Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2023, Az. V ZR 254/22

5. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7004

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

WEG-Sache bei Inanspruchnahme auf Unterlassung wegen einer Äußerung zwischen zwei Wohnungseigentümern


Leitsatz

Nimmt ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handelt es sich nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 43 Nr. 1 WEG aF (bzw. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG), wenn die Äußerung in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssitzung getätigt wurde. Dies gilt unabhängig von Inhalt und Anlass der Äußerung (Fortentwicklung von Senat, Beschluss vom 17. November 2016 - V ZB 73/16, MDR 2017, 78 Rn. 12).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - Zivilkammer 9 - vom 25. März 2022 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Eine GbR, deren Gesellschafter der Kläger und seine Ehefrau sind, und der Beklagte und dessen Ehefrau bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ([X.]). Die Anlage besteht aus zwei Doppelhaushälften. Zwischen den Parteien kam es zu diversen, auch gerichtlichen Auseinandersetzungen über wohnungseigentumsrechtliche Angelegenheiten. Unter anderem ging es um die Reinigung der Entwässerungsrinnen auf dem Vorplatz der Carports. Am 6. März 2018 wurden der Beklagte und seine Ehefrau zur Reinigung der Entwässerungsrinnen in einem bestimmten Zeitraum verurteilt. Am 15. August 2018 kam es zu einem Zusammentreffen der Parteien auf dem Grundstücksvorplatz. Während eines Wortwechsels sagte der Beklagte zu dem Kläger:

„Sie sind sowieso eine Lachfigur, Sie Idiot.“

2

Nach dem Vorbringen des [X.] erfolgten die Äußerungen des Beklagten vor dem Hintergrund, dass er ihm die Nichterfüllung der titulierten Reinigungspflicht vorgehalten hatte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. August 2018 mahnte der Kläger den Beklagten ab, woraufhin dieser eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab. In dem Begleitschreiben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 24. September 2018 zu der Unterlassungserklärung heißt es:

„Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass den dort beschriebenen Äußerungen ein Vorgang im Sinne des § 199 StGB voranging, bei dem … (Kläger) unseren Mandanten duzte, unflätig bepöbelte sowie mit der Einleitung eines weiteren Gerichtsverfahrens bedrohte.“

3

Mit der Klage verlangt der Kläger Ausgleich der Abmahnkosten von 422,25 € sowie Unterlassung der Behauptung, der Kläger habe den Beklagten am 15. August 2018 „geduzt, unflätig bepöbelt und mit der Einleitung eines weiteren Gerichtsverfahrens bedroht.“ Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 147,56 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des [X.] hat das [X.] zunächst wegen Nichterreichens der erforderlichen Berufungssumme als unzulässig verworfen. Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] hat der [X.] diese Entscheidung durch Beschluss vom 16. November 2021 ([X.] 58/20, [X.], 262) aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das [X.] dem Kläger weitere 8,61 € ([X.]) zugesprochen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, mit der er seine Klageanträge, soweit ihnen nicht stattgegeben wurde, weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht (Zivilkammer 9), dessen Entscheidung in [X.], 423 veröffentlicht ist, sieht sich für die Entscheidung über die Berufung als zuständig an, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein [X.] handele, das deshalb der Zivilkammer 18 als zuständiger Kammer für Wohnungseigentum hätte zugewiesen werden können. Der Geschäftsverteilungsplan des [X.], der die Norm des § 72a [X.] umgesetzt und entsprechende spezialisierte Kammern eingerichtet habe, sehe für Berufungs- und Beschwerdesachen unter Rz. 260 vor, dass eine einmal innerhalb des Rotationsverfahrens zugeteilte Sache nur innerhalb einer - hier abgelaufenen - Frist von einem Monat nach Eingang der Rechtsmittelbegründung abgegeben werden könne. In der Sache könne der Kläger bezogen auf den Zahlungsanspruch (Klageantrag zu 1) lediglich weitere 8,61 € beanspruchen, nicht jedoch - wie beantragt - weitere 275,19 €. Die erstattungsfähigen Anwaltskosten für die Abmahnung seien auf der Grundlage eines Geschäftswertes i.H.v. 1.000 € zu berechnen und nicht i.H.v. 4.000 €, wie der Kläger geltend mache. In Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] könne in Verfahren betreffend Ehrverletzungen zwar grundsätzlich der dort genannte Ausgangswert von aktuell 5.000 € angesetzt werden. Hier habe das Amtsgericht jedoch ohne Ermessensfehler angenommen, dass der Betrag zu reduzieren sei. Der mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei hinsichtlich der in dem Anwaltsschreiben vom 24. September 2018 enthaltenen Ergänzungen zur Unterlassungserklärung ebenfalls nicht begründet. Unabhängig davon, dass hierin bereits keine Ehrverletzung liege, bestehe für den Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis. Nach der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] seien [X.] gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem schwebenden Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienten, in aller Regel unzulässig. So liege es auch hier.

