Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 8 AZR 817/13

8. Senat | REWIS RS 2014, 1384

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Gegenstand

Schadensersatz wegen unterlassener Pauschalbesteuerung - Aufklärungs- und Hinweispflicht des Arbeitgebers


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] - [X.] - vom 2. Juli 2013 - 14 [X.]/13 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 1.263,95 [X.] im Zusammenhang mit der Besteuerung des Entgelts aus einer geringfügigen Beschäftigung (sog. Mini-Job).

2

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung geistig behinderter Menschen. Die Klägerin war bei ihm von Januar bis Oktober 2010 als Betreuerin beschäftigt. Für die ersten beiden Monate - Januar und Februar 2010 - wurde eine pauschale steuerfreie Aufwandsentschädigung nach § 3 Nr. 26 EStG in Höhe von insgesamt 2.100,00 [X.] gezahlt. Von März bis Oktober 2010 erfolgte die Tätigkeit im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung für 400,00 [X.] monatlich, insgesamt 3.200,00 [X.]. Zum 1. März 2010 hatte die verheiratete Klägerin dem Beklagten auf Aufforderung ihre - auf die Steuerklasse [X.] ausgestellte - Lohnsteuerkarte für das [X.] vorgelegt.

3

Der Beklagte machte nicht von der Wahlmöglichkeit der Pauschalierung der Lohnsteuer für geringfügig Beschäftigte nach § 40a Abs. 2 EStG Gebrauch, die für ihn zu einer steuerlichen Belastung - bezogen auf den gesamten Zeitraum der geringfügigen Beschäftigung - von insgesamt 64,00 [X.] (2 % Pauschalsteuer auf 3.200,00 [X.]) geführt hätte. Er rechnete am Ende des Arbeitsverhältnisses das von der Klägerin für den Zeitraum von März bis Oktober 2010 bezogene Entgelt nach der Steuerklasse [X.] ab und übermittelte die Lohnsteuerbescheinigung an das zuständige Finanzamt.

4

Hätte der Beklagte statt der Abrechnung nach der Steuerklasse [X.] die Pauschalsteuer gewählt, hätten die Klägerin und ihr Ehegatte im Zuge der steuerlichen Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) für das [X.] insgesamt 1.327,95 [X.] weniger Steuern zahlen müssen.

5

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten in Höhe des Differenzbetrages von 1.263,95 [X.] (1.327,95 [X.] abzüglich 64,00 [X.]) zu. Der Beklagte habe sie darauf hinweisen müssen, dass er nach Lohnsteuerkarte abrechnen wolle und dies angesichts der von der Klägerin gewählten Lohnsteuerklasse [X.] und gemeinsamer steuerlicher Veranlagung der Ehegatten ggf. im Vergleich zur Pauschalbesteuerung zu steuerlichen Nachteilen führen könne. [X.]. habe er sein Wahlrecht zwischen den Abrechnungsvarianten im Sinne arbeitsvertraglicher Fürsorgepflicht ausüben müssen. Er habe dabei die Möglichkeit gehabt, die Pauschalsteuer im Innenverhältnis auf die Klägerin abzuwälzen, zu deren Zahlung sie im Übrigen auch bereit gewesen sei. Bei der Aufforderung zur Vorlage der Lohnsteuerkarte sei sie davon ausgegangen, diese werde nur zur Vervollständigung der Personalakte benötigt.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

        

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.263,95 [X.] nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10. November 2012 zu zahlen,

        

hilfsweise

                 

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin und ihren Ehemann S, als Gesamthandsgläubiger 1.263,95 [X.] nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10. November 2012 zu zahlen.

7

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Ein Schadensersatzanspruch sei nicht gegeben. Es bestehe schon keine Hinweis- bzw. Aufklärungspflicht zu steuerlichen Angelegenheiten der Klägerin, zudem habe ihr bei Abgabe der Lohnsteuerkarte - die für eine Pauschalbesteuerung nicht erforderlich sei - klar sein müssen, dass danach abgerechnet werde.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem [X.] ohne Erfolg. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz eines entstandenen Steuernachteils.

A. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Den Beklagten treffe keine Schadensersatzpflicht, denn er sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über die beabsichtigte Abrechnungsart nach Steuerkarte mit der Lohnsteuerklasse [X.] gesondert zu informieren und sie auf etwa daraus entstehende Nachteile hinzuweisen. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, Hinweise nach Kenntnisnahme von persönlichen, auf die Privatsphäre des Arbeitnehmers bezogenen Daten zu geben. Zudem habe der Beklagte mit der Aufforderung zur Vorlage der Lohnsteuerkarte deutlich gemacht, dass danach abgerechnet werden solle.

B. Die Entscheidung des [X.]s hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I. Schuldner der Lohnsteuer ist gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber haftet zwar für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG). Soweit diese Haftung reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner (§ 42d Abs. 3 Satz 1 EStG). Dabei erfüllt der Arbeitgeber jedoch eine fremde Schuld. Im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander ist grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 133, 332; 16. Juni 2004 - 5 [X.] - zu [X.] der Gründe mwN, [X.]E 111, 131).

Eine Ausnahme von dieser Regel gilt jedoch für die pauschale Lohnsteuer. Schuldner dafür ist nach § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG der Arbeitgeber. Darunter fällt auch die nach § 40a Abs. 2 EStG mögliche Pauschalbesteuerung bei geringfügiger Beschäftigung.

Ausnahmsweise kann im Innenverhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer der klar erkennbare [X.]wille dahin gehen, die Steuerlast solle den Arbeitgeber treffen (ua. [X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 133, 332; 16. Juni 2004 - 5 [X.] - zu [X.] der Gründe mwN, [X.]E 111, 131).

