Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.08.2017, Az. 4 BN 35/17

4. Senat | REWIS RS 2017, 6180

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise geltend gemacht.

3

Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne der Vorschrift bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem unter anderem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, z.[X.]. [X.], [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - NJW 1997, 3328). Daran fehlt es hier.

4

Die [X.]eschwerde macht geltend, nach der - durch Zitate belegten - Rechtsprechung des beschließenden Senats sei die Frage der Antragsbefugnis eines Plannachbarn nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Falle der Erweiterung eines Wohngebiets und eines damit verbundenen Lärmzuwachses im Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu beurteilen. Abweichend hiervon habe der Verwaltungsgerichtshof lediglich auf eine Entscheidung des [X.] verwiesen und die [X.]esonderheiten des Einzelfalls unberücksichtigt gelassen, nämlich zum einen, dass die gesamte Wohnbebauung im Außenbereich liege, und zum anderen, dass die aus sieben Häusern bestehende Wohnbebauung um sechs Gebäude erweitert und damit verdoppelt werden solle.

5

Eine die Revision eröffnende Rechtssatzdivergenz ist damit nicht dargetan. Die [X.]eschwerde stellt den - sinngemäß - wiedergegebenen Rechtssätzen des Senats keinen in der angegriffenen Entscheidung formulierten abweichenden Rechtssatz gegenüber, sondern macht eine von der Rechtsprechung des Senats abweichende Rechtsanwendung der Vorinstanz geltend. Die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann hierauf nicht gestützt werden (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.], [X.]eschluss vom 25. Januar 2005 - 9 [X.] 38.04 - NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 16).

6

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Vorwurf einer fehlerhaften Rechtsanwendung unberechtigt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich von der Rechtsprechung des Senats ([X.], [X.]eschluss vom 11. August 2015 - 4 [X.] 12.15 - [X.], Nr. 49 = juris Rn. 6 m.w.N.) leiten lassen, wonach das Interesse, von planbedingtem Verkehrslärm verschont zu bleiben, nur dann ein abwägungserheblicher [X.]elang ist, wenn es über die [X.]agatellgrenze hinaus betroffen wird, was sich nur unter Einbeziehung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls beurteilen lässt. Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof das Interesse der Antragstellerin, von der Zunahme des Verkehrslärms verschont zu bleiben, als geringfügig und deshalb nicht abwägungsrelevant qualifiziert. Er hat dies unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls damit begründet, dass sich die Zahl der [X.] um rund 4,6 Fahrbewegungen stündlich erhöhe. Dass der Verwaltungsgerichtshof einen Erfahrungswert des [X.] von 3,75 Fahrzeugbewegungen pro Tag je Wohneinheit zugrunde gelegt hat, ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil er diesen Erfahrungswert nicht ungeprüft übernommen, sondern mit [X.]lick auf die allgemeine Zunahme des motorisierten Fahrverkehrs sowie unter [X.]erücksichtigung der Lage des [X.] auf fünf Fahrzeugbewegungen täglich je Wohneinheit erhöht hat. Davon, dass - wie die [X.]eschwerde meint - die gesamte Wohnbebauung im Außenbereich liege, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht ausgegangen. Er hat der bisherigen [X.]ebauung im Gegenteil Ortsteilqualität ([X.] Rn. 2) bescheinigt, die Lage des [X.] abseits des Hauptortes aber berücksichtigt.

7

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Der behauptete Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG sowie § 86 Abs. 1 und 2 VwGO liegt nicht vor.

8

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum [X.]eweis der Tatsache beantragt, "dass der Vollzug des angegriffenen [X.]ebauungsplans, insbesondere der durch die [X.]ebauung hervorgerufene Verkehr, die einschlägigen Immissionsrichtwerte am Anwesen der Antragstellerin überschreiten" werde. Diesen [X.]eweisantrag hat der Verwaltungsgerichtshof durch [X.]eschluss mit der [X.]egründung abgelehnt, dass der [X.]eweisantrag unsubstantiiert sei, weil er nicht auf die Feststellung einer konkreten Tatsache gerichtet sei; nach dem Antrag solle das Gericht erst ermitteln, welche Immissionsrichtwerte im vorliegenden Fall gelten, welcher Verkehr hervorgerufen werde und aufgrund welcher Tatsachen angesichts der geringen Anzahl der durch den [X.]ebauungsplan zugelassenen Wohneinheiten eine Überschreitung der Richtwerte in Frage komme; der Antrag sei ohne ausreichende tatsächliche Grundlage und damit ins [X.]laue hinein erhoben. Daraufhin hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie den [X.]eweisantrag bedingt aufrechterhalten wolle mit der Maßgabe, dass (1.) die vom Verwaltungsgerichtshof genannten Vorfragen bereits durch den Sachverständigen zu ermitteln seien und (2.) der [X.]eweisantrag sich insgesamt darauf richte, dass die Antragstellerin und ihre Familie mehr als nur geringfügige Lärmbelästigungen erleide. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs war auch diesem bedingt gestellten [X.]eweisantrag nicht nachzugehen, weil eine Überschreitung der einschlägigen Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. [X.]ImSchV von 59 d[X.](A) tags und 49 d[X.](A) nachts am Anwesen der Antragstellerin gänzlich unplausibel erscheine; soweit der Antrag darauf gerichtet sei, dass die Antragstellerin und ihre Familie mehr als nur geringfügige Lärmbelastungen erlitten, handele es sich um eine rechtliche [X.]ewertung, die der [X.]eweiserhebung nicht zugänglich sei ([X.] Rn. 25).

