Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 12.12.2022, Az. VIa ZR 291/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 8716

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 15. Zivilsenats in [X.] des [X.] vom 13. Januar 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung des [X.] hinsichtlich der [X.] zu 1, 1a und 2 zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte als Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Neuwagen in Anspruch.

2

Er erwarb im April 2013 für 40.000,01 € von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten [X.]. Das Fahrzeug ist mit einem Motor der Baureihe [X.] ausgestattet, der eine Software enthielt, die auf dem Prüfstand vom regulären [X.] 0 in den stickoxid-optimierten Modus 1 wechselte (Umschaltlogik). Die Software wurde im [X.] 2015 öffentlich bekannt und vom [X.] als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet.

3

Mit seiner im Jahr 2020 erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger in der Hauptsache seinen Berufungsantrag auf Verurteilung der Beklagten zur Leistung von [X.] in Höhe von 40.000,01 € nebst Zinsen abzüglich 17.849,38 € Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1), hilfsweise in Höhe von 10.000 € (Kaufpreis abzüglich 75 % Herstellungskosten; Berufungsantrag zu 1a), weiter. Außerdem beansprucht er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 2). Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt er nicht mehr.

Entscheidungsgründe

4

Die uneingeschränkt statthafte (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 16 ff.; Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 5 ff.) Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die [X.] in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81 ff.).

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:

6

Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 852 BGB seien nicht erfüllt, weshalb nicht zu entscheiden sei, ob die Vorschrift ihrem Normzweck nach überhaupt anzuwenden sei. Es fehle an einer Bereicherung der [X.]n auf Kosten des [X.]. Eine unmittelbare Vermögensverschiebung im Verhältnis der Parteien lasse sich nicht feststellen, da der Kläger das Fahrzeug nicht von der [X.]n, sondern von einem Händler gekauft habe. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtung habe der Vermögensverlust des Geschädigten keinen Vermögenszuwachs der [X.]n zur Folge gehabt. Deren Vermögenszuwachs sei bereits und allein dadurch eingetreten, dass sich der (Zwischen-)Händler gegenüber der [X.]n zur Zahlung verpflichtet habe. Nicht zu folgen sei der Ansicht, ein wirtschaftlicher Zusammenhang entfalle nur, wenn der Zwischenhändler das Fahrzeug unabhängig von einer konkreten Bestellung oder nicht als Neu-, sondern als Gebrauchtwagen erworben habe.

II.

7

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, nach der vom Kläger nicht in Frage gestellten Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB seien sämtliche Berufungsanträge unbegründet ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 24 ff. mwN).

8

Durchgreifenden Bedenken unterliegt das Berufungsurteil, soweit es das Tatbestandsmerkmal "auf Kosten des Verletzten ... erlangt" in § 852 Satz 1 BGB verneint. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, muss die unerlaubte Handlung zu einem Vermögensnachteil des Geschädigten und zu einem Vermögensvorteil des [X.] geführt haben, wobei sich die Vermögensverschiebung nicht unmittelbar zwischen dem [X.] und dem Geschädigten vollzogen haben muss (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.], NJW 2022, 1311 Rn. 27; Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 68; jeweils mwN). Liegt dem Neuwagenkauf eines nach § 826 BGB durch den Fahrzeughersteller Geschädigten bei einem Händler die Bestellung des bereitzustellenden Fahrzeugs durch den Händler bei dem Hersteller zugrunde und schließen der Hersteller und der Händler einen Kaufvertrag über das Fahrzeug, aufgrund dessen der Hersteller gegen den Händler einen Anspruch auf Zahlung des [X.] erlangt, ist dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegeben, weil der schadensauslösende Vertragsschluss zwischen dem Geschädigten und dem Händler einerseits und der Erwerb des Anspruchs auf Zahlung des [X.] bzw. der Erwerb des [X.] durch den Hersteller andererseits auf derselben, wenn auch mittelbaren Vermögensverschiebung beruhen ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 14; Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 27). Hat der Händler das Fahrzeug hingegen unabhängig von einer Bestellung des Geschädigten vor dem Weiterverkauf auf eigene Kosten und eigenes ([X.] erworben, fehlt es an dem für §§ 826, 852 Satz 1 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang ([X.], Urteil vom 21. März 2022, aaO, Rn. 28; Urteil vom 19. September 2022 - [X.], [X.], 2150 Rn. 8).

9

Ausdrücklich festgestellt ist im Streitfall lediglich, dass kein Direktverkauf der [X.]n an den Kläger vorliegt. Maßgeblich ist aber auch, ob die [X.] aufgrund des Neuwagenkaufs des [X.] einen Kaufpreisanspruch gegen den Händler erlangt hat oder ob der Händler das verkaufte Fahrzeug schon vor der Bestellung des [X.] auf eigene Kosten und eigenes ([X.] erworben hatte. Eindeutige Feststellungen hierzu, die die Zurückweisung sämtlicher Berufungsanträge des [X.] rechtfertigten, fehlen.

III.

Danach ist das Berufungsurteil im Umfang seiner Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Stellt das Berufungsgericht fest, dass der Kläger das Fahrzeug im Wege einer Absatzkette gekauft hat (vgl. dazu [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 14; Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 27 f.), wird es nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ([X.], Urteil vom 12. September 2022 - [X.], [X.], 2237 Rn. 26 f.) Feststellungen zur Höhe des [X.] zu treffen und anschließend die Grundsätze der Vorteilsausgleichung anzuwenden haben ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022, aaO, Rn. 16).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

[X.]     

  

Krüger     

  

Götz

  

Rensen     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 291/22

12.12.2022

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 13. Januar 2022, Az: 15 U 145/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 12.12.2022, Az. VIa ZR 291/22 (REWIS RS 2022, 8716)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8716

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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