Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.05.2011, Az. XI R 44/08

11. Senat | REWIS RS 2011, 7068

STEUERRECHT UMSATZSTEUER

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Gegenstand

Weder Umsatzsteuerbefreiung noch ermäßigter Steuersatz für die Inszenierung einer Oper - Abgrenzung zu Umsätzen eines Theaters - Steuerbefreiung kultureller Dienstleistungen - Selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes durch die Mitgliedstaaten


Leitsatz

Die Inszenierung einer Oper durch einen selbständig tätigen Regisseur gegen Honorar ist weder nach dem UStG noch nach Unionsrecht steuerbefreit und unterliegt dem Regelsteuersatz .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Regisseur selbständig tätig. Für die Inszenierung einer Oper erhielt er im Streitjahr 2004 von einer kommunalen Bühne ein Honorar. Daneben erzielte er noch Entgelte aus einer Autorentätigkeit.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) behandelte abweichend von der Umsatzsteuerjahreserklärung des [X.] die Inszenierung der Oper nicht als steuerfrei, sondern dem ermäßigten Steuersatz unterliegend. Im Verlauf des [X.] kündigte das [X.] an, die Umsatzsteuer höher festzusetzen und das bezogene Honorar nunmehr dem allgemeinen Umsatzsteuersatz zu unterwerfen. Entsprechend der Ankündigung setzte es mit seiner Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer des Streitjahrs herauf.

3

Hiergegen erhob der Kläger Klage. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens bescheinigte die zuständige Landesbehörde rückwirkend für das Streitjahr, dass der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) genannten Einrichtungen erfülle.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt. Die Inszenierung der Oper sei zwar nicht nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Dem Kläger sei die Steuerbefreiung für die streitige Leistung jedoch nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]) zu gewähren. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2009, 156 veröffentlicht.

5

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Es ist im Wesentlichen der Auffassung, der Kläger könne sich für die Steuerfreiheit des streitbefangenen Umsatzes nicht mit Erfolg auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 77/388/[X.] berufen. Die Voraussetzungen für eine ermäßigte Besteuerung seien im Streitfall ebenfalls nicht erfüllt.

6

Das [X.] beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise den Umsatzsteuerbescheid für 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ... € herabgesetzt wird.

Ferner regt der Kläger hilfsweise eine Anfrage an den V. Senat des Bundesfinanzhofs ([X.]) bzw. eine Vorlage an den [X.] [X.] und höchst hilfsweise eine Vorlage an den [X.] ([X.]) an.

8

Er ist der Ansicht, er habe als anerkannte kulturelle Einrichtung mit der Inszenierung der Oper eine steuerbefreite kulturelle Dienstleistung erbracht. Für eine Steuerbefreiung sei es nicht notwendig, dass ein ausübender Künstler vom Publikum als solcher gesehen werden müsse. Ein Regisseur wirke während jeder Vorstellung durch die sich auf der Bühne befindenden Künstler und gebe der Aufführung sein Gepräge. Selbst wenn die Inszenierung der Oper nicht steuerfrei sei, unterliege sie jedenfalls nur dem ermäßigten Steuersatz. Unter einem ausübenden Künstler sei auch ein Regisseur zu verstehen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Entgegen der Vorentscheidung ist der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 (Satz 1) UStG steuerbare Umsatz aus der entgeltlichen Inszenierung der Oper nicht steuerbefreit. Diese vom Kläger erbrachte sonstige Leistung unterliegt dem allgemeinen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG).

1. Eine Steuerbefreiung ergibt sich weder aus nationalen Vorschriften noch aus unionsrechtlichen Bestimmungen.

a) Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG sind nicht erfüllt.

