Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.07.2022, Az. 6 AZR 24/22

6. Senat | REWIS RS 2022, 5228

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Gegenstand

Nichtigkeitsklage - Verletzung Vorlagepflicht


Leitsatz

Ein willkürlicher Verstoß eines letztinstanzlichen Gerichts gegen seine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union, nach § 45 Abs. 2 ArbGG an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts oder an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG kann nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden.

Tenor

Die Nichtigkeitsklage gegen das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2021 - 6 [X.] - wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme des abgeschlossenen Revisionsverfahrens unter Aufhebung des [X.] vom 15. Oktober 2021 (- 6 [X.] -).

2

Die Parteien haben im Ausgangsverfahren über die Zuschlagspflicht von Arbeitsstunden nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Buchst. a TVöD-K (Überstundenzuschlag) gestritten, die die in Teilzeit beschäftigte Klägerin entsprechend den [X.]estsetzungen des [X.] (sog. geplante Arbeitsstunden) bzw. über die [X.]estsetzungen des [X.] hinaus (sog. ungeplante Arbeitsstunden) erbracht hat. Die regelmäßige Arbeitszeit von [X.] hat die Klägerin in keinem [X.]all überschritten.

3

Der [X.] hat in dem mit der vorliegenden Klage angefochtenen Urteil darauf abgestellt, dass im Dienstplan eingeplante Arbeitsstunden nach den Bestimmungen des TVöD-K unter keinen Umständen Überstunden und damit auch nicht zuschlagspflichtig sein könnten. Ungeplante Arbeitsstunden seien nach § 7 Abs. 7 TVöD-K nur dann Überstunden, soweit der Arbeitnehmer mit ihnen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines [X.] überschreite. Dies gelte auch für Teilzeitbeschäftigte, wie § 7 Abs. 6 TVöD-K zeige. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GG oder eine Diskriminierung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 [X.] bzw. wegen des Geschlechts iSv. §§ 1, 3 Abs. 2, § 7 AGG sei hiermit nicht verbunden. Im Hinblick auf geplante Überstunden würden Teilzeitbeschäftigte und Vollbeschäftigte gleichbehandelt. Hinsichtlich der ungeplanten Arbeitsstunden befänden sich die beiden Beschäftigtengruppen im Tarifsystem des TVöD-K nicht in einer vergleichbaren Situation. Der [X.] hat dies aus § 6 Abs. 5 TVöD-K, aus den Teilzeitbeschäftigte teilweise sogar begünstigenden Abgeltungsregelungen für Überstunden und Mehrarbeit sowie den verschiedenartigen [X.]reizeitausgleichsregimen geschlossen. Abschließend hat der [X.] darauf hingewiesen, dass sich - anders als etwa in dem Vorabentscheidungsverfahren des Zehnten [X.]s des [X.] vom 11. November 2020 (- 10 [X.] (A) - [X.] 173, 10) - die [X.]rage, ob für die [X.]eststellung einer Benachteiligung ein Gesamt- oder Einzelvergleich durchzuführen sei, aufgrund der Besonderheiten des TVöD-K und der daraus folgenden fehlenden Vergleichbarkeit von Teilzeit- und [X.] nicht stelle.

4

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 3. Januar 2022 eine Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG erhoben, die der [X.] durch Beschluss vom 24. März 2022 (- 6 [X.] ([X.]) -) zurückgewiesen hat, weil es nach seiner Argumentationslinie nicht entscheidungserheblich darauf ankomme, nach welchem Maßstab eine Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten gegenüber [X.] festzustellen sei und ob dies die Auslegung von Unionsrecht betreffe und deshalb in die Zuständigkeit des Gerichtshofs der [X.] falle.

