Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.07.2012, Az. 2 BvC 1/11, 2 BvC 2/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 5008

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Verfassungswidrigkeit von § 12 Abs 2 S 1 BWahlG idF vom 17.03.2008 (Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts im Bundesgebiet für aktive Wahlberechtigung Auslandsdeutscher) - jedoch keine Ungültigkeit der Bundestagswahl 2009 - Anforderungen an die Einschränkung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl gem § 38 Abs 1 S 1 GG - Sicherung der Kommunikationsfunktion der Wahl als möglicher Rechtfertigungsgrund für Differenzierung im aktiven Wahlrecht - § 12 Abs 2 S 1 BWahlG zur Sicherung der Kommunikationsfunktion jedoch nicht geeignet - Abweichende Meinung: Senatsentscheidung als überraschende Abweichung von bisheriger stRspr - Mindestmaß an realer Verbindung zu Bundesrepublik als Rechtfertigung der Erforderlichkeit des Voraufenthalts - Verantwortungszusammenhang statt Kommunikationszusammenhang grundlegend für Sinn demokratischer Wahlen - Dilemma der gesetzlichen Typisierungsansätze - Kommunikationszusammenhang als konsistente Rechtfertigung von Wahlrechtsbeschränkungen ungeeignet, historischer Zusammenhang mit Senatsentscheidung zu Ausländerwahlrecht


Leitsatz

1. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) verbürgt die aktive und passive Wahlberechtigung aller Staatsbürger. Er ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit bei der Zulassung zur Wahl des Deutschen Bundestages zu verstehen. Differenzierungen können nur durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von mindestens gleichem Gewicht wie die Allgemeinheit der Wahl sind.

2. Die Anknüpfung der Wahlberechtigung der Auslandsdeutschen allein an einen früheren dreimonatigen Daueraufenthalt im Bundesgebiet überschreitet die Grenzen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums.

Tenor

1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. § 12 Absatz 2 Satz 1 des [X.] in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wahl- und [X.] vom 17. März 2008 ([X.] I Seite 394) ist mit Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

3. Im Übrigen werden die Wahlprüfungsbeschwerden zurückgewiesen.

4. ...

Gründe

1

Die Wahlprüfungsbeschwerden betreffen das Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts in der [X.] als Voraussetzung der Wahl[X.]echtigung von [X.].

2

1. Die Voraussetzungen der Wahl[X.]echtigung zum [X.] sind in den §§ 12 und 13 des [X.] ([X.]) geregelt. Die hier maßgebliche Vorschrift des § 12 [X.], die in der Fassung der Bekanntmachung des [X.] vom 23. Juli 1993 ([X.], [X.]. S. 1594) gilt und zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Wahl- und [X.] vom 17. März 2008 ([X.]) geändert worden ist, lautet auszugsweise wie folgt:

3

§ 12

Wahlrecht

(1) Wahl[X.]echtigt sind alle [X.] im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, die am Wahltage

1. das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben,

2. seit mindestens drei Monaten in der [X.] eine Wohnung innehaben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten,

3. nicht nach § 13 vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.

(2) Wahl[X.]echtigt sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch diejenigen [X.] im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, die am Wahltag außerhalb der [X.] leben, sofern sie nach dem 23. Mai 1949 und vor ihrem Fortzug mindestens drei Monate ununterbrochen in der [X.] eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten haben. Als Wohnung oder gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne von [X.] gilt auch eine frühere Wohnung oder ein früherer Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet. Bei Rückkehr eines nach [X.] Wahl[X.]echtigten in die [X.] gilt die Dreimonatsfrist des Absatzes 1 Nr. 2 nicht.

(3) bis (5) ...

4

2. Während die grundsätzliche Inlandsbindung des Wahlrechts (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) seit jeher im Bundeswahlrecht enthalten war und lediglich terminologische Änderungen erfuhr, dehnte der Gesetzge[X.] die Ausnahmeregelung (§ 12 Abs. 2 [X.]) schrittweise aus. Ausnahmen waren zunächst nur für [X.], die im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses im Ausland tätig und daher besonders eng mit der [X.] verbunden geblieben waren, sowie deren Hausstandsangehörige zugelassen (vgl. [X.] 36, 139 <142 f.>; 58, 202 <205 f.>). Durch das Siebte Gesetz zur Änderung des [X.] vom 8. März 1985 ([X.]) wurden diese Ausnahmen auf im Ausland lebende [X.] (im Folgenden: Auslands[X.]) erweitert, die vor ihrem Fortzug aus dem Geltungs[X.]eich des [X.] dort mindestens drei Monate ununterbrochen eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten hatten, wenn seit dem Fortzug nicht mehr als zehn Jahre verstrichen waren; auf die Fortzugsfrist wurde bei [X.], die in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten des [X.] leben, verzichtet. Mit dem Vierzehnten Gesetz zur Änderung des [X.] vom 20. April 1998 ([X.]) setzte der Gesetzge[X.] die Fortzugsfrist für Auslands[X.] außerhalb der Mitgliedstaaten des [X.] von zehn auf 25 Jahre herauf. Schließlich gab der Gesetzge[X.] mit Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Wahl- und [X.] vom 17. März 2008 ([X.]) die Differenzierung zwischen [X.] innerhalb und außerhalb der Mitgliedstaaten des [X.] auf und verzichtete auf eine Fortzugsfrist; § 12 Abs. 2 [X.] [X.] erhielt seine gegenwärtige Fassung.

