Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2010, Az. 3 StR 401/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 143

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 401/10 vom 21. Dezember 2010 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 21. Dezember 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fäl-len zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verur-teilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verlet-zung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit einer Verfahrens-rüge Erfolg. 1 1. Nach den Feststellungen drang der Angeklagte in die Wohnung der als Prostituierte tätigen F. ein und erzwang durch Drohungen und Ausnutzen ihrer "schutz- und ausweglosen Lage" zweimal den vaginalen [X.]. Dabei verwendete er jeweils ein Kondom. Er hat eingeräumt, mit der Geschädigten den Geschlechtsverkehr ausgeübt zu haben, sich jedoch dahin eingelassen, sie sei hiermit einverstanden gewesen. Er habe jeweils im voraus 80 • für Oral- und Vaginalverkehr gezahlt. Das [X.] hat diese Einlassung als in sich unstimmig gewertet und aufgrund der Aussagen [X.] - 3 - rer Zeugen als widerlegt angesehen; die Geschädigte selbst hat es in der Hauptverhandlung nicht vernommen. 2. Vor diesem Hintergrund beanstandet die Revision mit Recht, dass das [X.] einen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag rechtsfeh-lerhaft zurückgewiesen hat. 3 a) Die Verteidigung hatte die Vernehmung der in [X.] befindlichen Geschädigten zum Beweis dafür beantragt, dass der Angeklagte ihr jeweils vor Durchführung des Geschlechtsverkehrs einen Geldbetrag in Höhe von 80 • ü-bergeben habe. Diesen Antrag hat die [X.] gestützt auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt, "da aufgrund der bisherigen eindeutigen Beweisauf-nahme eine Vernehmung der in [X.] aufhältigen Zeugin [X.]nicht zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist." 4 b) Diese Begründung trägt die Zurückweisung nicht. 5 [X.]) Der Antrag erfüllt die inhaltlichen Voraussetzungen eines [X.]. Mit Blick auf die von der Revision vorgetragenen Umstände des vorlie-genden Falles - etwa die in den Akten befindliche Kopie des [X.] Perso-nalausweises der Geschädigten - ist die Angabe des Namens der Zeugin mit dem Zusatz "wohnhaft [X.] in der Gemeinde [X.]" als ausreichend be-stimmte Bezeichnung des Beweismittels anzusehen. 6 [X.]) Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein Beweisantrag auf Verneh-mung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn dessen Anhörung nach [X.] Beurteilung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Ob die Ladung und Verneh-mung eines [X.] geboten ist, richtet sich somit nach der [X.] im Sinne des § 244 Abs. 2 StPO. Bei deren Prüfung 7 - 4 - hat der Tatrichter namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen. In diesem Rahmen ist er von dem sonst geltenden Verbot der [X.] befreit. Daher darf er prognostisch berücksichtigen, welche Er-gebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu würdigen wären. Kommt er dabei unter Berücksichtigung sowohl des [X.] zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse mit [X.] Begründung zu dem Ergebnis, dass der Zeuge die Beweisbehauptung nicht werde [X.] können oder dass ein Einfluss der Aussage auf seine - des Tatrichters - Überzeugungsbildung auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist die Ablehnung des Beweisantrags in aller Regel nicht zu beanstanden (st. Rspr.; s. etwa [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2006 - 3 StR 374/06, [X.]R StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 13; Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 [X.], NJW 2005, 2322, 2323 mwN). [X.]) Die auf eine derartige antizipierende Würdigung gestützte Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines [X.] bedarf eines [X.] (§ 244 Abs. 6 StPO), der zu begründen ist. Diese [X.] hat die Funktion, den Antragsteller davon zu unterrichten, wie das Gericht den Antrag bewertet, damit er in der Lage ist, sich in seiner Verteidigung auf die Verfahrenslage einzustellen, die durch die Ablehnung entstanden ist. Zugleich soll durch die Gründe des Ablehnungsbeschlusses dem Revisionsgericht die rechtliche Überprüfung der tatrichterlichen Entscheidung ermöglicht werden. Hieraus folgt, dass das Tatgericht in seinem Beschluss die für die Ablehnung wesentlichen Gesichtspunkte, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in [X.] nachvollziehbar darlegen muss ([X.], Urteil vom 8 - 5 - 18. Januar 1994 - 1 [X.], [X.]St 40, 60, 63; Beschluss vom 19. Januar 2010 - 3 [X.], [X.], 155). Diesen Anforderungen wird der genannte Beschluss nicht gerecht. Er enthält ausschließlich einen pauschalen Hinweis auf die "bisherige eindeutige Beweisaufnahme" und damit noch nicht einmal im Ansatz eine antizipierende Würdigung des zu erwartenden Beweisergebnisses vor dem Hintergrund der bis dahin erhobenen Beweise. Damit ließ er zum einen den Antragsteller über die Einschätzung der Beweislage durch die [X.] und die insoweit be-stehende Verfahrenssituation im Ungewissen. Zum anderen ist dem [X.] die rechtliche Nachprüfung dahin verwehrt, ob das [X.] die Voraussetzun-gen des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO rechtsfehlerfrei angenommen und ohne Rechtsfehler von einer Vernehmung der Geschädigten in der Hauptverhandlung abgesehen hat. Auf diese Rechtsprüfung ist der [X.] beschränkt; er kann ins-besondere die notwendige vorweggenommene Beweiswürdigung des Tatge-richts nicht durch eine eigene Bewertung ersetzen ([X.], Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 [X.], NJW 2005, 2322, 2323). 9 3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] zu einer ab-weichenden Beweiswürdigung gelangt wäre, wenn es die benannte Zeugin ver-nommen und diese die [X.] bestätigt hätte. 10 4. Mit Blick auf die neue Hauptverhandlung bemerkt der [X.]: 11 Die vom [X.] in beiden Fällen ohne nähere Ausführungen ange-nommene Tatvariante des Ausnutzens einer Lage, in der das Opfer einer Ein-wirkung des [X.] schutzlos ausgeliefert ist (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB), erfasst diejenigen Fälle, in denen zwar weder Gewalt ausgeübt noch mit gegenwärtiger 12 - 6 - Gefahr für Leib oder Leben des Opfers gedroht wird, dieses aber aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des [X.] auf einen ihm grundsätzlich möglichen Wi-derstand verzichtet, weil es sich in einer hilflosen Lage befindet und ihm [X.] gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint. Erforderlich ist [X.] stets, dass sich das Opfer aus Angst vor körperlicher Beeinträchtigung, also vor [X.] oder gar Tötungshandlungen, nicht gegen den Täter zur Wehr setzt; es genügt nicht, dass es dies aus Furcht vor der Zufügung anderer Übel unterlässt ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2008 - 3 [X.], [X.], 443; Beschluss vom 7. Juli 2009 - 3 [X.], [X.], 149 jeweils mwN). Da der Angeklagte nach den Feststellungen in dem aufgehobenen Urteil die Geschädigte im ersten Fall auf das Bett drückte und im zweiten Fall zum Bett zerrte, könnte gegebenenfalls eine nähere Betrachtung dahin veranlasst sein, ob der Angeklagte die Geschädigte unter Einsatz von Gewalt nötigte (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB). 13 [X.]von [X.][X.]

Meta

3 StR 401/10

21.12.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2010, Az. 3 StR 401/10 (REWIS RS 2010, 143)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 143

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