Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.05.2012, Az. 2 B 146/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 6479

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Gegenstand

Disziplinarmaßnahme; außerdienstlicher Besitz kinderpornographischen Materials


Leitsatz

Weist der außerdienstliche Besitz kinderpornographischen Materials keinen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Beamten auf und hat dieser keine herausgehobene Vorgesetzten- und Leitungsfunktion inne, ist die Disziplinarmaßnahme anhand eines Orientierungsrahmens zu bestimmen, der bis zur Zurückstufung reicht (im Anschluss an das Urteil vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12).

Gründe

1

Der auf alle Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO, § 69 [X.] gestützte Antrag auf Zulassung der Revision kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ein gesetzlicher Zulassungsgrund gegeben ist.

2

Der [X.], ein bei einem Unternehmen der [X.] tätiger Hauptwerkmeister (Besoldungsgruppe A 8), wurde wegen des Besitzes kinderpornographischer Bild- und Videodateien, die er auf privaten [X.]omputern gespeichert hatte, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Aus diesem Grund hat ihn das Verwaltungsgericht in das Amt eines Oberwerkmeisters (Besoldungsgruppe [X.]) zurückgestuft. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen.

3

In dem Berufungsurteil heißt es, der [X.] habe vorsätzlich ein schweres Dienstvergehen begangen. Die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme habe sich an der Zurückstufung zu orientieren, weil es an einem dienstlichen Bezug der Straftat fehle und der Beamte keine Vorgesetzten- und Leitungsfunktion innehabe. Dieser Orientierungsrahmen ergebe sich daraus, dass der gesetzliche Strafrahmen für den Besitz kinderpornographischen Materials mit einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren im mittleren Bereich des Strafgesetzbuchs liege. Die Zurückstufung des [X.]n sei angemessen, weil den erschwerenden Gesichtspunkten entlastende Gesichtspunkte von einigem Gewicht gegenüber stünden. Gegen den [X.]n sprächen der lange Tatzeitraum, die Anzahl der gespeicherten Dateien mit kinderpornographischem Inhalt (208 Bilddateien und 85 Videodateien), der Aufwand, den er betrieben habe, um sich in den Besitz der Dateien zu bringen und der Umstand, dass die Dateien teilweise gravierende Formen des sexuellen Missbrauchs zeigten. Zugunsten des [X.]n sei zu berücksichtigen, dass er erfolgreich eine längere Therapie durchgeführt habe. Dies werde dadurch belegt, dass er seine Lebensführung grundlegend geändert habe. Er lebe nunmehr in einer festen Beziehung und nehme verschiedene ehrenamtliche amtliche Aufgaben im [X.] Bereich war. Auch sei ihm zugute zu halten, dass seine dienstlichen Leistungen dauerhaft herausragend seien.

4

Mit der Grundsatzrüge wirft der Kläger die Frage auf, welches Gewicht bei der Maßnahmebemessung dem Umstand zukomme, dass die kinderpornographischen Dateien im Besitz des [X.]n Darstellungen schweren sexuellen Missbrauchs im Sinne von § 176a Abs. 2 StGB enthielten.

5

Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 69 [X.] erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass diese Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Klärungsbedarf besteht, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Frage weder vom [X.] ausdrücklich beantwortet worden ist noch auf der Grundlage seiner Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. zuletzt Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - = NVwZ-RR 2011, 329).

6

Danach ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam, weil sie aufgrund der Rechtsprechung des [X.]s zu den sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] ergebenden [X.]n für den außerdienstlichen Besitz kinderpornographischen Materials geklärt ist:

7

Die erforderliche Disziplinarmaßnahme ist stets aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände zu bestimmen, wobei der Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] maßgebende Bedeutung zukommt. Danach sind die Arten (Fallgruppen) von Dienstvergehen nach ihrer disziplinarrechtlichen Bedeutung einer bestimmten Disziplinarmaßnahme als [X.] oder einem Orientierungsrahmen zuzuordnen (stRspr; vgl. nur Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 16 f. und vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 [X.] 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 28 f.).

