Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.03.2017, Az. 2 B 42/16

2. Senat | REWIS RS 2017, 13942

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Gegenstand

Anzahl und Inhalt kinderpornografischer Schriften können eine besondere Verwerflichkeit begründen


Gründe

1

1. Der 1950 geborene [X.]eklagte war vor seinem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2013 Oberstudienrat ([X.]esoldungsgruppe [X.]) im Dienst des [X.] und als [X.]erufsschullehrer tätig.

2

Im Januar 2012 erließ das [X.] einen Strafbefehl gegen den Kläger, in dem er wegen [X.]esitzes kinderpornografischer Schriften (§ 184b Abs. 4 Satz 2 StG[X.] a.F.) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde. Dem lag zugrunde, dass auf seinem im Februar 2011 sichergestellten privaten [X.]omputer mindestens 925 [X.]ilddateien und mindestens 190 Videodateien entsprechenden Inhalts gespeichert waren. In dem danach fortgesetzten Disziplinarverfahren räumte der [X.]eklagte diesen Sachverhalt ein und verwies auf eine Reihe von für ihn sprechenden Umständen.

3

Das Verwaltungsgericht hat die im Oktober 2012 erhobene [X.] abgewiesen. Es ging davon aus, dass im aktiven Dienstverhältnis eine Zurückstufung auszusprechen wäre, aber eine Kürzung des Ruhegehalts wegen der unanfechtbar verhängten Strafe gesetzlich ausgeschlossen sei.

4

Im [X.]erufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht dem Kläger zur [X.]eseitigung eines wesentlichen Mangels der Klageschrift aufgegeben, die einzelnen auf dem [X.]omputer des [X.]eklagten aufgefundenen [X.]ild- und Videodateien, deren [X.]esitz dem [X.]eklagten vorgeworfen wird, konkret zu bezeichnen sowie den jeweiligen [X.]esitzzeitraum der Dateien anzugeben. Dem ist die Klägerin nach Erstellung eines entsprechenden Gutachtens durch Einreichung einer konkretisierten Klageschrift nachgekommen. Danach sind für den Zeitraum von März 2009 bis Februar 2011 über 8100 kinderpornografische Schriften festgestellt worden. Das Oberverwaltungsgericht hat das Disziplinarverfahren beschränkt, indem es über 3 600 Posingbilder und 77 Posingvideos aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden hat.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat dem [X.]eklagten das Ruhegehalt aberkannt. Dabei hat es als Sachverhalt zugrunde gelegt, dass der [X.]eklagte von März 2009 bis Februar 2011 auf seinem privaten [X.]omputer über 4 000 kinderpornografische [X.]ilder und 370 ungelöschte kinderpornografische Videos gespeichert hatte. Unter den kinderpornografischen Schriften befanden sich auch solche, die den Missbrauch von Kindern deutlich unter 10 Jahren, Vaginal-, Oral- und Analverkehr mit Kindern, den sexuellen Missbrauch mithilfe von Fremdkörpern und sexuelle Handlungen an gefesselten Kindern zeigten. Das Oberverwaltungsgericht hat dies als schweres außerdienstliches Dienstvergehen angesehen. Der Dienstbezug sei bei Lehrern stets gegeben; das gelte auch für [X.]erufsschullehrer. Aufgrund der hohen Anzahl, der besonderen Schwere der Darstellungen und des langen Zeitraums des [X.]esitzes sei die [X.] Richtschnur für die Maßnahmebemessung. Dem stünden Milderungsgründe von hinreichendem Gewicht nicht entgegen. In diesem Zusammenhang verneinte das Oberverwaltungsgericht eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit und eine Augenblickstat und berücksichtigte, dass der [X.]eklagte sich einer Paartherapie unterzogen habe, die Sachverständige eine überwiegend günstige Prognose gestellt habe und der [X.]eklagte zuvor weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei, über lange Zeit ordentliche dienstliche Leistungen erbracht habe und bis zu einem gewissen Grade geständig gewesen sei.

6

2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zuzulassen.

7

Die von der [X.]eschwerde der Sache nach für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Fragen,

ob bei der disziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung gegenüber Lehrern

a) der [X.]esitz einer hohen Anzahl kinderpornografischer Schriften über längere Zeit stets die [X.] indiziert und

b) danach differenziert werden muss, welcher Laufbahn die Lehrer angehören,

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. [X.]eide Fragen sind - soweit sie in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden können - in der Rechtsprechung des [X.] geklärt.

8

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - vom [X.]eschwerdeführer zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]E 13, 90 <91> und vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 9).

