Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2007, Az. IX ZR 189/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3998

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[X.]BESCHLUSS [X.] ZR 189/02 Vom 3. Mai 2007 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] am 3. Mai 2007 beschlossen: Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Ur-teil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 21. Juni 2002 zugelassen. Das genannte Urteil wird aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert wird auch für das Revisionsverfahren auf 28.905,35 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Klägerin begehrt von den [X.] Schadensersatz wegen Verlet-zung von Anwaltspflichten. Sie erbringt für [X.][X.] - 3 - gen. Frau [X.]war seit dem 25. Januar 1954 verheiratet mit B. . Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor. Die Eheleute lebten in [X.]. Am 25. März 1959 wurde die Ehe aus alleinigem Verschulden des Ehemannes ge-schieden. Am 25. Juli 1965 gebar Frau S.

einen weiteren Sohn des ge-schiedenen Ehemannes, [X.]. B. wollte aus [X.] [X.] und benötigte dafür eine Erklärung seiner geschiedenen Ehefrau, dass diese keine finanziellen Forderungen gegen ihn habe. Gegen Zahlung von [X.] gab die geschiedene Ehefrau eine Erklärung ab, die B. für die Ausreise in die [X.] im Jahre 1979 verwendete. Im Mai 1990 folgte ihm die geschiedene Ehefrau nach. Die Klägerin verlangte aus übergegangenem Recht der Frau [X.]von dem geschiedenen Ehemann Unterhalt. Die beim Amtsgericht erhobene Klage blieb erfolglos. Die Klägerin beauftragte daraufhin die [X.], gegen das Urteil Berufung einzulegen. Der für die [X.] tätige Rechtsanwalt [X.] die Frist zur Begründung der Berufung. Die Klägerin nahm deshalb die Beru-fung zurück und verlangt von den [X.] Schadensersatz. Das [X.] hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Unterhaltsanspruch habe nicht bestanden. Die Aussicht auf ein durch Arbeit in [X.] verdientes erhöhtes Renteneinkommen des Ehemannes habe die ehelichen Lebensver-hältnisse nicht geprägt. Die hiergegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die vorliegende Beschwerde der Klägerin. 2 - 4 - I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin zur Aufhebung und Zurückverweisung, § 544 Abs. 7 ZPO. 3 1. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert ein Eingreifen des [X.], wenn die angefochtene Entscheidung sich als objektiv will-kürlich darstellt oder Verfahrensgrundrechte einer Partei verletzt und die Ent-scheidung darauf beruht ([X.], 221, 226 ff; 154, 288, 296; [X.], [X.]. v. 11. Mai 2004 - [X.], [X.], 1407, 1408 f). Dies ist vorliegend der Fall, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Ge-hör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt hat, dass es deren Vorbringen zum Inhalt der Verzichtserklärung unbeachtet gelassen hat. 4 a) Das Berufungsgericht hat als unstreitig angenommen, dass E. [X.] gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann eine Erklärung folgenden Inhalts abgegeben hat: "Ich, E. S.

