Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2018, Az. XII ZB 387/18

12. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 545

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Gegenstand

Betreuungssache: Zulässigkeit der Rechtsmitteleinlegung des Vorsorgebevollmächtigten gegen die Betreuerbestellung nach Widerruf der Vorsorgevollmacht


Leitsatz

Auch nach einem wirksamen Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer kann der Bevollmächtigte noch im Namen des Betroffenen, nicht aber im eigenen Namen Rechtsmittel gegen die Betreuerbestellung einlegen (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 28. Juli 2015, XII ZB 674/14, BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des [X.] vom 24. Juli 2018 wird verworfen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die 85jährige Betroffene leidet an vaskulärer Demenz, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Sie hatte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 2, und ihrem Schwiegersohn, dem Beteiligten zu 1, im Jahr 2009 eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt, deren wirksame Errichtung nicht in Zweifel steht.

2

Auf Anregung aller drei Kinder der Betroffenen hat das Amtsgericht eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Immobilienangelegenheiten, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post-, Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten, Vertretung gegenüber der Einrichtung und Widerruf von Vollmachten eingerichtet und die beiden Töchter der Betroffenen, die Beteiligten zu 2 und zu 3, als Betreuerinnen bestimmt. Diese widerriefen die dem Beteiligten zu 1 erteilte Vollmacht durch Anwaltsschreiben vom 13. März 2018.

3

Am 28. März 2018 hat der Beteiligte zu 1 im Namen der Betroffenen, hilfsweise im eigenen Namen, Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegt, die das [X.] verworfen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil dem Beteiligten zu 1 die Beschwerdeberechtigung für ein Rechtsmittel im eigenen Namen gegen die Verwerfung der Erstbeschwerde der Betroffenen durch das [X.] fehlt.

5

1. Zwar wäre der Beteiligte zu 1 zur Einlegung der Rechtsbeschwerde im eigenen Namen befugt, soweit seine eigene Beschwerde vom [X.] verworfen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. April 2018 - [X.] 282/17 - FamRZ 2018, 1251 Rn. 6 mwN). Auf eine Überprüfung der [X.] hinsichtlich seiner eigenen Erstbeschwerde ist seine Rechtsbeschwerde jedoch nicht gerichtet, sondern der Beteiligte zu 1 wehrt sich ausdrücklich "gegen die Verwerfung der Beschwerde, die er ... im Namen der Betroffenen gegen die [X.] eingelegt hat.".

6

2. Bezogen auf diesen Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist der Beteiligte zu 1 nicht im eigenen Namen rechtsbeschwerdebefugt.

7

a) Zwar erfordert der durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Rechtsschutz, ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel - auch im Fall des [X.] - nicht ineffektiv werden zu lassen. Daraus wird zu Recht gefolgert, § 303 Abs. 4 FamFG müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass der Widerruf der Vollmacht durch den Betreuer nicht die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren zur Überprüfung eben dieser Betreuerbestellung beseitigt. Da dem Bevollmächtigten durch die Befugnis, im Namen des Betroffenen Beschwerde einzulegen, gerade die Überprüfung der Betreuerbestellung ermöglicht werden soll, steht der Widerruf der Vollmacht durch einen Betreuer dem Beschwerderecht nicht entgegen. Damit soll gewährleistet werden, dass dem Rechtsmittel nicht durch einen vom Betreuer erklärten Widerruf der Vollmacht die Grundlage entzogen werden kann. Ein Wegfall der Vertretungsmacht wäre angesichts des schweren Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht mit dem nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz vereinbar (Senatsbeschluss [X.], 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 24 mwN).

8

Das Recht, die Interessen des Betroffenen im Betreuungsverfahren wahrzunehmen, in dem es um den Aufgabenkreis des Widerrufs der Vorsorgevollmacht geht, ist daher ein der Vorsorgevollmacht immanentes und der Verfügungsgewalt des Betreuers [X.] Recht, so wie es dem Betreuer auch nicht möglich wäre, als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (§ 1902 BGB) ein von diesem persönlich oder durch den Vorsorgebevollmächtigten ergriffenes Rechtsmittel gegen die Betreuerbestellung zurückzunehmen. Dies berücksichtigt auch, dass der Betroffene mit der Vorsorgevollmacht gerade dafür sorgen will, dass er sich nicht selbst gegen staatliche Eingriffe wehren muss, sondern dass dies der Vorsorgebevollmächtigte in seinem Namen kann (Senatsbeschluss [X.], 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 24 mwN). Die trotz Widerruf insoweit als partiell fortbestehend anzusehende Vollmacht berechtigt indessen nur zur Einlegung von Rechtsmitteln im Namen des Vollmachtgebers.

9

b) Eine Rechtsbeschwerdebefugnis des Bevollmächtigten im eigenen Namen besteht hingegen mangels unmittelbarer Beeinträchtigung eigener Rechte bereits bei [X.] Vollmacht nicht (Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - [X.] 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 6 ff., 15), und erst recht nicht nach deren Widerruf. Sie ist vielmehr nur nach Maßgabe der auch im Rechtsbeschwerdeverfahren anzuwendenden Vorschriften des § 303 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG gegeben. Danach steht das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung im Interesse des Betroffenen dessen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner, Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern sowie Personen seines Vertrauens zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Als Schwiegersohn der Betroffenen steht der Beteiligte zu 1 jedoch nicht in einem entsprechenden Angehörigenverhältnis, und eine Stellung als Vertrauensperson der Betroffenen hat das [X.] aus rechtlich nicht zu beanstandenden und auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Gründen verneint.

Dose     

      

Schilling     

      

[X.]

      

Botur     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 387/18

12.12.2018

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Frankfurt, 24. Juli 2018, Az: 2-29 T 133/18

§ 303 Abs 4 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2018, Az. XII ZB 387/18 (REWIS RS 2018, 545)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 630-631 REWIS RS 2018, 545

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