Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2005, Az. II ZR 319/04

II. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3406

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN [X.]ES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 30. Mai 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 5 Abs. 2 in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung
a) Eine Haustürsituation ist dem Kreditinstitut, das eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds finanziert, in entsprechender Anwendung der zu § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze zuzurechnen.
b) [X.]abei erstreckt sich das Erfordernis einer Kenntnis oder einer zumindest fahrlässigen, durch Erkundigung vermeidbaren Unkenntnis vom Vorhanden-sein der Haustürsituation nach den unter a) bezeichneten Regeln ausschließ-lich auf die tatsächlichen Umstände, unter denen es zur Abgabe der [X.] gekommen ist. [X.]aß nach den grundlegenden Entscheidungen des [X.] vom 13. [X.]ezember 2001 ([X.]. [X.]/99, [X.], 31, 35) und des [X.] ([X.] 150, 248, 257) in rechtlicher Hinsicht eine Haustürsitua-tion vorliegt, hat das Kreditinstitut hierbei hinzunehmen, weil ein etwaiges Vertrauen auf ein bestimmtes Verhältnis zwischen [X.] und [X.] auch im Rahmen der Zurechnung nicht ge-schützt wird.
[X.], Urteil vom 30. Mai 2005 - [X.]/04 - OLG [X.]

LG [X.]