5

Mit der vorliegenden Nichtigkeitsklage vom 18. Januar 2022 verlangt die Klägerin die Wiederaufnahme des Ausgangsverfahrens. Sie vertritt die Auffassung, sie sei zwar vor Erhebung einer auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützten Verfassungsbeschwerde nicht gehalten, eine Nichtigkeitsklage gemäß § 578 Abs. 1, § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 79 Satz 1 ArbGG einzulegen. Da insoweit hinsichtlich der Zulässigkeit einer entsprechenden Verfassungsbeschwerde aber Rechtsunsicherheit bestehe, mache sie den Wiederaufnahmegrund der vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts vorsorglich zunächst auf diesem Wege geltend.

6

Zur Begründung der Klage führt sie aus, das angefochtene Urteil sei unter Verletzung des Verfahrensgrundrechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zustande gekommen. Der [X.] habe gegen seine Pflicht, das Verfahren gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der [X.] zur Vorabentscheidung vorzulegen, willkürlich verstoßen.

7

Zudem rügt sie eine willkürliche Verletzung des Verfahrens nach § 45 ArbGG. Der [X.] habe in der angefochtenen Entscheidung unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung angenommen, tarifvertragliche Regelungen könnten unter bestimmten Voraussetzungen nicht vom [X.] erfasst werden. Dadurch sei er von der Rechtsprechung des Zehnten [X.]s des [X.] in dem Vorlagebeschluss vom 11. November 2020 (- 10 [X.] (A) - [X.] 173, 10) sowie den dem zwischenzeitlich ergangenen Vorlagebeschluss des Achten [X.]s des [X.] vom 28. Oktober 2021 (- 8 [X.] (A) -) zugrundeliegenden Erwägungen abgewichen, ohne zuvor eine Divergenzanfrage beim Zehnten und beim Achten [X.] nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gestellt und gegebenenfalls diese Rechtsfrage dem Großen [X.] des [X.] zur Entscheidung vorgelegt zu haben. Auch dadurch habe ihr der [X.] [X.]. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entzogen.

8

Die Klägerin regt an, das Verfahren gemäß Art. 267 AEUV auszusetzen und den Gerichtshof der [X.] um Vorabentscheidung über die entscheidungserheblichen [X.]ragen zur Auslegung des Unionsrechts zu ersuchen, hilfsweise das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs über die Vorabentscheidungsersuchen des Zehnten und des Achten [X.]s auszusetzen sowie das Verfahren gemäß § 45 Abs. 2 ArbGG dem Großen [X.] des [X.] vorzulegen, soweit der Zehnte und der Achte [X.] an ihrer Rechtsauffassung festhielten.

9

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2021 - 6 [X.] - aufzuheben,

        

2.    

auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 3. Mai 2019 - 8 [X.]/18 - teilweise aufzuheben, das Urteil des [X.] vom 8. August 2018 - 2 [X.] 1322/17 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 173,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

[X.] hat keinen Erfolg. Das Verfahren - 6 [X.] - ist nicht wiederaufzunehmen. Der [X.] war [X.]. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für die von ihm entschiedenen [X.]ragen und deshalb bei Erlass des Urteils am 15. Oktober 2021 vorschriftsmäßig besetzt. Der von der Klägerin geltend gemachte [X.] eines nicht vorschriftsmäßig besetzten Gerichts nach § 578 Abs. 1, § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 79 Satz 1 ArbGG liegt nicht vor.

I. Nach Ansicht des [X.]s bestehen allerdings Bedenken, ob die Nichtigkeitsklage überhaupt zulässig ist.

1. Zwar sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO iVm. § 79 Satz 1 ArbGG erfüllt.

a) Die Klage richtet sich gegen ein rechtskräftiges Endurteil iSv. § 578 Abs. 1 ZPO, § 79 Satz 1 ArbGG. Die angefochtene Ausgangsentscheidung des [X.]s (- 6 [X.] -) ist mit ihrer Verkündung am 15. Oktober 2021 formell rechtskräftig geworden (vgl. hierzu [X.] 13. Dezember 2017 - 5 [X.] 84/17 - Rn. 11 [X.]; 20. August 2002 - 3 [X.] - zu II 2 der Gründe, [X.]E 102, 242).

