Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. II ZB 1/11

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5969

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II
ZB 1/11

vom

14. Mai 2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 71
Abs. 3; [X.] § 112; ZPO § 80
a)
Die von einem [X.] bis zur Zurückweisung seines [X.] vorgenommenen Prozesshandlungen behalten auch nach Rechts[X.] der Zurückweisungsentscheidung ihre Wirksamkeit.
b)
Die Vertretung der Aktiengesellschaft im Rechtsstreit mit dem Vorstand ist dem Aufsichtsrat als Gremium zugewiesen, das seinen Willen dadurch bildet, dass es einen Beschluss fasst. Dieser Vorgang einheitlicher Willensbildung kann nicht durch die Entscheidung eines [X.] oder des Aufsichtsratsvorsit-zenden ersetzt werden.
c)
Erteilt der Aufsichtsratsvorsitzende im Rechtsstreit mit dem Vorstand eine [X.], ohne zuvor die Einwilligung des Aufsichtsrats eingeholt zu haben, kann der Aufsichtsrat diese Handlung und die bisherige Prozessführung durch Mehrheitsbeschluss genehmigen.

[X.], Beschluss vom 14. Mai 2013 -
II ZB 1/11 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 14.
Mai 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. [X.] und die Richterin
Caliebe
sowie [X.]
Drescher, [X.] und Sunder
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 4. Januar 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der [X.] als unzulässig verworfen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:
[X.] Die [X.] ist ein Unternehmen der Bauwirtschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Die Anteile an der [X.] werden mittelbar über eine Holding von den beiden Firmengründern E.

H.

und B.

H.

gehalten. Zwischen den [X.] bzw. den Familienstämmen gibt es erhebliche Spannungen. Die Kläger sind am 6. Juli 2007 -
wie der erkennende Senat mit seiner Entscheidung vom 17. Juli 2012 ([X.], [X.], 1750) bestätigt hat

wirksam zu Mitgliedern des Vorstands der [X.] bestellt worden.
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Am 26.
Oktober 2009 fand eine Sitzung des Aufsichtsrats der [X.] statt. Tagesordnungspunkt war unter anderem die A[X.]erufung der Kläger als Vorstandsmitglieder. Den Klägern wurde vorgeworfen, im Zusammenhang mit der Erweiterung des Geschäftsfelds der [X.] auf T.

den [X.] bestochen zu haben. Von den sechs Mitgliedern des [X.] waren drei auf den Vorschlag von E.

H.

und drei auf den Vor-schlag von B.

H.

bestellt worden. Der Aufsichtsrat stimmte mit 3
:
3 Stimmen ab. Die dem Stamm B.

H.

zuzuordnenden [X.]mitglieder verneinten das Vorliegen eines wichtigen Grundes und lehnten
die A[X.]erufung der Kläger als Vorstandsmitglieder ab. Gemäß §
10 Abs.
4 S.
5 der Satzung der [X.] führt Stimmengleichheit bei der [X.]. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende war der Ansicht, die drei gegen eine A[X.]erufung stimmenden Aufsichtsratsmitglieder hätten ihr Stimmrecht missbräuchlich aus-geübt, so dass ihre Stimmen bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses nicht zu berücksichtigen seien; damit sei die A[X.]erufung der Kläger als [X.] der [X.] beschlossen. Dementsprechend stellte der [X.] die A[X.]erufung der Kläger durch den [X.] vom 26. Oktober 2009 fest. Die beiden a[X.]erufenen [X.] haben mit ihrer am 2. Dezember 2009 gegen die [X.], vertreten durch den Aufsichtsrat, erhobenen Klage die Feststellung beantragt, dass ein A[X.]eru-fungsbeschluss in der Aufsichtsratssitzung am 26. Oktober 2009 nicht ergan-gen, hilfsweise, dass er nichtig oder für ungültig zu erklären
ist; weiter haben sie die Feststellung begehrt, dass die [X.] verpflichtet ist, einen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem unwirksamen Widerruf ihrer Vorstandsämter ent-standen ist und noch entsteht.
In einem weiteren Verfahren hatten die Kläger mit einem Antrag auf Er-lass einer einstweiligen Verfügung begehrt, der [X.] zu untersagen, den 2
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Widerruf ihrer Bestellung als Vorstandsmitglieder festzustellen oder zu vollzie-hen und sie daran zu hindern oder zu stören, ihrer Tätigkeit als [X.]er nachzukommen. Das [X.] ([X.]) erließ die einst-weilige Verfügung.
Am 19. Juni 2010 stimmte der Aufsichtsrat der [X.] über den An-Landgericht [X.] hierfür war, dass die für die [X.] im einstweiligen Verfügungsverfah-ren sowie in dem über die Klage gegen die A[X.]erufung der Kläger anhängigen Verfahren auftretenden Rechtsanwälte lediglich von dem Aufsichtsratsvorsit-zenden bevollmächtigt worden waren. Drei Aufsichtsräte stimmten für den [X.], die drei Aufsichtsratsmitglieder aus dem Lager B.

