Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.08.2011, Az. B 6 KA 18/11 R

6. Senat | REWIS RS 2011, 3698

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache - bundesgesetzliche Regelungen über Ausschluss der aufschiebenden Wirkung - kein außer Kraft setzen durch Vereinbarung zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkasse - jahreslanges Unterbleiben der Vollziehung eines Verwaltungsakts trotz gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung - Vorliegen eines öffentlichen Interesses für spätere Vollziehung - Vertragsarzt - Zweifel an Rechtmäßigkeit des Regressbescheides bzw Vorliegen eines ausreichenden öffentlichen Interesses - Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses - Datenbeschaffung bei Kassenärztlicher Vereinigung


Leitsatz

1. Für die Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache haben außer dem Stand der bisherigen Sach- und Rechtslage auch weitere Umstände Bedeutung wie der Anlass für die Klageerhebung und das faktische Obsiegen.

2. Bundesgesetzliche Regelungen über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Klagen können nicht durch Vereinbarungen zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen außer Kraft gesetzt werden.

3. Unterbleibt die Vollziehung eines Verwaltungsakts jahrelang trotz gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung, so muss für die spätere Vollziehung ein rechtfertigendes öffentliches Interesse ersichtlich sein. Hierfür bedeutsam sind zB Anzeichen für drohenden Zahlungsausfall bei weiterem Zuwarten; ansonsten sind die bisherige Dauer des Nichtvollzugs, die Höhe des Regressbetrags und die geschätzte restliche Zeitdauer bis zum Verfahrensabschluss zu würdigen.

4. Bezweifelt der Vertragsarzt die Rechtmäßigkeit des Regressbescheids oder das Vorliegen eines ausreichenden öffentlichen Interesses an dessen Vollziehung vor Bestandskraft, so muss er sich an den Beschwerdeausschuss wenden. Dieser muss sich zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Praxis die erforderlichen Daten nötigenfalls von der Kassenärztlichen Vereinigung beschaffen.

Tenor

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung,

mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für dieses Verfahren wird auf 9500 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist die Verteilung der Kosten eines Verfahrens auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen Heilmittelregress nach Erledigung des Vollziehungsverfahrens.

2

Wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Heilmitteln setzte der Prüfungsausschuss [X.] für Quartale zwischen [X.] und [X.]/2002 fest (Gesamthöhe ca 57 000 Euro), darunter für die hier betroffenen Quartale I-[X.]/2002 in Höhe von insgesamt ca 38 000 Euro (Bescheide vom 10.11.2004, 14.12.2004 und [X.] - siehe die Feststellungen im L[X.]-Urteil vom [X.], [X.]). Der beklagte Beschwerdeausschuss wies die Widersprüche des [X.] zurück (Bescheid vom [X.]). Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des [X.] vom 22.10.2008 und des L[X.] vom [X.]). Auf die Beschwerde des [X.] wegen der Nichtzulassung der Revision hin hat das B[X.] diese zugelassen (Beschluss vom 9.2.2011). Der Kläger und die zu 1. beigeladene [X.] ([X.]) haben Revision eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

3

Klagen gegen [X.], die sich auf Quartale der Jahre 2002 und 2003 beziehen, kommt gemäß Art 3 § 2 Satz 4 des [X.] ([X.] - zur Geltung für 2002 und 2003 siehe die Überschrift zu § 2) keine aufschiebende Wirkung zu. Andererseits hatten die Vertragspartner der Prüfvereinbarung in einer [X.] zur [X.] vom [X.] die Regelung getroffen, dass die Umsetzung von [X.]n, die die Quartale bis [X.] 2004 betreffen, erst nach Bestandskraft der Prüfentscheidung erfolgen solle (Abschnitt [X.] der [X.]).