9

Dieses Vorgehen steht mit Art. 103 Abs. 1 GG und § 86 Abs. 1 und 2 VwGO im Einklang.

a) Den in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten [X.]eweisantrag hat der Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit geltendem Verfahrensrecht abgewiesen.

Die Tragfähigkeit der [X.]egründung des Verwaltungsgerichtshofs, der unbedingt gestellte [X.]eweisantrag sei unsubstantiiert, weil er nicht auf die Feststellung einer konkreten Tatsache gerichtet gewesen sei, wird nicht dadurch entkräftet, dass er - wie die [X.]eschwerde vorträgt - im Hinblick auf die Frage der tatsächlich zu erwartenden Lärmbelästigung gestellt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht in Zweifel gezogen, dass die planbedingte [X.] eine (durch Prognose zu ermittelnde) Tatsache ist, sondern sich darauf gestützt, dass die dem [X.]eweisantrag zugrunde liegende Tatsachenbehauptung der Antragstellerin so unbestimmt sei, dass im Grunde erst die [X.]eweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und [X.]ehauptungen aufdecken könne. [X.]eweisthemen, die in ihrer [X.]eweiserheblichkeit nicht einmal durch Anhaltspunkte näher belegt sind, legen in der Regel eine weitere Sachaufklärung nicht nahe, hierauf bezogene [X.]eweisanträge sind mangels Substantiierung unzulässig (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.], [X.]eschlüsse vom 21. Juli 1997 - 7 [X.] 175.97 - juris und vom 5. Oktober 1990 - 4 [X.] 249.89 - [X.] 442.40 § 9 LuftVG [X.]). Dass der Verwaltungsgerichtshof - entgegen der [X.]ehauptung der [X.]eschwerde - nicht lediglich einen Erfahrungswert des [X.] ungeprüft übernommen hat, sondern unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls modifiziert hat, wurde bereits dargelegt.

b) Nach dem [X.] bleibt unklar, ob die [X.]eschwerde auch die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten modifizierten [X.]eweisantrags als [X.] angreifen will. Jedenfalls ist ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG sowie § 86 VwGO auch insoweit nicht dargetan.

Der in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellte [X.]eweisantrag sollte nach Auffassung der Antragstellerin darauf gerichtet sein, dass sie und ihre Familie mehr als nur geringfügige Lärmbelastungen erleiden. Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend entschieden, dass das Vorliegen einer mehr als nur geringfügigen Lärmbelastung eine rechtliche [X.]ewertung erfordert und einer [X.]eweiserhebung daher nicht zugänglich ist (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2007 - 4 C 7.07 - [X.]E 129, 307 Rn. 26 und [X.]eschluss vom 29. Juli 2015 - 8 [X.] 75.14 - [X.] 2015, 220 = juris Rn. 27). Hiervon ausgehend hat er angenommen, dass der bedingt gestellte [X.]eweisantrag die [X.]ehauptung des unbedingt gestellten und "aufrechterhaltenen" [X.]eweisantrags zum Gegenstand hatte, dass der Vollzug des angegriffenen [X.]ebauungsplans, insbesondere der durch die [X.]ebauung hervorgerufene Verkehr die einschlägigen Immissionsrichtwerte am Anwesen der Antragstellerin überschreiten werde. Dieses Verständnis der Vorinstanz ist frei von Verfahrensfehlern, weil die Antragstellerin zwar etwaige "Vorfragen" von dem Sachverständigen ermitteln lassen wollte (vgl. dazu [X.], [X.]eschluss vom 27. März 2000 - 9 [X.] 518.09 - [X.] 310 § 98 VwGO [X.]0 S. 7), die [X.]eweisbehauptung des unbedingten [X.]eweisantrags aber unverändert ließ. Nach der für das mögliche Vorliegen eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Tatsachengerichts (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 29. August 1998 - 2 [X.] 6.98 - juris Rn. 5), einschlägig seien die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. [X.]ImSchV von 59 d[X.](A) tags und 49 d[X.](A) nachts, ist es nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof die unter [X.]eweis gestellte [X.]ehauptung als "gänzlich unplausibel" und damit als ins [X.]laue hinein gestellte [X.]ehauptung gewürdigt hat. Nur ergänzend sei angemerkt, dass die Antragstellerin auch für eine mehr als nur geringfügige Verkehrslärmbelastung im Normenkontrollverfahren keine Anhaltspunkte geliefert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 35/17

24.08.2017

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 16. Mai 2017, Az: 15 N 15.1485, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.08.2017, Az. 4 BN 35/17 (REWIS RS 2017, 6180)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6180

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Nachbarstreit, Heranrückende Wohnbebauung, Unbestimmtheit der Baugenehmigung des Betreibers, Fehlende Betriebsbeschreibung


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1 C 11559/16

5 S 2132/17

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