- 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2005 durch [X.] [X.]r. Goette, [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats in [X.] des [X.]s [X.] vom 8. März 2004 aufgehoben. [X.]ie Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom 28. Oktober 2002 wird [X.]. [X.]ie Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand: [X.]ie Parteien streiten über Ansprüche aus einem [X.]arlehen, das die Klä-gerin den Beklagten im [X.] 1992 zur Finanzierung ihres Beitritts zur G.-GbR, [X.] 7 und 9, [X.]., Fonds Nr. 14 (im folgenden: Fonds, [X.]), gewährte. - 3 - [X.]ie [X.] war von der [X.] (im folgenden: [X.]o. GmbH) und deren Geschäftsführer [X.]. gegründet worden. Gesellschaftszweck war der Erwerb, die Bebauung, wirt-schaftliche Ausnutzung und Verwaltung des Grundstücks [X.] 7 und 9 in [X.].. [X.]ie Einlage der Beklagten betrug 70.000,00 [X.]M und wurde in vollem [X.] durch einen u.a. mit einer Tilgungslebensversicherung des Beklagten zu 1 besicherten Festkredit der Klägerin finanziert. [X.]ie Klägerin zahlte die [X.]arle-hensvaluta, wie nach dem [X.]arlehensvertrag vorgesehen, an den Treuhänder des Fonds. [X.]ie Fondsbeteiligung und deren Finanzierung waren den Beklagten von den Mitarbeitern A. [X.]r. und Z. der Firma [X.], [X.]., vermittelt worden. [X.]ie im Fondsprospekt veranschlagten Mieten konnten nicht erwirtschaf-tet werden; die Mietgarantin wurde zahlungsunfähig. [X.]er Initiator des Fonds, [X.]., wurde 1999 wegen [X.], u.a. hinsichtlich des Fonds Nr. 14, rechtskräftig verurteilt. [X.]ie Beklagten haben ihre Zinszahlungen an die Klägerin ab November 1997 eingestellt und den [X.]arlehensvertrag mit Anwaltsschreiben vom 5. Januar 1998 wegen arglistiger Täuschung anfechten lassen. Während des [X.] haben sie mit Schreiben vom 28. April 2002 ihre auf den Abschluß des [X.]arlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen widerrufen lassen. Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Rückzahlung der noch offenen [X.]arlehensbeträge, insgesamt 54.047,26 •, nebst Zinsen in [X.]. [X.]ie Beklagten verlangen widerklagend Rückzahlung unstreitig an die Klägerin erbrachter Zinsleistungen abzüglich der Auszahlungen des Fonds, ins-gesamt 8.611,94 •, sowie Rückabtretung der der Klägerin zur Sicherung abge- - 4 - tretenen Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung des Beklagten zu 1 an diesen. [X.]as [X.] hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattge-geben. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Beklagten als Gesamtschuldner unter Abweisung der Klage im übrigen zur Zahlung von 36.594,11 • nebst Zinsen an die Klägerin sowie dazu verurteilt, der Klägerin ihren Anspruch gegenüber der [X.] auf das [X.] abzutreten, und die Widerklage hinsichtlich des Zahlungsbegehrens der [X.] abgewiesen. Mit ihrer vom [X.]at zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Entscheidungsgründe: [X.]ie Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin und damit zur Wiederher-stellung der Entscheidung des [X.]s. [X.] [X.]ie Beklagten brauchen der Klägerin das [X.]arlehen nicht zurückzuzah-len und haben ihrerseits gegen die Klägerin gemäß § 3 [X.] (in dessen hier maßgeblicher bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung) Anspruch auf Rückgewähr ihrer auf Grund des [X.]arlehensvertrages an sie erbrachten Lei-stungen. 1. [X.]ie Beklagten haben ihre auf den Abschluß des [X.]arlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 28. April 2002 gemäß § 1 Abs. 1 Nr.1 [X.] wirksam widerrufen. - 5 - a) [X.]er [X.]arlehensvertrag unterfällt dem [X.]. [X.]essen Vorschriften sind durch die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 [X.] hier nicht ausgeschlossen. § 5 Abs. 2 [X.] ist richtlinienkonform dahin auszulegen, daß das Widerrufsrecht nach dem [X.] nicht durch das Widerrufs-recht nach § 7 Abs. 2 VerbrKrG ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (vgl. [X.].Urt. v. 14. Juni 2004 - [X.], [X.], 1402, 1403 m.w.Nachw.). b) [X.]ie Voraussetzungen des Widerrufsrechts nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] liegen vor. [X.]as Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Beklagten - wie es das [X.] angenommen hat - in einer Haustürsituation zum Ab-schluß des [X.]arlehensvertrages bestimmt worden sind. c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Haustürsitua-tion der Klägerin zuzurechnen. Insoweit gelten nach der gefestigten Rechtspre-chung des [X.] die für die Zurechnung einer arglistigen [X.] nach § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze ([X.], Urt. v. 12. November 2002 - [X.], [X.], 22, 24 f.; v. 15. Juli 2003 - [X.], [X.], 1741, 1743; v. 20. Januar 2004 - [X.], [X.]B 2004, 647, 648). Ist danach - wie hier - der Verhandlungsführer als [X.]ritter anzu-sehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn die-ser es kannte oder kennen mußte. Für eine fahrlässige Unkenntnis genügt, daß die Umstände des Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mußten, sich zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht ([X.], Urt. v. 9. April 1992 - [X.], [X.], 755, 756). [X.]abei kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin allein auf die tatsächlichen Um-stände an, unter denen die Willenserklärung abgegeben wurde, nicht auf eine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Rechtslage. § 5 Abs. 2 [X.] ist - 6 - nach der Rechtsprechung des [X.] (Urt. v. 13. [X.]ezember 2001 - [X.]. [X.]