5

3. Dem Erfordernis eines ununterbrochenen dreimonatigen Aufenthalts in der [X.] lagen ursprünglich folgende Erwägungen zugrunde: Als wahl[X.]echtigte "Aktivbürger" könnten nur [X.] qualifiziert werden, bei denen objektive Merkmale vorliegen, die es gewährleistet erscheinen lassen, dass sie am politischen Willens- und Meinungsbildungsprozess informiert mitwirken; hierfür sei eine auf eigenen Erfahrungen [X.]uhende Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der [X.] notwendig. Zweitens blieben durch das [X.] die [X.] in der [X.] Demokratischen Republik ([X.]) und [X.] ([X.]) in der Regel vom Wahlrecht ausgeschlossen. Drittens sei die Voraussetzung vorheriger Sesshaftigkeit im [X.] auch aus Gründen der "Wahltechnik" geboten, weil für die Ausübung des Wahlrechts an den melderechtlich erfassten Aufenthalt in der "[X.]" angeknüpft werden könne; dadurch würden eine Häufung der Wahl[X.]echtigten in bestimmten Wahlkreisen sowie eine nennenswerte Änderung der [X.] vermieden. Schließlich sei eine solche Regelung mit dem Prinzip der parlamentarisch repräsentativen Demokratie vereinbar und entspreche dem Völkerrecht (vgl. BTDrucks 10/2834, S. 23 mit Verweis auf BTDrucks 9/1913, S. 10 ff.).

6

Die Aufnahme einer ergänzenden Fortzugsfrist für Auslands[X.] außerhalb der Mitgliedstaaten des [X.] begründete der Gesetzge[X.] damit, dass die Beteiligung an Wahlen Bestandteil des ständigen Prozesses der politischen Meinungs- und Willensbildung vom Staatsvolk zu den Verfassungsorganen hin sei, der die Möglichkeit kommunikativer Teilnahme voraussetze, die mit zunehmendem Auslandsaufenthalt immer weniger gewährleistet sei (vgl. BTDrucks 10/2834, [X.]). [X.] innerhalb der Mitgliedstaaten des [X.] werde eine hinreichende informierte Mitwirkung am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess im Heimatstaat durch die fortschreitende Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht (vgl. BTDrucks 10/2834, S. 23 mit Verweis auf BTDrucks 9/1913, [X.]).

7

Für die Ausweitung der Fortzugsfrist für Auslands[X.] außerhalb der Mitgliedstaaten des [X.] von zehn auf 25 Jahre im Jahre 1998 führte der Gesetzge[X.] an, dass die ursprüngliche Zehnjahresfrist zwar zunächst ein tragfähiges Indiz für die Loslösung [X.] von der [X.] gewesen sei, im Hinblick auf die verbesserte Möglichkeit kommunikativer Teilnahme am politischen Geschehen in der [X.] vom Ausland her a[X.] nicht länger gerechtfertigt werden könne (BTDrucks 13/9686, [X.]).

8

Die Aufgabe der Differenzierung zwischen [X.] innerhalb und außerhalb der Mitgliedstaaten des [X.] im Jahre 2008 begründete der Gesetzge[X.] damit, dass wegen der angewachsenen Mitgliederzahl die Homogenität innerhalb des [X.] abgenommen und es zugleich die Entwicklung moderner Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten jedem interessierten [X.], unabhängig von seinem Aufenthaltsort, ermöglicht habe, sich ü[X.] die Vorgänge in [X.] zu informieren und daran Anteil zu nehmen (BTDrucks 16/7461, [X.]).

9

4. Statistische Erhebungen zu allen im Ausland lebenden [X.] Staatsangehörigen liegen nicht vor. Allerdings werden die im [X.] Ausland lebenden [X.] durch das [X.] der [X.] ([X.]) erfasst. Ihre Zahl betrug 2010 insgesamt rund 1,14 Millionen, wobei die größten Kontingente auf die [X.] (252.000), [X.] (194.000), [X.] (130.000), das [X.] (100.000), [X.] (91.000) und die [X.] (68.000) entfielen; in [X.] lebten etwa 39.000 [X.] Staatsangehörige (vgl. Tabelle "Bevölkerung nach Geschlecht, Altersklasse und Staatsangehörigkeit", abrufbar ü[X.] die Online-Datenbank von [X.]). Für die Wahl zum 17. [X.] ließen sich insgesamt 65.731 Auslands[X.] in die Wählerverzeichnisse eintragen (vgl. BTDrucks 17/1883, S. 3).

Die Beschwerdeführerinnen rügen mit ihren Wahlprüfungsbeschwerden, dass § 12 Abs. 2 [X.] [X.] gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 [X.] GG) verstoße mit der Folge, dass ihnen die Teilnahme an der [X.] zu Unrecht versagt worden sei.

1. Beide Beschwerdeführerinnen wurden 1982 als [X.] Staatsangehörige in [X.] geboren. Ihre Eltern waren jeweils zuvor von ihrem letzten inländischen Wohnsitz in den Gebieten der [X.] ([X.]) beziehungsweise 45 (Celle-Uelzen) nach [X.] gezogen. Die Beschwerdeführerinnen selbst hatten in [X.] zu keinem [X.]punkt mindestens drei Monate ununterbrochen eine Wohnung inne oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten.

Die Beschwerdeführerin zu 1. beantragte im Mai 2009 erfolglos bei der [X.], sie in das Wählerverzeichnis für die [X.] aufzunehmen; ihre darauf erhobene Verfassungsbeschwerde nahm das [X.] mit Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. Juli 2009 - 2 BvR 1460/09 - nicht zur Entscheidung an. Den Antrag der Beschwerdeführerin zu 2. auf Aufnahme ins Wählerverzeichnis lehnte die [X.] im Juli 2009 ab; die hiergegen erhobene Beschwerde zum Kreiswahlleiter blieb erfolglos.

2. Die Beschwerdeführerinnen legten gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. [X.] jeweils Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass § 12 Abs. 2 [X.] [X.], soweit er die Wahl[X.]echtigung für Auslands[X.] an eine frühere, mindestens dreimonatige Sesshaftigkeit in [X.] knüpfe, verfassungswidrig sei.