H.

stimm-ten auch diesmal dagegen.
Am 23. Juni 2010 verwarf das [X.] (AG 2010, 918) die Berufung der [X.] im einstweiligen Verfügungsverfahren als [X.], weil die [X.] nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei.
Das [X.] ([X.]) hat auf die Klage gegen die A[X.]eru-fung der Kläger antragsgemäß festgestellt, dass in der Aufsichtsratssitzung vom 26. Oktober 2009 ein Beschluss, die Kläger aus wichtigem Grund abzuberufen, nicht ergangen und die [X.] verpflichtet sei, den Klägern einen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem unwirksamen Widerruf ihrer Vorstandsämter ent-standen sei und noch entstehen werde.
Die [X.] hat gegen das landgerichtliche Urteil Berufung beim [X.] eingelegt. Innerhalb der laufenden Berufungsfrist trat die Nebenintervenientin zu 1 dem Rechtsstreit auf Seiten der [X.] bei, schloss sich den Anträgen der [X.] aus der ersten Instanz an und legte 4
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gleichfalls Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2010 begründete sie die Berufung.
Das Berufungsgericht hat auch diese Berufung der [X.] als unzu-lässig verworfen, weil die Prozessbevollmächtigten der [X.] zur Einlegung des Rechtsmittels nicht wirksam

da nur durch den Aufsichtsratsvorsitzenden

bevollmächtigt gewesen seien. Der Antrag auf Genehmigung der Prozessfüh-rung sei abgelehnt worden. Es sei auch nicht so, dass die ablehnende Stimme des [X.] B.

H.

nicht zähle, weil dessen Wahl in den Aufsichtsrat nichtig gewesen sei. [X.] dies zu, wäre lediglich der die [X.] ablehnende Beschluss nichtig, damit stünde aber nicht zugleich ein positives Beschlussergebnis fest. Die Berufung der Nebenintervenientin zu 1 sei unzulässig, weil sie nicht wirksam beigetreten sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die von der [X.] und der [X.] zu 1 eingelegte Rechtsbeschwerde. Innerhalb der Rechtsbe-schwerdefrist ist der Nebenintervenient zu 2 auf Seiten der [X.] dem [X.] als Streithelfer beigetreten und hat gleichfalls Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Berufungsgerichts eingelegt. Mit [X.] vom 29.
Januar 2013 ([X.], 483) hat der erkennende Senat den Beitritt des Ne-benintervenienten zu 2 auf Seiten der [X.] im [X.] zugelassen.
I[X.] Die sich gegen die Verwerfung der Berufung der [X.] als unzu-lässig richtende Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Soweit mit dem angefochtenen Beschluss der Beitritt der [X.] zu 1 zurückgewiesen wurde, ist ein statthaftes Rechtsmittel nicht eingelegt worden.
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1. Die [X.] Gesetzes (§
574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, §
522
Abs. 1 Satz 4 ZPO) statthafte Rechtsbeschwerde der [X.] gegen den Verwerfungsbe-schluss ist auch im Übrigen zulässig (§
574 Abs. 2 Nr. 2, § 575 ZPO). [X.] ist der Prozessbevollmächtigte der [X.] im Rechtsbeschwerde-verfahren wirksam bevollmächtigt, nämlich jedenfalls durch den Nebeninterve-nienten zu 2.
a) Der Prozessbevollmächtigte der [X.] kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, von der Nebenintervenientin zu 1 zur Durchführung einer Rechtsbeschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss bevollmächtigt worden zu sein, weil deren [X.] durch das Berufungsgericht rechtskräftig zurückgewiesen wurde.
[X.]) Das Berufungsgericht hat die [X.] der [X.] zu 1 mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Die Kläger hat-ten ausdrücklich beantragt, die [X.] zurückzuweisen, weil das erforderliche rechtliche Interesse am Beitritt nicht gegeben sei. Das Berufungs-gericht hat, ohne das an sich gebotene Verfahren nach § 71 ZPO einzuhalten,
. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses und des ihm vorangegangenen Hinweisbeschlusses ergeben aber, dass das Berufungs-gericht ungeachtet des mehrdeutigen Beschlusstenors (nur) die Berufung der [X.] verworfen hat. Daneben hat es die Wirksamkeit des
Beitritts geprüft, ein Interventionsinteresse verneint und damit den Beitritt der Nebenintervenien-tin zu 1 zurückgewiesen.
[X.]) Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, die [X.] der Nebenintervenientin zu 1 zurückzuweisen, hat diese ein statthaftes Rechtsmittel nicht eingelegt.

