Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2012, Az. IX ZR 69/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9714

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Gegenstand

Rechtsanwaltshaftung: Verjährung des Schadensersatzanspruches bei Versäumung der Einlegung eines Rechtsmittels


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 28. Zivilsenats des [X.] vom 31. März 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 82.783,50 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.

2

1. Soweit die Beschwerde beanstandet, der in dem Vorprozess gestellte Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht durchgehend mit 430.000 € zu bemessen, weil die dem Antrag zugrunde liegende Forderung ausweislich der beigezogenen Akte des [X.] zunächst mit 633.597,95 € beziffert worden sei, liegt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht vor.

3

Das Verfahrensgrundrecht gebietet, das Vorbringen der [X.]en zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Daraus kann aber nicht die Verpflichtung der Gerichte hergeleitet werden, eine [X.] ohne entsprechenden Tatsachenvortrag von Amts wegen darauf zu durchforsten, ob ihr für die [X.] günstige Tatsachen zu entnehmen sind.

4

2. Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, soweit sich die Beschwerde gegen die von dem Berufungsgericht angenommene wirtschaftliche Identität der im Rahmen der Widerklage auf Zahlung und auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichteten Anträge wendet.

5

a) Auch insoweit geht die auf Erkenntnisse aus der [X.] bezogene Beanstandung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG fehl. Im Blick auf die gerügten Rechtsfehler ist den Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe der Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht genügt. Weder wird im Blick auf den Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung als einem Unterfall der Grundsatzbedeutung ([X.], Beschluss vom 22. Oktober 2009 - [X.], [X.], 237 Rn. 4) ein Meinungsstreit aufgezeigt ([X.], Beschluss vom 1. Oktober 2002 - [X.], [X.]Z 152, 182, 191), noch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der gebotene Obersatzvergleich vorgenommen ([X.], Beschluss vom 23. März 2011 - [X.], [X.], 1196 Rn. 3 ff).

6

b) Eine Divergenz zu den Entscheidungen des [X.] und des [X.]. Zivilsenats des [X.] in dem Vorprozess ist ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Hierzu ist es erforderlich, die Vorentscheidung, zu der die Divergenz geltend gemacht wird, konkret zu benennen und zu zitieren, die angeblich divergierenden entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssätze aus dieser Vorentscheidung und aus der angefochtenen Entscheidung herauszustellen sowie vorzutragen, inwiefern diese nicht übereinstimmen ([X.], Beschluss vom 1. Oktober 2002, aaO, [X.]). Die danach gebotene Darlegung divergierender Rechtssätze hat die Beschwerde versäumt.

7

3. Soweit die Beschwerde die Würdigung des Berufungsgerichts beanstandet, dass zu dem Wert des Klageantrags auf Rückgewähr der fünf Grundschulden der [X.] auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden wertmäßig nicht zu addieren ist, fehlt es aus den unter 2. genannten Erwägungen ebenfalls an der ordnungsgemäßen Darlegung eines Zulassungsgrunds.

8

4. Im Blick auf den von der Beschwerde beanstandeten Rückgriff des Berufungsgerichts auf die Einwendung aus § 242 BGB wird der für die ordnungsgemäße Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) gebotene Obersatzvergleich (vgl. [X.], Beschluss vom 23. März 2011, aaO) nicht vorgenommen. Davon abgesehen fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der unterbreiteten Rechtsfrage, weil der Mandant jedenfalls berechtigt ist, mit einer Schadensersatzforderung gegen damit nicht in Zusammenhang stehende begründete [X.] des Rechtsanwalts aufzurechnen ([X.], Urteil vom 31. Oktober 1985 - [X.], NJW-RR 1986, 1281, 1282 f; [X.] in: Zugehör/[X.]/[X.]/[X.]/Rinkler/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 723; [X.], ebendort, Rn. 894).

9

5. Ebenso fehlt es - wie bereits unter 2 a) dargelegt - unter den Gesichtspunkten der Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 ZPO) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 ZPO) an einer ordnungsgemäßen Rüge, soweit sich die Beschwerde gegen die Würdigung des Berufungsgerichts wendet, die von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt.

a) Überdies dürfte Verjährung nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde ausscheiden, die den Beratungsfehler der Klägerin in dem Versäumnis erblickt, gegen die Streitwertfestsetzung durch das [X.] vom 10. Mai 2005 nicht vorgegangen zu sein. Die Verjährung setzt nach dem hier anwendbaren § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB Kenntnis des Gläubigers von dem entstandenen Anspruch und den diesen Anspruch begründen Umständen voraus. Verwirklicht sich der [X.] nach Erlass einer gerichtlichen Entscheidung und wird ihm die Versäumung der Einlegung eines Rechtsbehelfs vorgeworfen, entsteht der Schaden erst mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ([X.], Urteil vom 21. September 1995 - [X.], NJW 1996, 48, 50; vom 23. September 2004 - [X.], NJW-RR 2005, 494, 497 mwN; vom 3. Februar 2011 - [X.], [X.], 795 Rn. 8). Eine Streitwertbeschwerde kann gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2, § 68 Abs. 1 Satz 3 GVG binnen einer Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache ohne besondere Anforderungen an die Postulationsfähigkeit (§ 63 Abs. 5 Satz 1, § 68 Abs. 1 Satz 5 GVG) eingelegt werden. Geht man von einer sofortigen Zustellung des die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses des [X.]. Zivilsenats vom 10. Juli 2007 aus, lief die Frist von sechs Monaten erst nach Beginn des Jahres 2008 ab. Mithin konnte - ungeachtet der Frage der außerdem notwendigen Kenntnis der Beklagten - die Verjährung frühestens mit Ende dieses Jahres beginnen und wäre daher erst mit Ende des Jahres 2011 lange nach Zustellung vorliegender Klage abgelaufen.

b) Die Anwendung des § 215 BGB durch das Berufungsgericht stellt eine Hilfsbegründung dar, auf welcher die angefochtene Entscheidung nicht beruht. Mithin scheitern die von der Beschwerde geltend gemachten [X.] an der fehlenden Entscheidungserheblichkeit.

6. Soweit die Klägerin eine Verantwortlichkeit in Abrede stellt, weil in dem Vorprozess auch übergeordnete Gerichte einer fehlerhaften Streitwertfestsetzung erlegen seien, wird der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) - wie unter 2. a) dargelegt - nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Im Übrigen hat der Anwalt die Interessen seines Mandanten auch gegenüber höherrangigen Gerichten uneingeschränkt zu wahren.

7. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

[X.]                                        Fischer

                      Grupp                                        [X.]

Meta

IX ZR 69/11

26.01.2012

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 31. März 2011, Az: 28 U 63/10, Urteil

§ 199 Abs 1 Nr 1 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2012, Az. IX ZR 69/11 (REWIS RS 2012, 9714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9714

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