Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2012, Az. EnVR 42/11

Kartellsenat | REWIS RS 2012, 2525

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Gegenstand

Stromnetzentgelt: Bestimmung des Mindestentgelts bei Abrechnung von mehr als 2.500 Benutzungsstunden - Pumpspeicherkraftwerke III


Leitsatz

Pumpspeicherkraftwerke III

Das Mindestentgelt nach § 19 Abs. 2 Satz 4 StromNEV in der Fassung vom 25. Juli 2005 bestimmt sich nach den tatsächlichen Benutzungsstunden, auch wenn der Netznutzer von der in den Leitlinien der Bundesnetzagentur eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht und auf der Grundlage von mehr als 2.500 Benutzungsstunden abrechnet.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 30. Juni 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beschwerde gegen Nummer 2 des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 6. Februar 2009 zurückgewiesen wurde.

Auf die Beschwerde der Betroffenen wird Nummer 2 des vorgenannten Beschlusses aufgehoben.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerde- und des [X.] werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 542.316 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Betroffene betreibt das Pumpspeicherkraftwerk [X.], das an das Hochspannungsnetz der Antragstellerin angeschlossen ist. Aus diesem Netz entnimmt die Betroffene Strom für den Betrieb ihres Pumpspeicherkraftwerkes. Für dieses Pumpspeicherkraftwerk schloss sie am 7. Juli 2008 mit der Antragstellerin eine Vereinbarung über die zu entrichtenden individuellen Nutzungsentgelte. Die Antragstellerin beantragte für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 eine Genehmigung der vereinbarten Netzentgelte bei der [X.].

2

Die [X.], die grundsätzlich die Voraussetzungen eines solchen individuellen [X.] anerkennt, hat dieses genehmigt, jedoch unter Bezugnahme auf einen von ihr mittlerweile erlassenen Leitfaden im Beschlusstenor ihrer Entscheidung unter Nummer 2 und 3 Einschränkungen verfügt. Danach muss, soweit die Betroffene auf der Basis von mehr als 2.500 Benutzungsstunden abrechnet, auf dieser Grundlage auch der Mindestbetrag des individuellen [X.] nach § 19 Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. bestimmt werden (Nummer 2). Weiterhin wurde der Betroffenen von der [X.] untersagt, Strom während der in das Höchstlastfenster fallenden Zeiten leistungspreisfrei zu entnehmen, um im [X.] an eine Inanspruchnahme nach §§ 13, 14 [X.] die Verfügbarkeit des Kraftwerks wiederherzustellen (Nummer 3). Gegen diese Maßgaben in Nummer 2 und 3 der Genehmigung hat die Betroffene Beschwerde erhoben. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die – vom Senat zugelassene – Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit sie die Ermittlung des Mindestentgelts betrifft, im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht führt zur Begründung aus, dass ein individuelles Netzentgelt im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] dann Anwendung finde, wenn aufgrund vorliegender oder prognostizierter Verbrauchsdaten es offensichtlich sei, dass der Höchstlastbeitrag des [X.] vorhersehbar erheblich von der zeitgleichen [X.] aller Entnahmen aus dieser Netz- oder Umspannebene abweiche. Diese Voraussetzung sei für das von der Betroffenen betriebene Pumpspeicherkraftwerk gegeben, weil dieses regelmäßig in der [X.] Strom beanspruche, um diesen in Phasen mit hoher Netzbelastung wieder an das Netz abzugeben. Dies sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Es gehe deshalb nur um die Höhe des zu gewährenden Nachlasses. Dabei habe die [X.] den beteiligten Unternehmen zu deren Gunsten die Möglichkeit eröffnet, die Berechnung des individuellen [X.] aufgrund einer [X.] durchzuführen. Dies beruhe darauf, dass sich bei einer Benutzungsstundenzahl von über 2.500 Stunden eine höhere Entgeltreduktion einstelle als bei einer solchen unter 2.500 Benutzungsstunden. Die Betroffene, deren Benutzungsstundenzahl im Referenzzeitraum nur 1.486 Stunden betragen habe, sei erheblich von dem Grenzwert entfernt. Wenn sie dennoch auf der Grundlage der Option mit über 2.500 Benutzungsstunden abrechne, dann müsse sie sich bei der Bestimmung der Mindestgrenze an der in Ansatz gebrachten Stundenzahl festhalten lassen. Dies sei mittlerweile in der Leitlinie der [X.] klargestellt. Soweit eine frühere Fassung an eine Benutzungsdauer von weniger als 2.500 Benutzungsstunden angeknüpft habe, liege ein redaktionelles Versehen vor.

5

Ohne Erfolg – so führt das Beschwerdegericht weiter aus – seien auch die Angriffe der Betroffenen gegen Nummer 3 des Bescheides. Eine leistungspreisfreie Netznutzung innerhalb der Höchstlastphase widerspreche schon § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Im Übrigen erwerbe die Betroffene durch die Energiebereitstellung einen Vergütungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegen den verantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber, der auch für die Kosten aufkommen müsse und sie nicht auf die Netznutzer verlagern dürfe.

6

2. Die Auffassung des [X.], das zutreffend die bis zum 25. August 2009 geltende Fassung der Stromnetzentgeltverordnung anwendet, hält nur bezüglich der Nummer 3 des [X.] der rechtlichen Überprüfung stand.

