Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 SO 6/11 R

8. Senat | REWIS RS 2012, 1376

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Übernahme der Kosten für empfängnisverhütende Mittel - Hilfen zur Gesundheit - entsprechend den Leistungen der GKV - keine Kostenübernahme bei über 20-Jährigen - Eingliederungshilfe - kein behinderungsbedingter Bedarf - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - abweichende Festlegung des Regelsatzes


Leitsatz

Die Übernahme von Kosten für Empfängnisverhütungsmittel einer über 20-jährigen Frau ist als Hilfe zur Gesundheit im Rahmen der Sozialhilfe ebenso ausgeschlossen wie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 20. Juli 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten in Höhe von 50,48 Euro für ein [X.] (sog "3-Monats-Spritze") auf Grundlage von Verordnungen vom [X.] und vom 5.6.2007.

2

Bei der 1966 geborenen Klägerin besteht eine geistige Behinderung mit Aphasie bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma. Sie erhält laufend Leistungen nach dem [X.] Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]) - ua für die [X.] bis 30.6.2007 (Bescheid vom 21.6.2006) - und ist Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) bei der [X.]. Sie übt eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen aus und wohnt gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem [X.], der von seiner Großmutter erzogen wird, in einem Haushalt.

3

Am [X.] beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage privatärztlicher Verordnungen ihres behandelnden Gynäkologen vom [X.] und 12.9.2006 und einer Bescheinigung dieses Arztes vom 13.9.2006, wonach die Verordnung erforderlich sei, die Kostenübernahme für jeweils eine Ampulle des [X.]. Einen anschließend bei der [X.] gestellten [X.] lehnte diese ab, weil eine Kostenübernahme für Kontrazeptiva nach Vollendung des 20. Lebensjahres gemäß § 24a Abs [X.] - ([X.]) ausscheide (Bescheid vom 6.10.2006). Auch die Beklagte lehnte den [X.] ab (Bescheid vom 20.10.2006; Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 29.3.2007).

4

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht ([X.]) [X.] erhoben und die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 126,20 Euro für 5 Ampullen [X.] (jeweils 25,24 Euro) geltend gemacht, die sie sich nach Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte auf Grundlage privatärztlicher Verordnungen ihres behandelnden Gynäkologen vom 8.3., 5.6., 6.9., 13.12.2007 und 13.3.2008 beschafft hatte. Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß zur Kostenerstattung verurteilt (Urteil vom [X.]). Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] (L[X.]) [X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Einem Anspruch aus § 49 Satz 2 [X.] auf Kostenübernahme für empfängnisverhütende Mittel stehe - entgegen der Auffassung des [X.] - § 52 Abs 1 Satz 1 [X.] entgegen, der wegen der Hilfen nach den §§ 47 bis 51 [X.] auf den Leistungsumfang der [X.] verweise. Nach § 24a [X.] seien Frauen (nur) bis zum vollendeten 20. Lebensjahr anspruchsberechtigt. Wegen der Änderung des § 38 Abs 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz ([X.]) zum 1.1.2004 (mit dem [X.] der gesetzlichen Krankenversicherung - [X.]-Modernisierungsgesetz - vom 14.11.2003 - [X.] 2190) und der damit erfolgten Anbindung des Leistungsrechts des [X.] und in der Folge des [X.] an dasjenige des [X.] könnten auch auf der Grundlage des § 49 [X.] empfängnisverhütende Mittel für Personen nach Vollendung des 20. Lebensjahres nicht übernommen werden. Eine Kostenübernahme gemäß § 48 Satz 1 [X.] iVm § 27 Abs 1 [X.] scheide aus, weil das verschriebene empfängnisverhütende Mittel nach den Attesten des behandelnden Gynäkologen vom 13.9.2006 und vom [X.] nicht der Verhütung einer Schwangerschaft wegen Vorliegens einer Krankheit, sondern der Empfängnisverhütung unmittelbar diene. Die Teilhabe iS der §§ 53, 54 [X.] iVm § 55 Abs 1 [X.] behinderter Menschen - ([X.]B IX) erfasse es zwar auch, dem Behinderten ein selbstbestimmtes Sexualleben zu ermöglichen bzw zu erleichtern, wovon auch die Übernahme der Kosten der Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft mit einem der Behinderung angepassten Verhütungsmittel umfasst sein könne; als allein übernahmefähiger behinderungsspezifischer Bedarf seien aber nur solche Kosten zu übernehmen, die zusätzlich durch die Behinderung der Betroffenen entstünden. Die Kosten für das [X.] überschritten im Vergleich mit Kosten anderer üblicher Verhütungsmittel (Kondome, orale Kontrazeptiva) das zumutbare Maß nicht und seien deshalb mit dem pauschalen Regelsatz abgegolten.