Danach sind die Umsätze der Theater, Orchester und der weiteren in dieser Vorschrift genannten Einrichtungen des [X.], der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände steuerfrei. Das Gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen (§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG). Die vom Kläger erbrachte Leistung ist --was allein in Betracht kommt-- kein Umsatz eines Theaters i.S. von § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG.

aa) Allein die vom Kläger im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens beigebrachte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, nach der er die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen erfüllt, vermag die Steuerbefreiung der Inszenierung der Oper nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG nicht zu bewirken.

Eine Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren entfaltet die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde lediglich insoweit, als in ihr festgestellt wird, dass der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllt, mithin seine Leistungen den gleichen kulturellen Stellenwert haben. Die Beurteilung, ob der Unternehmer eine Einrichtung betreibt, die einer Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG gleichartig ist, obliegt hingegen den Finanzbehörden und Finanzgerichten (vgl. [X.]-Urteil vom 20. April 1988 [X.], [X.], 454, [X.] 1988, 796; Beschluss des [X.]verwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 31. Juli 2008  [X.]/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2009, 793, m.w.N.; BVerwG-Urteil vom 11. Oktober 2006  10 C 4/06, [X.], 714, m.w.N.).

bb) Der Kläger kann nicht als gleichartige Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG angesehen werden.

Ein Theater wendet sich in der Regel an eine unbestimmte Zahl von Zuschauern und hat die Aufgabe, der Öffentlichkeit Theaterstücke in künstlerischer Form nahezubringen (vgl. BVerwG-Beschluss in NJW 2009, 793; Abschn. 4.20.1. Abs. 1 Satz 1 des [X.]). Die Vorentscheidung geht daher zutreffend davon aus, dass Umsätze eines Theaters nur dann vorliegen können, wenn Personen in irgendeiner Weise auf einer Bühne vor einem Publikum ein Stück zur Aufführung bringen. Dieses Wesensmerkmal eines Theaterumsatzes muss auch für einen Umsatz einer Einrichtung, die einem Theater einer Gebietskörperschaft gleichartig ist, erfüllt sein.

Dem steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des [X.], der sich der [X.] angeschlossen hat, die Mitgliedstaaten nicht berechtigt sind, bei der Anerkennung als gleichartige Einrichtung Einzelkünstler anders zu behandeln als kulturelle Gruppen (vgl. [X.]-Urteile vom 3. April 2003 Rs. [X.]/00 --Hoffmann--, [X.]. 2003, [X.], [X.]/NV Beilage 2003, 153; vom 23. Oktober 2003 Rs. [X.]/[X.], [X.]. 2003, [X.], [X.]/NV Beilage 2004, 37, Rz 23, m.w.N.; [X.]-Urteil vom 18. Februar 2010 [X.], [X.]E 228, 474, [X.] 2010, 876). Denn Theater im vorgenannten Sinne kann auch eine für Zuschauer bestimmte Aufführung durch nur eine Person sein.

Der Kläger erbrachte mit [X.] eine Leistung, die Bedingung für Theater i.S. des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG ist, weil hierdurch das künstlerische Gesamtkonzept der Aufführung erstellt und die Tätigkeit der verschiedenen Mitwirkenden koordiniert wird. Zwar mag die Ansicht des [X.] zutreffen, dass ein Regisseur während jeder Vorstellung durch die sich auf der Bühne befindenden Künstler wirkt und hierdurch der Vorstellung sein Gepräge gibt. Das Wirken der Akteure auf der Bühne in der Inszenierung des [X.] ist diesem jedoch nicht derart als eigene Leistung zuzurechnen, dass er hierdurch als eine dem Theater einer Gebietskörperschaft gleichartige Einrichtung angesehen werden kann.

b) Entgegen der Vorentscheidung ist die Steuerbefreiung der streitigen Leistung nicht gemäß Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. n der [X.]/[X.] --nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- ([X.] 347/1)-- zu gewähren. Danach befreien die Mitgliedstaaten bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht werden, von der Steuer.

Der Kläger erbrachte als selbständig tätiger Regisseur mit der Inszenierung der Oper eine kulturelle Dienstleistung i.S. des Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. n der [X.]/[X.].