Der [X.] Bundestag wies die [X.] mit Beschlüssen vom 10. Februar 2011 als unbegründet zurück und nahm zur Begründung jeweils auf die Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses (BTDrucks 17/4600, Anlagen 10 und 13) Bezug. Danach [X.]uhe die Ablehnung der Anträge auf Eintragung in das Wählerverzeichnis am letzten [X.] Wohnort der Eltern unstreitig auf einer zutreffenden Anwendung der wahlrechtlichen Vorschriften. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften habe der [X.] Bundestag nicht zu ü[X.]prüfen; eine derartige Kontrolle sei dem [X.] vorbehalten. Unabhängig davon sei § 12 Abs. 2 [X.] mit dem Grundgesetz vereinbar. Insbesondere verstoße die vom [X.] mit Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. Novem[X.] 1990 - 2 BvR 1266/90 - (NJW 1991, [X.]) gebilligte typisierende Regelung, die einen mindestens dreimonatigen ununterbrochenen Aufenthalt in der [X.] als Voraussetzung für die informierte Mitwirkung am politischen Willens- und Meinungsbildungsprozess als wahl[X.]echtigter "Aktivbürger" festschreibe, nicht gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Der Gesetzge[X.] habe, obgleich das Wahlrecht der [X.] schrittweise ausgedehnt worden sei, stets an dem Erfordernis eines dem Fortzug vorausgegangenen dreimonatigen gewöhnlichen Aufenthalts im [X.] seit dem 23. Mai 1949 festgehalten, weil andernfalls eine Vielzahl von Personen wahl[X.]echtigt wären, die von der [X.] Staatsangehörigkeit abgesehen keinerlei Bezug zu [X.] hätten.

3. Gegen diese Beschlüsse wenden sich die Beschwerdeführerinnen mit ihren am 15. März 2011 eingegangenen Wahlprüfungsbeschwerden.

a) Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass von dem in § 12 Abs. 2 [X.] enthaltenen [X.] seit 2008 nur noch die 1985 eingeführte Bedingung eines früheren dreimonatigen Wohnsitzes in [X.] verblieben sei. Diese Bedingung sei mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl jedenfalls seit Herstellung der [X.] Einheit nicht mehr vereinbar, da die spezifische Notwendigkeit, [X.] in der [X.] und allen vier [X.]er Sektoren vom Wahlrecht auszuschließen, nicht mehr bestehe. Im Übrigen sei es widersprüchlich, dass die Beschwerdeführerinnen in [X.] ihre Stimme zur [X.], nicht jedoch zur [X.] abgeben könnten.

b) Das [X.] habe das Kriterium des früheren Wohnsitzes in seiner Entscheidung vom 2. Novem[X.] 1990 zwar für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten. Im Schrifttum begegne die Sesshaftigkeitsbedingung als Voraussetzung der Vertrautheit des Wählers mit den politischen Verhältnissen jedoch zunehmender Kritik. Hinzu komme, dass [X.] auch in ihrem [X.] das dortige nationale Wahlrecht nicht gewährt werde, weshalb diejenigen, die nie in [X.] gewohnt haben, gewissermaßen zu "[X.]" würden.

c) Das Wahlrecht für alle [X.] sei daher zum verfassungsrechtlichen Gebot geworden. Ohne Verbindung mit der vom Gesetzge[X.] ersatzlos gestrichenen Fortzugsfrist könne das Erfordernis eines früheren Wohnsitzes keine Informiertheit ü[X.] den politischen Willens- und Meinungsbildungsprozess in [X.] gewährleisten, weshalb es sachfremd, mithin willkürlich sei. Die Fortzugsfrist habe entfallen können, da heutige Kommunikationsmittel es weltweit jedem interessierten [X.] erlaubten, mit seinem Staat in Verbindung zu bleiben und sich ü[X.] das [X.] politische Geschehen zu informieren; aus dem gleichen Grund hätte das Erfordernis eines früheren Wohnsitzes gestrichen werden müssen. Wer einen Antrag auf Eintragung in die Wählerliste stelle, gebe seinem Interesse am politischen Leben in [X.] hinreichend Ausdruck.

Dem [X.], dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem [X.], dem [X.] sowie den Bundesverbänden der im [X.] vertretenen Parteien wurde Gelegenheit gegeben, sich zu den Wahlprüfungsbeschwerden zu äußern. Keiner der Äußerungs[X.]echtigten hat hiervon Gebrauch gemacht. Das [X.] hat namens der Bundesregierung auf seine Stellungnahme gegenü[X.] dem Wahlprüfungsausschuss des [X.]es verwiesen.

Die Wahlprüfungsbeschwerden sind zulässig unabhängig davon, ob sich der von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachte [X.] auf die Mandatsverteilung im [X.] ausgewirkt haben kann (vgl. [X.] 34, 81 <95>), und haben ü[X.]wiegend Erfolg. Die Ausgestaltung der Wahl[X.]echtigung der [X.] durch § 12 Abs. 2 [X.] [X.] verstößt gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl ([X.]). Die Vorschrift ist daher für mit Art. 38 Abs. 1 [X.] GG unvereinbar zu erklären (I[X.]). Der [X.] führt hingegen nicht zur Ungültigerklärung der Wahl (II[X.]).

Die Ausgestaltung, die die Wahl[X.]echtigung der [X.] in § 12 Abs. 2 [X.] [X.] gefunden hat, verstößt gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl.

1. Das [X.] hat im Rahmen einer Wahlprüfungsbeschwerde nach § 13 Nr. 3, § 48 [X.] nicht nur die Einhaltung der Vorschriften des Bundeswahlrechts durch die zuständigen [X.] und den [X.] zu gewährleisten, sondern prüft auch, ob die Vorschriften des [X.] mit den Vorgaben der Verfassung in Einklang stehen (vgl. [X.] 16, 130 <135 f.>; 121, 266 <295>; 123, 39 <68>).

