Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2022, Az. 1 StR 518/20

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2346

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Gegenstand

Umsteuerhinterziehung: Kenntnis des Steuerpflichtigen vom Steueranspruch; Anforderungen an eine Scheinrechnung


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. November 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten [X.]     hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

3

a) In den [X.] und 3 der Urteilsgründe begegnet bereits die Zurechnung der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die [X.] und 2010 am 18. April 2011 bzw. 13. April 2012 durch die Geschäftsführer der [X.]GmbH (im Folgenden: [X.]) aufgrund eines mit dem Mitgeschäftsführer [X.]geschlossenen Tatplans (§ 25 Abs. 2 StGB) durchgreifenden [X.]denken.

4

aa) Ein für die Annahme von Mittäterschaft ausreichend gewichtiger Tatbeitrag des Angeklagten [X.]     bezüglich der Abgabe dieser beiden Umsatzsteuerjahreserklärungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1 [X.]; § 18 Abs. 3 UStG; § 53 StGB) ist nicht belegt. Die Mitwirkung des Angeklagten [X.]     beschränkte sich auf die Vorbereitung der Tathandlungen, namentlich auf Abzeichnung und Freigabe zur Buchung der auf die   [X.].             GmbH (im Folgenden: [X.]) ausgestellten Eingangsrechnungen, denen tatsächlich keine baubegleitenden [X.]ratungen zugrunde lagen; Tatherrschaft über die abzugebenden Steuererklärungen konnte ihm bereits infolge seines Ausscheidens aus der [X.] am 15. März 2010 nicht zukommen. [X.]züglich der Umsatzsteuerjahreserklärung 2010 konnte der Angeklagte [X.]       darüber hinaus die Eingangsrechnungen ab März 2010 nicht mehr verbuchen lassen.

5

bb) Aus dem gleichen Grund konnte der Angeklagte [X.]     zudem sein Ziel, die Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der Erfüllung von Bauaufträgen als Erfolg der von ihm geführten Abteilung verbuchen zu lassen, nicht mehr erreichen. Dieses Entfallen des [X.] hat das [X.] unberücksichtigt gelassen.

6

b) Darüber hinaus kann das Urteil insgesamt keinen [X.]stand haben, da ein Tatvorsatz des Angeklagten [X.]      nicht rechtsfehlerfrei belegt ist.

7

aa) Das angefochtene Urteil legt sich nicht fest, weshalb die von der [X.] ausgestellten Rechnungen „Scheinrechnungen“ mit der Folge gewesen sein sollen, dass die [X.] daraus kein Recht zum Vorsteuerabzug ausüben konnte. Es bleibt offen, ob den vom [X.] festgestellten, tatsächlich im Vorfeld der später vergebenen Bauaufträge ausgeführten [X.]ratungsleistungen ein Rechtsverhältnis (vgl. [X.], Urteil vom 22. November 2018 – [X.]/17, [X.]E 263, 90 Rn. 19) zwischen der [X.] und der [X.] oder zwischen der [X.] und dem Angeklagten [X.]     zugrunde lag (insbesondere [X.]). Daher ist unklar, ob die [X.] schon deswegen keine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnungen besaß (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG), weil die Rechnungen nicht den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des tatsächlich leistenden Unternehmers (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG) anführten, oder aber deswegen, weil sie die Art der sonstigen Leistung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG) falsch beschrieben, nämlich baubegleitende [X.]ratungsleistungen statt Leistungen im Vorfeld der Auftragsvergaben.

8

bb) Da damit der [X.]zugspunkt einer möglichen Scheinrechnung offenbleibt, trägt die [X.]weiswürdigung nicht die Annahme eines Tatvorsatzes.

9

(a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] gehört zum Vorsatz der Steuerhinterziehung, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will oder dessen Verkürzung billigend in Kauf nimmt. Nimmt der Steuerpflichtige irrtümlich an, dass ein Steueranspruch nicht entstanden ist, liegt nach dieser Rechtsprechung ein Tatumstandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB; [X.], Urteile vom 24. Januar 2018 – 1 StR 331/17 Rn. 14; vom 10. Januar 2019 – 1 StR 347/18 Rn. 20 ff., [X.]R [X.] § 370 Abs. 1 Vorsatz 8; vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11 Rn. 21 ff., [X.]R StGB § 16 Abs. 1 Umstand 5 und vom 10. Juli 2019 – 1 [X.] Rn. 30).

(b) Im Rahmen der danach erforderlichen „Parallelwertung in der [X.]“ kann es einen Unterschied machen, ob zu einem Rechnungsaussteller schon gar kein Rechtsverhältnis bestand oder ob lediglich die aufgrund eines bestehenden Rechtsverhältnisses ausgetauschte Leistung falsch bezeichnet wurde. Nachvollziehbare Ausführungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten [X.]       fehlen jedoch. Solcher hätte es hier bereits jedenfalls deswegen bedurft, weil die [X.] die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer erklärte ([X.] und abführte ([X.]). Eine mögliche umsatzsteuerliche [X.]einträchtigung hat sich damit im Ergebnis bei einer Gesamtbetrachtung von gegebenenfalls zu Unrecht aus den ausgegebenen Rechnungen gezogener Vorsteuer und von erklärter Umsatzsteuer aus diesen Rechnungen nicht realisiert (vgl. § 14c UStG).

2. Auch die Verurteilung des Angeklagten [X.]      unterliegt der Aufhebung.

a) Die Taten sind indes nicht verjährt.

[X.]i den Taten 4 und 5 der Urteilsgründe trat die für den [X.]ginn der fünfjährigen Verjährungsfrist maßgebliche [X.] jeweils mit der gemäß § 168 Satz 2 [X.] erforderlichen Zustimmung der Finanzbehörde mit Ablauf des 31. Oktober 2014 ein. Die Verjährung ist durch die Durchsuchungsbeschlüsse vom 9. Juli 2015 ([X.]att 863 ff., [X.]) sowie vom 28. August 2015 ([X.]. 918 ff. [X.]) gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB unterbrochen worden. Die Taten waren daher im Zeitpunkt der Anklageerhebung am 15. November 2019, die erneut den Ablauf der Verjährung unterbrach (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB), noch nicht verjährt.

b) Da, wie dargelegt, eine vorsätzliche Haupttat nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, kann auch die Verurteilung des Gehilfen (§ 27 Abs. 1 StGB) keinen [X.]stand haben; zudem ist ein Gehilfenvorsatz ebenfalls aus dem gleichen Grund nicht belegt, auch nicht bezüglich der von der [X.] abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen für die [X.]steuerungszeiträume 2008 und 2009.

3. Für den neuen Rechtsgang weist der Senat vorsorglich auf den Ordnungswidrigkeitentatbestand der Steuergefährdung (§ 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]) hin.

Raum     

        

Ri[X.] Prof. Dr. Jäger ist
erkrankt und deshalb an
der Unterschriftsleistung
gehindert.

        

Bär     

                 

Raum   

                 
        

Hohoff     

        

     Leplow     

        

Meta

1 StR 518/20

26.01.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kaiserslautern, 6. November 2020, Az: 2 KLs 6051 Js 1420/11

§ 150 Abs 1 S 3 AO, § 168 S 1 AO, § 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 370 Abs 4 S 1 Halbs 2 AO, § 14 UStG, § 14a UStG, § 14c UStG, § 16 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2022, Az. 1 StR 518/20 (REWIS RS 2022, 2346)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2346 NJW 2022, 1896 REWIS RS 2022, 2346

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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