Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2011, Az. XI R 40/09

11. Senat | REWIS RS 2011, 2212

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Umsätze einer "männlichen Stripgruppe" können von der Umsatzsteuer befreit sein oder anstelle des Regelsteuersatzes dem ermäßigten Steuersatz unterliegen - Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde i.S. des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 21 UStG - Anwendbarkeit des § 68 Satz 1 FGO auf Ermessensverwaltungsakte)


Leitsatz

1. NV: Eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde i.S. des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG, dass eine Einrichtung die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllt (Gleichheit der kulturellen Aufgaben), entfaltet für das Besteuerungsverfahren eine Bindungswirkung. Die nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG ferner erforderliche Feststellung, dass der Unternehmer eine Einrichtung betreibt, die einer Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG gleichartig ist (Gleichartigkeit der kulturellen Einrichtung), obliegt hingegen den Finanzbehörden und Finanzgerichten.

2. NV: Weder der Wortlaut, noch der Zweck von § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG lassen den Schluss zu, die Steuerbefreiung solle nur solchen Einrichtungen zugutekommen, die "auf einem hohen Niveau" arbeiten.

3. NV: Der vom FG für entscheidend gehaltene Umstand, dass sich die Veranstaltungen einer "männlichen Stripgruppe" angeblich "von vorneherein ausschließlich" an ein weibliches Publikum richteten und dies der Anwendung einer Steuervergünstigung entgegenstehe, lässt sich weder dem Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmungen entnehmen noch aus dem Sinn und Zweck bzw. der Entstehungsgeschichte der Vorschriften ableiten.

4. NV: Eine pauschale Verweisung im Tatbestand des FG-Urteils auf "die gewechselten Schriftsätze" und "vorgelegten Unterlagen" der Beteiligten, die sich in einer aus drei Bänden bestehenden "finanzgerichtlichen Akte befinden", kann die fehlenden eigenen tatsächlichen Feststellungen des FG zu den entscheidungserheblichen Tatsachen nicht ersetzen.

Tatbestand

1

I. Die [[X.].]eteiligten streiten darum, ob Veranstaltungen der Gruppe "[[[X.].].]" in den Jahren 1995 bis 1998 (Streitjahre) gemäß § 4 Nr. 20 [[X.].]uchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) von der Steuer befreit sind oder jedenfalls nach § 12 [[X.].]bs. 2 Nr. 7 [[X.].]uchst. a UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Veranstalterin von Konzerten, Konzerttourneen und anderen "events" tätig. Für diese Veranstaltungen engagiert sie u.a. auch ausländische Künstler. Die Klägerin schloss mit der ausländischen Gruppe "[[[X.].].]" Verträge ab, wonach sie u.a. die Künstlergagen schuldete.

3

Im [[[X.].].] an eine [[X.].]ußenprüfung erließ der [[X.].]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[[[X.].].]--) am 3. November 1999 gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid wegen [[[X.].].] nach § 50a [[X.].]bs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 73g [[X.].]bs. 1 der [[[X.].].] (EStDV) für die Streitjahre. Das [[[X.].].] führte zur [[X.].]egründung aus, im Rahmen der [[X.].]ußenprüfung sei festgestellt worden, dass in den Streitjahren die [[[X.].].] gemäß § 50a EStG nicht ordnungsgemäß einbehalten, angemeldet und abgeführt worden seien. Dafür hafte die Klägerin nach § 73g [[X.].]bs. 1 EStDV. [[X.].]ei der Ermittlung der [[X.].]emessungsgrundlage für die [[[X.].].] und damit der Festsetzung der Haftungssumme ging das [[[X.].].] davon aus, dass die Leistungen der Gruppe "[[[X.].].]" umsatzsteuerpflichtig seien und dass nicht der ermäßigte Umsatzsteuersatz, sondern der Regelsteuersatz anzuwenden sei. Der Einspruch der Klägerin blieb insoweit ohne Erfolg.

