Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.07.2023, Az. 1 WRB 2/22

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2023, 6834

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Gegenstand

Vertrauensperson; Teilnahme an einer schriftlichen Erfolgskontrolle


Leitsatz

Die Verpflichtung einer Vertrauensperson, an einer Erfolgskontrolle zu ihrer Erstausbildung nach § 20 Abs. 5 Satz 1 SBG teilzunehmen, verstößt gegen das Behinderungsverbot des § 15 Abs. 1 SBG.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des [X.] vom 25. August 2022 aufgehoben.

Die Beschwerdebescheide des Kommandeurs der ... vom 21. Januar 2022 und des Kommandeurs der ... vom 21. März 2022 werden aufgehoben.

Der Kommandeur der ... wird verpflichtet, auf die Beschwerde des Antragstellers vom 15. Dezember 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine Entscheidung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] zu treffen.

Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem [X.] und vor dem [X.] einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem [X.] auferlegt.

Tatbestand

1

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers betrifft die Frage, ob eine Vertrauensperson zur Teilnahme an einer schriftlichen Erfolgskontrolle für ihre Ausbildung als Vertrauensperson verpflichtet werden kann.

2

Der Antragsteller war 2021 zur Vertrauensperson der Mannschaften seiner damaligen Einheit gewählt worden. Für seine Ausbildung zur Vertrauensperson waren ihm auf elektronischem Wege Lernunterlagen zum Selbststudium übersandt worden. Nach einem am 5. November 2021 durch den [X.] an die [X.] übermittelten, mündlichen Befehl des Kommandeurs des ... sollte die Ausbildung aus Unterricht und einer Erfolgskontrolle bestehen. Die Vertrauenspersonen sollten eigenständig Fallbeispiele bearbeiten und die Lösungen digital zurücksenden. Am 13. Dezember 2021 wurde der Antragsteller per E-Mail durch den Kompanietruppführer seiner Einheit aufgefordert, die Lernunterlagen durchzuarbeiten, die Fallbeispiele zu bearbeiten und die Lösungen bis zum 17. Dezember 2021 zu übermitteln.

3

Am 15. Dezember 2021 beschwerte sich der Antragsteller gegen die Verpflichtung zur Teilnahme an der Erfolgskontrolle und rügte eine Verletzung von § 20 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 15 Abs. 1 [X.] sowie des Demokratieprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG. Die Beschwerde wurde mit Bescheid des Kommandeurs der ... vom 21. Januar 2022 als unzulässig zurückgewiesen. Der angegriffene Befehl sei am 18. Januar 2022 aufgehoben worden, sodass der Antragsteller nicht mehr beschwert sei.

4

Seine weitere Beschwerde vom 8. Februar 2022 wurde mit [X.] des Kommandeurs der ... vom 21. März 2021 als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Aufhebung des Befehls zur Durchführung der Erfolgskontrolle sei die Teilnahme freiwillig und die vom Antragsteller gerügte Beschwer entfallen.

5

Unter dem 10. April 2022 beantragte der Antragsteller hiergegen die Entscheidung des [X.]s. Er habe Anspruch auf einen stattgebenden [X.], nachdem der Verletzung seiner Rechte auf seine Beschwerde hin abgeholfen worden sei.

