderung auf sachfremden Erwägungen beruht und sie sich deshalb als willkürlich erweist ([X.],
aaO [X.]St 31, 212, 214; [X.], Urteil vom 23.
Oktober 1992

5
StR
364/92, [X.], 96; [X.], Beschluss vom 8.
Juni 2011

3
StR
56/11 Rn.
13; [X.] in [X.] Kommentar zur [X.], aaO, §
275 Rn.
70; [X.] in Systematischer Kommentar zur [X.], aaO, §
275 Rn.
47 [X.].
Rn.
33). Diese Voraussetzungen sind auf der Grundlage der von den Revisionen vorgetragenen tatsächlichen Umstände nicht gegeben.
(2)
Soweit die von Rechtsanwältin Be.

begründete Revision des Angeklagten B.

geltend macht, bereits bei einer anderen Gestaltung der Hauptverhandlungstermine hätte die Vorsitzende eine Unterschriftsleistung durch den urlaubsabwesenden [X.] ermöglichen können, zeigt sie damit sachfremde Erwägungen oder eine Überschreitung des [X.] nicht auf. Die Vorsitzende war auch nicht gehalten, mit der Anbringung eines Verhinderungsvermerks bis zum Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist zu warten, um gegebenenfalls dem zu diesem Zeitpunkt urlaubsabwesenden Beisitzer noch eine Unterschriftsleistung zu ermöglichen. Es handelt sich um eine er Erinne-Hauptverhandlung und der Beratung zu sichern ([X.], Beschluss vom 21.
April 2015

1
StR
555/14 Rn.
12 mwN). Dies darf in die Entscheidung, einen [X.] vor
Ausschöpfung der Absetzungsfrist anzubringen, einbe-zogen werden.
8
9
-
6
-
(3)
Stützt sich der Vermerk auf einen generell die Verhinderung tragen-den Grund, bedarf es keiner näheren Ausführungen des Vorsitzenden zu den Umständen der Verhinderung ([X.], Urteil vom 18.
Januar 1983

1
StR 757/82, [X.]St 31, 212, 215; [X.] in [X.] Kommentar zur [X.], aaO, §
275 Rn.
36; siehe auch [X.] [X.], 359).
cc)
Wollten die Revisionen weitergehend Umstände geltend machen, aus denen sich eine rechtsfehlerhafte Überschreitung des Spielraums der [X.]n oder der Einbeziehung sachfremder Erwägungen ergeben soll, wäre dazu substantiierter und schlüssiger Vortrag erforderlich gewesen ([X.],
aaO; [X.], Beschluss vom 23.
Oktober 1992

5
StR
364/92, [X.], 96). Daran
fehlt es.
dd)
Die Revisionen haben auch mit der Beanstandung, die Vorsitzende habe entgegen §
275 Abs.
2 Satz
1 [X.] keine ausreichenden organisatori-schen Vorkehrungen getroffen, um die Unterzeichnung des Urteils durch den urlaubsabwesenden Beisitzer zu ermöglichen, keinen Erfolg.
Die Rechtsprechung des [X.] hat eine solche Pflicht bis-

275 Abs.
1 [X.] angenommen ([X.], Beschlüsse vom 26.
April 2006

5
StR
21/06, [X.], 586
f. und vom 8.
Juni 2011

3
StR
95/11 Rn.
14 mit zahlr. Nachw.). Dabei handelte es sich jeweils um Konstellationen, in denen die (mögliche) Verhinde-rung eines an der Entscheidung mitwirkenden [X.]s auf dessen mittlerweile erfolgten Versetzung bzw. Abordnung an ein anderes Gericht beruhte (so auch in der [X.], Beschluss vom 27.
Oktober 2010

2
StR
331/10, [X.], 358
f. zugrunde liegenden Verfahrenslage). Die für eine derartige Pflicht in den Fällen der Abordnung oder Versetzung angeführten Gründe (vgl.
[X.],
jeweils 10
11
12
13
-
7
-
aaO) lassen sich auf die Inanspruchnahme von Urlaub durch den betroffenen [X.] nicht übertragen.
Im Übrigen darf das Aufstellen einer Pflicht des Vorsitzenden, organisa-torische Vorkehrungen zu treffen, die eine Unterschriftleistung durch sämtliche an der Entscheidung mitwirkenden Berufsrichter ermöglichen, nicht zu einer Veränderung des zuvor dargelegten revisionsgerichtlichen [X.] hinsichtlich der Annahme tatsächlicher Verhinderung führen. Ist das Revisions-gericht insoweit auf eine Willkürkontrolle beschränkt (Rn.
7 und 8), kann es nicht berechtigt sein, mittels bis ins Einzelne gehender Kontrolle ergriffener
(oder unterlassener) organisatorischer Maßnahmen die angenommene Verhin-derung unterhalb der

