Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2012, Az. 3 StR 392/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 9195

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Gegenstand

Zueignungsabsicht beim Raub: Gewaltsame Wegnahme eines Mobiltelefons zwecks Durchsuchens und Kopierens von Bilddateien als Raub oder räuberische Erpressung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. April 2011, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung verurteilt ist;

b) aufgehoben

- mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Einzelstrafe wegen Raubes; der Ausspruch entfällt,

- im Rechtsfolgenausspruch im Übrigen unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen; insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Raubes und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.]PO.

2

1. [X.] (§ 249 Abs. 1 [X.]GB) hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

3

a) Nach den insoweit rechtfehlerfrei getroffenen Feststellungen entwand der Angeklagte dem Geschädigten gegen dessen Widerstand ein Mobiltelefon, um im Speicher des Geräts nach Beweisen für die Art der Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Schwester des Mitangeklagten zu suchen. Ob der Geschädigte das Gerät zurückerlangen würde, war ihm dabei gleichgültig. Später übertrug er darin gespeicherte Bilddateien auf sein eigenes Handy, um sie an Dritte zu verschicken.

4

b) Danach hat sich der Angeklagte nicht eines Verbrechens des Raubes, sondern nur einer Nötigung (§ 240 Abs. 1 [X.]GB) schuldig gemacht, denn er handelte nicht, wie § 249 Abs. 1 [X.]GB voraussetzt, in der Absicht, das Mobiltelefon sich oder einem [X.] zuzueignen. Weder wollte er sich den Substanz- oder Sachwert des Geräts aneignen noch hat er dessen Wert durch den vorübergehenden Gebrauch gemindert (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 1968 - 4 [X.]R 398/68, [X.] 1969, 306, 307 zur fehlenden Aneignungskomponente bei der Wegnahme zwecks Inhaftierung; S/S-Eser/[X.], [X.]GB, 28. Aufl., § 242 Rn. 53, 55; NK-[X.]GB-Kindhäuser, 3. Aufl., § 242 Rn. 82; LK/[X.], [X.]GB, 12. Aufl., § 242 Rn. 150). Es fehlt an dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des [X.], den Bestand seines Vermögens oder den eines [X.] zu ändern, wenn er das [X.] nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt ([X.], [X.]GB, 59. Aufl., § 249 Rn. 19a) oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie "zu zerstören", "zu vernichten", "preiszugeben", "wegzuwerfen", "beiseite zu schaffen", "zu beschädigen", sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (vgl. [X.], Urteile vom 27. Januar 2011 - 4 [X.]R 502/10, [X.], 699, 701; vom 26. September 1984 - 3 [X.], NJW 1985, 812, 813 jeweils mwN; [X.], Beschluss vom 6. Mai 1997 - [X.], NJW 1997, 2611). Dass die vom Angeklagten beabsichtigte Durchsuchung des Speichers und das Kopieren der dabei aufgefundenen Bilddateien im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lag, ändert hieran nichts, denn dies führte nicht zu deren Verbrauch (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 - [X.] [X.] 158/91, juris, zum Kopieren und Verwerten von auf Diskette gespeicherten Daten; [X.], [X.] 1997, 693, 696; LK/[X.], [X.]GB, 12. Aufl., § 242 Rn. 154).

5

c) Auch eine - bei fehlender Zueignungsabsicht mögliche (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 [X.]R 80/60, [X.][X.] 14, 386) - [X.]rafbarkeit wegen räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 [X.]GB) kommt vorliegend nicht in Betracht, denn der Angeklagte handelte nicht in der Absicht, sich oder einen [X.] zu bereichern. [X.] Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur [X.], Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 [X.]R 502/10 mwN, [X.], 699, 701; [X.], Beschluss vom 19. August 1987 - 2 [X.]R 394/87, [X.]R [X.]GB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1 zu einem Fall der Wegnahme zwecks Beweisvereitelung).

6

2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Annahme des [X.]s, das beschriebene Tatgeschehen stehe zu der vom Angeklagten weiter begangenen gefährlichen Körperverletzung in Tatmehrheit (§ 53 [X.]GB). Nach den auch insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen stürzten sich während des um das Mobiltelefon entstandenen "[X.]" der Mitangeklagte und weitere Personen auf den Geschädigten und prügelten gemeinsam mit nicht identifizierbaren harten Gegenständen auf diesen ein; hieran beteiligte sich sodann auch der Angeklagte. Danach hängen die Nötigungshandlung und die weiteren gemeinsamen Angriffe auf die körperliche Integrität des Geschädigten räumlich und zeitlich so eng zusammen, dass sich das Geschehen insgesamt als natürliche Handlungseinheit darstellt (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2000 - 4 [X.]R 313/00, juris, bei Taten mit dem sie gemeinsam verbindenden Moment, das Opfer zur "Rede zu stellen"; [X.], [X.]GB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 4 mwN).

7

3. Der [X.] ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 [X.]PO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich bei zutreffender rechtlicher Bewertung des Geschehens nicht wirksamer hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der Einzelstrafe wegen Raubes und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.

8

4. Auch die wegen gefährlicher Körperverletzung ausgesprochene Einzelstrafe hat keinen Bestand. Zwar hätte das [X.] diese [X.]rafe nicht milder bemessen, hätte es, statt vom Hinzutreten eines rechtlich selbständigen Verbrechens des Raubes auszugehen, zutreffend die gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung gesehen. Indes wurde der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe am 2. September 2010 - nach der verfahrensgegenständlichen Tat - wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Zum [X.]and der Vollstreckung dieser [X.]rafe, die nach § 55 Abs. 1 [X.]GB mit der hier ausgesprochenen grundsätzlich gesamtstrafenfähig ist, hat das [X.] nichts mitgeteilt. Der [X.] kann deshalb nicht ausschließen, dass ein allein dem Tatrichter vorbehaltener Härteausgleich in Betracht kommt ([X.], Beschlüsse vom 3. Mai 2011 - 3 [X.]R 110/11, juris; vom 2. März 2010 - 3 [X.]R 496/09, N[X.]Z-RR 2010, 202, 203; vom 20. Oktober 2009 - 3 [X.]R 386/09, [X.]raFo 2010, 74).

9

Die bisherigen, der Bemessung dieser Einzelstrafe zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen.

[X.]                               Pfister                                 Hubert

                    Mayer                               Menges

Meta

3 StR 392/11

14.02.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Duisburg, 28. April 2011, Az: 31 KLs 39/10

§ 240 StGB, § 249 Abs 1 StGB, § 253 Abs 1 StGB, § 255 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2012, Az. 3 StR 392/11 (REWIS RS 2012, 9195)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9195

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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