II.

5

Dies hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

6

1. Die von dem Kläger gemäß § 547 Abs. 1 ZPO erhobene Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe seine Zuständigkeit unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) bejaht und sei deshalb nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, ist unbegründet. Hierfür kann dahinstehen, ob der Kläger mit der Zuständigkeitsrüge bereits gemäß § 565, § 513 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist, wie der [X.] geltend macht. Der Kläger ist jedenfalls deshalb nicht [X.] entzogen worden, weil es sich bei dem Rechtsstreit nicht um eine der Zivilkammer 18 zugewiesene Wohnungseigentumssache handelt. Ob eine Zuständigkeit der Zivilkammer 9 (auch) durch die in dem Geschäftsverteilungsplan enthaltene Regelung in [X.] 260 wirksam hätte begründet werden können, bedarf mithin keiner Entscheidung.

7

a) Da der [X.] und damit vor dem am 1. Dezember 2020 erfolgten Inkrafttreten des [X.] ([X.]) vom 16. Oktober 2020 ([X.]) anhängig geworden ist, finden gemäß Art. 1, 4, 18 [X.], § 48 Abs. 5 WEG noch die bisherigen Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes und damit § 43 Nr. 1 bis 6 [X.] Anwendung (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 24. Februar 2022 - [X.]/21, NJW-RR 2022, 805 Rn. 8).

8

b) In Betracht käme hier nur das Vorliegen einer Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 43 Nr. 1 [X.]. Erfasst werden von dieser Vorschrift „Streitigkeiten über die sich aus der [X.] der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander“. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.

9

aa) Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Kläger selbst kein Wohnungseigentümer ist, sondern nur die GbR, deren Gesellschafter er und seine Ehefrau sind. § 43 [X.] ist gegenstands- und nicht personenbezogen zu verstehen (Senat, Beschluss vom 21. Januar 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 463 Rn. 5). Wird in der Sache über typische Rechte und Pflichten in einer [X.] gestritten, kann auch der Gesellschafter einer GbR, die eine Wohnungseigentumseinheit hält, Kläger oder [X.]r einer wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeit sein (vgl. Senat, aaO Rn. 6 für die persönliche Haftung des Gesellschafters für Beitragsrückstände der GbR).

bb) Entscheidend ist deshalb, ob die Voraussetzungen des § 43 Nr. 1 [X.] in sachlicher Hinsicht vorliegen. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsgrundlagen, auf die ein Kläger seine [X.] stützt, im Wohnungseigentumsgesetz wurzeln. Es ist deshalb im Ausgangspunkt unschädlich, dass der Kläger hier seine Ansprüche aus dem allgemeinen Zivilrecht (§ 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. [X.], § 1004 Abs. 1 BGB analog) herleitet. Nach der Rechtsprechung des Senats zum bisherigen Recht ist maßgeblich allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer (oder ihm gleichstehenden Personen) in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem [X.] der Wohnungseigentümer erwachsen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2016 - [X.], [X.], 78 Rn. 7 mwN; Urteil vom 13. Dezember 2019 - [X.], [X.] 2020, 300 Rn. 6). An dem Erfordernis des inneren Zusammenhangs mit den Rechten und Pflichten als Wohnungseigentümer hat sich im Ausgangspunkt trotz der im Vergleich zum bisherigen Recht weiter gefassten Formulierung, die § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG durch das [X.] erfahren hat („Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander“), nichts geändert. Geklärt hat der Gesetzgeber insoweit nur, dass Streitigkeiten über die sachenrechtlichen Grundlagen der [X.] Wohnungseigentumssachen sind (vgl. [X.]. 19/18791, S. 81).

cc) Nimmt ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handelt es sich nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit (§ 43 Nr. 1 [X.], § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG), wenn die Äußerung in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssitzung getätigt wurde. Dies gilt unabhängig von Inhalt und Anlass der Äußerung ([X.], [X.], 387641). Entgegen der Auffassung der Revision ist es deshalb unerheblich, dass sich die verbale Auseinandersetzung der Parteien an der - wohnungseigentumsrechtlich zu beantwortenden - Frage der Erfüllung von [X.] entzündet hat.