mit einer entsprechenden Verfahrensrüge vorzutragen-der

Schwelle sachfremder Erwägungen oder einer rechtsfehlerhaften Über-schreitung des Spielraums des Vorsitzenden zu überprüfen. Sollte der Be-schluss des 2.
Strafsenats vom 27.
Oktober 2010 (2
StR
331/10, [X.], 358
f.) so zu verstehen sein, dass das Revisionsgericht anhand von Aspekten wie etwa dem Umfang des fraglichen Urteils, dem bis zum Ablauf der [X.] noch zur Verfügung stehenden Zeitraum o.ä. (vgl. [X.],
aaO [X.], 358) vollumfänglich eigenständig die tatsächliche Verhinderung des be-troffenen [X.]s prüfen darf, würde der Senat dem auch für Fälle der Verset-zung oder Abordnung nicht folgen wollen. Denn ein derartiger, auf die rechts-mittelgerichtliche Kontrolle organisatorischer Maßnahmen des Vorsitzenden
des erkennenden Gerichts bezogener Prüfungsmaßstab ist mit dem bislang in der Rechtsprechung zu Recht angenommenen Umfang der revisionsgerichtlichen Überprüfung von Beurteilungen des Vorsitzenden über die tatsächliche Verhin-derung nicht vereinbar (vgl. [X.] [X.], 359).
14
-
8
-
2.
Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellun-gen tragen die Verurteilung des Angeklagten A.

wegen Geldwäsche und wegen versuchter Geldwäsche in den Fällen
D.II. Tatkomplex
4,
Taten
22 und 23 der Urteilsgründe.
Der Angeklagte hat bei der
Tat 22 einem anderen, dem gesondert ver-folgten Ak.

, durch die seitens des

M.

an Ak.

geleisteten Zahlungen
in einer Gesamthöhe von 15.000
Euro (UA S.
105
f.)

261 Abs.
1 Satz
3 StGB) verschafft (§
261 Abs.
2 Nr.
1 StGB), der aus einer von §
261 Abs.
1 Satz
1 [X.].
Satz
2 Nr.
4 Buchst.
b) erfassten Vortat stammte, nämlich einer bandenmäßig begangenen Steuerhinterziehung von [X.] Biersteuer (§
370 Abs.
1, Abs.
3 Satz
2 Nr.
5 [X.].
Abs.

261 Abs.
1 Satz
1 StGB gelten gemäß §
261 Abs.
1 Satz
3 StGB in den Fällen gewerbs-
oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung auch die durch eine solche Tat ersparten Aufwendungen. Um solche handelt es sich hier, weil der zur Zahlung veranlass-te M.

durch unrichtige Steuererklärungen gegenüber den zuständi-gen [X.] Finanzbehörden von ihm geschuldete Biersteuer nicht ent-richtet hatte. Die durch Mitwirkung des Angeklagten seitens M.

an Ak.

geleisteten Beträge rührten auch aus den [X.] Steuerhinterziehung her. Denn dafür genügt es bereits, dass zwischen dem
[X.] vom 18.
Februar 2009

1
StR
4/09,
[X.]St 53, 205, 209 Rn.
13). So verhält es sich hier. M.

verfügte über entsprechende Gelder, weil er in
großem Umfang Bier von [X.] in das [X.] veräußerte bzw. veräußern ließ, ohne die dafür geschuldete [X.] Biersteuer zu entrichten.
15
16
-
9
-
Entsprechendes gilt bei der Tat
23 hinsichtlich derjenigen Geldbeträge, die der Angeklagte und Ak.

zugunsten des gesondert Verfolgten Al.

bei dem

[X.]

, der ebenfalls unversteuert Bier von [X.] aus in das [X.] lieferte und dort veräußerte, erfolglos einforderten.
Raum
Jäger
Radtke

Mosbacher
Fischer
17

Meta

1 StR 352/15

11.05.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2016, Az. 1 StR 352/15 (REWIS RS 2016, 11522)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11522

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 352/15

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