6

Mit Beschluss vom 25. August 2022, dem Antragsteller zugestellt am 6. September 2022, hat das [X.] Süd den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10. April 2022 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der gegen den Befehl zur Durchführung der Erstausbildung der Vertrauenspersonen 2021 gerichtete Antrag sei zulässig, aber unbegründet. Die Ausgangsbeschwerde hätte zwar nicht mangels Beschwer als unzulässig zurückgewiesen werden dürfen. Im Falle eines erledigten Befehls sei auch ohne Darlegung eines rechtlichen Interesses die Recht- und Zweckmäßigkeit des Befehls zu prüfen und eine festgestellte Rechtswidrigkeit im Tenor auszusprechen. Auf eine begründete Beschwerde habe der Antragsteller einen Abhilfeanspruch, der die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Befehls und einen stattgebenden [X.] erfasse. Der Antrag sei aber unbegründet, weil der Antragsteller durch die Verpflichtung zur Teilnahme an der Erfolgskontrolle nicht in der Ausübung seiner Befugnisse als Vertrauensperson nach § 15 Abs. 1, § 17 Alt. 1 [X.] behindert worden sei. Zwar sei die Verpflichtung vor dem Hintergrund einer umfassenden Auslegung des Begriffs der Behinderung kritisch zu sehen. Weder das [X.] noch die zu seiner Ausführung ergangene Zentrale Dienstvorschrift ([X.]) [X.]/1 "Soldatische Beteiligung in der [X.]" schienen dafür eine Rechtsgrundlage bereitzustellen. Durch eine entsprechende Verpflichtung könnten disziplinare oder wehrstrafrechtliche Konsequenzen zulasten der Vertrauenspersonen ausgelöst und diese aus ihrem Amt gedrängt werden. Das im [X.] zuständige Fachreferat sehe eine verpflichtende Teilnahme an der Ausbildung oder einer Erfolgskontrolle als Widerspruch zum [X.] des § 15 Abs. 1 [X.]. Erfolgskontrollen seien nicht generell untersagt, wenn sie nicht Grundlage der Qualifikation zur Vertrauensperson seien oder deren Fähigkeiten bewerteten, vielmehr nur dem Ausbilder ein Feedback geben sollten. Die Kammer sei dennoch wegen des eindeutigen Wortlautes des § 17 bzw. § 15 [X.] zum gegenteiligen Ergebnis gelangt. Dort sei von einer Behinderung in der Ausübung der Befugnisse der Vertrauensperson die Rede. Bei der Ausbildung der Vertrauensperson gehe es aber nicht um eine Ausübung ihrer Befugnisse.

7

Am 4. Oktober 2022 hat der Antragsteller beim [X.] Süd die Rechtsbeschwerde eingelegt und sie dort am 4. November 2022 begründet. Der Antragsteller rügt Verfahrensfehler und die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.] habe den Amtsermittlungsgrundsatz und seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Das [X.] verkenne rechtsfehlerhaft, dass die Verpflichtung zur fristgebundenen Teilnahme an der online-Erfolgskontrolle ihn entgegen § 15 Abs. 1, § 17 Alt. 1 [X.] in der Ausübung seiner Befugnisse als Vertrauensperson behinderte. Der Begriff der Behinderung bei der Befugnisausübung nach § 17 Alt. 1 [X.] sei umfassend auszulegen. Das [X.] untersage alle Eingriffe in die Tätigkeit der Vertrauensperson, die diese objektiv an der ordnungsgemäßen Ausübung ihres Amtes hindere, diese erschwere, störe oder beschränke. Behinderungen könnten in der Praxis unterschiedliche Formen annehmen. Er sei als Vertrauensperson für die Belange von 80 Personen zuständig. Dem Befehl, die Schulung durchzuführen und die Erfolgskontrolle fristgerecht abzuliefern, habe er unverzüglich nachkommen müssen. Nach dem [X.] komme ihm als Vertrauensperson eine Fülle von während der Dienstzeit ehrenamtlich zu erledigenden Aufgaben und Befugnissen zu. Diese wären bei pflichtgemäßer Befolgung des angegriffenen Befehls nicht zu erledigen. Durch die angegriffene Verpflichtung werde unzulässiger Druck zur Durcharbeitung der Unterlagen innerhalb einer bestimmten Frist erzeugt. Dieser beeinträchtige die freie Ausübung seines Mandats. Es entstehe der unzulässige Eindruck, er müsse neben der Wahl noch weitere Voraussetzungen für die Amtsausübung erfüllen. Auch ohne eine Erfolgskontrolle seien der einzelne Soldat und die Funktionsfähigkeit der [X.] vor möglicherweise unfähigen Vertrauenspersonen ausreichend geschützt. Die Ausbildung zur Vertrauensperson sei vorteilhaft, aber nicht zwingend erforderlich und müsse daher freiwillig sein. Insbesondere Zeitvorgaben und Erfolgskontrollen seien rechtswidrig, hätten keine Parallele bei Betriebs- oder Personalräten bzw. Schwerbehindertenvertretern und gingen über ein etwa durch freiwillige, anonyme Feedbackbögen mögliches Feedback an den Ausbildungsanbieter hinaus.

8

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des [X.]s Süd vom 25. August 2022 aufzuheben und dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10. April 2022 stattzugeben.