Dennoch kann er sich zur Erlangung der Steuerfreiheit seiner Leistung nicht auf diese Bestimmung berufen. Denn der nationale Gesetzgeber durfte solche Leistungen wie die hier streitigen von der Steuerbefreiung ausnehmen.

aa) Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der jeweilige Mitgliedstaat nach Art. 13 Teil [X.] 1 der [X.]/[X.] bestimmen kann, welche kulturellen Dienstleistungen er von der Umsatzsteuer befreit. Zwar konnte in der Rechtsprechung des [X.] bisher offenbleiben, ob und inwieweit für die Mitgliedstaaten eine Ermächtigung besteht, für bestimmte kulturelle Dienstleistungen eine Steuerfreiheit anzuordnen und andere kulturelle Dienstleistungen von der Steuerfreiheit auszunehmen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 228, 474, [X.] 2010, 876). Nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. n der [X.]/[X.] können die Mitgliedstaaten jedoch entscheiden, welche kulturellen Dienstleistungen sie von der Umsatzsteuer befreien und welche von der Steuerbefreiung ausgenommen bleiben sollen.

Das Tatbestandsmerkmal "bestimmte" --dem die Begriffe "certain" in der [X.] und "certaines" in der [X.] Sprachfassung des Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. n der [X.]/[X.] entsprechen-- beinhaltet, dass die Mitgliedstaaten nicht alle kulturellen Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreien müssen, sondern diese bestimmen dürfen. Der Wortlaut dieser Bestimmung geht darauf zurück, dass die Mitgliedstaaten sich bei der Formulierung der Richtlinie nicht auf einen Katalog bestimmter Dienstleistungen, wie er in einem Entwurf der [X.]/[X.] noch vorgesehen war, einigen konnten und eine ebenfalls erwogene fakultative Befreiung letztlich nicht umgesetzt wurde (vgl. [X.], [X.], 45, 51, m.w.N.). Die Mitgliedstaaten haben --auch nach Ansicht des [X.]-- ein Auswahlrecht hinsichtlich dessen, was unter kulturellen Dienstleistungen zu verstehen ist (vgl. [X.], [X.] 2007, 45; Erster Bericht der [X.] über das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, [X.] (83) 426, Seite 47). Eine andere Bedeutung ist dem Tatbestandsmerkmal "bestimmte" nicht beizumessen. Wären alle kulturellen Dienstleistungen von der Umsatzsteuer zu befreien, wäre dieses Tatbestandsmerkmal überflüssig und bedeutungslos (vgl. Erster Bericht der [X.] über das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, [X.] (83) 426, Seite 47).

Es steht somit grundsätzlich im Einklang mit Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. n der [X.]/[X.], wenn der nationale Gesetzgeber in § 4 Nr. 20 UStG nicht alle, sondern nur bestimmte kulturelle Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit.

bb) Der Senat vermag der Vorentscheidung nicht darin zu folgen, dass § 4 Nr. 20 UStG den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt.

Dieser Grundsatz verbietet insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.]. 2003, [X.], [X.]/NV Beilage 2004, 37, Rz 20, m.w.N.).

Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob es sich --wie das [X.] meint-- bei der Inszenierung einer Oper und der Gestellung eines Regisseurs durch ein Theater um gleichartige und deshalb im Wettbewerb stehende Leistungen handelt. Denn entgegen der Auffassung des [X.] und des [X.] ist auch die entgeltliche Gestellung eines Regisseurs durch ein Theater steuerpflichtig.

