Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2013, Az. II ZB 1/11

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8591

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
[X.]
II ZB 1/11
Verkündet am:
29. Januar 2013
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 112; ZPO § 66 Abs. 1
Der Beitritt eines Aufsichtsratsmitglieds auf Seiten einer Aktiengesellschaft im Rechtsstreit der Aktiengesellschaft mit einem Vorstandsmitglied über die Wirksamkeit oder den Inhalt des Abberufungsbeschlusses ist zulässig.

[X.], [X.] vom 29. Januar 2013 -
II ZB 1/11 -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren nach der Sachlage am
2.
Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Bergmann und die Richterin Caliebe
sowie [X.]
Drescher, [X.] und Sunder

für Recht erkannt:
Der Beitritt des Nebenintervenienten zu 2 auf Seiten der
[X.] wird zugelassen.
Die Kosten des [X.] haben
die
Kläger
zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[X.] Die [X.] ist ein Unternehmen der Bauwirtschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Die Anteile an der [X.] werden mittelbar über eine Holding von den beiden Firmengründern E.

H.

und B.

H.

gehalten. Zwischen den [X.] bzw. den Familienstämmen gibt es erhebliche Spannungen. Die Kläger waren am 6. Juli 2007

wie der [X.] mit seiner Entscheidung vom 17. Juli 2012 ([X.], [X.], 1750) bestätigt hat

wirksam
zu Mitgliedern des Vorstands der [X.] be-stellt worden. [X.] ist eines von sechs Mitgliedern des [X.], von denen drei auf den Vorschlag von E.

H.

und drei auf den Vorschlag von B.

H.

hin bestellt worden sind.

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-
3
-

Am 26.
Oktober 2009 fand eine Sitzung des Aufsichtsrats statt. [X.] war unter anderem die Abberufung der Kläger als Vorstände. Den Klägern war vorgeworfen worden, im Zusammenhang mit der Erweiterung des Geschäftsfelds der [X.] auf T.

den dortigen [X.] bestochen zu haben. Der Aufsichtsrat stimmte mit 3
:
3 Stimmen ab. Die dem Stamm B.

H.

zuzuordnenden Aufsichtsratsmitglieder verneinten das Vorliegen eines wichtigen Grundes und lehnten die Abberufung ab. [X.], der dem Stamm E.

H.

zugeordnet ist,
stimmte für die
Abberufung der Kläger. Gemäß §
10 Abs.
4 S.
5 der Satzung der [X.] führt Stimmengleichheit zur Ablehnung eines Beschlussantrags. Der [X.] entschied, die drei gegen eine Abberufung stimmenden [X.]mitglieder hätten ihr Stimmrecht missbräuchlich ausgeübt, so dass ihre Stimmen bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses nicht zu be-rücksichtigen seien, womit die Abberufung der Kläger als Vorstände der [X.] mit 3
:
0 beschlossen sei. Dementsprechend stellte der [X.] die Abberufung der Kläger durch [X.] vom 26. Okto-ber 2009 fest.
Das [X.] ([X.]) hat antragsgemäß festgestellt, dass in der Aufsichtsratssitzung vom 26. Oktober 2009 ein Beschluss, die Kläger aus wichtigem Grund abzuberufen, nicht ergangen sei
und dass die [X.] ver-pflichtet sei, den Klägern einen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem un-wirksamen Widerruf ihrer Vorstandsämter entstanden sei
und noch entstehen werde.
Am 19. Juni 2010 stimmte der Aufsichtsrat der [X.] über den An-
Anlass hierfür war, dass die für die [X.] im gerichtlichen Verfahren auftre-2
3
4
-
4
-