2. Die Anknüpfung der Wahl[X.]echtigung der [X.] an einen früheren dreimonatigen Daueraufenthalt in der [X.] ist am Gebot der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 [X.] GG) zu messen.

a) Die Allgemeinheit der Wahl sichert, wie die Gleichheit der Wahl, die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Staatsbürger ([X.] 99, 1 <13>). Die Gleichbehandlung aller Staatsbürger bezüglich der Fähigkeit, zu wählen und gewählt zu werden, ist eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung (vgl. [X.] 6, 84 <91>; 11, 351 <360>). Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verbürgt die aktive und passive Wahl[X.]echtigung aller Staatsbürger (vgl. [X.] 36, 139 <141>; 58, 202 <205>). Er ist - nicht anders als der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit - im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit bei der Zulassung zur Wahl des [X.]es zu verstehen (vgl. [X.] 28, 220 <225>; 36, 139 <141>; [X.], Urteil des [X.] vom 9. Novem[X.] 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, NVwZ 2012, S. 33 <35>).

b) Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl unterliegt a[X.] keinem absoluten Differenzierungsverbot. Aus Art. 38 Abs. 2 GG, der für das aktive und passive Wahlrecht Altersgrenzen festlegt, ergibt sich nicht, dass der Gesetzge[X.] in Wahrnehmung seiner Regelungsbefugnis gemäß Art. 38 Abs. 3 GG nicht weitere Bestimmungen ü[X.] die Zulassung zur Wahl treffen dürfte. Allerdings folgt aus dem formalen Charakter des Grundsatzes, dass dem Gesetzge[X.] bei der Ausgestaltung der aktiven und passiven Wahl[X.]echtigung nur ein eng bemessener Spielraum für Beschränkungen verbleibt. Bei der Prüfung, ob eine Beschränkung gerechtfertigt ist, ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. zur Gleichheit der Wahl [X.] 120, 82 <106>; [X.], Urteil des [X.] vom 9. Novem[X.] 2011, a.a.[X.], S. 33 <35>). Differenzierungen hinsichtlich der aktiven oder passiven Wahl[X.]echtigung bedürfen zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten Grundes (vgl. [X.] 28, 220 <225>; 36, 139 <141>; 42, 312 <340 f.>). Sie können nur durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von mindestens gleichem Gewicht wie die Allgemeinheit der Wahl sind (vgl. [X.] 42, 312 <340 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. Juli 1997 - 2 BvR 1088/97 -, NVwZ 1997, S. 1207; ebenso zur Gleichheit der Wahl [X.] 95, 408 <418>; 120, 82 <107>; [X.], Urteil des [X.] vom 9. Novem[X.] 2011, a.a.[X.], S. 33 <35>; Beschluss des [X.] vom 31. Januar 2012 - 2 BvC 3/11 -, NVwZ 2012, S. 622 <624>).

c) Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzge[X.]s, verfassungsrechtlich legitime Ziele und den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl zum Ausgleich zu bringen (vgl. [X.] 95, 408 <420>; 121, 266 <303>).

aa) Das [X.] achtet diesen Spielraum. Es prüft lediglich, ob dessen Grenzen ü[X.]schritten sind, nicht a[X.], ob der Gesetzge[X.] zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden hat (vgl. [X.] 6, 84 <94>; 51, 222 <237 f.>; 95, 408 <420>; 121, 266 <303 f.>). Das [X.] kann daher, sofern die differenzierende Regelung an einem Ziel orientiert ist, das der Gesetzge[X.] bei der Ausgestaltung des Wahlrechts verfolgen darf, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl nur feststellen, wenn die Regelung zur Erreichung dieses Zieles nicht geeignet ist oder das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen ü[X.]schreitet (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. Juli 1997, a.a.[X.], S. 1207; zur Gleichheit der Wahl [X.] 6, 84 <94>; 51, 222 <238>; 95, 408 <420>; 120, 82 <107>; 121, 266 <304>; [X.], Urteil des [X.] vom 9. Novem[X.] 2011, a.a.[X.], S. 33 <36>).

[X.]) Der Gesetzge[X.] ist insbesondere befugt, bei der Ausgestaltung der Wahl[X.]echtigung unter Berücksichtigung der Grenzen, die die Bedeutung des Wahlrechts und die Strenge [X.]r Egalität seinem Bewertungsspielraum setzen, Vereinfachungen und Typisierungen vorzunehmen.

Das Wahlrecht gehört neben den insoweit hervorzuhebenden Materien des Steuerrechts (vgl. dazu [X.] 126, 268 <278 f.>; stRspr) und des Sozialversicherungsrechts (vgl. dazu [X.] 112, 368 <404>; stRspr) zu den Bereichen, für die die Zulässigkeit typisierender Regelungen zur Ordnung von Massenerscheinungen grundsätzlich anerkannt ist (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. Juli 1997, a.a.[X.], S. 1207; ferner [X.] 30, 227 <249>; 124, 1 <23>). Die Befugnis zur Typisierung bedeutet, dass Lebenssachverhalte im Hinblick auf wesentliche Gemeinsamkeiten normativ zusammengefasst und dabei Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt oder absehbar sind, generalisierend vernachlässigt werden dürfen. Der Gesetzge[X.] darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. [X.] 82, 159 <185 f.>; 96, 1 <6>). Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (vgl. [X.] 84, 348 <359>; 87, 234 <255>; 96, 1 <6>). Insbesondere darf der Gesetzge[X.] für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss [X.] den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen ([X.] 116, 164 <182 f.>; 122, 210 <233>; 126, 268 <279>; stRspr). Für das Wahlrecht im Besonderen gilt, dass sich der Gesetzge[X.] bei seinen Einschätzungen und Bewertungen nicht an ab-strakt konstruierten Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit zu orientieren hat (vgl. [X.] 95, 408 <418>; 120, 82 <107>; [X.], Urteil des [X.] vom 9. Novem[X.] 2011, a.a.[X.], S. 33 <36>).

cc) Der Gesetzge[X.] ist verpflichtet, eine die Allgemeinheit der Wahl [X.]ührende Norm des Wahlrechts zu ü[X.]prüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt wird, etwa durch eine Änderung der vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat (vgl. [X.] 73, 40 <94>; 82, 322 <338 f.>; 107, 286 <294 f.>; 120, 82 <108>; [X.], Urteil des [X.] vom 9. Novem[X.] 2011, a.a.[X.], S. 33 <36>).