Überlässt ein Theater in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft einen angestellten Regisseur gegen Entgelt einem anderen Theater, ist diese Leistung weder nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG noch nach Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. n der [X.]/[X.] von der Umsatzsteuer befreit (ebenso Verfügung der [X.] Berlin vom 22. August 2000 - [X.], [X.] 2001, 178; Verfügung der [X.] vom 24. Mai 2000 -S 7177- 6 - [X.], [X.] 2000, 395). Entgegen der Auffassung des [X.] Rheinland-Pfalz sind Umsätze eines Theaters durch Gestellung von Personal für ein anderes Theater keine nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG steuerfreien Dienstleistungen (vgl. [X.] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. April 2003  3 K 2834/00, E[X.] 2003, 1736; die Revision hat sich in der Hauptsache erledigt, vgl. [X.]-Beschluss vom 14. Februar 2006 [X.]/03, [X.]/NV 2006, 1121).

(1) Nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG sind in Bezug auf ein Theater nur solche Umsätze steuerfrei, die für dessen Betrieb unter Einschluss der damit üblicherweise verbundenen Nebenleistungen typisch sind (vgl. [X.]-Beschluss vom 7. Dezember 2009 [X.], [X.]/NV 2010, 482; [X.]-Urteil vom 21. April 2005 [X.], [X.]E 210, 479, [X.] 2005, 899). Die entgeltliche Personalgestellung stellt aber keine typische Leistung eines Theaters dar. Sie ist auch keine üblicherweise mit einer typischen Theaterleistung verbundene Nebenleistung.

Dies weicht entgegen der Ansicht des [X.] nicht von der Entscheidung des [X.] [X.] vom 4. Dezember 1969 [X.] ([X.]E 98, 86, [X.] 1970, 355) ab. Hiernach war die entgeltliche Zurverfügungstellung eines Ensembles für Aufführungen nach § 47 Nr. 1 der Durchführungsbestimmungen zum [X.] 1951 umsatzsteuerfrei. Zum einen ist die vorgenannte Entscheidung zu einer anderen als der im Streitfall maßgebenden Rechtslage ergangen. Zum anderen stellt die Überlassung eines Ensembles für Aufführungen auf einer fremden Bühne im Gegensatz zur Überlassung eines Regisseurs einen für den Betrieb eines Theaters typischen Umsatz dar.

Die vom Kläger hilfsweise angeregte Anfrage an den [X.] [X.] bzw. eine Vorlage an den [X.] [X.] kommt deshalb mangels Abweichung nicht in Betracht.

(2) Auch nach Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. n der [X.]/[X.] ist diese Leistung nicht steuerbefreit. Die Steuerbefreiung der entgeltlichen Überlassung eines angestellten Regisseurs ist nach Art. 13 Teil [X.] 2 Buchst. b 1. Gedankenstrich der [X.]/[X.] ausgeschlossen. Hiernach sind von der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. n der [X.]/[X.] kulturelle Dienstleistungen ausgeschlossen, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind. Die entgeltliche Überlassung eines angestellten Regisseurs ist eine Dienstleistung, die nicht den Kernbereich der steuerbefreiten Theaterleistung betrifft und daher für die Leistung der überlassenden Einrichtung erlässlich ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des [X.] vom 14. Juni 2007 Rs. [X.]/05 --Horizon [X.] ([X.]. 2007, [X.], [X.]/NV Beilage 2007, 389). Hiernach kann zwar die entgeltliche Gestellung eines Lehrers an eine Lehreinrichtung als mit dem Unterricht eng verbundene Dienstleistung nach Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. i der [X.]/[X.] von der Mehrwertsteuer befreit sein. Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. i der [X.]/[X.] bezieht aber im Gegensatz zu Art. 13 Teil [X.] 1 Buchst. n der [X.]/[X.] auch mit steuerbefreitem Unterricht "eng verbundene Dienstleistungen" in die Steuerbefreiung ein.

2. Die Leistung des [X.] unterliegt dem Regelsteuersatz und nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG.

a) Die Steuer ermäßigt sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG in der bis zum 15. Dezember 2004 gültigen Fassung (a.F.) auf 7 % für die Leistungen der Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre und Museen sowie die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer. Die mit Wirkung vom 16. Dezember 2004 neu gefasste Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sieht den ermäßigten Steuersatz für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler vor.

