Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.09.2012, Az. 28 W (pat) 72/11

28. Senat | REWIS RS 2012, 2807

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "BRU" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis –


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 072 818.3

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 26. September 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 07, vom 8. Juni 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen 30 2010 072 818.3

2

[X.]

3

ist am 13. Dezember 2010 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 01: [X.], außer für medizinische und tierärztliche Zwecke;

5

Klasse 07: Unterwasserpumpen mit Mischvorrichtung; Abluftventilatoren; Fütterungs-Förderschnecken; Dosiervorrichtung; Transportbänder; [X.] für Flüssigphasen, insbesondere Schnecken- und Walzenpressen; Hydrozentrifugen, Sieb- und Flotationseinrichtungen, einschließlich deren Zusatzgeräte, nämlich Pumpen, Förder-, Homogenisierungs-, Begasungs- und Schaumzerstörungseinrichtungen; Geräte zur Aufbereitung des abgeschiedenen Feststoffes, wie [X.], [X.], Feststoffvergaser;

6

Klasse 09: Dosiergeräte;

7

Klasse 11: Geräte zur Aufbereitung des abgeschiedenen Feststoffes, wie Trockner;

8

Klasse 42: Aufstellung; Installation und Wartung der oben genannten Waren.

9

Die Markenstelle für Klasse 07 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 8. Juni 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Anmeldezeichen "[X.]" enthalte lediglich eine sachbezogene Angabe, nämlich den Hinweis darauf, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit dem [X.]-Konzept ("[X.]") hergestellt worden seien bzw. diesem dienten. Das [X.]-Konzept sei ein Verfahren, das unverdaute Rohfasern aus Gülle isoliere und weiterverarbeite. Die getrockneten und hygienisierten Fasern könnten als Einstreu in der Rinderhaltung genutzt werden. Nach den durchgeführten Recherchen sei das Verfahren zwar von der Anmelderin entwickelt worden. Die Abkürzung "[X.]" werde von den angesprochenen Fachkreisen aus der Landwirtschaft und interessierten und informierten Laien aber lediglich als Hinweis auf dieses Verfahren erkannt. Alle beanspruchten Waren könnten bei diesem [X.]-Verfahren angewendet werden; dies gelte für [X.], die zur Erzielung einer bestimmten Wirkung in die Gülle eingebracht würden, für Pumpen und Förderschnecken, die die Masse transportierten, für Geräte zum Aufbereiten und Dosieren der Stoffe u. s. w.. Ob das Wortzeichen zudem freihaltebedürftig sei, wurde nicht dargelegt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie vorträgt, dem Anmeldezeichen fehle nicht die Unterscheidungskraft und es sei auch kein Freihaltebedürfnis gegeben. Die von der Markenstelle als Beleg angeführten Internetseiten belegten nicht die von dieser getroffene Schlussfolgerung, dass das Anmeldezeichen "[X.]" in [X.] als Kurzform der Bezeichnung "[X.]" verstanden werde und sich letztere zu einer bei den angesprochenen inländischen Kreisen bekannten Bezeichnung für ein bestimmtes Verfahren zur Aufbereitung von Gülle entwickelt habe; diese belegten vielmehr, dass das Anmeldezeichen "[X.]" ausnahmslos als Marke und in Zusammenhang mit der Anmelderin verwendet werde. Als Akronym könne "[X.]" eine Vielzahl von Bedeutungen haben. Nicht eine weise auf ein "[X.]"-Konzept hin, wie es von der Anmelderin entwickelt worden sei. Erst aus der im Anmeldezeichen nicht enthaltenen Langform ergebe sich ein Zusammenhang. Im übrigen gehöre die Wortfolge "[X.]", die nicht Gegenstand der Anmeldung sei, nicht zum Standardwortschatz der [X.], der von den angesprochenen Landwirten verstanden werde.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt mit [X.] vom 15. September 2011,

den Beschluss des [X.]es, Markenstelle für Klasse 07, vom 8. Juni 2011 über die Zurückweisung der Markenanmeldung aufzuheben und

die [X.] in Höhe von 200 [X.] zu erstatten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Eintragung des angemeldeten [X.] als Marke stehen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegen.

1. Dem Anmeldezeichen kann zunächst nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] I ZB 22/11, Beschluss vom 4. April 2012 - [X.]; [X.] 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; [X.], 1100, Rdnr. 10 -TOOOR!; [X.], 825, 826, Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 850, 854, Rdnr. 18 - [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Rdnr. 24   [X.]; [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. [X.] [X.], 428, 431, Rdnr. [X.]; [X.], 1151, 1152 -marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 -RATIONAL [X.]). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. [X.] [X.], 674, 678, Rdnr. 86 - Postkantoor; [X.], 952, 953 Rdnr. 10   [X.]Card; a. a. [X.], Rdnr. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; a. a. [X.] - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] -[X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] 855, Rdnr. 19, 28 f. - [X.]).

Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügt das Anmeldezeichen "[X.]". Denn es weist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.

