Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.11.2011, Az. 7 W (pat) 301/09

7. Senat | REWIS RS 2011, 1377

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Gegenstand

Einspruchsverfahren – unzulässige Erweiterung –


Tenor

In der Einspruchssache

betreffend das Patent 196 36 428

hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2011 durch [X.] sowie [X.], Dipl.-Phys. Dipl.-Wirt.-Phys. [X.] und Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck

beschlossen:

Das Patent 196 36 428 wird widerrufen.

Gründe

I.

1

Das am 7. September 1996 unter der ursprünglichen Bezeichnung "Airbag-Abdeckung" angemeldete Patent 196 36 428 mit der Bezeichnung

2

3

wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse [X.] des [X.] vom 20. Januar 2004 erteilt.

4

Der Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:

5

(4) mit integrierter Airbag-Abdeckung (3), wobei die Kontur der Airbag-Abdeckung durch den Verlauf wenigstens einer Sollbruchlinie (1) bestimmt ist, die das Fahrzeuginnenverkleidungsteil bis annähernd an die dem Fahrzeuginsassen sichtbare Oberfläche durchdringt, dadurch gekennzeichnet, dass die Sollbruchlinie (1) einen um eine Gerade alternierenden Verlauf aufweist."

6

Die erteilten Patentansprüche 2 und 3 betreffen alternative vorteilhafte Ausführungsformen und sind auf den Patentanspruch 1 zurückbezogen.

7

Gegen die am 17. Juni 2004 veröffentlichte Patenterteilung haben die Einsprechende und die [X.], [X.], jeweils fristgerecht Einspruch erhoben. Zur Begründung haben beide Einsprechende angeführt, dass das Patent nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 [X.] in vollem Umfang zu widerrufen sei, weil der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung, in der sie beim [X.] ursprünglich eingereicht worden ist, hinausgehe. Die Einsprechende hat ihren Einspruch zudem damit begründet, dass das Patent nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3 und 4 [X.] (fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit) zu widerrufen sei.

8

Mit Schreiben vom 21. Juni 2005 hat die [X.] ihren Einspruchzurückgenommen.

9

Zur Begründung der geltend gemachten fehlenden Neuheit bzw. fehlenden erfinderischen Tätigkeit hat die Einsprechende u. a. auf die Druckschrift

D3)

als Stand der Technik verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2011 hat die Patentinhaberin das Streitpatent mit neu eingereichten Anspruchssätzen nach Hauptantrag sowie nach 1. und 2. Hilfsantrag verteidigt. Sie führt aus, dass diese jeweils zulässig und neu seien und darüber hinaus auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen würden. Dem hat die verbleibende Einsprechende für die jeweiligen Anspruchssätze nach Haupt- und 1. Hilfsantrag vollumfänglich widersprochen. Der Anspruch 1 nach 2. Hilfsantrag sei zumindest nicht patentfähig.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"1. Fahrzeugzeuginnenverkleidungsteil (4) mit integrierter Airbag-Abdeckung (3), wobei die Kontur der Airbag-Abdeckung (3) durch den Verlauf wenigstens einer [X.] (1) bestimmt ist, die das Fahrzeuginnenverkleidungsteil (4) bis annähernd an die dem Fahrzeuginsassen sichtbare Oberfläche durchdringt, dadurch gekennzeichnet,

dass die [X.] (1) einen um eine Gerade (2) alternierenden Verlauf aufweist."

Der geltende Patentanspruch 1 nach 1. Hilfsantrag lautet:

"1. Fahrzeugzeuginnenverkleidungsteil (4) mit integrierter Airbag-Abdeckung (3), wobei die Kontur der Airbag-Abdeckung (3) durch den Verlauf wenigstens einer [X.] (1) bestimmt ist, die eine [X.] ist, die das Fahrzeuginnenverkleidungsteil (4) bis annähernd an die dem Fahrzeuginsassen sichtbare Oberfläche durchdringt, dadurch gekennzeichnet,

dass die [X.] (1) einen um eine Gerade (2) alternierenden Verlauf aufweist."

Der geltende Patentanspruch 1 nach 2. Hilfsantrag lautet:

"1. Fahrzeugzeuginnenverkleidungsteil (4), bestehend aus einem Verbundmaterial bestehend aus drei Schichten, wobei die dem Fahrzeugführer zugewandte Schicht eine Kunststofffolie ist, mit integrierter Airbag-Abdeckung (3), wobei die Kontur der Airbag-Abdeckung (3) durch den Verlauf wenigstens einer [X.] (1) bestimmt ist, die eine [X.] ist, die Perforationslöcher aufweist, die das Fahrzeuginnenverkleidungsteil (4) bis annähernd an die dem Fahrzeuginsassen sichtbare Oberfläche durchdringt, dadurch gekennzeichnet,

dass die [X.] (1) einen um eine Gerade (2) alternierenden Verlauf aufweist."

Zu den auf den jeweiligen Anspruch 1 rückbezogenen abhängigen Ansprüchen 2 und 3 nach Hauptantrag bzw. den beiden Hilfsanträgen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Einsprechende stellt den Antrag,

das Patent 196 36 428 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag,

das Patent 196 36 428 mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 3 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2011 überreichten neuen Hauptantrag

- noch anzupassende Beschreibung

- Zeichnungen ([X.]. 1 bis 3) laut Patentschrift.