tenden Rechtsanwälte lediglich von deren Aufsichtsratsvorsitzenden beauftragt worden waren. Drei Aufsichtsräte stimmten für den Antrag, drei dagegen.
Die [X.] hat gegen das landgerichtliche Urteil Berufung beim [X.] eingelegt. Das Berufungsgericht
hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Prozessbevollmächtigten der [X.] zur Einlegung des Rechtsmittels nicht wirksam
bevollmächtigt gewesen seien.
Gegen den Verwerfungsbeschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der [X.]. [X.] ist dem Verfahren innerhalb laufender
Rechtsbeschwerdefrist auf Seiten der [X.] beigetreten und hat gleichfalls Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Kläger haben beantragt, die [X.] zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
[X.] Die Nebenintervention war zuzulassen. Ein Aufsichtsratsmitglied hat ein rechtliches Interesse daran, auf Seiten einer Aktiengesellschaft im Rechts-streit der Aktiengesellschaft mit einem Vorstandsmitglied über die Wirksamkeit oder den Inhalt des Abberufungsbeschlusses beizutreten (§
71 Abs. 1, § 66 Abs. 1 ZPO).
1. [X.] ist eine
andere Person im Sinne des §
66 Abs.
1 ZPO.

Nach § 66 Abs. 1 ZPO setzt die Nebenintervention einen zwischen ande-ren Personen anhängigen Rechtsstreit voraus. Nach einer Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum ist der gesetzliche Vertreter einer [X.] im Verhältnis zu dieser [X.] keine andere Person in diesem Sinne und kann [X.] nicht
Nebenintervenient sein ([X.], [X.], 386; Münch
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5
-

KommZPO/[X.], 4. Aufl., §
66 Rn. 4; [X.]/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., §
66 Rn. 7; Musielak/[X.], ZPO, 9. Aufl., § 66 Rn. 4; Gehrlein in
Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., § 66 Rn. 4; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 33.
Aufl., § 66 Rn. 3; [X.]/[X.], ZPO, 5. Aufl., § 66 Rn. 4; vgl. [X.], [X.], 2173). Nach anderer Auffassung kann die [X.] des gesetzlichen Vertreters im Rechtsstreit und auf Seiten des Vertretenen im Einzelfall zulässig sein, wenn der gesetzliche Vertreter ein eigenes rechtli-ches Interesse geltend machen kann (so [X.], [X.], 485; [X.], [X.] 1999, 597; [X.], ZPO, 22. Aufl., §
66 Rn.
8; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 66
Rn.
23). Welche dieser beiden Meinungen den Vorzug verdient,
bedarf keiner Entscheidung. Ein etwaiger
Ausschluss des gesetzlichen Vertreters von der Nebenintervention steht der Zulassung des Beitritts des Nebenintervenienten auf der Seite der [X.] nicht entgegen. Denn das einzelne Aufsichtsratsmitglied ist nicht gesetzlicher Vertreter in diesem Sinne.
Eine Aktiengesellschaft wird in einem Prozess mit einem [X.]

auch nach dessen Ausscheiden

gemäß §
112 [X.] durch ihren Auf-sichtsrat als Organ vertreten
([X.], Urteil vom 16. Februar 2009

II ZR 282/07, [X.], 717 Rn. 7; Urteil vom 16. Oktober 2006

[X.], [X.], 2213 Rn. 5; Urteil vom 22. April 1991

[X.], [X.], 796; Urteil vom
9. Oktober 1986

[X.], [X.] 1986, 1381, 1382)
und nicht durch das [X.] Aufsichtsratsmitglied.
Die
in diesem Zusammenhang erforderliche Willensbildung erfolgt durch ausdrücklichen Beschluss nach §
108 Abs.
1
[X.] ([X.], Urteil vom
16. Februar 2009

II ZR 282/07, [X.], 717 Rn.
12; [X.]/Tomasic in [X.], [X.], § 112 Rn.
9, 10; [X.] in [X.]/Stilz, [X.], 2.
Aufl., §
112 Rn.
26; MünchKomm[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
112 Rn.
21). In die [X.] des Aufsichtsrats fällt
im Passivprozess mit dem Vorstand etwa 10
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6
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die Frage, inwieweit ein Anspruch im Rahmen der Dispositionsbefugnis der [X.] anerkannt werden kann
oder ob