(1) Auszugehen ist zunächst davon, dass eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit nicht bereits deshalb zu bejahen ist, weil es sich bei den Parteien um Wohnungseigentümer bzw. ihnen gleichgestellte Personen handelt. Besteht zwischen den Wohnungseigentümern eine Sonderverbindung, aufgrund derer sie sich gleichsam wie Dritte gegenüberstehen, stellt ein hieraus resultierender Streit keine Wohnungseigentumssache dar. So liegt es beispielsweise, wenn Rechte aus zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Miet-, Dienst- oder Werkverträgen hergeleitet werden (vgl. [X.]/[X.], WEG, 15. Aufl., § 43 Rn. 38; [X.]/[X.]/Zschieschack, WEG-Recht 2021, [X.]. 14 Rn. 12). Ob die Verträge nur deshalb zustande gekommen sind, weil sich die Vertragsparteien wegen der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einer [X.] kennen, ist unerheblich. Ebensowenig stellt eine Streitigkeit zwischen einzelnen Miteigentümern aus einem nur zwischen ihnen vereinbarten Konkurrenzverbot eine Wohnungseigentumssache dar (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 1986 - [X.], NJW-RR 1986, 1355).

(2) Nicht anders liegt es im Grundsatz, wenn sich Wohnungseigentümer über die Zulässigkeit von Äußerungen streiten. Auch in diesem Fall treten sie sich wie Dritte gegenüber, ohne dass ein innerer Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem [X.] der Wohnungseigentümer erwachsen ist. Dass sich der Streit daran entzündet, dass die Wohnungseigentümer in einer die [X.] betreffenden Frage unterschiedlicher Auffassung sind, ist nur der Anlass für die Äußerung. Deren Zulässigkeit richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften. Spezifisch wohnungseigentumsrechtlichen Sachverstands bedarf es für die gerichtliche Entscheidung in aller Regel nicht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senat, Urteil vom 21. Januar 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 464 Rn. 6). Im Vordergrund steht vielmehr die äußerungsrechtliche Beurteilung.

(3) Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn es um die Zulässigkeit von Äußerungen geht, die in einer Eigentümerversammlung gefallen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2016 - [X.], [X.], 78 Rn. 12). Eine solche Rechtsstreitigkeit weist eine spezifische, unmittelbare wohnungseigentumsrechtliche Komponente auf, die über die durch das allgemeine Zivilrecht geregelten Rechtsbeziehungen hinausgeht. Die Eigentümerversammlung ist das Willensbildungsorgan der Wohnungseigentümergemeinschaft; sie dient der Erörterung der Beschlussfassung, und Äußerungen tragen zur Meinungsbildung innerhalb der [X.] bei (Senat, Beschluss vom 17. November 2016 - [X.], [X.], 78 Rn. 12). Der für die Anwendbarkeit des § 43 Nr. 1 [X.] und des § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG erforderliche Bezug zu dem [X.] wird - im Sinne einer Verklammerung - durch den institutionellen Rahmen der Versammlung selbst hergestellt. In gleicher Weise kann der unmittelbare [X.]sbezug auch bei Äußerungen in einer Beiratssitzung bejaht werden (vgl. Sauren, [X.], 433, 434).