b) Die am 18. Januar 2022 beim [X.] eingegangene und der Beklagten am 27. Januar 2022 zugestellte Klage ist fristgerecht iSv. § 589 Abs. 1 Satz 1, § 586 Abs. 1, § 167 ZPO, § 79 Satz 1 ArbGG erhoben worden. Die [X.]rist beginnt nach § 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO, sobald die Partei vom [X.] erfährt. Das angefochtene Urteil vom 15. Oktober 2021 (- 6 [X.] -) ist der Klägerin am 20. Dezember 2021 zugestellt worden. Ab diesem Zeitpunkt erhielt sie die erforderliche positive und sichere Kenntnis der Tatsachen, die den Wiederaufnahmegrund ausfüllen können (vgl. hierzu [X.] 20. August 2002 - 3 [X.] - zu II 4 der Gründe, [X.]E 102, 242).

c) Die Klägerin ist durch das angefochtene Urteil auch beschwert (zu diesem Erfordernis vgl. etwa [X.] 20. März 1963 - IV ZR 147/62 - [X.]. 12, [X.]Z 39, 179; MüKoZPO/[X.]/Heiß 6. Aufl. § 589 Rn. 1). Ihre Revision gegen das Urteil des [X.] vom 3. Mai 2019 (- 8 [X.]/18 -) wurde zurückgewiesen.

2. Der [X.] hat jedoch erhebliche Zweifel daran, dass die Nichtigkeitsklage im Streitfall statthaft ist.

a) Diese Bedenken ergeben sich entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 28. Juli 2022 vertretenen Auffassung zwar nicht aus dem im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG. Diese Verfahrensregelung ordnet allgemein die Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in den drei Instanzen an und ist bei der Auslegung und Anwendung von Verfahrensvorschriften, die Einfluss auf die Verfahrensdauer haben, zu berücksichtigen (vgl. [X.]/[X.] 22. Aufl. ArbGG § 9 Rn. 1; [X.]/[X.] ArbGG 8. Aufl. § 9 Rn. 2; [X.]/[X.]/[X.] 5. Aufl. § 9 Rn. 3). Insoweit könnte dem Beschleunigungsgedanken allenfalls bei der Durchführung eines [X.] nach §§ 578 ff. ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren Bedeutung zukommen. Zu einem Ausschluss der Nichtigkeitsklage als einen außerordentlichen Rechtsbehelf ([X.] 27. April 2021 - 1 BvR 2731/19 - Rn. 4) im arbeitsgerichtlichen Verfahren führt er jedoch nicht. Dagegen spricht schon, dass die aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Verpflichtung des Staates, allen [X.] in angemessener Zeit Rechtsschutz zu gewähren ([X.] 27. November 2018 - 1 BvR 957/18 - Rn. 7), auch dem Zivilprozess immanent ist (GMP/Prütting 10. Aufl. § 9 Rn. 8). Weiter spricht gegen das Argument der Klägerin, dass der Gesetzgeber in Kenntnis des § 9 Abs. 1 ArbGG die Verweisungsnorm in § 79 Satz 2 ArbGG lediglich insoweit modifiziert hat, als es das Berufungsverfahren [X.] betrifft und die Regelung damit abschließend zu verstehen ist.

b) Die Zweifel an der [X.] ergeben sich aus Sicht des [X.]s jedoch aus der [X.]unktion dieses außerordentlichen Rechtsbehelfs.

aa) Mit der Nichtigkeitsklage iSv. § 579 ZPO hat der Gesetzgeber neben der Restitutionsklage iSd. § 580 ZPO ein Mittel geschaffen, um eine Durchbrechung der Rechtskraft in [X.]ällen zu ermöglichen, in denen schwerste Mängel des Verfahrens oder gravierende inhaltliche [X.]ehler gegen den Bestand des Urteils sprechen und dadurch das Vertrauen der Parteien in die [X.] in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise erschüttert ist (vgl. [X.] Dezember 1998 - [X.]-16/97 - zu II 3 b der Gründe [X.], [X.], 1; BSG 23. März 1965 - 11 RA 304/64 - zu II der Gründe, [X.] 23, 30; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 19. Aufl. § 578 Rn. 1; [X.] 23. Aufl. vor § 578 - 591 Rn. 24 f.; MüKoZPO/[X.]/Heiß 6. Aufl. § 579 Rn. 1; An[X.]/[X.]/[X.] ZPO 80. Aufl. § 579 Rn. 1; [X.]/Schütze/[X.] 4. Aufl. § 579 ZPO Rn. 1; PG/Meller-Hannich 14. Aufl. § 579 Rn. 1 f.; Hk-ZPO/[X.] 9. Aufl. § 579 Rn. 1; [X.] 2001 S. 89, 127).