5

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie hat die Klage auf die Kostenerstattung wegen der Verordnungen vom 8.3. und 5.6.2007 beschränkt. In der Sache macht sie eine Verletzung von § 49 [X.] durch das L[X.] geltend. § 49 [X.] stelle nach wie vor für den Personenkreis der Hilfebedürftigen nach dem [X.] eine Sonderregelung dar. Der Gesetzgeber habe nach Änderung des § 38 [X.] durch die unveränderte Beibehaltung des § 36 [X.] (bis 31.12.2004) bzw durch § 49 [X.] (ab 1.1.2005) zu erkennen gegeben, weiterhin die Kostenübernahme für empfängnisregelnde Mittel ohne die in § 24a [X.] enthaltene Altersbegrenzung im Rahmen des [X.] ermöglichen zu wollen. § 52 [X.] regele nicht den anspruchsberechtigten Personenkreis, sondern (lediglich) den Umfang der Versorgung. Bei einer anderen Auslegung laufe die Regelung ins Leere; zudem ergebe sich eine Schlechterstellung gegenüber dem Personenkreis, der entsprechende Leistungen nach §§ 3, 6 Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten könne. Auch als Eingliederungsleistung müsse das [X.] übernommen werden, weil es für sie die einzige Möglichkeit sei, sicher zu verhüten.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des L[X.] aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] kann der [X.] nicht abschließend entscheiden, ob der [X.]lägerin höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) zustehen. Allein aus dem regelmäßig alle drei Monate anfallenden [X.]ostenaufwand für das [X.] ergibt sich ein Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen nicht. Ein Anspruch auf andere Sozialhilfeleistungen besteht nicht.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 20.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]G), mit dem diese die Übernahme auch künftig anfallender [X.]osten für [X.] abgelehnt hat. Die mit der Anfechtungsklage kombinierte Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 [X.]G) hat die [X.]lägerin auf die Erstattung von bezifferten [X.]osten in Höhe von 50,48 Euro beschränkt und dabei zulässigerweise auch auf die im Juni 2007 angefallenen [X.]osten erstreckt. Eine Begrenzung des Streitgegenstandes dahin, dass lediglich über Leistungen nach dem Fünften [X.]apitel des [X.] ([X.]) zu entscheiden wäre, ergibt sich aus dieser betragsmäßigen Einschränkung aber nicht. Nach dem sog [X.] bzw Gesamtfallgrundsatz (vgl: [X.], 217 ff Rd[X.] 12 ff = [X.] 4-3500 § 133a [X.] 1; [X.], 131 ff Rd[X.] 10 = [X.] 4-3500 § 90 [X.] 3) ist davon auszugehen, dass die [X.]lägerin die von ihr beanspruchten Leistungen unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten geltend macht. Damit wird das [X.] nach Zurückverweisung des Rechtsstreits zu überprüfen haben, ob eine Erhöhung des Regelsatzes nach § 42 Satz 1 [X.] 1 [X.] iVm § 28 Abs 1 Satz 2 [X.] (in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - [X.] 2670) für die [X.] in Betracht kommt, in der die geltend gemachten [X.]osten angefallen sind, und den die Leistungen für den Lebensunterhalt betreffenden Bescheid in seine Prüfung einzubeziehen haben. Dabei fallen die streitigen [X.]osten in den Bewilligungszeitraum vom [X.] bis 30.6.2007. Sofern sich die Berufung der Beklagten im Ergebnis als unbegründet darstellen sollte, wird das [X.] den Tenor des Urteils des [X.] zu ändern haben und die Beklagte unter Anwendung des § 48 Zehntes [X.] - ([X.]B X) zur Änderung des bereits vor dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.10.2006 bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 21.6.2006 für März und Juni 2007 zu verurteilen haben.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Revision zulässig. Nachdem der [X.] mit Beschluss vom 21.2.2011 Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gewährt hat, kommt die Verwerfung der am 14.2.2011 eingelegten und zugleich begründeten Revision als unzulässig wegen Fristversäumnis nicht in Betracht.