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Die Nebenintervenientin zu 1 hat insbesondere gegen die Zurückweisung ihres Beitritts keine Rechtsbeschwerde eingelegt, die im Übrigen nur dann statthaft wäre, wenn sie zugelassen worden wäre (§
574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO; [X.], Beschluss
vom 24. Januar 2006

[X.], NJW-RR 2006, 644; vgl. ferner [X.], Beschluss vom 26. Mai 2008

II ZB 23/07, [X.], 1398). [X.] hat die Nebenintervenientin zu 1, soweit sie gemeinsam mit der [X.] Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Berufungsgerichts eingelegt hat, lediglich das gegen die Verwerfung deren Berufung gerichtete Rechtsmittel der [X.] unterstützt. Denn die gemeinsame Begründung der Rechtsbe-schwerde durch die [X.] und die [X.] hat sich nur

vorsorglich
-
im Rahmen der Begründung der gegen den Verwerfungsbe-schluss gerichteten Angriffe mit dem fehlerhaften Verfahren des Berufungsge-richts betreffend die Zurückweisung der [X.] befasst.
[X.]) Die Zurückweisung der [X.] der Nebenintervenientin zu 1 durch das Berufungsgericht ist somit mit der Folge rechtskräftig geworden, dass die Nebenintervenientin zu 1 nicht mehr am Prozess beteiligt ist (vgl.
§ 71 Abs. 3 ZPO) und die Befugnis verloren hat, Prozesshandlungen für die von ihr unterstützte [X.] vorzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 1982

III
ZR
184/80, NJW 1982, 2070; Beschluss vom 12. Juni 1989

II
ZB
2/89, juris Rn. 15; Beschluss vom 10. Januar 2006

VIII
ZB
82/05, [X.]Z 165, 358, 363; Beschluss vom 1. Juni 2011

VIII
ZB
96/10 Rn.
4 juris). Dies bedeutet ins-besondere, dass sie durch einen von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt im Rechtsbeschwerdeverfahren über den Beschluss, mit dem die Berufung der [X.] als unzulässig verworfen worden ist,
keine Prozesshandlungen mit Wirkung für die [X.] vornehmen kann.
b) Die Rechtsbeschwerde ist aber zulässig, weil der [X.] der [X.] jedenfalls vom [X.] zu 2 wirksam [X.] worden ist. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der 15
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Prozessbevollmächtigte der [X.] im Berufungsverfahren wirksam [X.] war, so dass er nach §
81 ZPO zur Bestellung eines Prozess[X.]en für die höhere Instanz ermächtigt gewesen wäre (vgl. hierzu [X.], Urteil
vom 15. März 2006

[X.], [X.], 2334 Rn.
14). Denn [X.] hat der Nebenintervenient zu 2 zugleich mit seinem wirksamen Beitritt (vgl. [X.], [X.] vom 29. Januar 2013