Dem entsprechend kann auch das - mehrfach geänderte - Wahlrecht der [X.] nicht ohne Blick auf die jeweiligen rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen verfassungsrechtlich gewürdigt werden. Aussagen des [X.]s zu früheren Ausgestaltungen der Wahl[X.]echtigung der [X.] (namentlich [X.] 5, 2 <6>; 36, 139 <141 ff.>; 58, 202 <205 ff.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. Novem[X.] 1990 - 2 BvR 1266/09 -, NJW 1991, [X.] <690>) können daher nicht ohne Weiteres zur Beurteilung der aktuellen Rechtslage herangezogen werden.

d) Zu den Gründen, die Differenzierungen im Anwendungs[X.]eich des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl rechtfertigen können, zählen insbesondere die mit [X.] Wahlen verfolgten Ziele der Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes oder die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung (vgl. [X.] 95, 408 <418>; 120, 82 <107>; [X.], Urteil des [X.] vom 9. Novem[X.] 2011, a.a.[X.], S. 33 <35>). Zum erstgenannten Ziel gehört die Sicherung der so genannten Kommunikationsfunktion der Wahl.

Demokratie setzt, soll sie sich nicht in einem rein formalen Zurechnungsprinzip erschöpfen, freie und offene Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten voraus (vgl. Dreier, in: Dreier, [X.], 2. Aufl. 2006, Art. 20 Rn. 82 f.; [X.], Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Wahlrecht der [X.], 2001, [X.]). Dies gilt nicht nur für den Wahlakt selbst, in dem sich die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen hin und nicht umgekehrt vollziehen muss (vgl. [X.] 20, 56 <99>; 44, 125 <140>; 69, 315 <346>). Als gleichermaßen wichtig für die Legitimität [X.]r Ordnung erweist sich der beständige Dialog zwischen Parlament und gesellschaftlichen Kräften (vgl. Dreier, a.a.[X.], Art. 20 Rn. 83). Das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußert sich nicht nur in der Stimmabgabe bei Wahlen, sondern auch in der Einflussnahme auf den ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung (vgl. [X.] 20, 56 <98>; 69, 315 <346>; ferner [X.] 123, 267 <358 f.>). Um den Bürger hierzu zu befähigen, bedarf es nicht zuletzt der Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften (vgl. [X.] 44, 125 <147 f.>; 63, 230 <242 f.>; ferner [X.] 105, 252 <268 ff.>). Das freie Abgeordnetenmandat nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG schließt nach alledem die Rückkoppelung zwischen Parlamentariern und Wahlvolk nicht aus, sondern ganz bewusst ein (vgl. [X.] 102, 224 <237 f.>; 112, 118 <134>).

Ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht kann vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn bei einer bestimmten Personengruppe davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit der Teilnahme am [X.] zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht. So ist es von jeher als mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verträglich angesehen worden, dass die Ausübung des Wahlrechts an die Erreichung eines Mindestalters geknüpft wird (vgl. [X.] 42, 312 <340 f.>; [X.], Beschluss des [X.] vom 9. Okto[X.] 2000 - 2 BvC 2/99 -, NVwZ 2002, S. 69 <70>).

3. Nach diesen Maßstäben verletzt § 12 Abs. 2 [X.] [X.] den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, soweit darin die Wahl[X.]echtigung der [X.] allein an einen früheren ununterbrochenen dreimonatigen Aufenthalt in der [X.] geknüpft wird. Die Vorschrift bewirkt eine Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der [X.], die nicht durch einen zureichenden Grund legitimiert werden kann.

a) [X.] wird dadurch, dass § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] die Wahl[X.]echtigung an das Erfordernis eines mindestens dreimonatigen gegenwärtigen Aufenthalts in der [X.] knüpft, das aktive Wahlrecht zunächst grundsätzlich verwehrt. § 12 Abs. 2 [X.] [X.] korrigiert dies teilweise, indem die Vorschrift statt des gegenwärtigen auch einen früheren Daueraufenthalt im [X.] von mindestens drei Monaten genügen lässt (Voranknüpfung); § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] stellt den früheren Aufenthalt im Gebiet der ehemaligen [X.] dem Aufenthalt im [X.] gleich. Die Ausnahmeregelung differenziert demnach innerhalb der Gruppe der [X.]. Während Auslands[X.], die das Erfordernis des § 12 Abs. 2 [X.] oder 2 [X.] erfüllen, wahl[X.]echtigt sind, bleiben die übrigen [X.] von der Wahl[X.]echtigung ausgeschlossen. Zur zweiten Teilgruppe gehören solche Auslands[X.], die - wie die Beschwerdeführerinnen - im Ausland geboren wurden und sich anschließend nie mindestens drei Monate in [X.] ununterbrochen gewöhnlich aufgehalten haben. Für diese Teilgruppe bewirkt § 12 Abs. 2 [X.] [X.] eine Ungleichbehandlung bezüglich der Fähigkeit zu wählen.

b) Diese Beeinträchtigung der Allgemeinheit der Wahl kann nicht durch einen zureichenden Grund gerechtfertigt werden.

aa) Ob der vollständige oder teilweise Ausschluss der [X.] vom aktiven Wahlrecht unter Verweis auf Unterschiede hinsichtlich der Betroffenheit durch [X.] Hoheitsakte, das Fehlen einer Korrelation von Rechten und Pflichten oder potentielle Interessen- oder Loyalitätskonflikte gerechtfertigt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls stellt die Anknüpfung der Wahl[X.]echtigung an einen früheren dreimonatigen Daueraufenthalt im [X.] ein in dieser Hinsicht untaugliches Differenzierungskriterium dar. [X.], die das Erfordernis des § 12 Abs. 2 [X.] oder 2 [X.] erfüllen, wird das Wahlrecht ohne Rücksicht darauf zuerkannt, ob sie aktuell der [X.] Hoheitsgewalt unterliegen, ob der Staat sie durch Ehrenämter, durch Steuern oder auf andere Weise in die Pflicht nehmen kann oder ob sie sich infolge von Interessen- oder Loyalitätskonflikten bei Wahlen zum [X.] in einer deren Sinn und Zweck zuwiderlaufenden Weise verhalten könnten. Demgemäß kann [X.], die sich in [X.] nicht mindestens drei Monate ununterbrochen aufgehalten haben, das Wahlrecht nicht aus diesen Erwägungen heraus versagt werden.

