Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.09.2022, Az. B 8 SO 36/22 BH

8. Senat | REWIS RS 2022, 10131

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage - Vorliegen gefestigter Rechtsprechung des BSG


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 25. April 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des [X.] - ([X.]), wegen eines erhöhten Regelbedarfs aufgrund von Kosten für Bekleidung, Bettwäsche, Pflege- und Reinigungsmittel sowie wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung für das [X.].

2

Der Beklagte gewährte dem Kläger für das [X.] Grundsicherungsleistungen in Höhe von mindestens 975,94 [X.] unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs in Höhe von 409 [X.] abzgl 33,31 [X.] Kürzung für Haushaltsenergie, Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 363,00 [X.], Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 237,25 [X.] zzgl einer zusätzlichen Heizkostenpauschale von 301,00 [X.] im Februar, im März von 221,00 [X.] sowie ab April von 261,00 [X.] und im Oktober zusätzlichen Abfallgebühren in Höhe von 79,25 [X.] (Bescheide vom 27.12.2016, 10.1.2017 und 28.3.2017). Der Widerspruch war nicht erfolgreich. Ein erhöhter Regelbedarf aufgrund von Kosten für Bekleidung, Bettwäsche, Pflege- und Reinigungsmittel sei ebenso wenig wie ein Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung nachgewiesen. Die Kürzung der Regelbedarfsstufe um die [X.] sei rechtens und aufgrund einer rechtmäßigen Kostensenkungsaufforderung seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nicht zu berücksichtigen (Widerspruchsbescheid vom 16.10.2018).

3

Die Klage, mit der der Kläger unter anderem die Anerkennung eines Anspruchs auf kostenaufwändige Bekleidung begehrt, sowie die Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts <[X.]> Ulm vom 17.9.2020; Beschluss des Landessozialgerichts <[X.]> Baden-Württemberg vom 24.11.2020). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] hat das B[X.] den Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen, weil das [X.] vor Ablauf der von ihm gesetzten [X.] entschieden und damit § 153 Abs 4 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ([X.]) verletzt hat (Senatsbeschluss vom [X.] [X.] 96/20 B -).

4

In der erneuten Entscheidung hat das [X.] die Berufung zurückgewiesen (Beschluss vom 25.4.2022). Zur Begründung hat das [X.] ua ausgeführt, dass das angefochtene Urteil des [X.] sowie die angegriffenen Bescheide des Beklagten rechtmäßig seien und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten. Das [X.] könne gemäß § 153 Abs 4 [X.] die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich halte. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Im Übrigen schließe es sich den Entscheidungsgründen des [X.] nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage uneingeschränkt an und sehe gemäß § 153 Abs 2 [X.] von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

5

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] beim [X.] (B[X.]) sinngemäß Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ([X.]) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

6

II. Der Antrag auf Bewilligung von [X.] ist nicht begründet. [X.] ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig [X.] (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 114 Zivilprozessordnung ); daran fehlt es hier. Denn es ist nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter die Beschwerde erfolgreich begründen könnte. [X.] Aussicht auf Erfolg wäre insoweit nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 [X.] abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 [X.]) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]), die Entscheidung von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts ([X.]) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]).

7

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Unabhängig davon, dass der Kläger in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde begrenzt auf die Anerkennung eines Mehrbedarfs, liegt im Zusammenhang mit den in der Berufungsentscheidung behandelten Fragen auf Berücksichtigung höherer Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 42a Abs 1 iVm § 35 [X.]) und der Bestimmung der abstrakten [X.] eine gefestigte Rechtsprechung des B[X.] vor.Zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße für Einpersonenhaushalte ist nach der ständigen Rechtsprechung der für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] ([X.]B II) zuständigen Senate des B[X.] auf die [X.] für [X.] im [X.] Mietwohnungsbau und die entsprechenden landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen abzustellen (vgl etwa B[X.] vom 16.5.2012 - B 4 [X.]/11 R - juris Rd[X.]8 mwN; B[X.] vom [X.] - B 4 AS 16/11 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] mwN, die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, [X.] vom 10.10.2017 - 1 BvR 944/14). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung für den Bereich des [X.] angeschlossen, auch wenn § 35 [X.] im Wortlaut abweicht (vgl B[X.] vom [X.] [X.] 24/08 R - [X.] 4-3500 § 29 [X.] Rd[X.]4 mwN; B[X.] vom [X.] [X.] 40/17 BH - juris Rd[X.]; B[X.] vom 7.3.2019 - [X.] [X.] 23/18 BH - juris Rd[X.]). Das [X.] hat die vom B[X.] aufgestellten Maßstäbe berücksichtigt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

8

Ebenso liegt gefestigte Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung vor (B[X.] vom 14.2.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]5 Rd[X.]5; B[X.] vom 27.2.2008 - [X.]/7b [X.] - B[X.]E 100, 83 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] und B[X.] vom 15.4.2008 - [X.]/11b [X.]; vgl zur Laktoseintoleranz auch B[X.] vom 9.6.2011 - [X.] [X.] 11/10 R - juris Rd[X.]4).