4

Im Klageverfahren reichte die Klägerin [[X.].]escheinigungen der [[X.].] vom … 1996 und vom … 1997 sowie der zuständigen Regierungsbehörden der [[X.].]undesländer [[X.].], [[X.].] und [[X.].] vom … 2007, vom … 2007, vom … 2007, vom … 2008 und vom … 2007 ein, wonach das Ensemble mit seinen jeweiligen Tourneen die gleichen kulturellen [[X.].]ufgaben wie die in § 4 Nr. 20 [[X.].]uchst. a Satz 1 UStG genannten staatlichen und kulturellen Einrichtungen erfülle.

5

Während des Klageverfahrens half das [[[X.].].] dem [[X.].]egehren der Klägerin in anderen Streitpunkten ab und erließ am … Juli 2008 einen entsprechend geänderten Haftungsbescheid.

6

Hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Umsatzsteuerbefreiung bzw. der [[X.].]nwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Leistungen der Gruppe "[[[X.].].]" wies das Finanzgericht ([X.]) die Klage ab. Zur [[X.].]egründung führte es im Wesentlichen aus, bei den Veranstaltungen der Gruppe handele es sich weder um ein "Theater" i.S. von § 4 Nr. 20 [[X.].]uchst. a Satz 1 UStG noch um eine "Theatervorführung" i.S. von § 12 [[X.].]bs. 2 Nr. 7 [[X.].]uchst. a UStG. Denn die Veranstaltungen der Gruppe richteten sich von vornherein ausschließlich an weibliche Gäste, so dass insoweit eine gezielte Geschlechterausgrenzung vorliege. Dies widerspreche dem Sinn und Zweck der Regelungen. Die Steuervergünstigungen seien geschaffen worden, "um einem breiten Publikum ohne Unterscheidung nach Geschlecht und [[X.].]lter [[X.].]ildung und Teilhabe an Kultur zu ermöglichen." Dies sei im Streitfall nicht gegeben.

7

Zur [[X.].]egründung der Revision trägt die Klägerin vor, für die Jahre 1996 und 1997 seien die Voraussetzungen für die [[X.].]nwendung der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 20 [[X.].]uchst. a Satz 2 UStG erfüllt. Denn zum einen seien die von ihr vorgelegten Gleichstellungsbescheinigungen bindende Grundlagenbescheide i.S. des § 171 [[X.].]bs. 10 der [[X.].]bgabenordnung ([[[[X.].].].]). Zum anderen seien die Vorführungen des Ensembles "[[[X.].].]" eine Mischung aus Theater, Tanz und Gesang und damit wie ein modernes Musical eine vergleichbare Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 20 [[X.].]uchst. a Satz 2 UStG. [X.] und 1998 sowie hilfsweise auch für die Jahre 1996 und 1997 sei auf die Umsätze des Ensembles der ermäßigte Steuersatz nach § 12 [[X.].]bs. 2 Nr. 7 [[X.].]uchst. a UStG anzuwenden.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das [X.]-Urteil aufzuheben und das [[[X.].].] zu verpflichten, den Haftungsbescheid vom … Juli 2008 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung der [[X.].]emessungsgrundlage die Umsätze der Gruppe "[[[X.].].]" in den Jahren 1995 und 1998 dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden und in den Jahren 1996 und 1997 insoweit eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 [[X.].]uchst. a UStG zugrunde gelegt wird.

9

Das [[[X.].].] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I[[[[[[[X.].].].].].].] Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur [[[[[[[X.].].].].].].] und zur Zurückverweisung der Sache an das [[[[[[[X.].].].].].].] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[[[[[[[X.].].].].].].]O--).

1. Der erkennende Senat ist nach dem Geschäftsverteilungsplan ([[[[[[[X.].].].].].].]) des [[[[[[[X.].].].].].].] ([[[[[[[X.].].].].].].]) für die Entscheidung der Sache zuständig.