Andere von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere war der [X.], der den Widerspruchsbescheid erlassen hat, nicht nach § 75 Abs 2 1. Alt [X.]G (echte notwendige Beiladung) zum Verfahren beizuladen, weil er nicht Dritter im Sinne der gesetzlichen Regelung ist (B[X.] [X.] 4-3500 § 90 [X.] 5 Rd[X.] 11). Auch ein Fall der unechten notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs 2 Satz 1 2. Alt [X.]G (mögliche Leistungspflicht eines anderen Leistungsträgers) liegt nicht vor (vgl B[X.] aaO). Die fehlende unechte notwendige Beiladung hätte im Revisionsverfahren ohnehin gerügt werden müssen (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 75 Rd[X.] 13b mwN), was vorliegend nicht geschehen ist.

Die (echte) notwendige Beiladung der [X.] als für die [X.]lägerin zuständige [X.]rankenkasse war ebenfalls nicht erforderlich. Es liegt schon deshalb keine § 14 [X.]B IX unterfallende [X.]onstellation vor, weil es sich zum einen bei der [X.]ostenübernahme nach § 24a [X.]B V nicht um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation im Sinne des [X.]B V handelt und zum anderen dessen Voraussetzungen wegen Überschreitens der Altersgrenze ohnehin offensichtlich nicht erfüllt sind, sodass eine Leistungspflicht der [X.] ausgeschlossen ist.

Der [X.] ist zwar sachlich und örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe (§§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 [X.] iVm § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] und §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum [X.] für das [X.] <[X.]> vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt [X.] 816 - iVm der Ausführungsverordnung zum [X.] des Landes [X.] vom 16.12.2004 - GVBl [X.] 717; vgl zur Auslegung der entsprechenden landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen bei fehlender eigener Auslegung des [X.]: B[X.]E 103, 39 ff Rd[X.] 12 = [X.] 4-2800 § 10 [X.] 1) für den vorliegend allein in Betracht kommenden Anspruch auf Erhöhung des Regelsatzes; dies gilt auch für die [X.] und die Eingliederungshilfe. Nach § 3 Abs 1 AG-[X.] [X.] können die [X.] aber als örtliche Träger der Sozialhilfe kreisangehörige Gemeinden zur Durchführung der ihnen als Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben durch Satzung heranziehen. Der [X.] hat dies getan und den kreisangehörigen Städten und Gemeinden, zu denen die Beklagte gehört, die Durchführung der ihm im Rahmen des [X.] obliegenden Aufgaben zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen (§ 1 der Satzung über die Mitwirkung der Städte und Gemeinden bei der Erfüllung der Aufgaben des [X.]s W als örtlicher Träger der Sozialhilfe vom 10.3.2005). Ausgenommen von der Übertragung sind nur die in § 2 der Satzung aufgeführten Aufgaben, zu denen die hier streitbefangene Leistung nicht gehört.

Ob die [X.]lägerin einen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen besitzt, kann nicht abschließend beurteilt werden (dazu später). Zutreffend hat das [X.] allerdings entschieden, dass sich ein Anspruch auf Übernahme der [X.]osten für die ärztlich verordneten empfängnisverhütenden Mittel aus § 49 Satz 2 [X.] für die [X.]lägerin nicht ergibt, weil sie das 20. Lebensjahr bereits vollendet hat. Die entsprechende einschränkende [X.] folgt aus § 52 Abs 1 Satz 1 [X.] (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.] 3022 - erhalten hat) iVm § 24a Abs 2 [X.]B V (idF, die die Norm durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 - [X.] 2266 - erhalten hat). Ein Anspruch auf empfängnisverhütende Mittel, den [X.] nach dem [X.] auf den gegenüber § 24a Abs 2 [X.]B V weiter gehenden § 37b Satz 2 [X.] 2 [X.] (eingeführt mit § 5 [X.] 5 des Gesetzes über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsreformgesetz vom 28.8.1975 - [X.] 2289) bzw (ab dem 1.1.2001) auf § 36 [X.] (idF, die die Norm durch Art 15 [X.] 6 [X.]B IX vom 19.6.2001 - [X.] 1046 - erhalten hat) stützen konnten, besteht seit dem 1.1.2004 nicht mehr. Dies ergibt sich aus der historischen Entwicklung der maßgeblichen Regelungen unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Ziels.