4

Das L[X.] Rheinland-Pfalz führte in einem Beschluss vom 25.10.2010 - L 5 [X.]/10 [X.] - aus, dass die zitierte Regelung in der Prüfvereinbarung nicht geeignet sei, die aufschiebende Wirkung einer Klage entfallen zu lassen, weil es sich nicht um eine Regelung durch [X.] handele, wie § 86a Abs 2 [X.] [X.]G dies fordere (L[X.] aaO Juris Rd[X.] 13). Aufgrund dieses Beschlusses sah die Beigeladene zu 1. sich veranlasst, in allen Konstellationen, in denen die Rechtsbehelfe gegen [X.] nach der gesetzlichen Regelung des [X.] demnach keine aufschiebende Wirkung entfalteten, dies aber bisher aufgrund der genannten Vereinbarung anders gehandhabt worden war, nunmehr die Vollziehung der [X.] zu betreiben. Dementsprechend kündigte die Beigeladene zu 1. - nachdem sie im März 2011 von der Gemeinsamen Prüfungseinrichtung die erforderlichen Angaben erhalten hatte - mit Schreiben vom 6.4.2011 dem Kläger an, sie werde aufgrund der Verrechnungsanweisung der Prüfbehörde den [X.] von ca 38 000 Euro in sein [X.] einbuchen - dh in Abzug bringen -. Sie wies seinen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.5.2011).

5

Am 7.6.2011 hat der Kläger beim erkennenden Senat beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die [X.] anzuordnen. Auf die Anfrage des Senats vom 9.6.2011, worin das spezifische öffentliche Interesse gesehen werde, um nach mehrjährigem - mit Art 3 § 2 Satz 4 [X.] unvereinbarem - [X.] der Vollstreckung nunmehr in die Vollziehung zu gehen, hat die Beigeladene zu 1. erklärt, die Vollstreckung des Betrags von ca 38 000 Euro bis zur Rechtskraft der Entscheidung des B[X.] im Revisionsverfahren [X.] KA 18/11 R zurückzustellen (Schreiben vom [X.] an den Kläger). Daraufhin haben der Kläger und der [X.] das Antragsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt (Erklärungen vom 27.6. und vom 14.7.2011).

6

Der Kläger beantragt, die in diesem Antragsverfahren entstandenen Kosten dem [X.]n aufzuerlegen. Dieser tritt dem entgegen und macht geltend, die Kosten dürften ihm nicht auferlegt werden. Der Kläger trägt vor, der [X.] sei rechtswidrig und zudem sei ein spezifisches öffentliches Interesse daran, nach mehrjährigem [X.] die Vollziehung nunmehr in die Vollziehung zu gehen, nicht ersichtlich. Dies falle in den Verantwortungsbereich des [X.]n als der Prüfungseinrichtung, die die Herrin des Verfahrens sei ungeachtet dessen, dass vollstreckende Behörde die zu 1. beigeladene [X.] sei. Der [X.] wendet gegen eine ihn treffende Kostenlast ein, dass er zwar den [X.] erlassen habe, aber die Verantwortung für deren Vollziehung bei der [X.] liege. Diese allein habe die Möglichkeit der Verrechnung mit Honoraransprüchen des Arztes, und auch nur sie habe die Entscheidungshoheit über Stundung oder Erlass. Die Prüfungseinrichtung habe darauf keinen Einfluss, zumal auch kein Anweisungsrecht, und werde über das jeweilige Stadium der Vollziehung oder Nichtvollziehung nicht einmal informiert.