9

Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

Der angefochtene Beschluss des [X.] ist nicht unter Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG), was als absoluter Revisionsgrund von Amts wegen zu beachten wäre (vgl B[X.] vom 8.10.2019 - B 12 KR 8/19 R - für B[X.]E und [X.] 4 vorgesehen Rd[X.]7; B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - juris Rd[X.]6), ergangen. [X.] für die Entscheidung von Verfahren vor dem [X.] ist grundsätzlich ein Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs 1 Satz 1 [X.]). Hiervon macht ua § 153 Abs 4 [X.] (eingeführt durch Art 8 [X.] Buchst d nach Maßgabe des Art 14 Abs 3 des [X.], [X.] mit Wirkung vom [X.] - Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege) eine Ausnahme. Danach kann das [X.] nach seinem Ermessen außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 [X.] die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Hiervon hat das [X.] durch Beschluss vom 25.4.2022 Gebrauch gemacht. Nähere inhaltliche Anforderungen an die Entscheidung durch Beschluss formuliert das Gesetz nicht. Vielmehr überantwortet es die Entscheidung ohne [X.] durch Beschluss dem Senat als berufsrichterliches Kollegium. Der Beschluss ergeht ohne [X.] (§ 12 Abs 1 Satz 2 [X.]). Die Berufung richtete sich nicht gegen einen Gerichtsbescheid und das [X.] hielt eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich. Es ist nicht erkennbar, dass bei der Ermessensentscheidung des [X.] unzutreffende Annahmen zugrunde gelegen haben, insbesondere dass es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich gehalten hätte. Das [X.] hat den Kläger vor der Entscheidung durch Beschluss auch angehört ([X.] 8 ff [X.]-Akte).

Nach Aktenlage liegt auch kein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 1 [X.]) vor. Dies gilt auch für die Rüge, das [X.] habe seiner Sachaufklärungspflicht nicht genügt und damit den Untersuchungsgrundsatz (§ 103 [X.]) verletzt. Eine Revision kann aber nicht auf eine Verletzung von §§ 109 [X.] und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden (§ 160 Abs 2 [X.] 2. Halbsatz [X.]). Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]) durch das [X.] könnte nur erfolgreich geltend gemacht werden, wenn sich der Vortrag auf einen Beweisantrag im Berufungsverfahren bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein solcher Sachverhalt ist nicht ersichtlich. In der mündlichen Verhandlung hat der anwaltlich vertretene Kläger lediglich hilfsweise beantragt, "ein Gutachten zu seinem Bedarf für kostenaufwändige Bekleidung, Pflegemittel, Bettwäsche, Reinigungsmittel und Schuhwerk einzuholen". Damit benennt er weder Beweisthema noch das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme. Das [X.] hatte bereits umfangreich zum entscheidungserheblichen Gesundheitszustand des [X.] ermittelt. Umso vollständiger und präziser hätte daher der anwaltlich vertretene Kläger in einem prozessordnungsgemäßen Beweisantrag angeben müssen, zu welchen für die Entscheidung erheblichen Tatsachen aufgrund welchen Beweismittels noch welche neuen Beweisergebnisse zu erwarten waren, um das [X.] vor einer Verletzung seiner Amtsermittlungsplicht zu warnen und von der Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme zu überzeugen. Bei der von dem Kläger gewählten Formulierung handelt es sich demgegenüber lediglich um eine Beweisanregung; die Warnfunktion eines Beweisantrags kann sie nicht erfüllen (vgl B[X.] vom 9.7.2015 - B 9 SB 19/15 B - juris Rd[X.]4).

Mit der Ablehnung von [X.] entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der [X.] (§ 73a Abs 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Die eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem B[X.] gemäß § 73 Abs 4 [X.] durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung selbst nicht rechtswirksam vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Auch hierauf hat das [X.] in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich hingewiesen.

Die Entscheidung ergeht nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 3 [X.] ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

[X.]

Meta

B 8 SO 36/22 BH

26.09.2022

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Ulm, 17. September 2020, Az: S 13 SO 1282/20, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.09.2022, Az. B 8 SO 36/22 BH (REWIS RS 2022, 10131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 10131

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