§ 49 Satz 2 [X.] geht zurück auf § 37b Satz 2 [X.] 2 [X.], der Teilregelung des zum 1.12.1975 (im Zuge der damaligen Reform des § 218 Strafgesetzbuch) in das [X.] unter Abschnitt 3 "Hilfe in besonderen Lebenslagen" eingefügten Unterabschnitts 5a "Hilfe zur Familienplanung" war (vgl § 5 [X.] 5 des Gesetzes über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsreformgesetz). Während in der [X.] lediglich Ansprüche auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung einschließlich der erforderlichen Untersuchung und Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln eingeräumt worden waren (vgl § 200e [X.] , eingefügt mit § 1 [X.] 2 dieses Gesetzes), die [X.]osten für empfängnisverhütende Mittel als solche für gesetzlich [X.]rankenversicherte aber ausdrücklich der Eigenvorsorge unterfallen sollten (vgl BT-Drucks 7/376, [X.]), ist § 37b [X.] weiter gefasst worden: Neben den § 200e RVO entsprechenden Maßnahmen für nicht gesetzlich versicherte [X.] (vgl § 37b Satz 2 [X.] 1 [X.]) sollte als generelles, primäres Angebot eine Übernahme von [X.]osten für ärztlich verordnete empfängnisverhütende Mittel im Hinblick auf die finanzielle Lage sozialhilfebedürftiger Frauen geschaffen werden (vgl § 37b Satz 2 [X.] 2 [X.]). Maßnahmen der Familienplanung sollten nicht daran scheitern, dass von den Hilfesuchenden die erforderlichen finanziellen Mittel nicht aufgebracht werden könnten (BT-Drucks 7/376, [X.]; im Einzelnen zum gesetzgeberischen Anliegen [X.], 65, 66).

In der [X.] besteht seit Inkrafttreten des [X.] vom [X.] ([X.] 1398) zum [X.] für Versicherte ein Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln zur Familienplanung, soweit sie jünger als 20 Jahre sind und das Mittel ärztlich verordnet wird (vgl § 24a Abs 2 [X.]B V). Nach der Gesetzesbegründung ist von § 24a Abs 2 [X.]B V der [X.] erfasst, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage, insbesondere weil sie sich noch in der Ausbildung befinden, am wenigsten in der Lage sind, die [X.]osten für empfängnisverhütende Mittel selbst aufzubringen. Eine Heraufsetzung dieser Altersgrenze sei wünschenswert; eine entsprechende Finanzierung müsse aber noch geklärt werden (vgl BT-Drucks 12/2605, [X.]). Danach sind keine Änderungen des § 24a [X.]B V in der Sache erfolgt. § 37b Satz 2 [X.] 2 [X.] ist demgegenüber nach Einführung von § 24a [X.]B V inhaltlich unverändert geblieben, sodass sich für Hilfeempfänger nach dem [X.] (seit dem 1.1.2001 auf Grundlage der entsprechenden Regelung in § 36 Satz 2 [X.]) ein gegenüber den Leistungen der [X.] weitergehender Anspruch ergab.

