Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2024, Az. III ZR 13/23

3. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1221

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Gegenstand

Amtshaftung beim Börsenhandel; Rechtskrafterstreckung eines Urteils - Amtshaftung Börse, Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils


Leitsatz

Amtshaftung Börse, Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils

1. Für Amtspflichtverletzungen des Organs einer Börse haftet das Land, das den Rechtsträger der Börse durch die Erteilung der Erlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BörsG zu der Errichtung und dem Betrieb der Börse berechtigt und verpflichtet hat.

2a. Zivilgerichte sind im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung (§ 121 VwGO) gebunden (Fortführung von Senat, Urteile vom 12. Juni 2008 - III ZR 38/07, NVwZ-RR 2008, 674 Rn. 15; vom 7. Februar 2008 - III ZR 76/07, BGHZ 175, 221 Rn. 10; vom 9. Dezember 2004 - III ZR 263/04, BGHZ 161, 305, 309 und vom 14. Dezember 2000 - III ZR 151/99, BGHZ 146, 153, 156).

2b. Lehnt das Oberverwaltungsgericht einen auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des die Klage als unbegründet abweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts gestützten Berufungszulassungsantrag (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ab, weil es - nach strikter rechtlicher Prüfung - zum Ergebnis kommt, die Klage sei bereits un-zulässig, erwächst das vorinstanzliche Urteil nur nach Maßgabe der Gründe des Nichtzulassungsbeschlusses in Rechtskraft, das heißt mit der Begründung, dass die Klage unzulässig war (Anschluss an OVG Bautzen, Beschluss vom 29. November 2022 - 6 A 43/20, BeckRS 2022, 42208 Rn. 44; OVG Münster, Urteil vom 6. September 2019 - 16 A 3044/15 NVwZ-RR 2020, 186 Rn. 38 und VGH München, Beschluss vom 11. Mai 2006 - 8 ZB 06.485, juris Rn. 5).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 19. Januar 2023 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Wertpapierhandelsunternehmen, macht gegen das beklagte Land (im Folgenden: Beklagter) Amtshaftungsansprüche geltend unter dem Vorwurf, sie sei durch einen Beschluss des [X.](im Folgenden: Börse) vom 20. Mai 2015 amtspflichtwidrig vom dortigen Handel ausgeschlossen worden. Die Nebenintervenientin ist der Rechtsträger der Börse, dem der Beklagte die Erlaubnis zu deren Betrieb erteilt hat.

2

Die Klägerin ist ein auf Handel mit Futures spezialisiertes Wertpapierhandelsunternehmen mit Sitz in [X.], [X.], das an der Börse zum Handel zugelassen ist. Sie verfolgt eine sogenannte antizipatorische Handelsstrategie, bei der sie Kauf- oder Verkaufsaufträge in das Orderbuch eingibt und diese vor Ausführung löscht, während sie von ihr später eingegebene, entgegengesetzte Orders zur Ausführung kommen lässt.

3

Der Sanktionsausschuss der Börse verhängte am 24. Juni 2014 sowie am 15. Dezember 2014 Ordnungsgelder gegen die Klägerin in Höhe von 90.000 € beziehungsweise 250.000 € wegen - seiner Auffassung nach - unzulässiger Handelsaktivitäten in zwei [X.]räumen in den Jahren 2013 bis 2014. Durch sofort vollziehbaren Beschluss des [X.] wurden die Klägerin sowie ihr Chief Executive Officer (im Folgenden: CEO) wegen Handelsaktivitäten seit Jahresanfang 2015 für dreißig Handelstage von der Börse ausgeschlossen.