wie vorliegend

im Falle des [X.] von einem Rechtsmittel Gebrauch gemacht werden soll. Der in einem hierüber gefassten Beschluss zum Ausdruck gekommene einheitliche oder mehrheitliche Wille der abstimmenden Aufsichtsratsmitglieder stellt den Willen des Aufsichtsrats dar
([X.], Urteil vom 6. April 1964 -
II
ZR
75/62, [X.]Z 41, 282, 286). Dieser Vorgang einheitlicher Willensbildung kann durch das einzelne Aufsichtsratsmitglied nicht ersetzt werden, weil es seinen Willen abweichend vom Aufsichtsrat bilden könnte.
2. [X.] hat auch ein rechtliches Interesse am Beitritt.
Ein verfahrensrechtlich unter Verletzung zwingenden Gesetzes-
oder Satzungsrechts zustande gekommener oder ein inhaltlich gegen derartiges Recht verstoßender Beschluss des Aufsichtsrats ist nichtig und diese Nichtig-keit kann mit der gegen die Gesellschaft gerichteten Feststellungsklage nach §
256 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden ([X.], Urteil vom 17. Juli 2012

II
ZR
55/11, [X.], 1750 Rn.
10; Urteil vom 21. April 1997

II
ZR
175/95, [X.]Z 135, 244, 247). Der erkennende Senat bejaht ein rechtliches Interesse der
einzelnen Aufsichtsratsmitglieder
an der Feststellung, dass die im [X.] gefassten Beschlüsse unwirksam sind, so dass diese berechtigt sind, die Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen auf dem Klagewege feststellen zu [X.]. Dieses Interesse beruht auf der Organstellung der
Aufsichtsratsmitglieder und der sich daraus ergebenden gemeinsamen Verantwortung für die Recht-mäßigkeit der von ihnen gefassten Beschlüsse (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2012

II
ZR
55/11, [X.], 1750 Rn.
12;
Urteil vom 21.
April 1997

II
ZR
175/95, [X.]Z 135, 244, 248
ff.).

In gleicher Weise, wie das Aufsichtsratsmitglied ein rechtliches Interesse daran haben kann, feststellen zu lassen, dass ein [X.] nich-12
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7
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tig ist, folgt aus
seiner
Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der vom [X.] gefassten Beschlüsse auch ein Interesse an der Verteidigung eines von ihm für rechtmäßig gehaltenen [X.]es, hier in Form eines Abbe-rufungsbeschlusses, wenn der Vorstand dessen Wirksamkeit in Frage stellt. Denn hierdurch wird unmittelbar in seinen Verantwortungsbereich eingegriffen. In einem Rechtsstreit über die vom Vorstand gegen die Gesellschaft erhobene
Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses ist das [X.]mitglied daher berechtigt, der [X.] bei-zutreten.

Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall, in dem die Kläger geltend ma-chen, ein Abberufungsbeschluss sei gar nicht gefasst worden. Das aus der
ge-meinsamen Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder für die Rechtmäßigkeit der von ihnen gefassten Beschlüsse hergeleitete Feststellungsinteresse er-streckt sich auf die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein [X.] gefasst worden ist. Um diesem Interesse auch im Rechtsstreit des Vorstands mit der Aktiengesellschaft Geltung zu verschaffen, ist das Aufsichtsratsmitglied berechtigt, dem Rechtsstreit auf der Seite der Gesellschaft beizutreten.
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I[X.] Die Kosten des [X.] hat im Falle der Zulassung der Neben-intervention in entsprechender Anwendung des § 91 ZPO die widersprechende [X.] zu tragen
([X.]/Vollkommer, ZPO, 29.
Aufl., § 71 Rn.
7; MünchKomm
ZPO/[X.], 4.
Aufl., § 71 Rn.
9; bei
Zurückweisung vgl.
[X.], [X.] vom 5.
Juli 1967

4 [X.], [X.]E
19, 366, 369).

Bergmann

Caliebe

Drescher

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.05.2010 -
1 [X.] 50/09 -

[X.], Entscheidung vom 04.01.2011 -
4 [X.] -

16

Meta

II ZB 1/11

29.01.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2013, Az. II ZB 1/11 (REWIS RS 2013, 8591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8591

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