Diese Begünstigung Hilfebedürftiger nach dem [X.] ist indes zum 1.1.2004 entfallen. Seither bestimmt § 38 Abs 1 Satz 1 [X.] (idF, die die Norm durch Art 28 [X.] 4 Buchst c [X.] erhalten hat) und ihm folgend § 52 Abs 1 Satz 1 [X.] (der entsprechend im Gesetzgebungsverfahren des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch angepasst worden ist), dass die Vorschriften des 4. Unterabschnitts der Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem [X.] bzw des Fünften [X.]apitels des [X.] dem Leistungsberechtigten einen Anspruch auf Hilfe bei [X.]rankheit nur entsprechend dem [X.]B V einräumen. Die zuvor enthaltene Erweiterung im 2. Halbsatz ("soweit in diesem Gesetz keine andere Regelung getroffen ist") ist zu diesem [X.]punkt gestrichen worden. Der [X.] hat bereits hinsichtlich der Zuzahlungsregelungen der §§ 61, 62 [X.]B V entschieden, diese Gesetzesentwicklung lasse nur den Schluss zu, dass die Übernahme finanzieller Eigenleistungen durch den Sozialhilfeträger auf Grundlage des § 37 [X.] (bis 31.12.2004) bzw § 48 [X.] (ab 1.1.2005) ausscheide (B[X.]E 107, 169 ff Rd[X.] 12 = [X.] 4-3500 § 28 [X.] 6). Dies gilt auch hinsichtlich des Leistungsumfangs der übrigen in §§ 47 bis 51 [X.] geregelten [X.]. § 24a Abs 2 [X.]B V trifft mit dem Ausschluss für Versicherte nach Vollendung des 20. Lebensjahres und der Beschränkung auf verordnungsfähige und ärztlich verordnete [X.] eine solche Regelung zum Leistungsumfang der [X.] (dazu im Einzelnen Schütze in juris [X.] [X.]B V, 2. Aufl 2012, § 24a Rd[X.] 29). Damit scheidet eine [X.]ostenerstattung von empfängnisverhütenden Mitteln nach Vollendung des 20. Lebensjahres auch auf Grundlage des § 49 [X.] aus (vgl: Söhngen in jurisP[X.]-[X.], § 49 [X.] Rd[X.] 6 und 12; [X.] in Lehr- und Praxis [X.]ommentar [X.], 9. Aufl 2012, § 49 [X.] Rd[X.] 1 und 3; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl 2012, § 49 [X.] Rd[X.] 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 49 Rd[X.] 1 und 9, Stand April 2010; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II/[X.]/[X.], § 49 [X.] Rd[X.] 16, Stand Oktober 2010; [X.] in Oestreicher, [X.]B II/[X.], § 49 [X.] Rd[X.] 9 und 19, Stand Juni 2006).

Hiergegen lässt sich nicht einwenden, die Änderung des § 38 Abs 1 Satz 1 [X.] zum 1.1.2004 beziehe sich nur auf die Streichung der Zuzahlungsregelungen in § 38 Abs 2 [X.], nicht aber auf die sonstigen [X.] (so aber [X.], Sozialrecht aktuell 2008, 203 ff; ähnlich [X.] in [X.]/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 49 [X.], Rd[X.] 20, Stand Januar 2011). Aus der amtlichen Überschrift des § 38 [X.] nach seiner Änderung wie der des § 52 [X.] ("Leistungserbringung, Vergütung") folgt nicht, dass hier ausschließlich die Leistungserbringung durch Bezugnahme auf das [X.]B V geregelt würde. Schon aus § 52 Abs 1 Satz 2 [X.] zu sog Satzungsregelungen der [X.]rankenkassen lässt sich erkennen, dass auch Umfang und Inhalt der Leistungen nach §§ 47 bis 51 [X.] und damit ebenso § 49 [X.] erfasst sind. Die eigentliche Normierung der Leistungserbringung findet sich in § 52 Abs 3 [X.].

Zwar ist die Änderung in § 38 Abs 1 Satz 1 [X.] mit dem [X.] in den Gesetzesmaterialien lediglich als "Folgeänderung" zur Streichung der Zuzahlungsregelungen in § 38 Abs 2 [X.] bezeichnet. Mit der Änderung des gesamten Unterabschnitts und insbesondere der Einführung des § 264 [X.]B V ("Quasiversicherung") war aber die Gleichstellung der Sozialhilfeempfänger, die nicht in der [X.] versichert sind, mit [X.]-Versicherten nicht nur hinsichtlich der Zuzahlungsregelungen, sondern umfassend beabsichtigt (BT-Drucks 15/1525, [X.]7, und insbesondere zu § 264 [X.]B V, aaO, [X.] ff). § 49 [X.] hat damit allerdings - wie uU weitere Teile der §§ 47 bis 51 [X.] - schon seit Inkrafttreten des [X.] für die Versicherten und "Quasiversicherten" keine praktische Bedeutung mehr. Dass dieser Aspekt in den Gesetzesmaterialien bei den Änderungen des [X.] keine Erwähnung findet und auch die Folgeregelungen im [X.] nicht eingehend erläutert werden (zu § 44 des Entwurfs, der § 49 [X.] entspricht, vgl BT-Drucks 15/1514, [X.]), lässt nicht den Schluss zu, es solle mit § 49 [X.] weiterhin eine gegenüber dem [X.]B V günstigere Regelung für sozialhilfebedürftige Frauen bestehen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 18. Aufl 2010, § 49 [X.] Rd[X.] 8).