Die für den Streitfall ursprünglich gegebene Zuständigkeit des [[[[[[[X.].].].].].].] Senats des [[[[[[[X.].].].].].].] für den Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50a EStG ([[[[[[[X.].].].].].].]. A, [[[[[[[X.].].].].].].] Senat Nr. 10 [[[[[[[X.].].].].].].]) ist entfallen, weil es inzwischen ausschließlich darum geht, in welcher Höhe die Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage des Haftungsbescheides einzubeziehen ist. Die Zuständigkeit des [[[[[[X.].].].].].][[[[[[[X.].].].].].].] Senats des [[[[[[[X.].].].].].].] ergibt sich aus der allgemeinen Senatszuständigkeit für Fragen aus dem Rechtsgebiet der Umsatzsteuer für Steuerpflichtige mit den Anfangsbuchstaben L bis Z ([[[[[[[X.].].].].].].]. A, [[[[[[X.].].].].].][[[[[[[X.].].].].].].] Senat [[[[[[[X.].].].].].].]). In [[[[[[[X.].].].].].].] ist nach I[[[[[[[X.].].].].].].] Nr. 7 und [[[[[[[X.].].].].].].] (in entsprechender Anwendung) der ergänzenden Regelungen des [[[[[[[X.].].].].].].] der Anfangsbuchstabe des Namens des Steuerschuldners maßgebend, in dessen Person die [[[[[[[X.].].].].].].] entstanden sind, im Streitfall somit der Anfangsbuchstabe der Gruppe "[[[[[[X.].].].].].]".

2. Das [[[[[[[X.].].].].].].] hat die Klageabweisung zu Unrecht darauf gestützt, dass die Anwendung von § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a UStG bzw. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 [[[[[[[X.].].].].].].]. a UStG schon deshalb ausgeschlossen sei, weil sich die Veranstaltungen des [[[[[[[X.].].].].].].]" nach seiner Auffassung von vornherein ausschließlich an ein weibliches Publikum richteten.

a) Gegenstand des Klage- und Revisionsverfahrens ist der Haftungsbescheid vom … Juli 2008, der nach § 68 Satz 1 [[[[[[[X.].].].].].].]O zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Die Vorschrift ist auch auf Ermessensverwaltungsakte anwendbar (vgl. [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil vom 5. Mai 2010 [[[[[[[X.].].].].].].]/08, [[[[[[[X.].].].].].].]/NV 2010, 1814, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]1., m.w.N.).

b) Die Einkünfte der ausländischen Künstler --im Streitfall der Gruppe "[[[[[[[X.].].].].].].] aus ihren Auftritten im Inland unterliegen dem Steuerabzug für beschränkt Steuerpflichtige gemäß § 50a Abs. 4 EStG. Die Klägerin war als Vergütungs-schuldnerin verpflichtet, den Steuerabzug für Rechnung des Ensembles --dem [[[[[[[X.].].].].].].]-- vorzunehmen und die einbehaltene Steuer an das [[[[[[[X.].].].].].].] abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG). Da sie diese Verpflichtung unstreitig nur teilweise erfüllte, haftet sie unmittelbar für die einzubehaltende und abzuführende Steuer (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG, § 219 Satz 2 [[[[[[[X.].].].].].].]). Sie wurde deshalb zu Recht vom [[[[[[[X.].].].].].].] durch Haftungsbescheid (vgl. § 191 [[[[[[[X.].].].].].].] i.V.m. § 73g Abs. 1 EStDV) in Anspruch genommen (vgl. [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[X.].].].].].].]/NV 2010, 1814, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]2.).

c) Dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG unterliegen die "Einnahmen" der [[[[[[[X.].].].].].].]. Dabei ist die Umsatz-steuer in den Streitjahren als weitere Einnahme zu berücksichtigen (vgl. [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[X.].].].].].].]/NV 2010, 1814, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]2.c).

d) Nach § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 1 UStG sind die Umsätze folgender Einrichtungen des [[[[[[[X.].].].].].].], der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände steuerfrei: Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst. Das Gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen (§ 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 2 UStG).

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG entspricht der Vorschrift des Art. 13 Teil A Abs. 1 [[[[[[[X.].].].].].].]. n der [[[[[[[X.].].].].].].]/[[[[[[[X.].].].].].].] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[[[[[[[X.].].].].].].] - vgl. dazu [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil vom 4. Mai 2011 [[[[[[[X.].].].].].].] R 44/08, [[[[[[[X.].].].].].].]E 233, 367, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]1.b).

e) Die Steuer ermäßigt sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 [[[[[[[X.].].].].].].]. a UStG auf 7 % für die Leistungen der Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre und Museen sowie die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer.