9

Das [X.] verweist auf die Stellungnahme seines zuständigen Fachreferates vom 12. Juli 2022, die unverändert Gültigkeit habe. Der [X.]disziplinaranwalt unterstützt die Rechtsbeschwerde. Der nach Aufhebung des angegriffenen Befehls statthafte Fortsetzungsfeststellungsantrag sei zulässig und begründet. Vertrauenspersonen dürften nicht zur Teilnahme an einer Ausbildung oder Erfolgskontrollen verpflichtet werden. Für die Amtsausübung genüge die ordnungsgemäße Wahl. Bei den Aufforderungen, die Erfolgskontrolle einzureichen, sei nicht deutlich gemacht worden, dass es sich um eine freiwillige Selbstkontrolle handele. Der Duktus deute auf Anspruch auf Gehorsam. Wegen des weiten Schutzbereiches von § 15 Abs. 1 [X.] überzeuge die Differenzierung des [X.]s zwischen Ausbildung und Ausübung von Befugnissen nicht. Dass die Stellungnahme des Fachreferates des [X.] vom 12. Juli 2022 nicht an den Antragsteller übermittelt worden sei, sei zwar ein Verfahrensmangel. Da diese Stellungnahme aber den Vortrag des Beschwerdeführers stütze, sei fraglich, ob die Weiterleitung Einfluss auf dessen Vortrag gehabt hätte.

Mit Ablauf des 31. Dezember 2022 ist der Antragsteller aus dem Dienst ausgeschieden.

Der [X.]disziplinaranwalt und das [X.] haben trotz des [X.] keine Bedenken gegen die Zulässigkeit von Antrag und Rechtsbeschwerde. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 [X.] werde trotz der Erledigung des Befehls das berechtigte Interesse an der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit unwiderlegbar vermutet. Der Antragsteller stimmt diesen Ausführungen zu und verweist ergänzend auf die Wertungen in §§ 1 und 15 [X.]. Er habe ein [X.]. Die Feststellung diene auch der Eindämmung der Wiederholungsgefahr und der Rechtsklarheit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten des [X.]s und des Senats Bezug genommen, die dem Senat bei der Beratung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Die vom [X.] mit bindender Wirkung für den Senat zugelassene Rechtsbeschwerde (§ 22a Abs. 1 und 3 [X.]) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Ihr fehlt trotz des Dienstzeitendes des Antragstellers und dem damit verbundenen Verlust seiner Funktion als Vertrauensperson nicht die für das Rechtsschutzinteresse ausreichende formelle Beschwer. Diese besteht grundsätzlich immer dann, wenn die angefochtene Entscheidung dem Rechtsmittelführer etwas versagt, was er beantragt hat (vgl. [X.], Urteile vom 3. Juli 1956 - 3 C 102.55 - [X.]E 4, 16 <17> und vom 20. Oktober 2016 - 7 C 27.15 - [X.] 404 IFG Nr. 22 Rn. 8). Eine Erledigung während des [X.] nimmt diesem nicht die für seine Zulässigkeit erforderliche Beschwer (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Juli 2014 - 6 B 1.14 - [X.] 422.2 Rundfunkrecht Nr. 70 Rn. 15 f.). Das Rechtsmittel ist auch nicht missbräuchlich, unnötig oder zweckwidrig eingelegt worden (vgl. [X.], Beschluss vom 25. März 1993 - 4 NB 10.91 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 75 S. 126 m. w. N.).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, weil die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts durchgreift.

Der Senat hat in einem Rechtsbeschwerdeverfahren bei einer allgemeinen Sachrüge zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung gegen revisible Rechtsvorschriften verstößt ([X.], Beschluss vom 27. August 2013 - 1 [X.] 1.12 - juris Rn. 32 m. w. N.). Der vom [X.] festgestellte Sachverhalt ist dabei zugrunde zu legen ([X.], Beschluss vom 31. August 2017 - 1 [X.] 1.17 - [X.] 450.1 § 17 [X.] Nr. 97 Rn. 22 m. w. N.).

a) Ohne Rechtsfehler hat das [X.] die Zulässigkeit des Antrages festgestellt. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den [X.] eröffnet (§ 17 [X.]). Durch das Dienstzeitende des Antragstellers ist das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen und Erledigung nicht eingetreten, wie sich aus § 1 Abs. 3, § 15 und § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] ergibt. Hiernach kann eine Wehrbeschwerde nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst eingelegt oder weitergeführt werden, wenn der Anlass - wie hier - in die aktive Dienstzeit fällt. Der Anspruch auf einen stattgebenden Beschwerdebescheid nach § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst weiter geltend gemacht werden.