bb) Daraus folgt, dass die Nichtigkeitsklage nach § 579 Abs. 1 ZPO auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt ist (vgl. BVerwG 26. Januar 1994 - 6 [X.] 2/92 - [X.]. 24, [X.], 64; [X.]/Schütze/[X.] 4. Aufl. § 578 ZPO Rn. 1 ff.; [X.] 23. Aufl. vor § 578 - 591 Rn. 25). Sie dient nicht dazu, eine vom Gericht des Ausgangsverfahrens in Kenntnis der Problematik bereits beantwortete Rechtsfrage erneut zur Überprüfung zu stellen (vgl. zB [X.] 21. Juli 1993 - 7 [X.] - zu [X.] 3 c aa der Gründe [zu einer Entscheidung im Rechtsmittelverfahren], [X.]E 73, 378; [X.] Dezember 1998 - [X.]-16/97 - zu II 3 b der Gründe [X.], [X.], 1; [X.] 2001 S. 89, 125). Andernfalls bestünde die Gefahr, dass über die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe keine endgültige Entscheidung ergehen könnte, weil auch das im Wiederaufnahmeverfahren ergangene Urteil seinerseits mit einer weiteren Nichtigkeitsklage anfechtbar wäre ([X.] § 579 Rn. 2).

cc) Deshalb ist die Nichtigkeitsklage nach allgemeiner Ansicht nur dann statthaft, wenn sie auf einen Wiederaufnahmegrund gestützt wird, der im Ausgangsverfahren übersehen bzw. unerkannt geblieben ist (vgl. zB [X.] 21. Juli 1993 - 7 [X.] - zu [X.] 3 c aa der Gründe, [X.]E 73, 378; [X.] Dezember 1998 - [X.]-16/97 - zu II 3 b der Gründe [X.], [X.], 1; BSG 23. März 1965 - 11 RA 304/64 - zu II der Gründe, [X.] 23, 30; [X.] 2001 S. 89, 124 ff. [X.] in [X.]. 156; [X.]. mit Nachweisen zur Entstehungsgeschichte des § 579 ZPO und zur Bedeutung des § 584 ZPO für die [X.]unktion der Nichtigkeitsklage in [X.] 1986 S. 157, 166 ff.; [X.] 23. Aufl. § 579 Rn. 2; [X.]/[X.]/[X.] Zivilprozessrecht 18. Aufl. § 161 Rn. 8; aA zu § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO siehe [X.] 5. Mai 1982 - [X.] - zu 2 a der Gründe, [X.]Z 84, 24 und die hierzu geäußerte Kritik von [X.] 2001 S. 89, 125). Nach dieser Ansicht sollen die Bestimmungen in § 579 Abs. 1 Nr. 2 und § 579 Abs. 2 ZPO den Willen des Gesetzgebers erkennen lassen, dass eine Wiederaufnahme im Wege einer Nichtigkeitsklage nur in den [X.]ällen zuzulassen ist, in denen die Berücksichtigung des geltend gemachten Rechtsfehlers nicht schon vor der Rechtskraft der angegriffenen Entscheidung möglich war. Damit soll eine doppelte Prüfung der bereits entschiedenen Rechtsfrage verhindert werden (vgl. etwa BVerwG 26. Januar 1994 - 6 [X.] 2/92 - [X.]. 24, BVerwGE 95, 64; siehe auch [X.] Dezember 1998 - [X.]-16/97 - aaO; [X.] 26. März 2018 - 2 [X.] 223/16 - zu II der Gründe).

dd) Diese Erwägungen sprechen aus Sicht des [X.]s dafür, dass in Konstellationen wie der vorliegenden, in denen die strittigen Rechtsfragen bereits im Ausgangsverfahren erörtert und beschieden worden sind, eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Wege einer Nichtigkeitsklage gemäß § 579 Abs. 1 ZPO nicht statthaft wäre.