Diese Vorschrift beruht auf Art. 12 Abs. 3 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Unterabs. 3 i.V.m. [[[[[[[X.].].].].].].] Kategorie 8 der Richtlinie 77/388/[[[[[[[X.].].].].].].]. Die Mitgliedstaaten können nach dieser Bestimmung auf Lieferungen und Dienstleistungen der in [[[[[[[X.].].].].].].] genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden. [[[[[[[X.].].].].].].] Kategorie 8 nennt Werke bzw. Darbietungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie deren Urheberrechte (vgl. dazu [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[X.].].].].].].]E 233, 367).

f) Die Argumentation des [[[[[[[X.].].].].].].], dass sich die Veranstaltungen der Gruppe --nach Auffassung des [[[[[[[X.].].].].].].]-- von vornherein ausschließlich an weibliche Gäste richten und dass das einer Anwendung dieser Vorschriften entgegenstehe, findet erkennbar im Wortlaut der genannten Vorschriften keine Stütze.

Entgegen der Auffassung des [[[[[[[X.].].].].].].] entspricht ein derartiger "Versagungsgrund" auch weder dem Sinn und Zweck der Vorschriften, noch lassen sich aus der Entstehungsgeschichte entsprechende Anhaltspunkte ableiten. Nach der Rechtsprechung wendet sich ein "Theater" in der Regel an eine unbestimmte Zahl von Zuschauern (vgl. z.B. Beschluss des [[[[[[[X.].].].].].].]verwaltungsgerichts --[[[[X.].].].]--- vom 31. Juli 2008  [[[[[[[X.].].].].].].]/07, [[[[[[[X.].].].].].].], 25, [[[[[[[X.].].].].].].] --[[[[X.].].].]-- 2009, 313; [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[X.].].].].].].]E 233, 367, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]1.a bb). Das jeweilige Geschlecht des Publikums ist dabei unmaßgeblich.

3. Die vom [[[[[[[X.].].].].].].] getroffenen tatsächlichen Feststellungen erlauben es nicht, abschließend zu beurteilen, ob die Umsätze der "[[[[[[X.].].].].].]" in den Jahren 1996 und 1997 von der Steuer befreit sind, bzw. ob in den Jahren 1995 und 1998 sowie hilfsweise auch in den Jahren 1996 und 1997 die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes erfüllt sind.

a) Hinsichtlich der begehrten Steuerbefreiung [[[X.].].] von § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 2 UStG hat das [[[[[[[X.].].].].].].] zutreffend erkannt, dass allein die von der Klägerin im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens beigebrachten Bescheinigungen der zuständigen Landesbehörden, wonach die Gruppe "[[[[[[X.].].].].].]" die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen erfüllt, nicht zur Annahme der Steuerfreiheit der entsprechenden Umsätze genügen.

aa) Eine Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren entfalten die Bescheinigungen der zuständigen Landesbehörden lediglich insoweit, als in ihnen festgestellt wird, dass das Ensemble "[[[[[[X.].].].].].]" die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllt (Gleichheit der kulturellen Aufgaben). Die Beurteilung, ob der Unternehmer eine Einrichtung betreibt, die einer Einrichtung [[[X.].].] des § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 1 UStG gleichartig ist (Gleichartigkeit der kulturellen Einrichtung), obliegt hingegen den Finanzbehörden und Finanzgerichten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[X.].].].].].].]E 233, 367, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]1.a aa, m.w.N.).

Die "Gleichartigkeitsprüfung" des § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 2 UStG ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift von der weiteren Prüfung zu unterscheiden, die der Kultusverwaltung zugewiesen ist und sich auf die Frage beschränkt, ob das Unternehmen die "gleichen kulturellen Aufgaben ... erfüllt" wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen. Es besteht auch nach der Rechtsprechung des [[[[X.].].].] kein Bedürfnis dafür, im [[[[X.].].].] durch eine Vollprüfung die der Finanzverwaltung obliegende "Gleichartigkeitsprüfung" vorwegzunehmen (vgl. [[[[X.].].].]-Urteil vom 11. Oktober 2006  10 C 4/06, [[[[X.].].].], 304, [[[[X.].].].] 2007, 598, [[[[[[[X.].].].].].].]/NV Beilage 2007, 325).

bb) Das [[[[[[[X.].].].].].].] hat keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung darüber erlauben, ob die Gruppe "[[[[[[X.].].].].].]" als gleichartige Einrichtung [[[X.].].] des § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 2 UStG angesehen werden kann.