Wie das [X.] zutreffend erkennt, hat der Kläger nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG a.F. keinen Anspruch auf die Steuerermäßigung. Denn er stellt weder ein Theater dar noch betreibt er ein solches. Auch nach der noch mit Wirkung für das Streitjahr geänderten Fassung der Vorschrift ermäßigt sich der Steuersatz im Streitfall nicht. Die vom Kläger im Streitjahr erbrachte Leistung stellt jedenfalls keine den Theatervorführungen oder Konzerten vergleichbare Darbietung i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG dar (vgl. zu [X.] [X.] Düsseldorf, Urteil vom 27. Januar 2010  5 K 1072/08 U, E[X.] 2010, 1079).

b) Der Kläger kann sich für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes entgegen der Ansicht des [X.] nicht unmittelbar auf Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. [X.] Kategorie 8 der [X.]/[X.] (nunmehr Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 9) berufen. Die Mitgliedstaaten können nach dieser Bestimmung auf Lieferungen und Dienstleistungen der in [X.] genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden. [X.] Kategorie 8 nennt Werke bzw. Darbietungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie deren Urheberrechte.

Es kann dahinstehen, ob die Inszenierung einer Oper im Lichte von Art. 98 MwStSystRL, dem nach Abs. 3 der Präambel dieser Richtlinie klarstellende Funktion zukommt, unter die Kategorie 8 des [X.] der [X.]/[X.] fällt. Eine unmittelbare Berufung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes nicht zwingend ist. Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der [X.]/[X.] verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, sondern ermächtigt sie nur, für die im [X.] der [X.]/[X.] genannten Kategorien ermäßigte Steuersätze vorzusehen. Die Mitgliedstaaten haben unter der Voraussetzung, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird, die Möglichkeit, konkrete und spezifische Aspekte einer Kategorie von Dienstleistungen i.S. des [X.] der [X.]/[X.] mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belegen. Die selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist hiernach nicht ausgeschlossen, sofern sie keine Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung nach sich zieht (vgl. [X.]-Urteile in [X.]. 2003, [X.], [X.]/NV Beilage 2004, 37, Rz 20, m.w.N.; vom 6. Mai 2010 Rs. [X.]/09 --[X.]/[X.], [X.] 2010, 452, Rz 25, m.w.N.). Hiernach steht es im Einklang mit dem Unionsrecht, wenn der nationale Gesetzgeber u.a. die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler mit dem ermäßigten Steuersatz belegt, diesen hingegen für die Dienstleistungen eines Regisseurs nicht vorsieht. Denn die Dienstleistungen der den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler sind weder mit denen eines Regisseurs gleichartig noch stehen sie im Wettbewerb zueinander.

3. Da die Vorentscheidung teilweise von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif im Sinne einer Abweisung der Klage.

4. Eine Vorlage an den [X.] nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ist nicht geboten. Zweifel an der Auslegung des für die Entscheidung im Streitfall einschlägigen Unionsrechts bestehen nicht.

Meta

XI R 44/08

04.05.2011

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 4. November 2008, Az: 7 K 2310/06 B, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 S 1 UStG 1999, § 4 Nr 20 Buchst a S 1 UStG 1999, § 4 Nr 20 Buchst a S 2 UStG 1999, § 12 Abs 1 UStG 1999, § 12 Abs 2 Nr 7 Buchst a UStG 1999, Art 12 Abs 3 Buchst a UAbs 3 EWGRL 388/77, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst n EWGRL 388/77, Art 13 Teil A Abs 2 Buchst b EWGRL 388/77, Art 98 Abs 2 EGRL 112/2006, Art 132 Abs 1 Buchst n EGRL 112/2006, Anh 3 Nr 9 EGRL 112/2006, Anh H EWGRL 388/77

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.05.2011, Az. XI R 44/08 (REWIS RS 2011, 7068)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7068

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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