Sinn und Zweck der [X.] - und dabei auch der Hilfen zur Familienplanung - steht dieses Ergebnis nicht entgegen. [X.] noch bei Einführung des § 24a Abs 2 [X.]B V eine weitergehende [X.]ostenübernahme für Hilfebedürftige in § 37b [X.] dem gesetzgeberischen Willen, lässt sich dies im Ergebnis der folgenden Gesetzesänderungen nicht mehr ersehen. Mit der Streichung des § 38 Abs 2 [X.] aF hat der Gesetzgeber des [X.] zugleich bestimmt, dass der in der Regelsatzverordnung näher umschriebene Regelsatz auch Leistungen für [X.]osten bei [X.]rankheit, bei vorbeugender und bei sonstiger Hilfe umfasst, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 des Gesetzes übernommen werden (Art 29 [X.]; dazu bereits B[X.]E 107, 169 ff, Rd[X.] 15 = [X.] 4-3500 § 28 [X.] 6). Dementsprechend sind bei der Sonderauswertung der EV[X.]03 die Positionen "Pharmazeutische Erzeugnisse", zu denen verschreibungspflichtige [X.] zählen, in vollem Umfang berücksichtigt ([X.], [X.]. Auch die [X.]osten, die nach Auswertung der EV[X.]08 auf die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entfallen, werden - zusätzlich zu den [X.]osten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (5,07 Euro) - in vollem Umfang, nämlich in Höhe von 3,57 Euro, als regelsatzrelevant eingestellt (vgl BT-Drucks 17/3404 [X.]8 und [X.] Zeile 101 bis 105 Code 0611 bis 0612). Insgesamt sind damit seit dem 1.1.2011 rund 15,55 Euro als [X.]osten für Gesundheit im Regelsatz enthalten. Neben der mit dem [X.] zum Ausdruck gekommenen grundsätzlichen Angleichung des Leistungsumfangs hinsichtlich der [X.] nach dem [X.]/[X.] an den des [X.]B V zeigt damit auch die Neubemessung der Regelsätze zum 1.1.2005, dass die Beschaffung solcher verschreibungspflichtiger Medikamente, die nicht von der [X.] übernommen werden, der Eigenverantwortung der Hilfebedürftigen unterfällt und deshalb die Regelsätze entsprechende [X.]osten umfassen. Aus den vom [X.] dargestellten Gründen (vgl B[X.]E 107, 169 ff Rd[X.] 15 = [X.] 4-3500 § 28 [X.] 6) rechtfertigen solche [X.]osten, die - wie hier - die [X.]osten, die üblicherweise von Frauen für Empfängnisverhütung aufgebracht werden, nicht überschreiten, für sich genommen keine Erhöhung des Regelsatzes (dazu im Einzelnen später).

Mit dieser Auslegung ergibt sich entgegen der Auffassung der [X.]lägerin keine gleichheitswidrige Schlechterstellung gegenüber Frauen, die nach dem [X.] leistungsberechtigt sind. Soweit sich der Leistungsumfang [X.] nach dem [X.] nicht ohnehin nach dem [X.] richtet (vgl § 2 Abs 2 [X.]), ist das System des [X.], das durch ein Sachleistungssystem gekennzeichnet ist (vgl § 3 Abs 1 Satz 1 [X.]), nicht mit dem des [X.] vergleichbar. Das Leistungssystem beruht gerade nicht auf der Bemessung nach Regelsätzen, in die die [X.]osten für empfängnisverhütende Mittel eingeflossen sind.