4

Gegen den [X.] vom 20. Mai 2015 erhob die Klägerin (nicht dagegen ihr CEO) beim [X.] und stellte einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Fall 2 VwGO. Das Verwaltungsgericht wies mit Verfügung vom 27. Mai 2015 darauf hin, es gehe davon aus, dass die Börse, die dortige Antragsgegnerin, bis zur Entscheidung über den Eilantrag von Vollstreckungshandlungen absehe. Über den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Fall 2 VwGO entschied das Verwaltungsgericht bis zum Ablauf der in dem [X.] bestimmten Ausschlussfrist nicht. Die Klägerin nahm in dieser [X.] nicht am Handel an der Börse teil und erhob anschließend Fortsetzungsfeststellungsklage. Diese wies das Verwaltungsgericht - Einzelrichter - durch Urteil vom 12. Januar 2016 ([X.].: 2 K 1888/15.F) ab, da der Beschluss des [X.] rechtmäßig sei. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der [X.] mit Beschluss vom 17. Februar 2017 ([X.].: 6 [X.]/16.Z) ab. In der Begründung ist ausgeführt, es könne dahinstehen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage bestünden, da alles dafür spreche, dass die Klägerin kein "berechtigtes Interesse" an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des [X.]es habe, so dass sich die Klage als unzulässig erweise.

5

[X.] vom 24. Juni 2014 und 15. Dezember 2014 wurden auf eine von der Klägerin erhobene, in erster Instanz erfolglose Anfechtungsklage vom [X.] durch Urteil vom 20. Januar 2021 ([X.].: 6 A 2755/16) beziehungsweise Beschluss vom 24. Februar 2022 ([X.].: 6 A 215/17) aufgehoben.

6

Die Klägerin macht geltend, durch den - ihrer Auffassung nach ebenfalls - rechtswidrigen Ausschluss vom Börsenhandel sei ihr ein Gewinn in Höhe von 983.740,86 € entgangen und ein weiterer Schaden aufgrund der dem Handelsausschluss folgenden Reduktion der Handelsaktivitäten entstanden, für den sie im Wege der Teilklage 16.259,14 € beansprucht. Die danach auf Zahlung von insgesamt 1.000.000 € gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]erufungsgericht.

I.

8

Das [X.]erufungsgericht hat zur [X.]egründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen den [X.]eklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 839 Satz 1 [X.]G[X.] i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG.

9

Zwar könne entgegen der Auffassung des [X.] ein Anspruch der Klägerin nicht deshalb verneint werden, weil sie es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hätte, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§ 839 Abs. 3 [X.]G[X.]). Sie habe mit der Anfechtungsklage und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die ihr zumutbaren Rechtsmittel ergriffen. Die Fortsetzung des Handels trotz sofort vollziehbarem [X.] wäre nicht geeignet gewesen, diesen zu beseitigen oder zu berichtigen.

Die Abweisung der Klage sei jedoch deshalb im Ergebnis richtig, weil aufgrund der [X.]indungswirkung des Urteils des [X.] vom 12. Januar 2016 für das Amtshaftungsverfahren von der Rechtmäßigkeit des [X.]es vom 20. Mai 2015 auszugehen sei, so dass es schon an einem amtspflichtwidrigen Verhalten fehle. Das Urteil sei mit [X.]ekanntgabe des [X.]eschlusses des Hessischen [X.]hofs vom 17. Februar 2017 formell rechtskräftig geworden. Durch die Abweisung der Fortsetzungsfeststellungsklage sei materiell rechtskräftig die Rechtmäßigkeit des [X.]es vom 20. Mai 2015 festgestellt.

Der [X.]indungswirkung stehe nicht entgegen, dass der [X.]eklagte nicht Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gewesen sei. Zwar liege insofern weder Parteiidentität vor, noch sei das Land [X.] gewesen oder hätte nach § 65 Abs. 1 Satz 2 VwGO [X.] werden müssen. Jedoch müsse unter wertenden Gesichtspunkten im Amtshaftungsprozess eine [X.]indung an die gegenüber der [X.]örse ergangene verwaltungsgerichtliche Entscheidung auch im Verhältnis zum [X.]eklagten angenommen werden.