3. Die [X.] kann vorliegend jedoch dahinstehen, denn die Klage ist jedenfalls unbegründet.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat die Klägerin angenommen, dass das durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte Recht auf [X.] verletzt ist, wenn ein letztinstanzliches Gericht willkürlich seine Vorlagepflicht an den [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. zB [X.] 24. Mai 2022 - 1 [X.] - Rn. 9 ff.; 5. Januar 2021 - 1 BvR 1771/20 ua. - Rn. 7) bzw. an den [X.] eines obersten [X.]gerichts (vgl. zB [X.] 26. März 2014 - 1 [X.]/09 - Rn. 34 [X.]) verletzt hat. Nach allgemeiner Auffassung schützt auch § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO das Recht auf [X.], sodass ein [X.] vorliegt, wenn ein zur Vorlage verpflichtetes Gericht diese Pflicht willkürlich verletzt (vgl. [X.] 7. [X.]ebruar 2018 - XI K 1/17 - Rn. 21 [X.] zur [X.]Rspr. des [X.], [X.]E 260, 410; GK-ArbGG/Mikosch § 79 Stand Juni 2019 Rn. 20; An[X.]/[X.]/[X.] ZPO 80. Aufl. § 579 Rn. 3; MüKoZPO/[X.]/Heiß 6. Aufl. § 579 Rn. 4; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 19. Aufl. § 579 Rn. 2; [X.]/Schütze/[X.] 4. Aufl. § 579 ZPO Rn. 11 f.; [X.], 736, 738 f.; zu Verstößen gegen [X.] in [X.] vgl.: [X.] 20. August 2002 - 3 [X.] - zu III der Gründe, [X.]E 102, 242; BVerwG 28. [X.]ebruar 2022 - 9 [X.]/21 - Rn. 10; [X.] 27. August 2021 - 26 Sch 11/21 - Rn. 6 f.).

b) Eine solche Verletzung einer Vorlagepflicht ist vorliegend jedoch nicht gegeben. [X.]ür den [X.] bestand nach seiner Argumentationslinie im Ausgangsverfahren (- 6 [X.] -) kein Anlass, den [X.] im Wege eines [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV oder den [X.] des [X.]s nach § 45 Abs. 2 ArbGG anzurufen.

aa) Ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geboten, da nach dem Begründungsansatz des [X.]s in dem angefochtenen Urteil vom 15. Oktober 2021 (- 6 [X.] -) keine ungeklärten [X.]ragen des Unionsrechts betroffen waren.