(4) Dass hiernach Streitigkeiten zwischen einzelnen Wohnungseigentümern über die Zulässigkeit von Äußerungen, soweit diese nicht im Rahmen von Eigentümerversammlungen oder [X.] ausgesprochen wurden, keine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 43 Nr. 1 [X.] (bzw. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG) begründen, ermöglicht eine klare Abgrenzung. Dies ist gerade im Hinblick darauf, dass die Zuständigkeit der Berufungsgerichte gemäß § 72 Abs. 2 [X.] von der Einordnung der Streitigkeit abhängt (vgl. dazu: Senat, Beschluss vom 12. November 2015 - [X.], [X.], 168 Rn. 10), von besonderer Bedeutung. Nur ein solch formales Verständnis der Norm wird dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit gerecht, wonach Rechtsbehelfe „in der geschriebenen Rechtsordnung“ geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger klar erkennbar sein müssen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juni 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1436 Rn. 6 mwN; siehe auch Senat, Beschluss vom 24. September 2020 - [X.]/19, NJW-RR 2020, 1339 Rn. 8; Beschluss vom 21. Februar 2020 - [X.], NJW 2020, 1525 Rn. 8). Hiermit verträgt es sich nicht, wenn der Senat eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit trotz einer Äußerung in einer Eigentümerversammlung - als Gegenausnahme - verneint, wenn ein Zusammenhang mit dem [X.] der Wohnungseigentümer offensichtlich nicht gegeben ist (Senat, Beschluss vom 17. November 2016 - [X.], [X.], 78 Rn. 12). Zur Vermeidung hierdurch [X.] wird an der Ausnahme deshalb nicht mehr festgehalten.

(5) Dass der Anlass für die ehrverletzenden Äußerungen außerhalb von [X.] und [X.] in Differenzen der Wohnungseigentümer in der Wohnungseigentümergemeinschaft liegt, ist auf der anderen Seite aber nicht völlig irrelevant. Bei der Beurteilung, ob wegen einer bestimmten Äußerung ein Schadensersatz- oder Unterlassungsanspruch besteht, kommt es unter anderem darauf an, ob die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist. In diesem Zusammenhang ist zu klären, ob die Auseinandersetzung noch einen (wohnungseigentumsrechtlichen) Sachbezug aufweist oder nicht. Dies betrifft allerdings die materiell-rechtliche Begründetheit der Klage, spielt jedoch für die prozessuale Frage der Zuständigkeit i.S.d. § 43 Nr. 1 [X.], § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG keine Rolle (vgl. bereits [X.], [X.] 2001, 312).

2. In der Sache geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass dem Kläger über den zuerkannten Umfang hinaus kein weiterer Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zusteht (Klageantrag zu 1).

a) Dass der Kläger im Hinblick auf die Abmahnkosten dem Grunde nach einen Schadenersatzanspruch hat, legt das Berufungsgericht seiner Entscheidung, wenn auch unausgesprochen, zu Recht zugrunde. Da die Äußerungen des [X.]n bei dem Zusammentreffen der Parteien am 15. August 2018 eine Beleidigung darstellen und auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] verletzen, ergibt sich der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt der Abmahnkosten aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. [X.] (vgl. zu der [X.] allgemein [X.], Urteil vom 16. November 2021 - [X.] 1241/20, NJW 2022, 940 Rn. 38).

b) Zu Recht berechnet das Berufungsgericht die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 1.000 € und nicht von 4.000 €, wie dies der Kläger für angemessen hält.

aa) Soweit sich der Gegenstandswert - wie hier - aus anderen Vorschriften nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000 €, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 € anzunehmen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 [X.]). Die Beurteilung der Angemessenheit des von dem Anspruchsteller angesetzten Gegenstandswerts liegt hierbei im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Seine Entscheidung ist daher durch das Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Ermessen überhaupt und in den ihm gesetzten Grenzen ausgeübt worden ist und alle für seine Ausübung wesentlichen Umstände beachtet worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 30. März 2017 - [X.], juris Rn. 20 mwN im Zusammenhang mit einer anwaltlichen Abmahnung betreffend eine Urheberrechtsverletzung).

bb) Einer solchen Überprüfung hält das Berufungsurteil stand. Das Berufungsgericht hat im [X.] an das Amtsgericht sämtliche Umstände, die hier für die Beurteilung maßgeblich waren, berücksichtigt. Es hat jedenfalls ermessensfehlerfrei erläutert, warum es angezeigt ist, einen niedrigeren Gegenstandswert als 5.000 € anzusetzen. Der Kläger legt mit seiner Auffassung, 4.000 € seien angemessen, lediglich seine eigene Einschätzung dar. Dies vermag einen Rechtsfehler nicht zu begründen.