Das angemeldete Wortzeichen "[X.]" besteht aus der Buchstabenfolge "B", "R" und "U". Diesem Akronym wird auch der angesprochene [X.] keine bestimmte Bedeutung beimessen, die sich in einen Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen bringen ließe. Der "[X.] - [X.]" (6. Auflage, 2011) und das "garant - Wörterbuch Abkürzungen" (2008) benennen "[X.]" lediglich als Abkürzung für "Brunei (Kfz)". Das Verzeichnis "[X.] - Wörterbuch der Abkürzungen" (1994) hat die Buchstabenfolge "[X.]" überhaupt nicht im Bestand. Auf der Internetseite http://www.abkuerzungen.de erscheinen nach Eingabe der Buchstabenfolge "[X.]" bzw "bru" folgende Langformen: "Bremsumrichter", "[X.]" (Internationales Kfz-Kennzeichen und IOC-Ländercode), "[X.]" ([X.], [X.]) sowie "[X.]" ([X.], [X.]). Die Internetseite [X.] gibt für die Buchstabenfolge "[X.]" bzw "bru" folgende Bedeutungen an: "[X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.](s), [X.], [X.], [X.], [X.] Release Unit, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], Backup and Restore Utility, [X.], Backup Recovery Utility, Backup Restore Utility, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] Rugby [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], Budget Request Unit, Budget Review Unit, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]s, Backup and Recovery Utility, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]". Aus all diesen möglichen Bedeutungen, die bei den angesprochenen [X.] Verkehrskreisen ohnehin nicht als bekannt vorausgesetzt werden können, ergibt sich kein klar definierter beschreibender Begriffsgehalt von "[X.]" für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Soweit ersichtlich wird "[X.]" als Kurzform für "[X.]" ausschließlich von der Anmelderin selbst verwendet. Wie sich aus den [X.] der Markenstelle ergibt, handelt es sich bei der [X.], die im [X.] und auch in den [X.] eine "FAN [X.] ([X.])" anbietet, um eine Unternehmenstochter der Anmelderin. Der Beitrag "FAN Separator: Aus Gülle wird Einstreu" im "Elite Magazin [X.] - Das Magazin für Milcherzeuger" (Anlage [X.] zum Schreiben der Markenstelle vom 26. Januar 2011) weist bei der Nennung des "[X.]-Konzepts" unmissverständlich darauf hin, dass es sich um eine Präsentation der [X.] auf der Messe "[X.]" handelt. Auch im [X.] vom 18. Januar 2011 "Wenn aus Gülle Wasser wird" (Anlage [X.] zum Schreiben der Markenstelle vom 26. Januar 2011) wird der Begriff "[X.]" ausschließlich im Zusammenhang mit einer "Maschine der [X.]", der Anmelderin, verwendet. Allein der von der Markenstelle im angefochtenen Beschluss vom 8. Juni 2011 als Beleg angeführte, lediglich in [X.] erschienene Pressebericht "[X.]s in [X.]", in dem "[X.] ([X.])" als – vermeintliche - Bezeichnung für ein technisches Verfahren und nicht als Marke verstanden werden könnte, lässt die Schlussfolgerung, dass dies auch in [X.] von den angesprochenen Verkehrskreisen in diesem Sinn verstanden wird, nicht zu.

Es handelt sich bei dem Anmeldezeichen "[X.]" mitnichten um eine allgemein gebräuchliche, bekannte und auch von den angesprochenen Fachkreisen aus der Landwirtschaft in [X.] im Sinn von "[X.]" verstandene Abkürzung, zumal auch die Langform selbst für diese Kreise nicht klar verständlich wäre. Die [X.] Worte "bedding", das im Zusammenhang mit der Haltung von Tieren die Bedeutung "Streu" haben kann, und "recovery", das mit "Rückgewinnung" übersetzt werden kann (vgl. [X.]-Oxford - Großwörterbuch [X.]. 3. Auflage, [X.], 2005, CD-ROM), zählen nämlich nicht zum allgemein verständlichen Grundwortschatz der [X.]. Die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn das Anmeldezeichen in einer das Akronym auflösenden Weise auch die Langform enthielte (z. B.: "[X.] - [X.]", zu einem solchen Fall vgl. [X.] (pat) 3/05 - [X.] - Tenant Relocation Management), kann hier jedoch offenbleiben.

Da das Anmeldezeichen für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen keinen unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt aufweist, ist nicht erkennbar, welche Merkmale oder Eigenschaften mit der Bezeichnung "[X.]" konkret beschrieben werden könnten; das Zeichen ist mithin unterscheidungskräftig.

2. Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen kommt auch ein Ausschluss von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht in Betracht; ein Bedürfnis, die Bezeichnung "[X.]" für den Geschäftsverkehr als Sachangabe freizuhalten, besteht nicht

3. Die Voraussetzungen für die Rückzahlung der [X.] aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 3 [X.] liegen nicht vor. Diese ist - als Ausnahme gegenüber dem Grundsatz der vom Verfahrensausgang unabhängigen Gebührenpflicht der Beschwerde nach dem [X.] (vgl. [X.] in Ströbele/[X.], [X.], a. a. [X.], § 71 Rdnr. 43) - nur dann anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen der Beschwerdeführerin einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Der Erfolg der Beschwerde als solcher ist kein Rückzahlungsgrund. Es müssen besondere Umstände hinzu kommen, die dazu führen, dass die Beschwerdeführerin durch ein fehlerhaftes und unzweckmäßiges Verhalten des [X.] zu einer Beschwerde veranlasst wurde, die bei sachgerechter Verfahrensweise mit gewisser Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können. Solche Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Verfahrensfehler des [X.] sind nicht erkennbar. Auch hat die angegriffene Entscheidung weder eklatant den Prüfungsumfang verkannt noch ist sie zu einem schlechterdings unvertretbaren Ergebnis gelangt.

Meta

28 W (pat) 72/11

26.09.2012

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.09.2012, Az. 28 W (pat) 72/11 (REWIS RS 2012, 2807)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2807

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