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf den mit der Klage geforderten Betrag.

1. Zur Begründung der Klageforderung ist von der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht vorgetragen worden, dass eine Vereinbarung der [X.]en besteht, nach der in ihrem Verhältnis der Arbeitgeber die Steuerlast tragen soll.

2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 241 BGB. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin bzw. der Klägerin und ihrem Ehegatten den Betrag der zusätzlich angefallenen Steuern wegen einer Pflichtverletzung zu ersetzen. Der Beklagte hat sich weder bei der Ausübung der Wahlmöglichkeit nach § 40a Abs. 2 EStG noch damit im Zusammenhang - etwa durch einen der Klägerin gegenüber unterlassenen Hinweis - pflichtwidrig iSd. § 280 Abs. 1 BGB verhalten.

a) Eine gesetzliche Nebenpflicht des Arbeitgebers ist nicht verletzt.

Nach § 40a Abs. 2 EStG besteht bei geringfügiger Beschäftigung eine Wahlmöglichkeit des Arbeitgebers zwischen der Pauschalbesteuerung und der individuellen Besteuerung nach Lohnsteuerkarte. Die Bestimmung enthält keine Regelung einer Einschränkung der arbeitgeberseitigen Wahlmöglichkeit. Eine diesbezügliche Aufklärungs- oder Hinweispflicht des Arbeitgebers ist weder in § 40a Abs. 2 EStG noch anderweitig gesetzlich geregelt.

b) Auch eine [X.] ist nicht verletzt.

aa) Die [X.]en des Arbeitsverhältnisses sind gehalten, auf die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des jeweils anderen Vertragspartners Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2, § 242 BGB). Die [X.] gilt auch für die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer. Daraus können sich Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers ergeben (vgl. ua. [X.] 15. April 2014 - 3 [X.] - Rn. 43 mwN; 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 58; 27. Januar 2011 - 8 [X.]/09 - Rn. 37 mwN), deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB auslösen kann (vgl. [X.] 24. September 2009 - 8 [X.] - Rn. 14).

Die arbeitsrechtlichen Nebenpflichten des Arbeitgebers beschränken sich nicht darauf, den Arbeitnehmern keine falschen und unvollständigen Auskünfte zu erteilen (vgl. etwa [X.] 23. Mai 1989 - 3 [X.] - zu 2 b der Gründe mwN). Zur Vermeidung von [X.] kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben ([X.] 15. April 2014 - 3 [X.] - Rn. 44). Grundsätzlich hat allerdings innerhalb vertraglicher Beziehungen jede [X.] für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen (ua. [X.] 22. Januar 2009 - 8 [X.] - Rn. 28; [X.] 19. Juli 2012 - [X.] ZR 71/12 - Rn. 21 mwN). Hinweis- und Aufklärungspflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung ([X.] 15. April 2014 - 3 [X.] - Rn. 44 mwN).

bb) Danach hat der Beklagte nicht gegen Hinweis- und Aufklärungspflichten verstoßen.

(1) Der Beklagte war nicht gehalten, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung ist. Diese grundlegende steuerrechtliche Regelvorgabe bedarf keines arbeitgeberseitigen Hinweises.

(2) Dem Beklagten oblag es auch nicht, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass er nicht von der Möglichkeit im Rahmen des § 40a Abs. 2 EStG Gebrauch macht, statt der „normalen“ individuellen Besteuerung nach Lohnsteuerkarte die Pauschalbesteuerung zu wählen. Eine nicht gewählte und daher nicht zur Anwendung kommende Abweichung von der [X.] bedarf keines Hinweises. Ein Arbeitnehmer, der besonderen Wert darauf legt, dass diese [X.] für sein Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt, hat die Möglichkeit, von sich aus nachzufragen und ggf. eine entsprechende Vereinbarung vorzuschlagen.

(3) Im vorliegenden Fall kommt hinzu - ohne dass es darauf ankäme -, dass der Beklagte mit der Aufforderung zur Vorlage der Lohnsteuerkarte (die im Fall der Wahl der Ausnahme der Pauschalbesteuerung nicht erforderlich ist) zum 1. März 2010 als Beginn der geringfügigen Beschäftigung zum Ausdruck gebracht hat, nach der Regelbesteuerung zu verfahren. Mit der Aufforderung zur Abgabe der Lohnsteuerkarte musste die Klägerin davon ausgehen, dass diese auch zum Einsatz kommen soll.

(4) Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte nicht gehalten, sie angesichts ihres [X.] und/oder der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse darauf aufmerksam zu machen, dass die Regelbesteuerung in ihrem Fall mit Nachteilen verbunden sein könnte. Die für den Arbeitnehmer - und ggf. dessen Ehegatten - individuell bestehenden steuerrechtlichen Belange betreffen nicht das Arbeitsverhältnis.

3. Auf die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen zur weiteren Aufklärung und ggf. Beweiserhebung kommt es nach allem nicht an.

[X.]. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    [X.]    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 817/13

13.11.2014

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Mannheim, 6. Dezember 2012, Az: 5 Ca 392/12, Urteil

§ 241 Abs 2 BGB, § 242 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 38 Abs 2 S 1 EStG, § 40 Abs 3 S 2 EStG, § 40a Abs 2 EStG, § 42d Abs 1 Nr 1 EStG, § 42d Abs 3 S 1 EStG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 8 AZR 817/13 (REWIS RS 2014, 1384)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1131 REWIS RS 2014, 1384

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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