Hilfsweise stellt sie folgende Hilfsanträge:

1. Hilfsantrag

das Patent 196 36 428 mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 3 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2011 überreichten 1. Hilfsantrag

- noch anzupassende Beschreibung

- Zeichnungen ([X.]. 1 bis 3) laut Patentschrift.

2. Hilfsantrag

das Patent 196 36 428 mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 3 laut dem in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2011 überreichten 2. Hilfsantrag

- noch anzupassende Beschreibung

-Zeichnungen ([X.]. 1 bis 3) laut Patentschrift.

II.

A. Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der - mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten - Aufhebung der [X.] des § 147 Abs. 3 [X.] a. F. auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 [X.] zuständig

B. Der Einspruch der verbleibenden Einsprechenden ist zulässig und hat in der Sache Erfolg, denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung liegt der [X.] einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs vor, da das Fahrzeuginnenverkleidungsteil nach den Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag bzw. den beiden Hilfsanträgen ein "[X.]" zum erteilten Gegenstand darstellt. Die Frage der Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit bzw. der ursprünglichen Offenbarung der Gegenstände der geänderten geltenden Patentansprüche kann daher dahinstehen

1. Das Streitpatent betrifft ein Fahrzeuginnenverkleidungsteil mit integrierter Airbag-Abdeckung, wobei die Kontur der Airbag-Abdeckung durch den Verlauf wenigstens einer Sollbruchlinie bestimmt ist

Nach Abs. [0021] der Patentschrift liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Fahrzeuginnenverkleidungsteil mit integrierter Airbag-Abdeckung, deren Kontur durch den Verlauf von Sollbruchlinien bestimmt ist, zu schaffen, bei dem die Sollbruchlinien über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeuges für den Fahrzeuginsassen nicht bzw. kaum sichtbar sind.

Die Aufgabe wird durch die Vorrichtung der nach Hauptantrag bzw. den beiden Hilfsanträgen verteidigten Patentansprüche 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den jeweiligen [X.] 2 und 3 beansprucht.

Für die technische Lösung ist gemäß der Beschreibung des Streitpatents entscheidend, dass die Sollbruchlinien einen um eine Gerade alternierenden Verlauf aufweisen

2. Die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 nach Hauptantrag und nach beiden Hilfsanträgen stellen ein "[X.]" zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 dar. Der entsprechende Anspruch 1 nach Hauptantrag bzw. nach beiden Hilfsanträgen ist daher nicht zulässig. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die nunmehr beanspruchten Vorrichtungen, insbesondere mit dem aufgenommenen Merkmal einer "[X.]", in der Patentschrift überhaupt offenbart sind.

Die Patentinhaberin kann ihr Patent im Einspruchsverfahren beschränken, darf aber nicht dessen Schutzbereich erweitern oder eine andere Erfindung an die Stelle der erteilten patentgeschützten Erfindung setzen

Sollbruchlinie einen um eine Gerade alternierenden Verlauf aufweist, jetzt als Merkmal vorgesehen ist, dass

Schwächelinie (1) einen um eine Gerade (2) alternierenden Verlauf aufweist (Hauptantrag) bzw.

Schwächelinie (1) eine [X.] ist, wobei die [X.] einen um eine Gerade (2) alternierenden Verlauf aufweist (1. Hilfsantrag) bzw.

Schwächelinie (1) eine [X.] ist, die Perforationslöcher aufweist, wobei die [X.] (1) einen um eine Gerade (2) alternierenden Verlauf aufweist (2. Hilfsantrag).

Durch diese Merkmalsänderungen werden die Gegenstände der Ansprüche 1 nach Hauptantrag und nach beiden Hilfsanträgen zum "Aluid" gegenüber dem erteilten [X.], denn bei der jetzt in allen Antragsfassungen beanspruchten [X.] ergibt sich der Bruch beim Auslösen des [X.] nicht zwingend - wie noch im erteilten Anspruch 1 mit dem Merkmal der Sollbruchlinie gefordert - an der jeweiligen Linie. Diese Auffassung steht in Übereinstimmung mit den von der Anmelderin eingereichten ursprünglichen Unterlagen

Mit dem Merkmal einer [X.] anstelle des Merkmals einer Sollbruchlinie mit alternierendem Verlauf bezieht sich das jetzige [X.] nach Hauptantrag bzw. nach beiden Hilfsanträgen somit weder auf die Erfindung gemäß dem erteiltem Patentanspruch 1 noch schränkt es diesen ein, sondern betrifft ein davon wesensverschiedenes "[X.]", was nicht mit dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit vereinbar ist

3. Mit den jeweils nicht zulässigen Ansprüchen 1 nach Hauptantrag und nach beiden Hilfsanträgen fallen auch die auf die jeweiligen Ansprüche 1 rückbezogenen abhängigen Ansprüche 2 und 3, da diese durch den Rückbezug ebenfalls zwangsläufig ein "[X.]" darstellen.

4. Bei vorliegender Sachlage war das Patent zu widerrufen.

Meta

7 W (pat) 301/09

16.11.2011

Bundespatentgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.11.2011, Az. 7 W (pat) 301/09 (REWIS RS 2011, 1377)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1377

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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