Ein Fall, in dem ausnahmsweise eine Ausnahme von der [X.]indungswirkung anzunehmen wäre, liege nicht vor. Allein die Unrichtigkeit der Entscheidung genüge hierfür nicht. Die [X.]indungswirkung müsste - wie hier nicht - zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Zutreffend indessen sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass der Sanktionsausschuss der [X.]örse in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat (a) und etwaige daraus resultierende Amtshaftungsansprüche sich gegen den [X.]eklagten richten (b).

a) Aufgaben und Organisation der [X.]örse sind im [X.] geregelt. Danach ist die [X.]örse eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 [X.]) und erbringt ihre Leistungen, die ihrem Gegenstand nach der öffentlichen Daseinsvorsorge zuzuordnen sind, in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts. Dies stellt einen hinreichenden Grund für die Anwendbarkeit des Amtshaftungsrechts dar (vgl. Senat, Urteil vom 16. Februar 1995 - [X.], [X.], 23, 24).

b) [X.] ist der [X.]eklagte.

Nach Art. 34 Satz 1 GG trifft bei Pflichtverletzungen eines Amtsträgers die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Entscheidend ist, wer dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlerhaft gehandelt hat, anvertraut, wer mit anderen Worten dem Amtsträger die Aufgabe, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung erfolgt ist, übertragen hat. Es haftet daher im Regelfall die Körperschaft, die den Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit zur Amtsausübung eröffnet hat. Versagt die Anknüpfung an die Anstellung, weil kein Dienstherr oder mehrere Dienstherren vorhanden sind, richtet sich das Haftungssubjekt danach, wer dem Amtsträger die konkrete - fehlerhaft erfüllte - Aufgabe anvertraut hat (z[X.] Senat, Urteil vom 22. Oktober 2009 - [X.], [X.], 346 Rn. 17 mwN).

Die [X.]örse ist [X.] nicht für die Tätigkeit des [X.] verantwortlich. Zwar ist dieser gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] ein [X.]örsenorgan. Der [X.]örse fehlt indes im Hinblick auf einen Amtshaftungsanspruch die Rechtsfähigkeit. Zwar sind [X.]örsen gemäß § 2 Abs. 1 [X.] teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. Gemäß Absatz 11 der genannten Vorschrift sind sie jedoch nur im verwaltungsgerichtlichen Verfahren parteifähig (vgl. auch [X.] in Schwark/[X.], [X.], 5. Aufl., § 2 [X.] Rn. 23, 25). Die Inanspruchnahme einer [X.]örse nach Art. 34 Abs. 1 GG vor den ordentlichen Gerichten ist daher nicht möglich.

Ebenso kommt der Rechtsträger der [X.]örse, die Nebenintervenientin, als Haftungssubjekt nicht in [X.]etracht, da dieser eine juristische Person des Privatrechts ist (vgl. Senat aaO Rn. 14 mwN).

[X.] ist vielmehr das Land, hier also der [X.]eklagte, das den Rechtsträger der [X.]örse durch die Erteilung der Erlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu der Errichtung und dem [X.]etrieb der [X.]örse berechtigt und verpflichtet und damit ihm - und durch ihn vermittelt der [X.]örse - diese öffentliche Aufgabe anvertraut hat ([X.], [X.]eschluss vom 11. Juni 2010 - 9 U 64/09, zitiert nach der Stellungnahme des [X.] zum Gesetzentwurf der [X.]undesregierung zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/[X.] und zur Änderung des [X.]es, [X.]T-Drucks. 17/8684, [X.]). Die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des [X.]eklagten wird durch die Regelung zum Regress bei einer Inanspruchnahme des [X.] im Wege der Amtshaftung in § 5 Abs. 6 [X.] bestätigt (vgl. [X.]T-Drucks. 17/8684 aaO), ohne dass es darauf ankommt, ob die Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 [X.] als [X.]eleihung zu qualifizieren ist (so [X.]T-Drucks. 17/8684 aaO; vgl. aber auch [X.] aaO § 4 [X.] Rn. 4 mwN zum Meinungsstand).

