Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2018, Az. 3 StR 144/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6104

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:120718B3STR144.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 144/18

vom
12. Juli
2018
in der Strafsache
gegen

wegen erpresserischen Menschenraubs
u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] am 12. Juli 2018
gemäß §
349 Abs.
4 [X.] einstimmig beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 10.
Oktober 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen erpresserischen
Menschenraubs in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit gefährli-cher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und die "Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 18.000

als Wertersatz"
angeordnet. Die
auf die
Rügen
der
Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensbeanstandung

Erfolg.
1. Die Rüge, mit welcher der Angeklagte
nach
dem Wortlaut seiner Revi-sionsbegründung die
Verletzung der Aufklärungspflicht

244 Abs.
2 [X.])
wegen der unterbliebenen Vernehmung von zwei [X.] bean-standet, dringt durch.
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3
-
a)
Der Verfahrensrüge ist
bei dem hier überschaubaren Verfahrensstand hinreichend deutlich zu entnehmen

344 Abs.
2 Satz 2 [X.]), dass der Ange-klagte sich gegen den Beschluss des [X.]
vom 10.
Oktober 2017 wen-det;
mit diesem hat es
den Antrag
des Beschwerdeführers auf Vernehmung zweier Zeugen aus [X.] zum Beweis der Tatsache, dass er sich zur Tatzeit
am 11. Juni 2013
in B.

([X.])
aufhielt, abgelehnt.
Der Angeklagte
hat
die zur Beurteilung der Rüge maßgeblichen Verfahrenstatsachen, namentlich
den Beweisantrag und den Ablehnungsbeschluss, mitgeteilt. Da sich der
Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 5 Satz 2 [X.] nach der Aufklärungspflicht bestimmt (§ 244 Abs. 2 [X.]), ist es unschädlich, dass der Angeklagte die
Vorschrift des § 244 Abs. 5 Satz 2 [X.] nicht zitiert hat
(vgl. auch
[X.], Urteil vom 21. Juli 2016 -
2 StR 383/15, [X.]R [X.] § 244 Abs. 2 [X.] Rn. 11 mwN zu einem außerhalb der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Vernehmung eines [X.]).
b) Der Ablehnungsbeschluss hält rechtlicher Überprüfung am Maßstab
des §
244 Abs.
5 Satz
2, Abs.
6 [X.]
nicht stand.
aa) Nach §
244 Abs.
5 Satz
2 [X.] kann ein auf die Vernehmung eines [X.] gerichteter Beweisantrag abgelehnt werden, wenn die
Beweiserhebung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erfor-schung der Wahrheit nicht erforderlich ist.
Mit dieser Vorschrift sind die Mög-lichkeiten
zur Ablehnung eines solchen Beweisantrags
nur um den schmalen Bereich erweitert, den die Ablehnungsgründe des § 244 Abs.
3 Satz 2 [X.] nicht zulassen, obwohl die Amtsaufklärungspflicht (§
244 Abs.
2 [X.]) die
Beweiserhebung nicht gebietet ([X.], Urteil vom 9. Juni 2005 -
3 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 12).
Bei der Prüfung der Auf-klärungspflicht hat das Tatgericht namentlich die Bedeutung und den Beweis-
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4
-
wert der Aussage des benannten Zeugen vor
dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen. In diesem Rahmen ist es von dem sonst
geltenden Verbot der Beweisantizipation befreit und darf es seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisauf-nahme
zu erwarten sind und wie die
zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. Kommt es unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begrün-dung des Beweisantrags als auch
der
in der bisherigen Beweisaufnahme ange-fallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass
der Zeuge die Beweisbehauptung nicht bestätigen werde
oder dass ein Einfluss auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der benannte Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigt, ist eine Ablehnung des Beweisantrags in aller Regel nicht zu beanstanden
(st. Rspr.; siehe nur [X.], Urteil vom 13.
März
2014 -
4 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeu-ge
14 mwN; Beschluss vom 26. Oktober 2006 -
3 StR 374/06,
[X.]R [X.] §
244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 13).
In dem hierfür erforderlichen Gerichtsbeschluss (§
244 Abs.
6 [X.]) müssen die maßgeblichen Erwägungen so umfassend dargelegt werden, dass es dem Antragsteller möglich wird, seine Verteidigung auf die neue Verfahrens-lage einzustellen,
und
dass
das Revisionsgericht überprüfen kann, ob die Ab-lehnung auf einer rational nachvollziehbaren, die wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls erkennbar berücksichtigenden Argumentation beruht (siehe nur [X.], Urteil vom 13.
März 2014 -
4
StR
445/13, [X.]R [X.] §
244 Abs.
5 Satz
2
Auslandszeuge
14 mwN).
Ob das Gebot des §
244 Abs.
2 [X.], die Beweisaufnahme zur Erfor-schung der Wahrheit auf alle entscheidungsrelevanten Tatsachen und Beweis-mittel zu erstrecken, es gebietet, dem Beweisantrag auf Vernehmung eines 6
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5
-
[X.] nachzukommen, kann nur unter Berücksichtigung der [X.] Besonderheiten des Einzelfalls beurteilt werden. Allgemein gilt lediglich der Grundsatz, dass bei einem durch die bisherige Beweisaufnahme gesicherten Beweisergebnis auf breiter [X.] eher von der Vernehmung des [X.] abgesehen werden kann, insbesondere wenn er nur zu [X.] benannt ist, die lediglich indiziell relevant sind oder die Sachaufklä-rung sonst nur am Rand betreffen. Dagegen wird die Vernehmung des
[X.] umso eher notwendig sein, je ungesicherter das bisherige Beweisergebnis erscheint, je größer die Unwägbarkeiten sind und je mehr Zweifel hinsichtlich des Werts der bisher erhobenen Beweise überwunden
werden müssen; dies gilt insbesondere dann, wenn der Auslandszeuge
Vorgänge bekunden soll, die für den Schuldvorwurf von zentraler Bedeutung sind (siehe nur [X.]
aaO; LR/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
244 Rn.
357 mwN).
bb) An diesen Grundsätzen
gemessen hat das [X.] die Ableh-nung
nicht ausreichend begründet.
Es hat die zu erwartenden Aussagen der Tante des zu den Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten, der Zeugin L.