b) Der angegriffene Beschluss beruht aber in mehrfacher Hinsicht auf der Verletzung von [X.]esrecht (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i. V. m. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

aa) Das [X.] hat das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers unzutreffend ausgelegt und dadurch gegen die für die Auslegung von [X.] maßgeblichen §§ 133, 157 BGB verstoßen (vgl. [X.], Beschluss vom 17. August 2021 - 7 [X.] - juris Rn. 7). Entgegen den Ausführungen auf Seite 7 des angegriffenen Beschlusses hat der Antragsteller nicht den ursprünglichen Befehl vom 3. November 2021 zur Durchführung von Erfolgskontrollen zum Antragsgegenstand gemacht. Vielmehr hat er ausschließlich die ihm nachteiligen [X.] angegriffen und ausgeführt, in der Aufhebung des ursprünglichen Befehls habe eine Abhilfe gelegen, sodass ein stattgebender Beschwerdebescheid hätte ergehen müssen. Er hat damit sinngemäß einen [X.] gestellt. Das [X.] solle die [X.] vom 21. Januar 2022 und vom 21. März 2022 aufheben und den [X.] verpflichten, einen stattgebenden Beschwerdebescheid zu erlassen. Er hat damit weder den Befehl vom 3. November 2021 noch dessen Aufhebung angegriffen. Vielmehr hat er die Aufhebung des Befehls bestandskräftig werden lassen und lediglich gefordert, daraus für das Beschwerdeverfahren die rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

Diese fehlerhafte Auslegung des [X.] ist im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen. Denn für das Rechtsbeschwerdeverfahren gelten nach § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] die Vorschriften des verwaltungsgerichtlichen Revisionsverfahrens entsprechend. Im Verwaltungsprozessrecht ist es anerkannt, dass die prozessualen Fragen im Rahmen der Revision von Amts wegen zu klären sind. Das Revisionsgericht überprüft deswegen die Auslegung von [X.] durch das [X.] in vollem Umfang und ist dabei nicht nach § 137 Abs. 2 VwGO an dessen tatsächliche Feststellungen gebunden ([X.], Urteile vom 27. April 1990 - 8 C 70.88 - [X.] 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 5 und vom 20. Februar 2002 - 6 C 13.01 - [X.]E 116, 5 <7>; [X.], in: [X.], VwGO, 16. Aufl. 2022, § 137 Rn. 46).

Auf diesem Rechtsverstoß beruht der Beschluss des [X.]s. Es ist nicht auszuschließen, dass das Gericht bei richtiger Auslegung des [X.] zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die Aufhebung des Befehls vom 3. November 2021 als bestandskräftige Abhilfehandlung zu werten war und dass dem Antragsteller bereits deshalb nach § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] ein stattgebender Beschwerdebescheid zustand. Wie das [X.] zutreffend ausführt, hat ein Beschwerdeführer nicht nur einen Anspruch darauf, dass die ihn zu Unrecht belastende Entscheidung aufgehoben wird. Er kann auch einen stattgebenden Beschwerdebescheid verlangen ([X.], Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 1 [X.] 2.19 - [X.] 450.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 25). Zweck der Regelung ist es, dem Beschwerdeführer die Genugtuung einer stattgebenden Entscheidung als Ausgleich für eine fehlerhafte Behandlung zu gewähren. Weil die stattgebende Entscheidung dem Beschwerdeführer als Kompensation zusteht, kann die für die Entscheidung zuständige Beschwerdestelle sie nicht einfach weglassen. Erst recht darf sie nach einer Abhilfe den Beschwerdeführer nicht zur Rücknahme einer zulässigen und begründeten Beschwerde auffordern, sondern muss die Abhilfe durch eine stattgebende Entscheidung ergänzen und damit dem Genugtuungsinteresse des Beschwerdeführers Rechnung tragen. Zugleich bedarf es einer Kostenentscheidung nach § 13 Abs. 4 [X.], die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Antragsteller durch die Aufhebung der Beurteilung mit seinem Beschwerdevorbringen Erfolg gehabt hat.

bb) Zudem verstößt die Rechtsauffassung des [X.]s gegen [X.]esrecht, dass die durch Befehl begründete Verpflichtung einer Vertrauensperson zur Teilnahme an einer Ausbildung mit Erfolgskontrolle keine Behinderung im Sinne des § 15 Abs. 1 Alt. 1 SGB darstellt.

