Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.05.2020, Az. 4 StR 170/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1728

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Gegenstand

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Absehen von einer Entscheidung über den Vorwegvollzug der Strafe


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Juli 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der [X.] eines Teils der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und „Einbruchdiebstahls“ in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Kompensationsentscheidung getroffen. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Hiergegen richtet sich die auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

2

1. Hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs, der Kompensationsentscheidung und der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

2. Die Entscheidung über den [X.] kann nicht bestehen bleiben, weil das Gericht nicht erkennbar in seine Ermessensentscheidung einbezogen hat, dass sich der Angeklagte aufgrund des Urteils des [X.]s Dortmund vom 26. September 2017 im Vollzug einer Maßregel nach § 64 StGB befindet, die nach den hierzu getroffenen Feststellungen fortdauert und positiv verläuft.

4

Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt das Gericht die Vorwegvollziehung der Strafe oder eines Teils der Strafe, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. [X.], Beschluss vom 13. November 2018 - 3 [X.], NStZ-RR 2019, 208, 209 mwN). Der angeordnete [X.] von einem Jahr und drei Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe entspricht bei einer - hier festgestellten - voraussichtlichen Therapiedauer von zwei Jahren zwar dem Regelfall des § 67 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 3 StGB. Mit Rücksicht auf die besondere Vollzugssituation (positiv verlaufende Unterbringung nach § 64 StGB in anderer Sache) hätte die [X.] hier aber prüfen müssen, ob ausnahmsweise von der [X.] des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB abzuweichen und von der Anordnung des [X.]s abzusehen war. Denn die nunmehr erneut angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hätte nach § 67f StGB im Fall ihrer Rechtskraft die Erledigung der bereits vollzogenen Unterbringung zur Folge. Die in deren Rahmen erfolgversprechend begonnene Therapie könnte gemäß § 67 Abs. 1 StGB dann nur fortgesetzt werden, wenn sie nicht zum Zwecke eines [X.]s unterbrochen wird. In einem solchen Fall kann von der Entscheidung über den [X.] abgesehen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 13. November 2018 - 3 [X.], NStZ-RR 2019, 208, 209; weitere Nachweise bei [X.], StGB, 67. Aufl., § 67 Rn. 12).

5

Über die Anordnung eines [X.]s ist daher erneut zu entscheiden. Dem [X.] ist es verwehrt, in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst darüber zu befinden, weil die Entscheidung Wertungen und Beurteilungen erfordert, die dem Tatgericht vorbehalten sind.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Bender

        

Quentin     

        

Bartel     

        

Meta

4 StR 170/20

05.05.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 12. Juli 2019, Az: 34 KLs 38/17

§ 64 StGB, § 67 Abs 2 S 2 StGB, § 67f StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.05.2020, Az. 4 StR 170/20 (REWIS RS 2020, 1728)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1728

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 170/20

2 StR 362/21

Zitiert

3 StR 243/18

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