2. Das [X.]erufungsgericht hat indessen zu Unrecht eine [X.]indungswirkung des Urteils des [X.] Frankfurt am Main vom 12. Januar 2016 für den Amtshaftungsprozess angenommen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen ihrer [X.] (§ 121 VwGO) gebunden (vgl. nur Senat, Urteile vom 12. Juni 2008 - [X.], NVwZ-RR 2008, 674 Rn. 15; vom 7. Februar 2008 - [X.], [X.], 221 Rn. 10; vom 9. Dezember 2004 - [X.], [X.], 305, 309 und vom 14. Dezember 2000 - [X.], [X.], 153, 156; mwN). Diese tritt ein, wenn die Entscheidung der materiellen Rechtskraft fähig und formell rechtskräftig geworden ist. In materieller Hinsicht ist die [X.]indungswirkung gemäß § 121 VwGO auf den Streitgegenstand beschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 7. Februar 2008 aaO Rn. 10; mwN). Wird durch ein rechtskräftiges Urteil eines [X.] auf eine Anfechtungsklage hin ein Verwaltungsakt aufgehoben, so ist damit zugleich dessen Rechtswidrigkeit festgestellt; in gleicher Weise tritt die [X.]indung ein, wenn die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes durch das rechtskräftige Urteil eines [X.] bejaht und deshalb die Anfechtungsklage aus sachlichen Gründen abgewiesen wird (Senat, Urteil vom 12. Juli 1962 - [X.], DV[X.]l. 1962, 75). Ebenso wird durch eine Fortsetzungsfeststellungsklage rechtskräftig über die Rechtmäßigkeit beziehungsweise Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts entschieden (vgl. [X.], 1, 2 f; HK-VerwR/Unruh, 5. Aufl., § 121 VwGO Rn. 25; [X.]/Hissnauer in [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl., § 121 Rn. 87 f).

Das Verwaltungsgericht hat vorliegend durch die Abweisung der Fortsetzungsfeststellungsklage festgestellt, dass die Entscheidung des [X.] rechtmäßig ist. Diese Entscheidung ist mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der [X.]erufung gemäß § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO formell rechtskräftig geworden.

b) Das bedeutet indessen nicht, dass das erstinstanzliche Urteil mit dem Inhalt, dass die Klage unbegründet war, materiell rechtskräftig geworden ist. Ein auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des die Klage als unbegründet abweisenden Urteils des [X.] gestützter [X.]erufungszulassungsantrag (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist auch dann abzulehnen, wenn, wie hier, der [X.]hof - nach strikter rechtlicher Prüfung (siehe hierzu [X.], NVwZ 2021, 325 Rn. 34, 36 f; [X.]/[X.], VwGO, 16. Aufl., § 124 Rn. 12a, 16) - zum Ergebnis kommt, die Klage sei bereits unzulässig, da sich in diesem Fall am Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung nichts ändert (z[X.]: [X.], [X.]eschluss vom 17. Februar 2017 - 6 A 490/16.Z mwN; [X.], [X.], 629; [X.], 416; [X.] VwGO, [X.]/[X.]/[X.], 67. Edition, Stand: 1. Juli 2023, § 124 Rn. 25; [X.]/[X.] aaO Rn. 12; [X.]/[X.]/W.-R. [X.], VwGO, 29. Aufl., § 124 Rn. 7a; vgl. auch [X.]VerwG NVwZ-RR 2004, 542, 543; OVG Niedersachsen, [X.]eschluss vom 13. Januar 2012 - 7 [X.], [X.]eckRS 2012, 45747). Nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung erwächst in einer solchen Konstellation das vorinstanzliche Urteil nur nach Maßgabe der Gründe des Nichtzulassungsbeschlusses des [X.]erufungsgerichts in Rechtskraft, das heißt mit der [X.]egründung, dass die Klage unzulässig war ([X.], [X.]eckRS 2022, 42208 Rn. 44; [X.], NVwZ-RR 2020, 186 Rn. 38; [X.], [X.]eschluss vom 11. Mai 2006 - 8 Z[X.] 06.485, juris Rn. 5; so auch zum Revisionszulassungsverfahren [X.]VerwG NVwZ-RR 2012, 86 Rn. 7; [X.]eschluss vom 19. Dezember 2001 - 1 [X.]/01, juris Rn. 7; [X.] 1996, 392, 393; aA: [X.], [X.]eschluss vom 17. Oktober 2013 - 1 E 799/13, juris Rn. 7).