II ZB 1/11, [X.], 483) in zulässiger Weise Rechtsbeschwerde eingelegt, so dass das einheitlich zu [X.] Rechtsmittel insgesamt zulässig ist.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Berufung der [X.] [X.] nicht mit der Begründung als unzulässig verworfen werden dürfen, ihr Pro-zessbevollmächtigter sei zur Einlegung des Rechtsmittels vor dem [X.] nicht wirksam bevollmächtigt gewesen.
Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass die Nebenintervenientin zu 1 bis zur rechtskräftigen Zurückweisung ihres Beitritts durch das Berufungs-gericht gemäß §
71 Abs. 3 ZPO die Stellung und die Befugnisse einer Nebenin-tervenientin hatte (vgl. [X.], Urteil vom 9. März 1983

[X.], NJW 1983, 2378; Beschluss vom 10. Januar 2006

[X.], [X.]Z 165, 358, 363). Sie konnte daher mit
Wirkung für die [X.] Berufung einlegen und [X.] stellen. Die von einem [X.] bis zur Zurückweisung seines Beitritts wirksam vorgenommenen Prozesshandlungen behalten auch nach Rechts[X.] der Zurückweisungsentscheidung ihre Wirksamkeit
([X.], [X.] vom 20. März 1985

[X.], [X.], 551; Dressler in [X.] ZPO, Stand 30.10.2012, §
71 Rn.
12; [X.]/[X.], ZPO, 5.
Aufl., §
71 Rn.
7; Musielak/[X.], ZPO, 10.
Aufl., §
71 Rn.
8; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
71 Rn.
10 mwN; [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
71 Rn.
11).

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-

II[X.] Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Die durch den Aufsichtsratsvorsitzenden der [X.] erteilte [X.] ist ohne Genehmigung durch den Aufsichtsrat unwirksam. Der Aufsichtsratsvorsitzende einer Aktiengesellschaft kann in einem Rechtsstreit der Gesellschaft mit dem Vorstand grundsätzlich ohne einen ihn hierzu ermäch-tigenden Aufsichtsratsbeschluss keine wirksame Prozessvollmacht erteilen.
a) Die Aktiengesellschaft wird in einem Prozess mit einem [X.]

auch nach dessen Ausscheiden

gemäß §
112 [X.] durch ihren [X.] als Organ vertreten ([X.], Urteil vom 9. Oktober 1986

[X.], [X.] 1986, 1381, 1382;
Urteil vom 22. April 1991

[X.], [X.] 1991, 796; Urteil vom 16. Oktober 2006

II
ZR
7/05, [X.] 2006, 2213 Rn. 5; Urteil vom 16.
Februar 2009

II
ZR
282/07, [X.] 2009, 717 Rn.
7; [X.] vom 29.
Januar 2013

II ZB 1/11, [X.], 483 Rn.
10). Die im Zusammenhang mit der Prozessführung erforderliche Willensbildung des Aufsichtsrats erfolgt durch ausdrücklichen Beschluss nach §
108 Abs.
1 [X.] ([X.],
Urteil vom
16. Oktober 2006

II
ZR
7/05, [X.] 2006, 2213 Rn.
8; Urteil vom 16. Februar 2009

II
ZR
282/07, [X.] 2009, 717 Rn.
12; [X.] vom 29. Januar 2013

II ZB 1/11 Rn.
11). In die Entscheidungsbefugnis des Aufsichtsrats fallen im [X.] mit dem Vorstand die der Erteilung einer Prozessvollmacht vor-gelagerten, vorliegend relevanten Fragen, ob sich die Gesellschaft gegen die Klage überhaupt verteidigen will und ob im Falle des Unterliegens in erster In-stanz von einem Rechtsmittel Gebrauch gemacht werden soll. Der in einem hierüber gefassten Beschluss zum Ausdruck kommende einheitliche oder mehrheitliche Wille
der abstimmenden Aufsichtsratsmitglieder stellt den Willen des Aufsichtsrats dar ([X.], Urteil vom 6. April 1964

II
ZR
75/62, [X.]Z 41, 282, 286; [X.] vom 29. Januar 2013

II
ZB
1/11, [X.], 483 Rn.
11). Dieser Vorgang einheitlicher Willensbildung kann nicht durch die Ent-scheidung eines [X.] oder des Aufsichtsratsvorsitzenden er-20
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-
10
-

setzt werden, weil diese ihren Willen abweichend vom Aufsichtsrat bilden könn-ten ([X.], Urteil vom 17. März 2008