/99, [X.], 31, 35) und des [X.] (vgl. [X.] 150, 248, 257) stets, also auch bei Sachverhalten aus der [X.] vor Erlaß der genannten Entscheidung des Gerichtshofs der Euro-päischen Gemeinschaften, in richtlinienkonformer Auslegung anzuwenden; für das vor der Veröffentlichung der Entscheidung vom 13. [X.]ezember 2001 in [X.] und Rechtsprechung überwiegend vertretene Verständnis von § 5 Abs. 2 [X.], das [X.] als das speziellere Gesetz verdränge das [X.], wenn der Anwendungsbereich des [X.] eröffnet ist, wird kein Vertrauensschutz gewährt (st. [X.]pr. seit [X.] 150, 248, 257). Auch wenn die Klägerin nicht schon gewußt haben sollte, daß die Fondsbeteiligungen und die zugehörigen Finanzierungen in Haustürsituationen vertrieben wurden, war sie nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen [X.] verpflichtet, sich bei der [X.] oder dem Vermittlungsun-ternehmen über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, weil sie durch die Erklärung ihrer grundsätzlichen Bereitschaft zur Finanzierung der Fondseinlagen gegenüber [X.]. und dadurch, daß sie sich die Tätigkeit der [X.]o. GmbH und der eingeschalteten Vermittler zunutze machte, in das Vertriebssystem des Fonds eingebunden war: [X.]ie [X.]o. GmbH reichte die [X.] der Beklagten bei der Klägerin ein, nachdem sie die Unterlagen von den Vermittlern erhalten hatte, die die Unterschriften der [X.] eingeholt hatten. [X.]ie Beklagten wohnten damals wie heute in [X.]. Nach dem Inhalt ihrer Beitrittserklärung zur [X.], der Widerrufsbeleh-rung hinsichtlich des [X.]arlehensvertrages und der als Sicherheit von der Klägerin verlangten Abtretung ihrer Beteiligung haben sie diese Unterlagen, die ihrem an die Klägerin gerichteten [X.]arlehensantrag von der [X.]o. - 7 - GmbH beigefügt wurden, am 23. Juni 1992 in [X.] unterschrieben. [X.]er [X.]arle-hensantrag enthält über der für die Unterschriften vorgesehenen Zeile zudem maschinenschriftlich als Ortsangabe "[X.]" und als [X.]atum "23.06.92". Beide [X.] sind durchgestrichen und ersetzt worden durch "T." und "29. Juni 1992", da die Klägerin die notarielle Beglaubigung der Unterschriften der Beklagten verlangte, die durch den Ratschreiber des [X.] am 29. Juni 1992 vorgenommen wurde. [X.]amit war aus der Sicht der Klägerin von einer Haustürsituation auszugehen, jedenfalls mußte sich ihr dieser Eindruck auf-drängen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ändert es hieran nichts, daß bei Abschluß des [X.]arlehensvertrages 1992 dessen Widerruflichkeit für die Klägerin nicht vorhersehbar war. [X.]as Erfordernis der Kenntnis bzw. fahr-lässigen Unkenntnis in diesem Zusammenhang betrifft nur die einer übermittel-ten Willenserklärung zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände, nicht aber die Rechtslage. Wie die einschlägigen Vorschriften auszulegen sind, ergibt sich aus der oben geschilderten Rechtsprechung des [X.] und des [X.]. [X.]anach genießt ein etwaiges Vertrauen in eine andere als die richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 [X.] keinen Schutz. d) [X.]as Widerrufsrecht der Beklagten ist nicht durch Fristablauf erloschen. [X.]ie einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 [X.] hat mangels ord-nungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.] nicht zu laufen begonnen. [X.]ie Belehrungen hinsichtlich des [X.]arlehensvertrages enthalten den [X.], daß nach dem Empfang des [X.]arlehens der Widerruf als nicht erfolgt gel-te, wenn der Nettokreditbetrag nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt werde. Eine solche - dem § 7 Abs. 3 VerbrKrG entsprechende - Widerrufsbelehrung - 8 - genügt den Anforderungen des § 2 [X.] nicht, weil sie eine "andere" - und zudem unrichtige - Erklärung enthält (vgl. [X.].Urt. v. 14. Juni 2004 - [X.], [X.], 1402, 1404 m.w.Nachw. und [X.], [X.], 1527, 1528). [X.]as gilt nach dem vorstehend unter [X.] c Ausgeführten auch, wenn eine Belehrung nach dem [X.] allein wegen der früher herrschenden Auslegung des § 5 Abs. 2 [X.] nicht erfolgt war. [X.]ie Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 4 [X.] liegen nicht vor. 2. Als Rechtsfolge des Widerrufs haben die Vertragspartner einander die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren, § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]. [X.]anach muß die Klägerin den Beklagten die von diesen aus ihrem eige-nen Vermögen gezahlten Zinsen abzüglich von der [X.] erhalte-ner Leistungen, unstreitig 8.611,94 •, zurückzahlen und ihnen auch alle [X.] zurückübertragen. [X.]ie Beklagten brauchen der Klägerin das [X.]arlehen nicht zurückzuzahlen, sondern ihr lediglich die Fondsanteile, die sie der Klägerin bereits im [X.] mit dem Abschluß des [X.]arlehensvertrages zur Sicherheit abgetreten haben, endgültig zu überlassen. [X.]ie von dem [X.]arlehensnehmer empfangene Leistung ist im Falle der - hier vorliegenden - Auszahlung der Valuta an einen [X.]ritten bei einem Verbundgeschäft i.S. von § 9 VerbrKrG der finanzierte [X.] (vgl. [X.].Urt. v. 14. Juni 2004 - [X.], [X.], 1402, 1404 f.). [X.]as Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des verbundenen Ge-schäfts nach § 9 Abs. 1 VerbrKrG auf der Basis der Entscheidung des [X.]ats - 9 - vom 21. Juli 2003 ([X.] 156, 46, 50 f.) zutreffend für gegeben erachtet. [X.]ie Klägerin und die [X.] haben sich beide der für sie gleichzeitig ge-genüber den Anlegern auftretenden Vermittler [X.]r. und Z. sowie der [X.]o. GmbH bedient. I[X.] [X.]anach erweist sich die Berufung der Klägerin gegen die Entschei-dung des [X.]s als unbegründet. Vielmehr hat das [X.] mit Recht die Klage abgewiesen und ebenfalls mit Recht der Widerklage sowohl hinsichtlich des [X.] als auch hinsichtlich der Rückabtretung der Lebensversicherung an den Beklagten zu 1 stattgegeben. [X.] [X.]
[X.] Strohn

Meta

II ZR 319/04

30.05.2005

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2005, Az. II ZR 319/04 (REWIS RS 2005, 3406)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3406

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.