Ein Anspruch nach § 73 [X.] scheidet ebenfalls aus. Hiervon werden nur atypische ("besondere" bzw "sonstige") Lebenslagen erfasst, für die nicht bereits andere Vorschriften des [X.] einschlägig sind (B[X.]E 107, 169 ff Rd[X.] 13 mwN = [X.] 4-3500 § 28 [X.] 6). Da Sozialhilfeempfänger - wie dargelegt - ab 1.1.2004 [X.]osten für empfängnisverhütende Mittel aus den allgemeinen Regelsätzen zu bestreiten haben, sofern sie das 20. Lebensjahr vollendet haben, bleibt für eine Anwendung des § 73 [X.] kein Raum.

Auch ein Leistungsanspruch der [X.]lägerin aus §§ 53, 54 Abs 1 [X.] (in den Normfassungen des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.]) iVm 55 Abs 1 und 2 [X.]B IX scheidet aus. Nach § 55 Abs 1 [X.]B IX, auf den § 54 Abs 1 [X.] verweist, werden Leistungen zur Teilhabe am Leben in der [X.] erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den [X.]apiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden. Als solche Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ([X.] Rehabilitation) kommt die [X.]ostenübernahme nicht in Betracht; denn nach den Feststellungen des [X.] ist bereits nicht erkennbar, dass über den allgemeinen Wunsch nach Empfängnisverhütung vor dem Hintergrund der klägerischen Lebensumstände hinaus durch eine Empfängnisverhütung spezifische behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen wären, um der [X.]lägerin eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Das [X.] wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits allerdings einen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung zu überprüfen haben. Gemäß § 19 Abs 2 [X.] (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.] 3022 - erhalten hat) iVm § 41 Abs 1 und 3 [X.] (in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - [X.] 554) erhalten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - ([X.]B VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Anspruchsvoraussetzungen für solche Leistungen dürften dem Grunde nach zwar gegeben sein - genaue Feststellungen (auch zu § 21 [X.]) fehlen. Ob die [X.]lägerin einen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen hat, kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des [X.] ohnedies nicht entschieden werden. Zu überprüfen ist, ob sich ein höherer Anspruch auf der Grundlage einer unabweisbaren, erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweichenden Bedarfslage ergibt (§ 28 Abs 1 Satz 2 iVm § 42 Satz 1 [X.] 1 [X.]; zur Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 2 [X.] im Rahmen der Grundsicherung vgl nur [X.] in jurisP[X.]-[X.], § 42 [X.] Rd[X.] 15 mwN zur Rechtsprechung; vgl auch die [X.]larstellung des § 42 Satz 1 [X.] 1 [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des [X.] vom 20.12.2012 - [X.] 2783 - und BT-Drucks 17/10748, [X.] zu [X.] 2). Dazu ist bislang weder ermittelt noch vorgetragen, weil die Beteiligten einen Anspruch lediglich unter anderen Aspekten diskutiert haben. Zwar sind die [X.]osten für [X.] - wie oben dargestellt - in die Bemessung des Regelsatzes eingeflossen; es ist aber denkbar, dass durch individuell höhere Ausgaben im Bereich der [X.]osten für Gesundheit im Einzelfall eine erheblich abweichende, unabweisbare Bedarfslage in den Monaten März und Juni 2007 entstanden ist. Allein die Versorgung mit [X.] führte hierzu nicht, schon weil keine Abweichung vom Regelfall vorliegt.

Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 6/11 R

15.11.2012

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Duisburg, 9. September 2008, Az: S 7 SO 10/07, Urteil

§ 49 S 2 SGB 12, § 52 Abs 1 S 1 SGB 12, § 24a Abs 2 SGB 5, § 37b S 2 Nr 2 BSHG, § 36 S 2 BSHG vom 19.06.2001, § 38 Abs 1 S 1 BSHG vom 14.11.2003, § 53 Abs 1 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 SGB 12, § 55 Abs 1 SGB 9, § 41 Abs 1 S 1 SGB 12, § 42 S 1 Nr 1 SGB 12 vom 21.03.2005, § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 vom 02.12.2006

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.2012, Az. B 8 SO 6/11 R (REWIS RS 2012, 1376)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1376

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