[X.]) Auch in der Sicherung der Kommunikationsfunktion der Wahl kann kein hinreichender Grund für die durch § 12 Abs. 2 [X.] [X.] bewirkte Differenzierung innerhalb der Allgemeinheit der Wahl gesehen werden. Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzge[X.] bei der Wahlbeteiligung der [X.] den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl zugunsten der Anforderungen an die kommunikative Teilnahme nicht voll verwirklicht. Die typisierende Regelung des § 12 Abs. 2 [X.] [X.] ü[X.]schreitet jedoch die Grenzen des dem Gesetzge[X.] zustehenden Gestaltungsspielraums.

(1) Die in § 12 Abs. 2 [X.] [X.] vorgesehene Anknüpfung der Wahl[X.]echtigung an einen dreimonatigen früheren Aufenthalt in der [X.] soll in erster Linie gewährleisten, dass im Ausland lebende [X.] imstande sind, am [X.] zwischen Volk und Staatsorganen teilzunehmen. Nach Einschätzung des Gesetzge[X.]s reichen hierfür die (technischen) Möglichkeiten, sich vom Ausland her ü[X.] die politischen, wirtschaftlichen, [X.] und kulturellen Vorgänge in [X.] zu informieren (vgl. dazu BTDrucks 13/9686, [X.], 15/6015, [X.] f., 16/7461, [X.] und 17/5260, [X.]), nicht aus. Hinzutreten müsse die Fähigkeit, am aktuellen politischen Willens- und Meinungsbildungsprozess mitzuwirken; dies setze ein Mindestmaß an persönlich und unmittelbar erworbener Vertrautheit mit dem politischen System der [X.] voraus (BTDrucks 9/1913, S. 10 f.).

(2) Diese Einschätzung des Gesetzge[X.]s ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl streitet zwar für eine Teilnahme aller [X.] im Sinne des Grundgesetzes an den Wahlen zum [X.]. Bei [X.], die sich nicht oder keinen nennenswerten [X.]raum in der [X.] aufgehalten haben, gerät dieser Grundsatz jedoch in ein Spannungsverhältnis zur Kommunikationsfunktion der Wahl. Danach ist die Möglichkeit, eine reflektierte Wahlentscheidung zu treffen, für die [X.] unabdingbar. Hieran fehlt es bei mangelnder Vertrautheit mit den Verhältnissen in [X.]. Die Annahme des Gesetzge[X.]s, eine solche Vertrautheit stelle sich erst nach einem ununterbrochenen Aufenthalt von einer - ohnehin eher knapp bemessenen - Mindestdauer ein, ist nachvollziehbar.

Hinzu kommt, dass die für eine lebendige Demokratie wesentliche Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten ohne ein Mindestmaß an kontinuierlicher Befassung und Auseinandersetzung der Bürger mit den politischen Entwicklungen kaum gelingen kann (vgl. zum - aufgrund der Teilung [X.]s dort allerdings verengten - Repräsentationsgedanken [X.] 5, 2 <6>). Der Gesetzge[X.] darf daher insbesondere dem Umstand Rechnung tragen, dass das Staatsangehörigkeitsrecht im Wesentlichen auf dem "ius sanguinis" [X.]uht, bei dem die Staatsangehörigkeit durch Abstammung vermittelt wird und auch durch langen Auslandsaufenthalt nicht verloren geht, was zur Folge haben kann, dass Personen, deren Vorfahren seit mehreren Generationen im Ausland leben, die [X.] Staatsangehörigkeit besitzen, darü[X.] hinaus a[X.] zu [X.] keine Beziehung haben (vgl. Stellungnahme des [X.] in den Wahleinspruchsverfahren der Beschwerdeführerinnen, BTDrucks 17/4600, S. 26 und 38).

(3) Die Regelung des § 12 Abs. 2 [X.] [X.] ü[X.]schreitet indes die Grenzen des dem Gesetzge[X.] eingeräumten Gestaltungsspielraums. Sie verfehlt die verfassungsrechtlichen Anforderungen an typisierende Regelungen und verstößt damit gegen das Gebot, den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und die Kommunikationsfunktion der Wahl zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Das erklärte Ziel des Gesetzge[X.]s, die für die [X.] vorauszusetzende Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der [X.] zu sichern, kann allein mit dem Erfordernis eines früheren dreimonatigen Aufenthalts in [X.] nicht erreicht werden (a). Zudem ist dieses Erfordernis zwar geeignet, [X.] Staatsangehörige ohne jede weitere Beziehung zu [X.] von der [X.] auszuschließen, bewirkt a[X.] zugleich entgegen der [X.], dass [X.], die typischerweise mit den politischen Verhältnissen vertraut und von ihnen betroffen sind, an den Wahlen zum [X.] nicht teilnehmen können (b).

(a) Wegen des Verzichts auf weitere Eingrenzungen gestattet die Regelung des § 12 Abs. 2 [X.] [X.] einer nicht vernachlässigbaren Zahl von [X.] die Teilnahme an den Wahlen zum [X.], obwohl dieser Personenkreis hiervon nach dem Normzweck ebenfalls ausgeschlossen sein müsste.

