Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2015, Az. 4 StR 548/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 14815

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Gegenstand

Körperverletzung: Gesundheitsbeschädigung durch psychische Einwirkung


Tenor

[X.] 1. Auf die Revision des Angeklagten M.     wird das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2014, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte des besonders schweren Raubes und des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch im Fall B.[X.] der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

I[X.] 1. Auf die Revision des Angeklagten        C.    wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte des besonders schweren Raubes schuldig ist,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten M.    "wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Den Angeklagten        [X.]     hat es "wegen schweren Raubes" unter Auflösung einer nachträglich gebildeten Gesamtgeldstrafe und unter "Einbeziehung der Geldstrafe von neunzig Tagessätzen aus dem Strafbefehl des [X.] vom 12.08.2013 - 730 Ds 260 Js 66/13 - 101/13 -" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Die Verurteilung des Angeklagten M.    wegen (tateinheitlich begangener) Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin [X.]im Fall [X.] der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3

1. Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe bei dem Überfall auf den Kiosk der Geschädigten [X.]S.    am 20. Juli 2013 auch den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt, wird von den Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht getragen.

4

a) Als [X.] im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist ([X.], Urteil vom 4. November 1988 - 1 [X.], [X.]St 36, 1, 6). [X.] psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen ([X.], Urteil vom 9. Oktober 2002 - 5 StR 42/02, [X.]St 48, 34, 36; vgl. ferner [X.], Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 StR 60/12, [X.], 340 f.; [X.], NJW 2002, 2118; [X.], [X.] 115 (2003), 249, 261). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht ([X.], Urteil vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 527/95, [X.]R StGB § 223 Abs. 1 [X.] 2). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, insbesondere Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine [X.] im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar ([X.], Beschluss vom 5. November 1996 - 4 StR 490/96, [X.], 123; vgl. zu [X.] auch [X.], Beschluss vom 18. Juli 2013 - 4 StR 168/13, [X.], 3383).

5

b) Daran gemessen genügt es - entgegen der Auffassung des [X.]s ([X.], 39) - für die Verurteilung des Angeklagten M.    wegen Körperverletzung nicht, dass er der Zeugin [X.]den von ihm mitgeführten Elektroschocker an die Schläfe hielt und die Zeugin, die glaubte, ihr werde eine Pistole an den Kopf gehalten, "große Angst" verspürte und regungslos liegen blieb. Für einen pathologischen, somatisch-objektivierbaren Zustand der Geschädigten ergeben sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils keine Anhaltspunkte.

6

2. Der [X.] schließt bei der gegebenen Beweislage aus, dass sich aufgrund einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen lassen, die eine Verurteilung wegen vollendeter oder versuchter Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin [X.]tragen könnten. Er ändert deshalb den Schuldspruch im Fall [X.] der Urteilsgründe dahin ab, dass die Verurteilung des Angeklagten M.    nach § 223 Abs. 1 StGB entfällt.

7

3. Darüber hinaus hat der [X.] klargestellt, dass der Angeklagte M.    im Fall [X.] der Urteilsgründe des besonders schweren Raubes und im Fall [X.]. des versuchten besonders schweren Raubes (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) schuldig ist. Im Falle der Verurteilung nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist auf "besonders schweren Raub" zu erkennen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 2. März 2010 - 3 [X.]).

8

4. Die Änderung des Schuldspruchs im Fall [X.] der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der in diesem Fall verhängten [X.]; das [X.] hat ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat. Dies zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

II.

9

Die Revision des Angeklagten         [X.]    führt lediglich zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

1. Die Bildung der nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach den Feststellungen des [X.]s zur Person wurde der Angeklagte vor der Verurteilung vom 12. August 2013 mehrfach, unter anderem am 16. Mai 2012 und am 31. Oktober 2012, jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt. Feststellungen zum Vollstreckungsstand - bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Urteils - fehlen völlig; auch werden die diesen Vorverurteilungen zugrunde liegenden [X.] nicht mitgeteilt. Der [X.] kann daher nicht ausschließen, dass bereits der Verurteilung vom 16. Mai 2012 Zäsurwirkung für die einbezogene Strafe aus der Verurteilung vom 12. August 2013 zukommt; die hierdurch abgeurteilte Tat beging der Angeklagte am 5. Mai 2012. Auszugehen ist stets von der ersten unerledigten Verurteilung, die Zäsurwirkung entfaltet, sodass eine Gesamtstrafenbildung nur für die bis dahin begangenen Taten möglich ist ([X.], Beschluss vom 28. Juli 2006 - 2 [X.], [X.], 28, 29; zu den Anforderungen an die Entscheidungsgründe bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. März 2010 - 3 [X.], [X.], 202, 203, vom 8. Februar 2011 - 4 StR 658/10, vom 3. Mai 2011 - 3 [X.], vom 8. Juni 2011 - 4 StR 249/11, [X.], 307, und vom 15. Januar 2015 - 4 StR 503/14).

Dieser Rechtsfehler kann sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, zumal das [X.] nicht geprüft hat, ob die am 12. August 2013 verhängte Geldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB gesondert bestehen bleiben kann.

2. Der [X.] weist vorsorglich darauf hin, dass nach Aufhebung einer nachträglichen Gesamtstrafe und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht die (erneute) Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, [X.], 106, und vom 22. August 2013 - 3 [X.], [X.], 474, 475). Die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] wird auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob - wie festgestellt ([X.]) - in der einbezogenen Vorverurteilung vom 12. August 2013 "wegen versuchter Körperverletzung und Körperverletzung" tatsächlich nur eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen oder - der tatmehrheitlichen Verurteilung entsprechend - eine Gesamtgeldstrafe in dieser Höhe festgesetzt worden ist.

[X.]Franke

                           Bender                            [X.]

Meta

4 StR 548/14

26.02.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 23. Mai 2014, Az: 34 KLs 112 Js 452/13 - 26/14

§ 223 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2015, Az. 4 StR 548/14 (REWIS RS 2015, 14815)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14815

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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