7

a) Entgegen der Auffassung des [X.] ist das Mindestentgelt nach § 19 Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. nicht in Abhängigkeit von der gewählten Berechnungsmethode zu bestimmen. Für die Betroffene errechnet sich das Mindestentgelt nach den tatsächlichen Benutzungsstunden, auch wenn sie von der [X.], auf der Grundlage von mehr als 2.500 Benutzungsstunden abzurechnen, Gebrauch macht. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Mindestentgeltregelung des § 19 Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. Mit dieser Vorschrift soll vermieden werden, dass im Rahmen der Vereinbarung individueller Netzentgelte [X.] zu hohe Nachlässe eingeräumt werden, die – wie [X.] überhaupt – dann letztlich von der [X.] aller Netznutzer getragen werden müssten. Diese Zielsetzung der Mindestentgeltregelung verdeutlicht, dass der Vergleichsmaßstab nur die tatsächliche Benutzungsstundenzahl und das sich hieraus ergebende Netzentgelt sein kann, das der [X.] ohne die Individualvereinbarung zu bezahlen hätte. Dagegen stellt die [X.] eine alternative Berechnungsmethode dar, die dem Umstand Rechnung tragen soll, dass wegen des zunehmenden Gewichts des [X.] bei mehr als 2.500 Benutzungsstunden sich Ungleichgewichte ergeben können, weil ansonsten die individuellen Netzentgelte bei [X.] mit weniger als 2.500 Benutzungsstunden höher ausfielen als bei [X.] mit mehr als 2.500 Benutzungsstunden (vgl. auch Senatsbeschluss vom heutigen Tage – [X.] 47/11 - Pumpspeicherkraftwerke II). Zudem steht das Mindestentgelt nach § 19 Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. in einem Bezug zur Regelung des letzten Satzes dieses Absatzes, wonach im Falle des Nichteintritts der Voraussetzungen einer Individualvereinbarung nach den allgemein gültigen Netzentgelten abgerechnet werden muss. Dieses allgemeine Netzentgelt bildet dann auch die Basis für die Berechnung des Mindestentgelts, das zugunsten der [X.] der Netznutzer die Absenkung der Netznutzungsentgelte auf die Hälfte begrenzt.

8

Diese Auslegung betrifft – anders als die [X.] meint – kein „Rosinenpicken“. Die nach der tatsächlichen Benutzungsstundenzahl aufgrund der veröffentlichten Netzentgelte ermittelten Netznutzungsentgelte bilden für sämtliche [X.] die Grundlage für die Berechnung des hälftigen Mindestentgelts. Dies führt zwar zu unterschiedlichen [X.]n. Da es sich bei der Berechnung nach der [X.] jedoch nur um einen – zur Vermeidung von Ungleichheiten – eingeführten (virtuellen) Grenzwert handelt, ist dies unerheblich, zumal – worauf das Beschwerdegericht zutreffend hinweist – die eröffneten [X.] nicht in jedem Fall in vollem Umfang ausgeschöpft werden können müssen.

9

b) Ohne Rechtsverstoß hat das Beschwerdegericht die Genehmigungsbeschränkung in Nummer 3 des Bescheides für zulässig erachtet. Dort erfolgte die Genehmigung des individuellen [X.] unter der Bedingung der Streichung der mit dem Netzbetreiber getroffenen vertraglichen Regelungen, wonach die Betroffene die Netze leistungspreisfrei in lastschwachen, aber in das [X.] fallenden Zeiten nutzen dürfe, um im [X.] an eine außerplanmäßige Inanspruchnahme die Verfügbarkeit des Pumpspeicherkraftwerks wiederherzustellen.

Die Inanspruchnahme des Pumpspeicherkraftwerks nach §§ 13, 14 [X.] wird – wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat – gesondert vergütet. Löst der Netzbetreiber nach § 13 Abs. 1 [X.] die Einspeisung von [X.] durch Anforderung an die Betroffene aus (sogenanntes Redispatch), um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Netzes zu gewährleisten (Bourwieg in [X.]/[X.]/Hermes, [X.], 2. Aufl., § 13 Rn. 10), hat er die hierfür angefallenen Kosten den Netznutzern in Rechnung zu stellen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StromNZV). Dabei bemisst sich die von den Netzbetreibern zu zahlende und auf die Netznutzer umzulegende Vergütung nach dem Preis, der sich aus dem vom Netzbetreiber angenommenen Angebot ergibt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 StromNZV). Umgekehrt besteht für den Stromlieferanten gegenüber dem Netzbetreiber ein Anspruch aus dem von diesem angenommenen Angebot. Im Falle der Einspeisung von [X.] auf Anforderung des Netzbetreibers umfasst die angebotene Stromlieferung preislich auch die Herstellungskosten der Elektrizität, also auch die Netznutzung für die Entnahme des [X.]s.

Entgegen der Auffassung der Betroffenen besteht kein Anspruch darauf, dass das Pumpspeicherkraftwerk in der Folge leistungspreisfrei im Hochlastzeitfenster [X.] entnehmen kann, um das obere Speicherbecken wieder aufzufüllen. Ob für die folgende Entnahme von [X.] ein kraft Vereinbarung reduziertes Netzentgelt in Ansatz gebracht werden kann, richtet sich danach, ob für diese Entnahme die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] gegeben sind, mithin der Höchstlastbeitrag von der zeitgleichen [X.] aller Entnahmen (§ 2 Nr. 8 [X.]) aus dieser Netzebene abweicht. Gegebenenfalls muss die Betroffene zuwarten, bis sie in dem privilegierten Zeitraum zu den individuell vereinbarten Netzentgelten entnehmen kann.

[X.]                               Raum                           Strohn

                     Grüneberg                        [X.]

Meta

EnVR 42/11

09.10.2012

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 30. Juni 2010, Az: VI-3 Kart 197/09 (V)

§ 19 Abs 2 S 4 StromNEV vom 25.07.2005

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2012, Az. EnVR 42/11 (REWIS RS 2012, 2525)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2525

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI-3 Kart 95/15 (V) (Oberlandesgericht Düsseldorf)


VI-3 Kart 5/08 (V) (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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