(1) Das [[[[[[[X.].].].].].].] hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt, dass insoweit lediglich eine dem Unternehmen eines "Theaters" vergleichbare Einrichtung in Betracht komme. Ein [[[X.].].] von § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 1 UStG wendet sich in der Regel an eine unbestimmte Zahl von Zuschauern und hat die Aufgabe, der Öffentlichkeit Theaterstücke in künstlerischer Form nahezubringen (vgl. z.B. [[[[X.].].].]-Beschluss in [[[X.].].] 2009, 25, [[[[X.].].].] 2009, 313; [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[X.].].].].].].]E 233, 367, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]1.a bb, m.w.N.). Die Klägerin hält auch eine Vergleichbarkeit der Auftritte des [[[[[[[X.].].].].].].]" mit einem "Chor" für möglich.

(2) Der Senat kann im Streitfall offenlassen, welche der in § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 1 UStG genannten Kategorien als vergleichbare Einrichtung denkbar wäre. Denn weder dem Tatbestand noch den Entscheidungsgründen des [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteils lässt sich entnehmen, wie die Veranstaltungen des [[[[[[[X.].].].].].].]" im Einzelnen gestaltet sind, insbesondere ob und in welchem Umfang und von wem schauspielerische, musikalische oder tänzerische Darbietungen erbracht werden, ob in einer Veranstaltung ggf. ein oder mehrere Theaterstücke bzw. überwiegend Musikstücke und/oder Tänze aufgeführt werden, wie lange die Veranstaltungen jeweils dauern und in welchem Rahmen sie stattfinden. Der bloße Hinweis der Vorinstanz, es handele sich dabei um eine "männliche Stripgruppe", genügt insoweit nicht.

Die Klägerin hat insoweit u.a. vorgetragen, die Vorführungen des [[[[[[X.].].].].].]-Ensembles seien eine Mischung aus Theater und Konzert. Vergleichbar mit einem modernen Musical gäben Tanz und Musik den Vorführungen das Gepräge. Die aufgeführten Tänze und Musikstücke seien in ihrer Reihenfolge und ihrem Inhalt aufeinander abgestimmt und würden zu einer "Gesamtperformance" inszeniert. Die Gruppe bestehe aus überwiegend professionellen Broadway-Tänzern, Schauspielern und/oder Sängern. Sie führten eine komplexe Show auf, die von einem professionellen Regisseur und Choreograph gestaltet worden sei.

(3) Allein die pauschale Verweisung des [[[[[[[X.].].].].].].] im Tatbestand seines Urteils auf "die gewechselten Schriftsätze" und "vorgelegten Unterlagen" der Beteiligten, die sich in der aus drei Bänden bestehenden "finanzgerichtlichen Akte befinden", kann die fehlenden eigenen tatsächlichen Feststellungen des [[[[[[[X.].].].].].].] zu den entscheidungserheblichen Tatsachen nicht ersetzen (vgl. [[[[[[[X.].].].].].].] in [[[X.].].]/[[[X.].].]/[[[X.].].], § 118 [[[[[[[X.].].].].].].]O Rz 217, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 37, m.w.N.). Dasselbe gilt für den pauschal gehaltenen unsubstantiierten Verweis des [[[[[[[X.].].].].].].] auf "die Protokolle der verschiedenen Erörterungstermine sowie der mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2008".

b) Aus denselben Gründen erlauben die tatsächlichen Feststellungen des [[[[[[[X.].].].].].].] auch keine Entscheidung darüber, ob die Umsätze des [[[[[[[X.].].].].].].]" in den Jahren 1995 und 1998 sowie hilfsweise auch in den Jahren 1996 und 1997 die Voraussetzungen für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 [[[[[[[X.].].].].].].]. a UStG erfüllen, oder ob insoweit der jeweils geltende Regelsteuersatz anzuwenden ist.