3. Den Klageantrag zu 2 sieht das Berufungsgericht zu Recht als unzulässig an. Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, die darauf gerichtet ist, dem [X.]n zu untersagen, die in dem Anwaltsschreiben vom 24. September 2018 enthaltenen Behauptungen aufzustellen oder verbreiten zu lassen. Hierfür kann offenbleiben, ob die Äußerungen ehrverletzenden Charakter haben und ob insoweit ein Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB (analog) oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. [X.] in Betracht kommen könnte.

a) In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage nicht nur in Fällen fehlt, in denen Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren untersagt werden sollen. [X.] sind grundsätzlich auch Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem behördlichen Verfahren dienen oder die im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgen (vgl. nur [X.], Urteil vom 19. Juli 2012 - [X.], [X.], 601 Rn. 20 mwN; siehe auch Urteil vom 16. November 2004 - [X.] 298/03, [X.], 279, 280). Die Verfahrensbeteiligten müssen, soweit nicht zwingende rechtliche Grenzen entgegenstehen, vortragen können, was sie zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für erforderlich halten ([X.], Urteil vom 19. Juli 2012 - [X.], [X.], 601 Rn. 16).

b) Diese Grundsätze wendet das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei an. Wie der [X.] in dem die erste Berufungsentscheidung aufhebenden Beschluss vom 16. November 2021 ([X.] 58/20, [X.], 456 Rn. 12) ausführt, ist es zutreffend, dass der Umstand, dass die Äußerungen in einem Rechtsanwaltsschreiben enthalten sind, für die rechtliche Beurteilung des Unterlassungsanspruchs relevant sein kann. Die Äußerungen stehen im Zusammenhang mit dem von dem Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch wegen des Vorfalls am 15. August 2018 und sind - erkennbar - vorsorglich im Hinblick auf mögliche weitere rechtliche Auseinandersetzungen erfolgt, wozu auch die gerichtliche Geltendmachung der Abmahnkosten durch den Kläger gehört. Ob die Ausführungen in dem Begleitschreiben des Prozessbevollmächtigten des [X.]n rechtlich tragfähig sind oder nicht - so die Ansicht des [X.] - ist unerheblich. Es genügt, dass der [X.] die Ausführungen für die Rechtsverteidigung für erforderlich hielt.

c) Ein Ausnahmefall, bei dem nach der Rechtsprechung des [X.] das [X.] nicht eingreift, wird von dem Berufungsgericht zutreffend verneint. In Betracht kommt ein solcher Ausnahmefall, wenn eine ehrverletzende Äußerung in einem Rundschreiben oder in einer außergerichtlichen Kampagne oder [X.] gegenüber getätigt wird (vgl. [X.], Urteil vom 16. November 2004 - [X.] 298/03, [X.], 507 f.). Hier ist das Anwaltsschreiben, in dem die Äußerung enthalten ist, aber ausschließlich an den Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten adressiert worden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Brückner     

      

Göbel     

      

Malik 

      

Laube     

      

Grau     

      

Meta

V ZR 254/22

22.09.2023

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hamburg, 25. März 2022, Az: 309 S 75/19, Urteil

§ 43 Nr 1 WoEigG vom 26.03.2007, § 43 Abs 2 Nr 1 WoEigG, § 823 Abs 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 1004 BGB, § 185 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2023, Az. V ZR 254/22 (REWIS RS 2023, 7004)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7004

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 80/23 (Bundesgerichtshof)

Nichtigkeit von WEG-Beschlüssen nach Durchführung einer Vertreterversammlung während Corona-Pandemie


V ZB 73/16 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentumssache: Zuständiges Gericht für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung bzw. Widerruf einer in der …


V ZR 255/21 (Bundesgerichtshof)

Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen: Rechtsschutzbedürfnis nach rechtskräftiger Ungültigerklärung eines Beschlusses; Streitwertbemessung für Beschlussanfechtungsklage


V ZR 149/21 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentumssache: Streitwert für Beschlussklage und maßgebliche Beschwer für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels


V ZR 51/23 (Bundesgerichtshof)

Beschlussfeststellungsklage: Klärung und Prüfung des Inhalts eines WEG-Beschlusses bei fehlender oder fehlerhafter Verkündung; Zweitbeschluss der …


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.