II
ZR
239/06, [X.], 1114 Rn.
11; [X.] vom 29. Januar 2013

II
ZB
1/11, [X.], 483 Rn.
11).

b) Durch die Entscheidungszuständigkeit des Aufsichtsrats als Ganzes ist die Verteidigungsmöglichkeit der Aktiengesellschaft gegen Klagen ihrer [X.] nicht gefährdet. Bevollmächtigt der Aufsichtsratsvorsitzende in Eilfällen einen Rechtsanwalt, ohne zuvor eine Mehrheitsentscheidung des [X.] herbeizuführen, handelt er entsprechend §
177 BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht ([X.], [X.], 10.
Aufl., § 112 Rn.
7; Spindler in
Spindler/Stilz, [X.], 2. Aufl., § 122 Rn. 44; [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., § 112 Rn.
19; MünchKomm[X.]/[X.], 3.
Aufl., § 107 Rn.
61; KK-[X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 107 Rn.
55; [X.]/[X.] in [X.]. [X.], 4.
Aufl., §
107 Rn.
125, § 112 Rn.
108). Der Aufsichtsrat kann diese [X.] durch Mehrheitsbeschluss genehmigen.
2. Sollte es im weiteren Verfahren darauf ankommen, ob die [X.] Prozessführung vom Aufsichtsrat der [X.] mit Beschluss vom 19. Juni 2010 genehmigt worden ist, wird zu beachten sein, dass die drei [X.] aus dem Lager B.

H.

bei dieser Beschlussfassung kei-nem [X.] unterlagen, weil sie in der Aufsichtsratssitzung vom 26. Okto-ber 2009 gegen die A[X.]erufung der Kläger gestimmt hatten. Ein [X.] unter dem Gesichtspunkt des Verbots des [X.] in eigener Sache (vgl. dazu BayObLG, [X.] 2003, 1194, 1196; [X.]/[X.], [X.], §
108 Rn.
28; [X.]/[X.], [X.]. [X.], 4. Aufl., §
108 Rn.
55) kann hier nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass im Rahmen der Klage der a[X.]erufenen [X.] die Frage eine Rolle spielen könnte, ob bei der Beschlussfas-sung des Aufsichtsrats über die A[X.]erufung drei Aufsichtsratsmitglieder ihr Stimmrecht

wie der Aufsichtsratsvorsitzende angenommen hat

rechtsmiss-bräuchlich ausgeübt haben. Wegen der Aufgabenverteilung zwischen Vorstand 23
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-

und Aufsichtsrat
wird häufig in Prozessen mit Vorstandsmitgliedern die Wirk-samkeit eines den Vorstand betreffenden Aufsichtsratsbeschlusses zu klären sein. Es widerspräche der Kompetenzzuweisung des §
112 [X.], wollte man bei der Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Vertretung der Gesell-schaft in einem Prozess gegen Vorstandsmitglieder ein [X.] von [X.]mitgliedern allein schon deshalb annehmen, weil diese an einer [X.], für den Gegenstand des Prozesses (möglicherweise) bedeutsamen [X.]fassung des Aufsichtsrats beteiligt waren.
3. Sollte es im Zusammenhang mit der Beschlussfassung des [X.] vom 19. Juni 2010 auf die Wirksamkeit der Stimmabgabe des B.

H.

ankommen, wird zu prüfen sein, ob die Wahl des B.

H.

zum Aufsichtsratsmitglied nichtig war. Entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts würde die
Nichtigkeit der Wahl dazu führen, dass auch die Stimmabgabe des B.