Die Rechtsprechung versteht unter Theatervorführungen [[[X.].].] von § 12 Abs. 2 Nr. 7 [[[[[[[X.].].].].].].]. a UStG nicht nur Aufführungen von Theaterstücken, Opern und Operetten, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst und des Varietés bis zu den [[[X.].].] (vgl. [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil vom 9. Oktober 2003 [[[X.].].]/01, [[[[[[[X.].].].].].].]/NV 2004, 984, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]1.a, m.w.N.). Begünstigt sind auch Mischformen von Sprech-, Musik- und Tanzdarbietungen, so dass eine "Unterhaltungsshow" ebenfalls eine Theateraufführung [[[X.].].] von § 12 Abs. 2 Nr. 7 [[[[[[[X.].].].].].].]. a UStG sein kann (vgl. [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[X.].].].].].].]/NV 2004, 984, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]1.a und c, m.w.N.).

4. Das [[[[[[[X.].].].].].].] wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen nachzuholen haben.

a) Bei seiner Entscheidung wird es im Rahmen der begehrten Anwendung von § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a UStG in den Streitjahren 1996 und 1997 zunächst zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin über Bescheinigungen der zuständigen Kultusbehörden verfügt, wonach das Ensemble "[[[[[[X.].].].].].]" die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen erfüllt.

Auch wenn die Prüfung, ob der Unternehmer eine Einrichtung betreibt, die einer solchen [[[X.].].] des § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 1 UStG gleichartig ist, sich teilweise inhaltlich mit der Prüfung der Kultusbehörden überschneiden kann (vgl. z.B. [[[[X.].].].]-Urteile in [[[[X.].].].], 304, [[[[X.].].].] 2007, 598, [[[[[[[X.].].].].].].]/NV Beilage 2007, 325, unter 3.; vom 11. Oktober 2006  10 C 7/05, [[[[X.].].].], 307, [[[[X.].].].] 2007, 1249, [[[[[[[X.].].].].].].]/NV Beilage 2007, 322, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]3.c bb), steht insoweit bindend fest, dass das Ensemble "[[[[[[X.].].].].].]" denselben kulturellen Stellenwert wie die ausdrücklich in der gesetzlichen Bestimmung genannten Einrichtungen hat (vgl. [[[[[[[X.].].].].].].]-Urteil in [[[[[[[X.].].].].].].]E 233, 367, unter I[[[[[[[X.].].].].].].]1.a aa). Dies bedeutet, dass die im Streitfall unstreitig vorliegende "erotisierende Wirkung" der Auftritte des [[[[[[[X.].].].].].].]" bei der anschließenden Gleichartigkeitsprüfung betreffend die "Einrichtung" [[[X.].].] von § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a Satz 1 UStG keiner den kulturellen Stellenwert der Gruppe einschränkenden Wertung zugänglich ist.

Das [[[[[[[X.].].].].].].] wird ferner in Rechnung stellen müssen, dass weder der Wortlaut noch der Zweck von § 4 Nr. 20 [[[[[[[X.].].].].].].]. a UStG den Schluss zulassen, die Steuerbefreiung solle nur solchen Einrichtungen zugutekommen, die "auf einem hohen Niveau" arbeiteten (vgl. [[[[X.].].].]-Beschluss in [[[X.].].] 2009, 25, [[[[X.].].].] 2009, 313).

b) Hinsichtlich der von der Klägerin angestrebten Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 [[[[[[[X.].].].].].].]. a UStG für die Streitjahre 1995 und 1998 sowie hilfsweise auch für 1996 und 1997 wird das [[[[[[[X.].].].].].].] sich im zweiten Rechtsgang auf der Grundlage der getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch mit dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten von [X.] vom Oktober 2007 auseinandersetzen müssen.

Meta

XI R 40/09

19.10.2011

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 4. August 2008, Az: 6 K 370/05, Urteil

§ 4 Nr 20 Buchst a S 1 UStG 1993, § 4 Nr 20 Buchst a S 2 UStG 1993, § 12 Abs 2 Nr 7 Buchst a UStG 1993, Art 12 Abs 3 Buchst a UAbs 3 Anh H EWGRL 388/77, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst n EWGRL 388/77, § 105 Abs 3 FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 68 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2011, Az. XI R 40/09 (REWIS RS 2011, 2212)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2212

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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