Die isolierte Anknüpfung an den früheren Aufenthalt im Wahlgebiet genügt für zwei Teilgruppen der [X.] nicht, um eine auf eigenen Erfahrungen [X.]uhende Vertrautheit mit den aktuellen politischen Verhältnissen in der [X.] zu gewährleisten. Dies betrifft zum einen diejenigen [X.], die sich zu einem [X.]raum in der [X.] aufgehalten haben, zu dem sie die notwendige Vertrautheit mit den hiesigen politischen Verhältnissen mangels hinreichender Reife und Einsichtsfähigkeit nicht erwerben konnten. Dazu gehören vor allem solche Auslands[X.], die unmittelbar nach ihrer Geburt mindestens drei Monate im [X.] ansässig waren, dann mit ihren Eltern die [X.] verlassen haben und nun nach Erreichen des 18. Lebensjahres das Wahlrecht zum [X.] gemäß § 12 Abs. 2 [X.] [X.] besitzen. Zum anderen erfasst § 12 Abs. 2 [X.] [X.] auch solche Auslands[X.], die die [X.] schon vor so langer [X.] verlassen haben, dass die von ihnen erworbenen eigenen Erfahrungen in den aktuellen politischen Verhältnissen keine Entsprechung mehr finden. Schließlich vermag ein Aufenthalt zu einem beliebigen früheren [X.]punkt eine "Nähe" zum politischen Geschehen im Sinne einer - wie immer auch konkret gelebten - Einbindung in das [X.] Geschehen nicht zu indizieren.

Wenngleich sich diese Teilgruppen der [X.] nicht näher quantifizieren lassen, sprechen [X.]eits Plausibilitätserwägungen dagegen, dass der Gesetzge[X.] sie generalisierend vernachlässigen durfte. Auch im Hinblick darauf, dass die Bedeutung des Wahlrechts und die Strenge [X.]r Egalität dem gesetzge[X.]ischen Spielraum für Typisierungen von vornherein enge Grenzen setzen (vgl. [X.] 95, 408 <417 f.>; 121, 266 <297>), wäre es Sache des Gesetzge[X.]s gewesen, in tatsächlicher Hinsicht der spätestens mit dem vollständigen Verzicht auf eine Fortzugsfrist aufgeworfenen Frage nachzugehen, welche Auswirkungen die verbliebene Regelung hat und inwieweit die durch sie bewirkte Ungleichbehandlung im Wege der Typisierung hingenommen werden kann.

Hinzu kommt, dass eine andere, dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl besser entsprechende Typisierung ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist (vgl. [X.] 48, 227 <239>). Um die Aktualität der in der [X.] erworbenen Erfahrungen zu sichern, könnte der Gesetzge[X.] das Erfordernis des vorherigen Aufenthalts um eine angemessene Fortzugsfrist ergänzen, wie dies [X.]eits in früheren Fassungen des § 12 Abs. 2 [X.] [X.] geschehen war. Dem Umstand, dass die Vertrautheit mit den hiesigen politischen Verhältnissen eine gewisse Reife und Einsichtsfähigkeit voraussetzt, könnte durch die Aufnahme einer zusätzlichen Altersgrenze Rechnung getragen werden.

(b) Die angegriffene Bestimmung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie geeignet wäre, zumindest jenen [X.] das Wahlrecht zu versagen, die ü[X.] die [X.] Staatsangehörigkeit hinaus keinerlei Bezug zu [X.] haben, etwa weil sie als Abkömmlinge einer Auswandererfamilie in jeder Hinsicht in das Land ihres Aufenthalts integriert sind.

Ob die mit dieser Erwägung verbundene äußerst grobe Typisierung vor dem Hintergrund der soeben angesprochenen Ungleichbehandlungen (vgl. 3. b) [X.]) (3) (a) ü[X.]haupt hingenommen werden könnte, kann dahingestellt bleiben. Denn das Erfordernis eines früheren Aufenthalts im [X.] bewirkt zugleich, dass Auslands[X.], die zwar zu keinem [X.]punkt für mindestens drei Monate in der [X.] ansässig gewesen sind, jedoch typischerweise mit den politischen Verhältnissen vertraut und von ihnen betroffen sind, etwa weil sie als "Grenzgänger" ihre Berufstätigkeit in der [X.] ausüben (vgl. [X.] 110, 412 <415>) oder weil sie durch ihr Engagement in Verbänden, Parteien und sonstigen Organisationen in erheblichem Umfang am politischen und gesellschaftlichen Leben der [X.] teilnehmen, vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen bleiben, obwohl sie nach der Wertung, die § 12 Abs. 2 [X.] [X.] zugrunde liegt, gleichfalls an den Wahlen zum [X.] teilnehmen müssten. Das gesetzliche Typisierungsmerkmal verfehlt mithin auch insoweit den Normzweck. Die Einbeziehung dieser Teilgruppe der [X.] in den Kreis der Wahl[X.]echtigten erscheint selbst dann, wenn der Gesetzge[X.] an seiner Grundentscheidung festhält, möglich.

(c) Der Grundsatz, dass dem Gesetzge[X.] eine angemessene [X.] zur Sammlung von Erfahrungen gebührt, während der er sich mit grö[X.]en Typisierungen und Generalisierungen begnügen darf (vgl. [X.] 33, 171 <189 f.>; 37, 104 <118>; 70, 1 <34 f.>; 71, 364 <393>; 75, 108 <162>; 100, 59 <101>; stRspr), kann nicht zur Rechtfertigung der angegriffenen Regelung herangezogen werden. Dieser Grundsatz ist auf komplexe, in der Entwicklung begriffene Sachverhalte zugeschnitten. Auf die hier zu beurteilende Einschränkung der Allgemeinheit der Wahl ist er [X.]eits deshalb nicht anwendbar, weil dem Gesetzge[X.] die tatsächlichen und normativen Grundlagen für eine [X.]e, an der Kommunikationsfunktion der Wahl orientierte Beteiligung der [X.] an den Wahlen zum [X.] im [X.]punkt des Erlasses des Änderungsgesetzes vom 17. März 2008 ([X.]) bekannt waren (vgl. BTDrucks 13/9686, [X.] und 16/7461, [X.]) und Unsicherheiten in Bezug auf die weitere Entwicklung allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein können.