, wohnhaft ..., bestätige hiermit, dass ich keinerlei Ansprüche finanziell/materiell mehr gegenüber meinem ge-schiedenen Ehemann B. , ... habe. Diese Bescheidung dient zum Erhalt eines Reisepasses." 5 Es hat diese Erklärung dahin ausgelegt, dass die Ehefrau darin erklärt, selbst keine finanziellen Ansprüche gegen den geschiedenen Ehemann mehr zu haben, sowohl für die Vergangenheit wie für die Zukunft. Damit hat es rechtserheblichen Sachvortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen. Diese 6 - 5 - hat unter Beweisantritt ausgeführt, dass Frau [X.] lediglich auf Unterhaltsan-sprüche des dritten Sohnes [X.]gegen seinen Vater verzichtet habe, nicht aber auf eigene Unterhaltsansprüche; eine Verzichtserklärung des von den [X.] behaupteten Inhalts habe sie niemals abgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin auf einen Hinweis des [X.], dass der Inhalt der Erklärung im Vorprozess unstreitig gewesen sei, mit Schriftsatz vom 23. April 2002 ihren Standpunkt bekräftigt, dass Frau [X.] niemals einen Verzicht erklärt habe und dass auch im Vorprozess eine Abfindung für eigene Unterhaltsansprüche der Frau [X.] bestritten worden sei. 7 b) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die [X.] der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht genügt hat, selbst wenn es sich nicht mit jedem Vorbringen in den [X.] ausdrücklich befasst hat. Anders liegt es jedoch, wenn im Einzel-fall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstan-tiiert war ([X.] 47, 182, 189; 65, 293, 295; 70, 288, 293; 86, 133, 145 f). 8 - 6 - c) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung maßgeblich die von den [X.] behauptete Verzichtserklärung zugrunde gelegt. Dies lässt den Schluss zu, dass es das Bestreiten der Klägerin bei seiner Entscheidung außer [X.] gelassen hat. Nach seinem Rechtsstandpunkt kam es darauf an, dass sich die Verzichtserklärung auch auf eigene Ansprüche der Frau [X.] erstreckte. 9 Darlegungs- und beweispflichtig für einen Verzicht der Frau S. auch auf eigene Unterhaltsansprüche war im Unterhaltsprozess der Ehemann. Im [X.] trifft deshalb die Darlegungs- und Beweislast für den [X.] die [X.]; denn die Regeln des Ausgangsrechtsstreits sind auch im [X.] anzuwenden ([X.]Z 72, 328, 330; 133, 110, 115; [X.], [X.]. v. 4. März 2004 - [X.] ZR 180/02, [X.], 779, 780; st. Rspr.; Fi-scher in [X.]/[X.]/Sieg/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 1078). 10 Entscheidend ist nicht, wie das Urteil im Vorprozess tatsächlich gelautet hätte, sondern vielmehr, wie es richtigerweise hätte ergehen müssen. Der [X.] Gerechtigkeit gebührt der Vorrang. Deshalb sind neuer Sachvortrag und neue Beweismittel zu berücksichtigen ([X.]Z 30, 226, 232; 133, 110, 115; [X.], aaO Rn. 1073 ff), es sei denn, diese Erkenntnis hätte im Vorprozess unter keinen Umständen gewonnen werden können (vgl. [X.]Z 163, 223, 229 ff). 11 Nachdem die Klägerin die von dem [X.] behauptete [X.] hinsichtlich der eigenen Unterhaltsansprüche bestritten hatte, durfte das Berufungsgericht die Verzichtserklärung insoweit nicht als unstreitig ansehen, sondern musste den von den [X.] angebotenen Beweis, gegebenenfalls auch den von der Klägerin angebotenen Gegenbeweis erheben. 12 - 7 - Das Berufungsgericht durfte auch nicht davon ausgehen, dass die Kläge-rin lediglich den von den [X.] behaupteten Sinn der Verzichtserklärung, nicht aber den Wortlaut bestreiten wollte. Aus dem Vorbringen der Klägerin er-gab sich zweifelsfrei, dass die Existenz einer Verzichtserklärung des von dem [X.] behaupteten Inhalts und damit auch ein entsprechender Wortlaut bestritten wurde. 13 d) Auf diesem Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Grundrecht der Klägerin auf rechtliches Gehör beruht das Berufungsurteil. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die erforderliche Beweisaufnahme zu einem an-deren als dem vom Berufungsgericht angenommenen Ergebnis geführt hätte. 14 2. Danach kommt es nicht mehr darauf an, dass das Berufungsurteil ver-fahrensfehlerhaft die [X.] nicht wiedergibt und somit nicht erken-nen lässt, welches Ziel die Klägerin mit ihrer Berufung verfolgt hat (vgl. [X.]Z 158, 60, 62). 15 3. Da das Berufungsgericht das rechtliche Gehör der Klägerin in ent-scheidungserheblicher Weise verletzt hat, macht der Senat gemäß § 544 Abs. 7 ZPO von der seit 1. Januar 2005 gemäß Art. 22 des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 ([X.]) auch für Altfälle geschaffenen Mög-lichkeit Gebrauch, das Urteil durch [X.]uss aufzuheben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 16 - 8 - Können die [X.] nicht beweisen, dass eine Verzichtserklärung der Ehefrau hinsichtlich ihres eigenen Unterhaltsanspruchs vorlag, wird das [X.] die Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs im Einzelnen zu prüfen haben. 17 Dr. [X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 12.06.1998 - 303 O 56/98 - O[X.], Entscheidung vom [X.] - 12 U 83/99 -

Meta

IX ZR 189/02

03.05.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2007, Az. IX ZR 189/02 (REWIS RS 2007, 3998)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3998

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