(1) Der [X.] ist zunächst hinsichtlich der geplanten, über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden sowie der (geplanten oder ungeplanten) Arbeitsstunden, die das vertraglich geschuldete [X.] nicht überschreiten, davon ausgegangen, dass diese weder bei Teilzeit- noch bei [X.] zuschlagspflichtig sind und der TVöD-K insoweit eine Gleichbehandlung dieser beiden Arbeitnehmergruppen sicherstellt (Rn. 34 ff. der Ausgangsentscheidung). Im Hinblick auf die ungeplanten, über die jeweilige vertragliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden hat der [X.] aufgrund der in den Rn. 39 ff. der Ausgangsentscheidung dargelegten Umstände angenommen, dass die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten mit der Gruppe der [X.] bereits nicht vergleichbar ist. Schon aus diesem Grund hat der [X.] sowohl einen Gleichheitsverstoß iSv. Art. 3 Abs. 1 GG als auch eine Diskriminierung iSv. § 4 [X.], eine Diskriminierung wegen des Geschlechts bzw. eine Verletzung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verneint. Eine (mittelbare) Diskriminierung kann nämlich nur vorliegen, wenn die benachteiligten und die begünstigten Personen vergleichbar sind ([X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 33, [X.]E 137, 80). Auch das von der Klägerin angesprochene, gemäß Art. 157 AEUV, Art. 4 Satz 1 der Richtlinie 2006/54/[X.], Paragraph 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeit im Anhang der Richtlinie 97/81/[X.] gegenüber Teilzeitbeschäftigten bestehende Diskriminierungsverbot ist nur spezifischer Ausdruck des zu den tragenden Grundsätzen des Verfassungs- und des Unionsrechts zählenden allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden dürfen, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt. Auch diese besondere Ausprägung des [X.] kann daher nur auf Personen Anwendung finden, die sich in der gleichen Lage befinden ([X.] 12. Oktober 2004 - [X.]-313/02 - [[X.]] Rn. 54 bis 56). Dass und unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt ein solcher Lösungsansatz eine Vorlage an den [X.] erfordern würde, hat die Klägerin im Instanzenzug nicht geltend gemacht und auch nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] vom 15. Oktober 2021 angeführt, obwohl dieser Lösungsansatz dort ausführlich erörtert worden ist.

(2) Nach diesem Tarifverständnis, dem die Annahme zugrunde liegt, dass die Tarifvertragsparteien des TVöD-K ein äußerst ausdifferenziertes Regelungsregime für das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit geschaffen haben, welches sich von dem für das Entstehen und den Ausgleich von Überstunden grundlegend unterscheidet und es sich daher nicht mehr um vergleichbare Sachverhalte iSv. Art. 3 Abs. 1 GG handelt (Rn. 45 der Ausgangsentscheidung), brauchte der [X.] gerade nicht zu entscheiden, auf der Grundlage welchen Maßstabs eine Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten gegenüber den [X.] festzustellen ist und inwieweit dies die Auslegung von Unionsrecht betrifft und damit in die Zuständigkeit des Gerichtshofs der [X.] fällt. Darauf hat der [X.] in Rn. 50 der Ausgangsentscheidung auch hingewiesen. Es ist Sache des für die Würdigung des Sachverhalts allein zuständigen nationalen Gerichts, festzustellen, ob sich bestimmte Arbeitnehmergruppen in vergleichbaren Situationen befinden (vgl. zB [X.] 30. Juni 2022 - [X.]-192/21 - [[X.]] Rn. 35; 5. Juni 2018 - [X.]-574/16 - [[X.]] Rn. 49 [X.]).

bb) Ebenso war der [X.] im Ausgangsverfahrens nicht gehalten, das Verfahren nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG einzuleiten und gegebenenfalls den [X.] des [X.]s nach § 45 Abs. 2 ArbGG anzurufen. Aus den unter Rn. 28 f. dargelegten Gründen besteht - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine Divergenz zu dem Vorlagebeschluss des Zehnten [X.]s des [X.]s vom 11. November 2020 (- 10 [X.] (A) - [X.]E 173, 10). Nach dem im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Regelungssystem des TVöD-K stellt sich an[X.] als in dem angezogenen Vorlagebeschluss des Zehnten [X.]s, dem das Regelungsregime der Tarifvertragsparteien für die Mitarbeiter des [X.]ockpitpersonals der Lufthansa [X.]ityLine GmbH zugrunde liegt, nicht die [X.]rage, ob für die [X.]eststellung einer Benachteiligung von Teilzeit- gegenüber [X.] auf die Gesamtvergütung oder isoliert auf den Überstundenzuschlag abzustellen ist und ob eine solche Benachteiligung gerechtfertigt sein kann, wenn mit der zusätzlichen Vergütung für Überstunden eine besondere Arbeitsbelastung ausgeglichen werden soll. Der Lösungsansatz des [X.]s bezieht sich im Unterschied zu dem Ansatz, der der Vorlage des Zehnten [X.]s zugrunde liegt, nicht auf die [X.]rage, welche Bestandteile des Entgelts in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehen sind. Er bezieht sich auch nicht auf die von § 2 Abs. 1 [X.] vorgegebene Vergleichsgruppenbildung, dh. auf die Bestimmung der vergleichbaren [X.], sondern darauf, dass sich Teilzeit- und Vollbeschäftigte im Regelungssystem des TVöD-K aufgrund der tariflichen Ausgestaltung der Normen zur Mehrarbeit bzw. zu den Überstunden nicht mehr in einer vergleichbaren Lage befinden, sodass von vornherein keine Diskriminierung vorliegen kann. Auch darauf hat der [X.] in Rn. 50 der angefochtenen Ausgangsentscheidung hingewiesen.