8

Die Schwere disziplinarrechtlich relevanter außerdienstlicher Straftaten richtet sich in erster Linie nach dem gesetzlichen Strafrahmen, weil der Gesetzgeber dadurch den Unrechtsgehalt verbindlich zum Ausdruck bringt. Diese gesetzliche Wertung ist Maßstab für die Beurteilung, in welchem Maß der Beamte durch sein strafbares Verhalten eine disziplinarrechtlich bedeutsame Schädigung des Ansehens des öffentlichen Dienstes herbeigeführt hat (stRspr; vgl. nur Urteile vom 19. August 2010 - BVerwG 2 [X.] 13.10 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 12 Rn. 25 f. und - BVerwG 2 [X.] 5.10 - [X.] 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22 f.).

9

Für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischen Materials hat der [X.] aus dem seit 2003 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung jedenfalls dann auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist, wenn das Dienstvergehen keinen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Beamten aufweist und dieser keine herausgehobene Vorgesetzten- und Leitungsfunktion innehat (Urteile vom 19. August 2010 a.a.[X.]).

Dies bedeutet, dass in diesen Fällen die aus dem Orientierungsrahmen fallende Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausgesprochen werden darf, wenn im Einzelfall besonders gewichtige Erschwerungsgründe vorliegen, die nicht durch Milderungsgründe kompensiert werden. Der Orientierungsrahmen kann in der Regel nicht deshalb überschritten werden, weil dem Beamten Umstände zur Last fallen, die bereits den Unrechtsgehalt der Straftat kennzeichnen. Derartige Umstände werden bereits durch den gesetzlichen Strafrahmen erfasst, der wiederum die Schwere des Dienstvergehens und damit den Orientierungsrahmen für die Maßnahmebemessung vorgibt. Hierzu gehören der Tatzeitraum, die Anzahl der Dateien im Besitz des Beamten, der Aufwand für die Besitzverschaffung, aber auch der Inhalt der Dateien. Diese Umstände können grundsätzlich nur herangezogen werden, um Abstufungen innerhalb des [X.] zu begründen. Gleiches gilt für die Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe. Eine Bewährungsstrafe führt nicht zwangsläufig dazu, dass der Beamte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist.

Nach der Argumentation des [X.] wäre folgerichtig die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auch dann [X.] für den außerdienstlichen Besitz kinderpornographischen Materials, wenn kein dienstlicher Bezug besteht. Dieser Auffassung hat sich der [X.] in den Urteilen vom 19. August 2010 (a.a.[X.]) gerade nicht angeschlossen, weil hierfür der Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB von höchstens zwei Jahren Freiheitsstrafe nicht ausreicht. Diese Obergrenze darf auch dann nicht überschritten werden, wenn das kinderpornographische Material umfangreich ist und schwere Missbrauchsfälle zeigt. Die Orientierung am Strafrahmen gewährleistet eine rationale und gleichmäßige disziplinarrechtliche Bewertung außerdienstlichen Fehlverhaltens. Die Verwaltungsgerichte dürfen ihre eigene Einschätzung des [X.] nicht an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen, wenn sie den gesetzlichen Strafrahmen für unangemessen niedrig halten (Urteile vom 19. August 2010 a.a.[X.]).

Das [X.] hat die vom [X.] aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] hergeleiteten Grundsätze für die Maßnahmebemessung in den Fällen des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischen Materials dem Berufungsurteil zugrunde gelegt. Die erschwerenden Umstände, die allesamt durch den Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB erfasst werden, hat es zum Anlass genommen, den [X.]n zurückzustufen. Soweit der Kläger die fehlerhafte Gewichtung der bemessungsrelevanten Gesichtspunkte rügt, wendet er sich gegen die fallbezogene Anwendung der [X.] auf den festgestellten Sachverhalt. Er stellt der rechtlichen Würdigung des [X.] seine eigene Würdigung des vorliegenden Falles entgegen. Damit kann die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargelegt werden.