7

II. A. Nach § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 161 Abs 2 VwGO entscheidet im Falle der Erledigung der Hauptsache das Gericht durch Beschluss nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens. Dabei ist, wie § 161 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO klarstellt, vor allem die bisherige Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen, dh welcher der Beteiligten ohne das zur Erledigung führende Ereignis (hier: die Einstellung der Vollstreckung durch die Beigeladene zu 1. bis zur Rechtskraft der Entscheidung des B[X.] im Revisionsverfahren [X.] KA 18/11 R) voraussichtlich obsiegt hätte bzw unterlegen wäre; diese Beurteilung erfolgt nach Maßgabe der für solche Kostenentscheidungen anzuwendenden nur summarischen Überprüfung. Zudem können alle Umstände des Einzelfalls herangezogen werden wie insbesondere der Anlass für die Klageerhebung und auch der Grund der Erledigung, dh wer infolge des erledigenden Ereignisses faktischer Sieger ist (vgl dazu B[X.] vom 19.12.2008 - [X.] KA 14/07 R - Rd[X.] mit Hinweis auf [X.]G- und [X.]; ebenso [X.] vom 1.10.2009 - 1 BvR 1969/09 - NZS 2010, 384 Rd[X.] 17). Bei alledem ist auf den Zeitpunkt der Erledigung bzw auf die Sach- und Rechtslage unmittelbar vor dem Eintritt des zur Erledigung führenden Ereignisses abzustellen (vgl B[X.] aaO mwN; vgl auch B[X.] [X.] 3-1500 § 193 [X.] Leitsatz: "ob der Kläger ohne die Rechtsänderung voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre"). Bei der Beurteilung des voraussichtlichen Verfahrensausgangs ist auch neuere Rechtsprechung - dh solche, die später ergangen ist - zu berücksichtigen (B[X.] vom 19.12.2008, aaO Rd[X.] mwN).

8

B. Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt, dass der [X.] die dem Kläger zu erstattenden Kosten seiner Rechtsverfolgung im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu tragen hat. Der Kläger hat aufgrund der einstweiligen Zurückstellung der Vollstreckung durch die Beigeladene zu 1. mit seinem Antragsbegehren faktisch obsiegt, und er wäre auch ohne den Eintritt des zur Erledigung führenden Ereignisses voraussichtlich erfolgreich gewesen (unten 1.). Die Kostenlast trifft den [X.]n, auch wenn das erledigende Ereignis hier von der Beigeladenen zu 1. ausging, indem diese die Zurückstellung der Vollstreckung verfügte (unten 2.).

9

1. Der Kläger erfüllt die oben in Rd[X.] 7 genannten Kriterien des realen und hypothetischen Obsiegens: Er hat mit seinem Antragsbegehren faktisch obsiegt; er hat erreicht, einstweilen - jedenfalls bis zur Rechtskraft der Entscheidung des B[X.] im Revisionsverfahren [X.] KA 18/11 R - vor der Vollstreckung geschützt zu sein.

Der Kläger hätte aber auch ohne den Eintritt des zur Erledigung führenden Ereignisses im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung voraussichtlich obsiegt. Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die von ihm geltend gemachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des [X.]s wahrscheinlich durchgreifen würden: Ein Obsiegen lässt sich weder aus den vom Kläger im [X.]- und L[X.]-Verfahren erhobenen Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit des [X.]s herleiten noch daraus, dass der Senat auf seine Beschwerde hin die Revision zugelassen hat. Die Revisionszulassung ist im vorliegenden Fall wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erfolgt; hieraus ergibt sich kein Indiz für oder gegen eine Erfolgsaussicht des [X.] im Revisionsverfahren.