Nach § 15 Abs. 1 [X.] darf die Vertrauensperson in der Ausübung ihrer Befugnisse nicht behindert und wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. § 17 [X.] gibt ihr ein Beschwerderecht für eine entsprechende Rüge.

Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz schließt der Wortlaut von § 15 Abs. 1 [X.] die Ausbildung der Vertrauensperson betreffende Einwirkungen von Vorgesetzten nicht aus dem Anwendungsbereich des [X.] aus. Dass eine Vertrauensperson nicht "in der Ausübung ihrer Befugnisse" behindert werden darf, verbietet nicht nur unmittelbar auf die Ausübung ihrer Aufgaben nach § 19 Abs. 3 [X.] oder auf diese Wahrnehmung ihrer Anhörungs-, Vorschlags- oder Mitbestimmungsrechte nach den §§ 24 ff. [X.] wirkende Einflussnahmen. Der Wortlaut ist vielmehr offen für jede Form von Einwirkung auf eine Vertrauensperson, die objektiv geeignet ist, die Ausübung ihrer Rechte nach dem [X.] zu beeinträchtigen. Der Wortlaut verlangt zwar zwingend eine bestimmte Wirkung der verbotenen Maßnahme, nämlich die nachteilige Einwirkung auf die Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen der Vertrauensperson, definiert aber nicht abschließend, auf welche Weise diese Wirkung erzielt wird und grenzt auch nicht einzelne Befugnisse oder Rechte von Vertrauenspersonen aus dem Kreis unzulässiger Einwirkungen aus. Damit sind nicht nur unmittelbar die Wahrnehmung von [X.] beeinträchtigende Einwirkungen untersagt, sondern alle Maßnahmen, die unabhängig vom Verschulden oder einer entsprechenden Absicht des handelnden Vorgesetzten objektiv geeignet sind, die Wahrnehmung der Funktion zu erschweren.

Dieses weite Verständnis des Wortlautes ist von Sinn und Zweck der Norm auch gefordert. Die Norm soll die Unabhängigkeit der Vertrauensperson gewährleisten (vgl. [X.], Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - [X.]E 126, 333 Rn. 13 m. w. N.; [X.]/[X.], [X.]espersonalvertretungsgesetz, 15. Aufl. 2023, § 10 Rn. 2 m. w. N.). Der Begriff der Behinderung ist im Lichte dieses Zweckes weit auszulegen und erfasst jede Form der Erschwerung, Störung oder Verhinderung bei der Wahrnehmung beteiligungsrechtlicher Aufgaben oder Befugnisse ([X.], Beschluss vom 28. September 2010 - 1 [X.] 41.09 - [X.]E 138, 40 Rn. 49; [X.]/[X.], [X.], Stand Dezember 2021, § 15 Rn. 8; Gronimus, Soldatenbeteiligungsrecht, 1. Aufl. 2021, § 15 [X.] Rn. 10). Der Disziplinarvorgesetzte hat alles zu unterlassen, was zu einer Beeinträchtigung der Funktion der Vertrauensperson führen könnte ([X.]/[X.] a. a. O.). Zu unterbleiben hat auch die Ausübung von Druck, die Wahrnehmung einer Aufgabe oder eines Rechts zu verhindern oder in eine bestimmte Richtung zu lenken ([X.], in: [X.]/[X.]/[X.] u. a., BPersVG, Stand März 2023, § 10 Rn. 19).

Nach § 20 Abs. 5 Satz 1 [X.] sind Vertrauenspersonen, die neu in ihr Amt gewählt werden, sobald wie möglich nach ihrer Wahl für ihre Aufgabe auszubilden. Der Pflicht des Disziplinarvorgesetzten, die Ausbildung zu gewährleisten, korrespondiert ein subjektives Recht der Vertrauensperson (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 [X.] 17.08 - [X.] 449.7 § 36 [X.] Nr. 1 Rn. 44 zur Ausbildung der Mitglieder des [X.]). Die Erstausbildung der neugewählten Vertrauensperson soll dieser die effektive Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Befugnisse ermöglichen. Sie konkretisiert die allgemeine Unterstützungspflicht des § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] und stellt damit eine Ausformung des partnerschaftlichen Innenverhältnisses nach § 19 Abs. 2 [X.] dar. Damit begründet sie ein beschwerdefähiges Recht der Vertrauensperson (vgl. Gronimus, Soldatenbeteiligungsrecht, 1. Aufl. 2021, § 20 [X.] Rn. 45, 54; [X.]/[X.], [X.], § 20 Rn. 62).