Mit den Divergenzrügen trägt der Kläger vor, das Berufungsurteil beruhe auf Abweichungen von den Urteilen des [X.]s vom 6. Juli 2000 - BVerwG 2 WD 9.00 - (BVerwGE 111, 291 = [X.] 236.1 § 17 SG Nr. 33) und vom 19. August 2010 (a.a.[X.]).

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das [X.] in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Das Berufungsgericht muss von einem Rechtssatz des [X.]s abgewichen sein, weil es ihn für unrichtig hält. Zwischen beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Dagegen liegt eine Divergenz nicht vor, wenn das Berufungsgericht einen Rechtssatz des [X.]s im Einzelfall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen gezogen hat, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung im Einzelfall geboten sind (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 Rn. 3).

Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt: Eine Divergenz zu dem Urteil des [X.] vom 6. Juli 2000 - BVerwG 2 WD 9.00 - (a.a.[X.]) ist schon deshalb ausgeschlossen, weil dieses nicht zu derselben Rechtsvorschrift, nämlich dem hier anwendbaren § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.], ergangen ist. Im Übrigen liegen den [X.] anders gelagerte Sachverhalte zugrunde. In dem Urteil vom 6. Juli 2000 hat das [X.] maßgebend auf die Vorgesetztenstellung des Soldaten abgestellt, während die Bemessungsentscheidung des [X.] darauf beruht, dass der [X.] keine Vorgesetzten- oder Leitungsfunktion innehatte.

Eine Divergenz des Berufungsurteils zu den Urteilen des [X.]s vom 19. August 2010 (a.a.[X.]) scheidet aus, weil das [X.] die für seine Entscheidung erheblichen Rechtssätze dieser Urteile zur Auslegung des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] übernommen hat. Der [X.] hat nicht den Rechtssatz aufgestellt, die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe indiziere auch ohne dienstlichen Bezug des strafbaren Verhaltens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Die Rüge der fehlerhaften Gewichtung der bemessungsrelevanten Gesichtspunkte zugunsten des [X.]n ist nicht geeignet, eine Divergenz darzulegen. Der Kläger bezeichnet insoweit keinen prinzipiellen Auffassungsunterschied zwischen Berufungs- und Revisionsgericht zum Bedeutungsgehalt des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.], sondern wendet sich gegen die fallbezogene Anwendung dieser Regelungen.

Mit der Verfahrensrüge macht der Kläger geltend, das [X.] habe gegen das Gebot umfassender Sachaufklärung verstoßen. Es habe dem [X.]n nicht zugute halten dürfen, eine Wiederholung der Straftaten sei nicht zu befürchten, weil er eine erfolgreiche Therapie absolviert habe. Diese positive Prognose sei von der schriftlichen Stellungnahme des Therapeuten nicht gedeckt. Dem [X.] habe sich aufdrängen müssen, den Therapeuten zur Erläuterung seines Gutachtens zu vernehmen oder ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Dieser Vortrag reicht nicht aus, um einen Aufklärungsmangel darzulegen. Der Kläger berücksichtigt nicht, dass das [X.] seine Prognose vor allem darauf gestützt hat, dass der [X.] inzwischen seine Lebensumstände grundlegend geändert hat. Seine Ausführungen lassen darauf schließen, dass es ohne die - den [X.] nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden - Feststellungen dieser Änderungen nicht den Schluss gezogen hätte, die Therapie sei erfolgreich gewesen. Diese Schlussfolgerung greift der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht an, vielmehr befasst er sich ausschließlich mit der Würdigung der Stellungnahme des Therapeuten.

Meta

2 B 146/11

14.05.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 28. September 2011, Az: 3d A 1164/10.BDG, Urteil

§ 13 Abs 1 S 2 BDG, § 13 Abs 1 S 3 BDG, § 13 Abs 1 S 4 BDG, § 184b Abs 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.05.2012, Az. 2 B 146/11 (REWIS RS 2012, 6479)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6479

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Referenzen
Wird zitiert von

AN 13b D 13.01254

16a D 14.121

16a D 13.1805

16a D 09.3029

M 13L DA 16.5154

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