Das voraussichtliche Obsiegen des [X.] im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung folgt daraus, dass die dafür maßgebliche Interessenabwägung nach der Sach- und Rechtslage, wie sie hier vorlag, zu seinen Gunsten ausgefallen wäre (zur Maßgeblichkeit einer Interessenabwägung im Rahmen von § 86a Abs 2 [X.], § 86b Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G vgl zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 86a Rd[X.]3; [X.] in [X.]/Fichte, [X.]G, 2009, § 86a Rd[X.]9; [X.] in [X.], [X.]G, 3. Aufl 2009, § 86b Rd[X.] 15). Bei der Interessenabwägung, die von der Stelle vorzunehmen ist, die den Verwaltungsakt erließ und auch für die Anordnung bzw Aussetzung von dessen sofortiger Vollziehung und ebenso für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zuständig ist, ist vor allem zu würdigen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes bestehen und ob ein ausreichendes öffentliches Interesse für eine Vollziehung vor dessen Bestandskraft vorliegt (zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit siehe § 86a Abs 3 Satz 2, ggf iVm § 86b Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G, und zur Interessenabwägung siehe § 86a Abs 2 [X.], ggf iVm § 86b Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G). Zum Gesamtfeld der Abwägung bei Beurteilung des [X.] gehört auch der Einwand eines Betroffenen, die Vollziehung treffe ihn wirtschaftlich unzumutbar hart. Dabei wird nicht verkannt, dass zur Objektivierung und Verifizierung der wirtschaftlichen Situation des Arztes die Überprüfung seines [X.]s notwendig ist und dass diese im Regelfall nicht von den Prüfgremien, sondern allein von der [X.] geleistet werden kann. Dies steht der Pflicht der Prüfgremien zu umfassender Interessenabwägung nicht entgegen; diese müssen sich dafür nötigenfalls die entsprechenden Daten von der [X.] geben lassen (vgl § 285 Abs 1 [X.] [X.]B V; siehe dazu auch B[X.]E 102, 134 = [X.]-2500 § 295 [X.], Rd[X.]3 am Ende und Rd[X.]7, jeweils zur Zulässigkeit der Übermittlung von Daten innerhalb des Bereichs von [X.]en und Krankenkassen, was die aus deren Vertretern paritätisch zusammengesetzten Prüfgremien für die Wirtschaftlichkeitsprüfung einschließt).

Das Vorliegen eines öffentlichen [X.] ist bei gesetzlichen Regelungen, die die aufschiebende Wirkung ausschließen (hier: Art 3 § 2 Satz 4 [X.] mit Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gegen solche [X.], die sich auf Quartale der Jahre 2002 und 2003 beziehen, vgl oben Rd[X.]), - zunächst - im Sinne einer generalisierenden Interessenbewertung anzunehmen (vgl zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.], VwGO , § 80 Rd[X.] 107). Dies gilt aber nicht bei Vorliegen einer besonderen Sachlage. So kann das Vorliegen eines ausreichenden [X.] dann nicht mehr ohne Weiteres angenommen werden, wenn - wie hier - über viele Jahre hinweg die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der Vollziehung nicht genutzt wurde, dann kann davon ausgegangen werden, dass ein Interesse an einer Vollziehung nicht bzw nicht mehr bestanden hat. Soll nach jahrelanger Nichtvollziehung doch noch die Vollziehung eingeleitet werden, so muss dafür ein rechtfertigendes öffentliches Interesse sichtbar sein (im selben Sinne Bayerisches L[X.] vom [X.] AS 344/09 [X.] - Juris Rd[X.]6 f zu einer 7-monatigen Nichtvollziehung; vgl auch [X.] vom 17.1.2002 - 1 B 81/01 - Juris Rd[X.]0 zu 2-jähriger Nichtvollziehung; aA die ältere Entscheidung [X.] vom 8.2.1991 - 1 [X.]/90 - Juris Rd[X.] zu 8-monatiger Nichtvollziehung). Ein ausreichendes öffentliches Interesse an einer Vollziehung ist im vorliegenden Fall nach derart langer Nichtvollziehung nicht ersichtlich:

Für ein öffentliches [X.] reicht es insbesondere nicht aus, dass das L[X.] Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 25.10.2010 (L 5 [X.]/10 [X.] - Juris Rd[X.] 13) die Vereinbarung einer Nichtvollziehung als unwirksam erachtet hat. Das L[X.] hat zutreffend ausgeführt, dass die Ergänzende Vereinbarung zur Prüfvereinbarung vom [X.], nach der die Umsetzung von [X.]n, die die Quartale bis [X.] 2004 betreffen, erst nach Bestandskraft der Prüfentscheidung erfolgen solle (Abschnitt [X.] der [X.]), den gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in der höherrangigen gesetzlichen Vorschrift des Art 3 § 2 Satz 4 [X.] nicht außer [X.] setzen könne. Auch § 52 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte, wonach die Vertragspartner der Prüfvereinbarung nähere Regelungen über die Erfüllung von [X.] der Prüfgremien treffen können, ermöglicht keine Abweichung von einer höherrangigen bundesgesetzlichen Vorschrift wie Art 3 § 2 Satz 4 [X.]. Indessen kann der gerichtlichen Erkenntnis der Unwirksamkeit einer Regelung, die die Vertragspartner der Prüfvereinbarung in ihrem Verhältnis zueinander vereinbart hatten, keine ausschlaggebende Bedeutung für das Außenverhältnis zum Arzt zukommen.

In einem Fall, in dem - wie hier - nach jahrelanger Nichtvollziehung doch noch die Vollziehung eingeleitet wird, bedarf es vielmehr anderer Umstände, auf die sich ein spezifisches öffentliches Interesse an der Vollziehung gründen kann: Unter Berücksichtigung der noch zu erwartenden Verfahrensdauer muss abgewogen werden, ob das bisherige Zuwarten noch weiter bis zur abschließenden Entscheidung erstreckt werden kann oder ob es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, den Bescheid nunmehr zu vollziehen. Diese Abwägung müsste in einem Fall wie hier zu Gunsten des Arztes ausfallen: Neu aufgetretene Gesichtspunkte in der Sphäre des [X.], wie zB Anzeichen für einen drohenden Zahlungsausfall im Falle weiteren [X.], sind nicht ersichtlich; zudem ist der [X.] recht hoch (hier: ca 38 000 Euro); und im Vergleich zur bisherigen [X.]dauer ist die zusätzliche weitere Zeitdauer bis zum [X.] gering (hier: weniger als ein Jahr). In einer solchen Lage ist eine Vollziehung vor Bestandskraft unter [X.] zu beanstanden - sodass dem Antrag des [X.] auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben worden wäre.

2. Die aus dem Obsiegen des [X.] resultierende Kostenlast trifft den [X.]n. Er ist derjenige, den der Senat, bei dem der Kläger zu Recht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt hat (§ 86b Abs 1 Satz 1 [X.]G: "Gericht der Hauptsache"), zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung verpflichtet hätte. Der [X.] dringt nicht mit seinen Einwendungen durch, dass die Zurückstellung der Vollstreckung von der zu 1. beigeladenen [X.] ausgegangen und diese auch ohnehin für die Vollstreckungsfragen zuständig sei sowie auch nur sie - und nicht er, der Beschwerdeausschuss - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen anhand des sogenannten [X.]s beurteilen könne.

