Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.03.2019, Az. 4 StR 463/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 8772

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Gegenstand

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Mit sich Führen eines nicht verbotenen Springmessers


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 25. Juni 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die vom [X.] vertreten wird, beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte nicht wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verurteilt worden ist.

2

Das Rechtsmittel hat - hinsichtlich des Strafausspruchs auch zu Gunsten des Angeklagten - Erfolg.

I.

3

Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte, der sich an diesem Tag zu Dreharbeiten für eine Fernsehserie in [X.]aufgehalten hatte, am 16. Januar 2018 von einem unbekannten Lieferanten zu einem Preis von 4.500 Euro etwa 5.160 [X.] mit einem Gesamtgewicht von 1.600,53 Gramm und einem Wirkstoffgehalt von mindestens 466,74 Gramm [X.], die er gewinnbringend weiterveräußern wollte. Am Folgetag fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw in Richtung S.    . Im Rahmen einer von der Polizei durchgeführten allgemeinen Verkehrskontrolle wurden die am Vortag erworbenen [X.] unter dem Beifahrersitz des Fahrzeugs entdeckt und sichergestellt. Darüber hinaus fanden die Polizeibeamten in der oberen Beintasche der Cargohose des Angeklagten neben Zigaretten und einem Feuerzeug ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 8 cm sowie ein Springmesser der Marke „                    “, bei dem die einseitig geschliffene Klinge mit einer Länge von 6,2 cm seitlich herausspringt. Das Springmesser hatte er bei einer Fahrt nach B.    Anfang Januar 2018 an einer Tankstelle gekauft, um es seiner Taschenmessersammlung zuzuführen.

4

Das [X.] hat das festgestellte Tatgeschehen rechtlich als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewürdigt. Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat es verneint. Nach Auffassung der [X.] handelt es sich bei den beiden aufgefundenen Messern nicht um sonstige Gegenstände im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, weil es an der erforderlichen subjektiven Bestimmung der Messer zur Verletzung von Menschen durch den Angeklagten fehle.

II.

5

Die Beschwerdeführerin beanstandet mit ihrer Revision zu Recht die Begründung der [X.] für die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG. Die Erwägungen des [X.]s, mit denen es eine Bestimmung des mit sich geführten Springmessers zur Verletzung von Personen durch den Angeklagten verneint hat, halten schon deshalb einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil das [X.] von einer unzutreffenden waffenrechtlichen Einordnung des Messers ausgegangen ist. Zudem erweist sich die Beweiswürdigung zur subjektiven Bestimmung des Verwendungszwecks des Springmessers als lückenhaft.

6

1. a) Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt unter anderem voraus, dass der Täter den bei der Tat mit sich geführten Gegenstand, wenn es sich bei diesem nicht um eine Schusswaffe handelt, zur Verletzung von Personen bestimmt hat. Um dieses [X.] zu verwirklichen, bedarf es einer darauf gerichteten Zweckbestimmung des [X.], die vom Tatrichter grundsätzlich näher festgestellt und begründet werden muss (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 20. November 2018 - 4 StR 466/18 Rn. 4; Urteile vom 6. September 2017 - 2 StR 280/17, [X.] 2018, 29; vom 21. Oktober 2014 - 1 StR 78/14, [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Waffe 2; Beschluss vom 9. Oktober 1997 - 3 [X.], [X.]St 43, 266; [X.], BtMG, 5. Aufl., § 30a Rn. 119 ff.). Nähere Feststellungen zur subjektiven Bestimmung des Verwendungszwecks sind nach der Rechtsprechung des [X.] aber entbehrlich, wenn der Täter einen Gegenstand mit sich führt, der als Waffe im technischen Sinne gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2a [X.] anzusehen ist oder zu den gekorenen Waffen nach § 1 Abs. 2 Nr. 2b [X.] gehört. Denn bei diesen Waffen liegt eine subjektive Bestimmung zur Verletzung von Personen so nahe, dass keine weiteren Darlegungen hierzu im tatrichterlichen Urteil erforderlich sind (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 20. November 2018 - 4 StR 466/18 Rn. 5; vom 18. Oktober 2017 - 3 [X.], [X.], 516, 517; Urteil vom 6. September 2017 - 2 StR 280/17 aaO; Beschluss vom 5. April 2016 - 1 StR 38/16, [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13; vom 8. Januar 2014 - 5 StR 542/13, [X.], 466).