,
in deren Wohnung sich der Angeklagte
nach dem Inhalt des Beweisantrags

aufgehalten haben soll, und eines Bekannten,
des Zeugen K.

,
der für
den Angeklagten bei therapeutischen Behandlungen
durch die vernommene Ärztin
S.

übersetzt
haben soll, nicht in der erforderlichen Gesamt-
würdigung den bisherigen Beweisergebnissen gegenübergestellt;
es hat
sich stattdessen auf die Begründung beschränkt, dass das Gegenteil der [X.] Tatsache, nämlich die Anwesenheit des (maskierten) Angeklagten am
Tatort in [X.].

, bereits bewiesen sei. Dabei würde es auch bleiben, wenn die
beiden Zeugen die Anwesenheit des Angeklagten in [X.] zur Tatzeit bestäti-gen würden. Die für seine Überzeugungsbildung maßgeblichen [X.], namentlich die belastenden Zeugenaussagen der beiden Mittäter D.

8
-
6
-
und T.

sowie
die Aussage des geschädigten [X.].

, dass sich die
Statur des [X.] mit der des Angeklagten vereinbaren lässt, hat das [X.] für sich genommen rechtsfehlerfrei ausführlich gewürdigt; auch hat es nachvollziehbar dargelegt, warum es der [X.] S.

nicht
geglaubt
hat.
Bei dieser Einzelbetrachtung
hätte das [X.] indes nicht stehen-bleiben dürfen. Es hätte in einer
-
wie stets in einer Beweisaufnahme erforderli-chen -
Gesamtschau darlegen müssen, warum die -
zulässigerweise zu prog-nostizierenden -
Aussagen der beiden weiteren aufgebotenen Entlastungszeu-gen nichts an den bisherigen Beweisergebnissen, auch am Beweiswert der Aussage der bereits vernommenen [X.] ändern würden. Eine solche Gesamtwürdigung war hier unerlässlich, weil der
Beschwerdeführer eine Haupt-tatsache in das Zeugnis der beiden [X.] gestellt hat: Das Gelingen dieses
Alibibeweises
hätte den Schuldvorwurf unmittelbar entfallen lassen. Die Beweislage ist in diesem Fall durch die Würdigung von Zeugenaussagen
geprägt; außerhalb der Aussagen liegende objektive Umstände wie etwa
Tatortspuren
hat das [X.] nicht festgestellt
(dazu [X.], Urteil vom 13.
März
2014 -
4
StR
445/13, [X.]R [X.] §
244 Abs.
5 Satz
2 Auslandszeu-ge
14). Dieser nicht einfachen,
eher nicht gesichert erscheinenden Beweislage hat das [X.] mit der gegebenen Begründung nicht im notwendigen
Maße Rechnung getragen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 21.
Juli
2016
-
2
StR
383/15, [X.], 96, 97 f.). Nach alledem bleibt
nach dem Inhalt des Ablehnungsbeschlusses letztendlich offen, warum es das Gericht für ausge-schlossen gehalten hat, dass die Aussagen der Zeugen L.

und K.

-
auch unter nochmaliger Würdigung der Angaben der bereits vernommenen Zeugin S.

-
die Aussagen der beiden Mittäter entkräften konnten

(vgl. nur
[X.], Urteil vom 18.
Januar
1994 -
1
StR
745/93, [X.]St 40, 60, 62
f.).
9
-
7
-
2. Die Sache bedarf daher der neuen Verhandlung und Entscheidung.
Da die Revision der Staatsanwaltschaft, über welche der Senat mit Urteil vom heutigen Tag entschieden hat, wirksam auf die Einziehungsentscheidung
beschränkt ist, wird das neue Tatgericht, sollte es sich von der Schuld des
Angeklagten überzeugen, im Strafausspruch das Verbot der Schlechterstellung zu beachten haben (§ 358 Abs. 2 Satz 1 [X.]).
[X.] Gericke Tiemann

Hoch Leplow
10

Meta

3 StR 144/18

12.07.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2018, Az. 3 StR 144/18 (REWIS RS 2018, 6104)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6104

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 383/15

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