cc) Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, der [X.] hätte zudem eine Divergenzanfrage iSv. § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an den Achten [X.] des [X.]s stellen müssen, da sich dieser in seinem Vorlagebeschluss vom 28. Oktober 2021 (- 8 [X.] (A) -) der Rechtsprechung des Zehnten [X.]s des [X.]s zum [X.] im Zusammenhang mit der Behandlung von Teilzeit- gegenüber [X.] angeschlossen habe, fehlt es bereits an einer schlüssigen Behauptung eines [X.] iSv. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (zu diesem Erfordernis siehe [X.] 13. Oktober 2015 - 3 [X.] 915/15 ([X.]) - Rn. 19; 12. September 2012 - 5 [X.] 1743/12 ([X.]) - Rn. 7; 18. November 1999 - 2 [X.] - zu [X.]I der Gründe; [X.] 29. Januar 2015 - I K 1/14 - Rn. 7; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 19. Aufl. § 579 Rn. 9; An[X.]/[X.]/[X.] ZPO 80. Aufl. § 579 Rn. 1). Die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, dass der von der angefochtenen Ausgangsentscheidung vom 15. Oktober 2021 vermeintlich divergierende angezogene Beschluss des Achten [X.]s vom 28. Oktober 2021 datiert und somit 13 Tage später als die angefochtene Ausgangsentscheidung gefällt worden ist. Schon deshalb kam eine Divergenzanfrage und in der [X.]olge eine Anfrage an den [X.] des [X.]s nach § 45 ArbGG durch den erkennenden [X.] nicht in Betracht. Zudem besteht aus den in Rn. 28 f. dargelegten Gründen ebenfalls keine Divergenz zum Achten [X.].

4. Soweit der [X.] in ständiger Rechtsprechung die Nichtigkeitsklage nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bei [X.] von willkürlichen Verletzungen von [X.] auch dann für statthaft hält, wenn die Vorlagepflicht bereits Gegenstand des Instanzenzugs war und in dem mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Endurteil beschieden worden ist ([X.] 7. [X.]ebruar 2018 - XI K 1/17 - Rn. 8, 14 ff., [X.]E 260, 410; 13. Juli 2016 - VIII K 1/16 - Rn. 5 ff., 15, [X.]E 254, 481), bedurfte es keiner Vorlage an den Gemeinsamen [X.] der obersten Gerichtshöfe des [X.] nach § 2 Abs. 1 [X.], weil keine entscheidungserhebliche Divergenz vorliegt.

II. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Spelge    

        

    Ri[X.] Dr. Heinkel
ist an der Beibringung seiner Unterschrift verhindert
Spelge    

        

    Wemheuer    

        

        

        

    Kreis    

        

    Klapproth    

                 

Meta

6 AZR 24/22

28.07.2022

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Weiden, 8. August 2018, Az: 2 Ca 1322/17, Urteil

Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 267 Abs 3 AEUV, § 578 Abs 1 ZPO, § 579 Abs 1 Nr 1 ZPO, § 79 S 1 ArbGG, § 45 Abs 2 ArbGG, § 2 Abs 1 RsprEinhG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.07.2022, Az. 6 AZR 24/22 (REWIS RS 2022, 5228)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5228 NJW 2022, 3459 REWIS RS 2022, 5228

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NotZ (Brfg) 4/22, NotZ 1/23

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