7

b) Das [X.] hat zwar zutreffend angenommen, dass es sich bei dem vom Angeklagten bei sich geführten Springmesser nicht um eine verbotene Waffe nach § 2 Abs. 3 [X.] handelte. Denn nach Satz 2 der Nr. 1.4.1 in Abschnitt 1 der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 [X.] sind von dem in Nr. 1.4.1 des Abschnitts 1 der Anlage 2 normierten grundsätzlichen Verbot von [X.] solche Messer ausgenommen, bei denen die Klinge seitlich aus dem Griff herausspringt und der aus dem Griff herausragende Teil der Klinge höchstens 8,5 cm lang und nicht zweiseitig geschliffen ist. Es hat aber übersehen, dass nicht verbotene Springmesser nach Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1.1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 [X.] zu den gekorenen Waffen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2b [X.] gehören (vgl. Gade, [X.], 2. Aufl., Anlage 1 Rn. 139 ff.; [X.], Waffenrecht, 10. Aufl., § 1 Rn. 25 und § 2 Rn. 19), bei denen die subjektive Bestimmung zur Verletzung von Personen nach der dargestellten Rechtsprechung regelmäßig auf der Hand liegt. Es ist nicht auszuschließen, dass das [X.] das vom Angeklagten bei sich geführte Springmesser bei zutreffender waffenrechtlicher Einordnung als sonstigen Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG qualifiziert hätte.

8

2. Die Beweiserwägungen des [X.]s zur subjektiven Zweckbestimmung halten zudem unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, [X.]St 29, 18, 20 f.; Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 [X.], [X.], 37; vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 337 Rn. 26 ff. [X.]) einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil sie eine Lücke aufweisen.

9

Das [X.] hat den Umstand, dass der Angeklagte das Springmesser zusammen mit Zigaretten, einem Feuerzeug und einem weiteren Messer in der oberen Beintasche seiner Cargohose bei sich trug, nur unter dem Aspekt einer möglichen Beeinträchtigung der Zugriffsmöglichkeit in den Blick genommen. Es hätte für die [X.] aber Veranlassung bestanden, diesen Umstand auch bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten, das Springmesser für seine Messersammlung gekauft zu haben, in ihre Überlegungen miteinzubeziehen und zu erwägen, ob das griffbereite Beisichtragen des Messers in der Hosentasche mit einem schon geraume Zeit zuvor erfolgten Erwerb zu Sammlerzwecken in Einklang zu bringen ist.

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich des Strafausspruchs nach § 301 [X.] auch zugunsten des Angeklagten Erfolg, da die Strafzumessungserwägungen des [X.]s einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten enthalten (vgl. zum Prüfungsmaßstab [X.], Beschluss vom 10. April 1987 - [X.], [X.]St 34, 345, 349; Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, [X.]St 29, 319, 320; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., aaO Rn. 34 [X.]).

Die [X.] hat sowohl bei der [X.] als auch bei der konkreten Bemessung der Freiheitsstrafe straferschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte mit einer „harten Droge“ Handel trieb. Diese Wertung steht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des [X.], wonach [X.] mit dem Wirkstoff MDMA auf der Gefährlichkeitsskala der Betäubungsmittel einen mittleren Platz einnimmt und daher hinsichtlich seiner Gefährlichkeit nicht mit Heroin oder Kokain vergleichbar ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. März 2014 - 2 [X.] Rn. 20; vom 3. Februar 1999 - 5 [X.], [X.], 436 [[X.]]; Urteile vom 11. September 1997 - 4 [X.]; vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, [X.]St 42, 255, 266; vgl. zur abgestuften Gefährlichkeit der Betäubungsmittel [X.], Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 [X.], [X.]R BtMG § 29 Strafzumessung 43). Trotz der sehr moderat bemessenen Freiheitsstrafe kann der [X.] nicht ausschließen, dass sich die unzutreffende Wertung des [X.]s bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

[X.]     

        

Roggenbuck     

        

Bender

        

Feilcke     

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 463/18

28.03.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankenthal, 25. Juni 2018, Az: 5327 Js 3234/18 - 2 KLs

§ 30a Abs 2 Nr 2 BtMG, § 1 Abs 2 Nr 2 Buchst a WaffG, § 1 Abs 2 Nr 2 Buchst b WaffG, § 1 Abs 4 Anl 1 Abschn 1 UAbschn 2 Nr 2.1.1 WaffG, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.03.2019, Az. 4 StR 463/18 (REWIS RS 2019, 8772)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8772

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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