H.

nichtig, nicht zu zählen und damit die Genehmigung der bisherigen Prozessführung beschlossen gewesen wäre.
a) Ist der Beschluss über die Wahl eines [X.] nichtig, wird die gewählte Person für die Stimmabgabe und Beschlussfassung im [X.] wie ein Nichtmitglied behandelt ([X.], Urteil vom 19. Februar 2013

II
ZR
56/12, [X.], 720 Rn. 20). War die Stimme des als Nichtmitglied zu behandelnden [X.] für die Beschlussfassung oder die Ableh-nung eines Beschlussantrags ursächlich, ist ein entsprechender Beschluss nicht gefasst worden oder kommt sogar die Umkehrung des Beschlussergeb-nisses in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 19. Februar 2013

II
ZR
56/12, [X.], 720 Rn. 21). Die Lehre vom faktischen Organ, nach der die Handlungen des nichtig bestellten [X.] als wirksam anzusehen sind, ist auf die Stimmabgabe bei der Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Geneh-migung einer vollmachtlosen Prozessführung im Prozess mit dem Vorstand 25
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nicht anwendbar. Der Vorstand ist als Organ der [X.], weil er die Nichtigkeit der Wahl kennen muss (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Februar 2013

[X.], [X.], 720 Rn. 23).

b) Die Wahl von B.

H.

zum Aufsichtsratsmitglied könnte nichtig sein, weil er bei seiner Wahl am 7. Juli 2007 und auch danach Ge-schäftsführer der P.

GmbH war, deren Anteile sich mehrheitlich im Eigentum der [X.] befanden.
Nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ist die Wahl eines [X.] nichtig, wenn die gewählte Person nach § 100 Abs. 1 und 2 [X.] bei Beginn ihrer Amtszeit nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann. Nach § 100 Abs. 2 Satz
1 Nr. 2 [X.] kann Mitglied eines Aufsichtsrats nicht sein, wer gesetzlicher Vertre-ter eines von der [X.] ist. Nach § 17 Abs. 2 [X.] wird vermutet, dass ein im [X.] stehendes Unternehmen ab-hängig im Sinne des § 17 Abs. 1 [X.] und damit im Sinne des § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist.
Die Vermutung des § 17 Abs. 2 [X.] kann widerlegt sein, wenn der Mehrheitsgesellschafter seinen ihm sonst zukommenden Einfluss nicht entfal-ten kann (vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.], Aktien und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., §
17 Rn.
39 f.; [X.], [X.], 10. Aufl., §
17 Rn.
21
f.; MünchKommGmbHG/Liebscher, §
13 [X.].
Rn.
114). Die Kläger haben im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend gemacht, die P.

GmbH sei im relevanten Zeitraum nicht im Sinne der §
100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, §
17 [X.] von der [X.] abhängig gewesen. Das Berufungsgericht wird sich gegebenenfalls mit dem Vortrag der Kläger zur Widerlegung der Ab-hängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 [X.] -
eventuell nach ergänzendem Vorbringen der [X.]en

befassen müssen.
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13
-

4. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass in einem Fall wie dem [X.] die Ablehnung des Antrags, durch Beschluss des Aufsichtsrats die Prozessführung der Gesellschaft gegen eine Klage von Vorstandsmitgliedern zu genehmigen, schon deshalb treuwidrig und damit nichtig sein kann, weil die Klage gegen einen Beschluss des Aufsichtsrats (hier: auf A[X.]erufung der Klä-ger als Vorstandsmitglieder) gerichtet
ist. Die Weigerung des Aufsichtsrats, der Aktiengesellschaft die Möglichkeit zu geben, sich gegen vom Vorstand [X.], die die Wirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen zum Gegenstand haben, zu verteidigen, wird nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen dem Unternehmenswohl entsprechen. Es liegt vielmehr regelmäßig nahe, dass die Aufsichtsratsmitglieder sich
von sachfremden Erwägungen leiten lassen, wenn sie der Gesellschaft in einem solchen Fall die Rechtsverteidigung unmög-lich machen. Dies gilt insbesondere, wenn wie hier gerade die [X.], deren Stimmrechtsausübung bei der Fassung des von den [X.] beanstandeten Aufsichtsratsbeschlusses durch den [X.] als missbräuchlich gewertet worden ist, durch die Verweigerung
30
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14
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der Genehmigung der Prozessführung die gerichtliche Überprüfung des [X.]beschlusses verhindern.

[X.]

Caliebe

Drescher

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.05.2010 -
1 [X.] 50/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 04.01.2011 -
4 [X.] -

Meta

II ZB 1/11

14.05.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. II ZB 1/11 (REWIS RS 2013, 5969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5969

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZB 1/11

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