cc) Die Regelung des § 12 Abs. 2 [X.] [X.] kann schließlich nicht damit gerechtfertigt werden, dass durch die Anknüpfung des Wahlrechts der [X.] an den dreimonatigen vorherigen Aufenthalt in der [X.] eine Häufung der Wahl[X.]echtigten in bestimmten Wahlkreisen und eine nennenswerte Änderung der [X.] vermieden würden. Dabei bedarf keiner Entscheidung, inwieweit diese Aspekte zur Rechtfertigung einer Einschränkung des aktiven Wahlrechts herangezogen werden können. Denn jedenfalls ü[X.]schreitet § 12 Abs. 2 [X.] [X.] auch in dieser Hinsicht den dem Gesetzge[X.] eingeräumten Gestaltungsspielraum.

(1) Es ist [X.]eits nicht ersichtlich, dass das Kriterium des früheren Aufenthalts im [X.] zur Erreichung des Zieles, eine Häufung der Wahl[X.]echtigten in bestimmten Wahlkreisen und eine nennenswerte Änderung der [X.] wahltechnisch zu verhindern, geeignet ist. Dieses Kriterium ermöglicht zwar die Zuordnung der [X.] zu bestimmten Wahlkreisen, weil für die Ausübung des Wahlrechts an den regelmäßig melderechtlich erfassten Aufenthalt in der "[X.]" angeknüpft werden kann. Indes lässt sich für die gegenwärtige Fassung des § 12 Abs. 2 [X.] [X.] nicht feststellen, dass dadurch eine gleichmäßige Verteilung der wahl[X.]echtigten [X.] auf die Wahlkreise zuverlässig gesichert werden könnte.

Dem früheren Aufenthaltsort im [X.] kommt insoweit Steuerungskraft nur zu, wenn sich die [X.] in den Wahlkreisen seit dem Wegzug der [X.] nicht nennenswert geändert hat (vgl. BTDrucks 9/1913, [X.]). Dass dies der Fall ist, kann jedenfalls seit dem Verzicht auf eine das [X.] ergänzende Fortzugsfrist im Jahre 2008 nicht mehr ohne Weiteres angenommen werden. Als Folge dieser Änderung von § 12 Abs. 2 [X.] [X.] konnten bei der [X.] zwischen dem Fortzug aus der [X.] und der [X.] äußerstenfalls 60 Jahre liegen. Angesichts einer Vielzahl von Änderungen bei der Einteilung des [X.]es in Wahlkreise hätte es zur Aktualisierung der Kontinuitätsannahme deshalb tatsächlicher Feststellungen zur Zahl potentiell wahl[X.]echtigter [X.] und zu ihrer Verteilung auf die Wahlkreise bedurft. Da es hieran fehlt, erweist sich die Behauptung, durch die Anknüpfung an den melderechtlich erfassten Aufenthalt in der "[X.]" würde die befürchtete Häufung der Wahl[X.]echtigten in bestimmten Wahlkreisen und eine nennenswerte Änderung der [X.] vermieden, als nicht (mehr) tragfähig.

(2) Vor allem a[X.] - und letztlich entscheidend - ist das Erfordernis des vorherigen Aufenthalts im [X.] zur Erreichung des Zieles, die Entstehung ungleich großer Wahlkreise wahltechnisch zu verhindern, nicht erforderlich. Der frühere Aufenthalt im [X.] bildet nicht das einzige denkbare Anknüpfungsmerkmal für eine geregelte Zuordnung der [X.] zu den Wahlkreisen (vgl. Blumenwitz, Wahlrecht für [X.] in Polen, 1999, S. 106 f.; Schild, Das Wahlrecht der [X.] zum [X.] und die Einteilung der Wahlkreise, NJW 1985, [X.]). Dass das Ziel, die Entstehung ungleich großer Wahlkreise wahltechnisch zu verhindern, mit anderen [X.] nicht ebenso zuverlässig erreicht werden könnte wie mittels der Anknüpfung an den früheren Aufenthalt im [X.], lässt sich nicht feststellen.

§ 12 Abs. 2 [X.] [X.] ist mit Art. 38 Abs. 1 [X.] GG unvereinbar und nichtig.

Der festgestellte Verfassungsverstoß führt [X.]eits deshalb nicht zur Ungültigerklärung der Wahl und damit zur Auflösung des 17. [X.]es, weil die geltend gemachte Rechtsverletzung - wie die Beschwerdeführerinnen nicht verkennen - allenfalls theoretisch dessen Zusammensetzung [X.]ührt (vgl. [X.] 121, 266 <310>).

Die Entscheidung ü[X.] die Auslagenerstattung [X.]uht auf den §§ 18, 19 [X.] in Verbindung mit § 34a Abs. 3 [X.]. Die Beschwerden haben zur Klärung einer allgemein bedeutsamen Frage des Wahlrechts beigetragen, so dass es angemessen erscheint, die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerinnen anzuordnen.

Die Entscheidung ist mit 7:1 Stimmen ergangen.

Meta

2 BvC 1/11, 2 BvC 2/11

04.07.2012

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvC

nachgehend BVerfG, 22. November 2012, Az: 2 BvC 1/11, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

Art 38 Abs 1 S 1 GG, § 48 BVerfGG, § 12 Abs 2 S 1 BWahlG vom 17.03.2008

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.07.2012, Az. 2 BvC 1/11, 2 BvC 2/11 (REWIS RS 2012, 5008)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5008 BVerfGE 132, 39-60 REWIS RS 2012, 5008 BVerfGE 132, 60-71 REWIS RS 2012, 5008

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