Wird - wie hier - nicht nur ein Ausbildungsangebot zur freiwilligen Teilnahme unterbreitet, sondern dies mit der verpflichtenden Teilnahme an einer Erfolgskontrolle verbunden, so ist diese Anordnung objektiv geeignet, die Ausübung des Rechts zur Teilnahme an einer Ausbildung nach § 20 Abs. 5 [X.] zu beeinträchtigen und darüber hinaus die Art und Weise der Wahrnehmung der Funktion der Vertrauensperson zu beeinflussen. Die durch Befehl auferlegte Pflicht, eine Erfolgskontrolle zu absolvieren, übt Druck auf die Vertrauensperson aus, ihr Recht auf die Wahrnehmung der Ausbildungsmöglichkeit in bestimmter Weise auszuüben, beeinflusst es doch Zeiträume und Intensität der Verinnerlichung der Lehrinhalte. Die Vertrauensperson, die zur Teilnahme an einer Lehrveranstaltung mit Prüfungspflicht befohlen ist, ist nicht mehr frei in ihrer Zeiteinteilung hinsichtlich der Durcharbeitung des Prüfungsstoffes und der Aufteilung ihrer Zeit auf die Lehrinhalte und die Wahrnehmung der weiteren Befugnisse ihres Wahlamtes. Sie ist bei Nichtbefolgung des Befehls der Gefahr strafrechtlicher und disziplinarischer Ahndung für ihre Entscheidung über die Wahrnehmung eines Ausbildungsangebotes ausgesetzt. Der damit verbundene psychische Druck ist nicht nur geeignet, die vertrauensvolle Zusammenarbeit nach § 19 Abs. 2 [X.] zu belasten. Er kann objektiv auch interessierte Soldatinnen und Soldaten von der Bereitschaft zur Übernahme des Ehrenamtes abschrecken und hat damit negative Auswirkungen auf die freie Wahrnehmung des Mandats. Damit ist die hier in Rede stehende Maßnahme vom Schutzzweck des Unterlassungsgebotes erfasst und als unzulässige Behinderung im Sinne von § 15 Abs. 1 [X.] rechtswidrig.

c) Da die Rechtsbeschwerde mit der Sachrüge Erfolg hat und die angegriffene Entscheidung des [X.]s sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i. V. m. § 144 VwGO), ist der Rechtsbeschwerde stattzugeben. Es kommt nicht mehr darauf an, ob auch die vom Antragsteller geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen. Ist eine Rechtsbeschwerde begründet, kann das [X.]esverwaltungsgericht nach § 22 a Abs. 6 Satz 2 [X.] die Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung zurückverweisen oder in der Sache selbst entschieden. Da keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind, trifft der Senat die in der Sache gebotene Entscheidung und gibt dem [X.] statt.

Wie ausgeführt, hat ein Beschwerdeführer nicht nur einen Anspruch darauf, dass die ihn zu Unrecht belastende Entscheidung aufgehoben wird. Er kann auch einen stattgebenden Beschwerdebescheid verlangen, um ihm so Genugtuung und eine Kompensation für die fehlerhafte Behandlung zu gewähren. Für den Fall, dass sich - wie hier durch Aufhebung - ein Befehl bereits erledigt hat, ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] auszusprechen, dass er nicht hätte ergehen dürfen. Aus den oben ausgeführten Gründen war dies hier der Fall, weil der Antragsteller durch die Verpflichtung zur Teilnahme an einer Erfolgskontrolle entgegen § 15 Abs. 1 [X.] in der Ausübung seiner Befugnisse behindert worden ist. Der Anspruch auf einen stattgebenden Beschwerdebescheid ist damit durch eine entsprechende Feststellung zu erfüllen. Einer zusätzlichen Kostenentscheidung bedarf es im Hinblick auf die Kostenentscheidung dieses Beschlusses nicht mehr.

3. [X.] beruht auf § 22a Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 und § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.].

Meta

1 WRB 2/22

13.07.2023

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WRB

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 25. August 2022, Az: S 2 SL 2/22, Beschluss

§ 15 Abs 1 SBG 2016, § 17 SBG 2016, § 20 Abs 5 S 1 SBG 2016

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.07.2023, Az. 1 WRB 2/22 (REWIS RS 2023, 6834)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6834

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