Die Zuständigkeit für die [X.] liegt nach den gesetzlichen Regelungen bei der Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat (siehe § 86a Abs 2 [X.] und § 86a Abs 3 Satz 1 [X.]G). Diese Zuständigkeit gilt jedenfalls für alle diejenigen Einwendungen, die in den Regelungen der §§ 86a, 86b Abs 1 [X.]G angesprochen sind, mithin jedenfalls für Einwendungen dahingehend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes und es gebe kein ausreichendes öffentliches Interesse für eine Vollziehung vor dessen Bestandskraft (so schon oben in Rd[X.] 11 angegeben: siehe § 86a Abs 3 Satz 2, ggf iVm § 86b Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G und § 86a Abs 2 [X.], ggf iVm § 86b Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G). Nur wenn Gesichtspunkte eine Rolle spielen bzw spielen würden, die nicht zum originären Regelungsprogramm der §§ 86a, 86b Abs 1 [X.]G gehören, ist unter Umständen eine Zuständigkeit der [X.] zu erwägen; dies könnte möglicherweise bei einer Aufrechnung mit einem Honoraranspruch der Fall sein, für die eine Zuständigkeit der [X.] in Betracht kommen und die als Verwaltungsakt zu qualifizieren sein könnte (zur Möglichkeit des Erlasses eines Verwaltungsakts - jedenfalls im Bereich von [X.]B und [X.]G - vgl B[X.] vom 31.8.2011 - [X.] 2/10 - [X.]-1200 § 52 [X.]; kein Verwaltungsakt im Sinne des Rechtsschutzsystems von § 31 [X.]B X, § 54 [X.]G und von § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz, § 42 VwGO sind hingegen die Anordnungen der sofortigen Vollziehung selbst und ebenso wenig die Anordnung bzw Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, so allgemeine Meinung, vgl zB [X.] aaO § 86a Rd[X.] 17a; [X.] aaO § 86a Rd[X.]3; ebenso zB [X.] aaO § 80 Rd[X.] 140, 182; [X.]/[X.], VwGO, 17. Aufl 2011, § 80 Rd[X.] 78). Einwendungen gegen Aufrechnungsakte der [X.] würden evtl richtigerweise ihr gegenüber geltend zu machen sein; dies bedarf hier aber keiner abschließenden Klärung, denn der Kläger hat solche Einwendungen nicht erhoben.

Der Kläger führt für sein Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung allein Gesichtspunkte an, die von den §§ 86a, 86b Abs 1 [X.]G erfasst sind und zu deren Beurteilung und Bewertung die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat - hier also der [X.] -, berufen ist: Der Kläger bezweifelt die Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsaktes und das Vorliegen eines ausreichenden [X.].

Im Übrigen könnten die Kosten des Verfahrens, entgegen dem Begehren des [X.]n, noch aus einem weiteren Grund nicht der zu 1. beigeladenen [X.] - statt ihm - auferlegt werden: Im vorliegenden Verfahren ist die [X.] lediglich beigeladen und hat sich nicht aktiv im Verfahren beteiligt; insbesondere hat sie keinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung oder auf Ablehnung des [X.] gestellt. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Auferlegung oder Erstattung von Kosten (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm mit einer entsprechenden Anwendung des § 162 Abs 3 VwGO, vgl B[X.]E 96, 257 = [X.]-1300 § 63 [X.], Rd[X.] 16).

Nach alledem gibt es keinen Gesichtspunkt, der es rechtfertigen könnte, den [X.]n von der Kostenlast zu verschonen.

C. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten ist auch bei den übrigen Beigeladenen nicht veranlasst; auch sie haben im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm mit einer entsprechenden Anwendung des § 162 Abs 3 VwGO, vgl B[X.]E 96, 257 = [X.]-1300 § 63 [X.], Rd[X.] 16).

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Seine Bemessung auf ein Viertel des [X.]s entspricht der sonstigen gerichtlichen Handhabung bei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl [X.] für die Sozialgerichtsbarkeit, NZS 2009, 427, 429 unter [X.] 7.1 und [X.] 7.2 zu Verfahren gemäß § 86a Abs 2 [X.] 1 und § 86b Abs 2 [X.]G; [X.] der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NZS 2006, 350, 351 unter [X.] 7.1).

Meta

B 6 KA 18/11 R

29.08.2011

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Mainz, 22. Oktober 2008, Az: S 11 KA 435/04, Urteil

§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG, § 86a Abs 2 Nr 5 SGG, § 86a Abs 3 S 2 SGG, § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, § 86b Abs 1 S 1 Nr 3 SGG, § 193 Abs 1 SGG, § 197a Abs 1 S 1 SGG, § 161 Abs 2 S 1 Halbs 2 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, § 82 Abs 1 SGB 5, § 106 Abs 2 Nr 1 SGB 5, § 285 Abs 1 Nr 5 SGB 5, Art 3 § 2 S 4 ABAG, § 52 Abs 1 BMV-Ä

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.08.2011, Az. B 6 KA 18/11 R (REWIS RS 2011, 3698)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3698

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