So liegt der Fall hier.

aa) Im Verwaltungsprozess ist ebenso wie im Zivilprozess der Inhalt einer Entscheidung in erster Linie dem Tenor zu entnehmen. Lässt allerdings die Entscheidungsformel den Inhalt der Entscheidung nicht mit Sicherheit erkennen, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen ergänzend heranzuziehen (vgl. [X.]VerwG, NVwZ 2021, 800 Rn. 20; [X.]eschluss vom 28. Januar 2015 - 2 [X.] 15.14, juris Rn. 14 unter Verweis auf [X.]VerwGE 17, 293, 299; 70, 159, 161 sowie Senat, Urteile vom 27. Februar 1961 - [X.], [X.]GHZ 34, 337, 339; vom 3. Juli 1961 - [X.], [X.]GHZ 35, 338, 340 und vom 17. Februar 1983 - [X.], NJW 1983, 2032; vgl. auch [X.]GH, Urteil vom 16. April 2002 - [X.], [X.], 915, 916 und vom 5. Juni 1982 - [X.], NJW 1982, 2257).

bb) Nach diesen Maßstäben ist das Urteil des [X.] Frankfurt am Main vom 12. Januar 2016 als Prozessurteil rechtskräftig geworden. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Tenor des [X.]eschlusses des [X.]hofs über die Nichtzulassung der [X.]erufung. In den Gründen hat er jedoch die Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage als erwiesen bezeichnet, wohingegen er ausdrücklich offengelassen hat, ob die Ausführungen des [X.] zur [X.]egründetheit dieser Klage ernstlichen Zweifeln unterliegen. Unter Heranziehung der Gründe der Entscheidung ergibt sich damit unzweifelhaft, dass der [X.]hof das verwaltungsgerichtliche Urteil nicht in der Sache bestätigt, sondern vielmehr entschieden hat, dass eine Sachentscheidung unzulässig sei. Das Urteil des [X.] entfaltet daher materielle Rechtskraft nur nach Maßgabe des [X.]eschlusses des [X.]hofs, so dass eine [X.]indung im Amtshaftungsprozess an die Würdigung, dass der [X.] rechtmäßig war, nicht bestehen kann.

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen [X.]estand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache ist, da sie zur Endentscheidung nicht reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Dieses hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs der Klägerin, insbesondere zur Amtspflichtwidrigkeit des [X.]es und zum Verschulden der Amtsträger, getroffen. Dies ist im neuen Verfahren nachzuholen, wobei das [X.]erufungsgericht auch Gelegenheit hat, sich mit den [X.] der Revisionserwiderungen zu befassen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.

[X.]     

      

[X.]     

      

Arend

      

[X.]öttcher     

      

Kessen     

      

Meta

III ZR 13/23

22.02.2024

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 19. Januar 2023, Az: 1 U 62/20

§ 839 S 1 BGB, § 121 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124a Abs 5 S 4 VwGO, § 5 Abs 1 S 1 BörsG, Art 34 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2024, Az. III ZR 13/23 (REWIS RS 2024, 1221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1221


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 U 62/20

Oberlandesgericht Düsseldorf, 1 U 62/20, 06.04.2021.


Az. III ZR 13/23

Bundesgerichtshof, III ZR 13/23, 22.02.2024.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Keine Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten


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