9

a) Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] und den inhaltsgleichen [X.]emessungsregelungen der Landesdisziplinargesetze, dass die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände zu bestimmen ist. Erst aufgrund des Ergebnisses dieser Gesamtwürdigung kann festgestellt werden, ob ein [X.]eamter aus dem [X.]eamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er das erforderliche Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Der Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] kommt als dem maßgebenden [X.]emessungskriterium richtungweisende [X.]edeutung zu. [X.]estimmte Fallgruppen von Dienstvergehen können aufgrund der ihnen typischerweise zukommenden Schwere einer bestimmten Disziplinarmaßnahme als Regelmaßnahme zugeordnet werden. Es kommt dann für die [X.]estimmung der Disziplinarmaßnahme im Einzelfall darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der [X.] derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Die [X.]erücksichtigung des Persönlichkeitsbildes ist Ausdruck des Schuldprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Davon abgesehen ist das Persönlichkeitsbild für die [X.]ewertung bedeutsam, ob der [X.]eamte trotz des Dienstvergehens weiterhin im [X.]eamtenverhältnis tragbar ist. Lässt sich für eine Fallgruppe wegen der Variationsbreite der Schwere des Fehlverhaltens ein Orientierungsrahmen zwischen einer milderen und einer härteren Disziplinarmaßnahme bilden, sind die Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und der Umfang der [X.] für die Ausfüllung dieses Rahmens von [X.]edeutung (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 8 m.w.N.).

Für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Straftaten (Disziplinarwürdigkeit) und für die [X.]estimmung der hierfür angemessenen Disziplinarmaßnahme kommt dem gesetzlichen Strafrahmen maßgebende [X.]edeutung zu. Die Orientierung am Strafrahmen gewährleistet eine rationale und gleichmäßige disziplinarrechtliche [X.]ewertung außerdienstlichen Fehlverhaltens. Disziplinarwürdigkeit und Schwere außerdienstlichen Fehlverhaltens hängen maßgebend davon ab, ob ein [X.]ezug zur Dienstausübung des [X.]eamten gegeben ist. Dies setzt voraus, dass das Fehlverhalten nachteilige Schlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zulässt oder eine [X.]eschädigung von Autorität und Ansehen des [X.]eamten zur Folge hat, die ihn in der Amtsführung dauerhaft beeinträchtigt (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 m.w.N.).

Davon ausgehend hat der Senat für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen [X.]esitzes kinderpornografischen Materials aus dem seit 2003 bis Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StG[X.] a.F. von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist, wenn das Dienstvergehen keinen [X.]ezug zu den dienstlichen Aufgaben des [X.]eamten aufweist. In diesen Fällen darf die aus dem Orientierungsrahmen fallende Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis nur ausgesprochen werden, wenn im Einzelfall besonders gewichtige Erschwerungsgründe vorliegen, die nicht durch Milderungsgründe kompensiert werden. Der Orientierungsrahmen kann in der Regel nicht deshalb überschritten werden, weil dem [X.]eamten Umstände zur Last fallen, die bereits den Unrechtsgehalt der Straftat kennzeichnen. Hierzu gehören neben dem Tatzeitraum und der Anzahl der Dateien im [X.]esitz des [X.]eamten vor allem deren Inhalt. Diese Umstände können grundsätzlich nur herangezogen werden, um Abstufungen innerhalb des [X.] zu begründen. Gleiches gilt für die Höhe der gegen den [X.]eamten verhängten Strafe (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 10 m.w.N.).

[X.]ei Lehrern wiegt der außerdienstliche [X.]esitz kinderpornografischen Materials besonders schwer, weil hier stets ein enger dienstlicher [X.]ezug gegeben ist. Ein derartiges Verhalten gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf. Ein Lehrer, der sich nach § 184b Abs. 4 StG[X.] a.F. strafbar gemacht hat, bietet keine Gewähr, dass er die ihm dienstlich obliegenden Erziehungsaufgaben mit der erforderlichen Autorität erfüllen kann. Daraus hat der Senat den Schluss gezogen, dass der Orientierungsrahmen für den außerdienstlichen [X.]esitz kinderpornografischen Materials bei Lehrern bis zur Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis reicht. Demnach kommt die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis in [X.]etracht, wenn das strafbare Verhalten aufgrund der Tatumstände, insbesondere der Anzahl und des Inhalts des Materials, als besonders verwerflich einzustufen ist und dem [X.]eamten keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht zugutekommen (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch [X.], Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 [X.] 9.14 - [X.]E 152, 228 Rn. 22 zum [X.]esitz kinderpornografischer Schriften bei Polizeibeamten).

Danach ist in der Rechtsprechung des [X.] geklärt, dass die Anzahl und der Inhalt des Materials eine besondere Verwerflichkeit begründen können, die die [X.] rechtfertigen kann. Ob im konkreten Fall entlastende Umstände vorliegen, die eine mildere Maßnahme rechtfertigen, ist eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall und kann nicht in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden. Die [X.]eschwerde des [X.]eklagten zeigt keinen neuen oder zusätzlichen Klärungsbedarf zu dieser Rechtsprechung auf.

b) Wie bereits ausgeführt, wiegt der außerdienstliche [X.]esitz kinderpornografischen Materials bei Lehrern grundsätzlich besonders schwer, weil hier stets ein enger dienstlicher [X.]ezug gegeben ist (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch [X.], Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 [X.] 9.14 - [X.]E 152, 228 Rn. 22 zum [X.]esitz kinderpornografischer Schriften bei Polizeibeamten). Dies gilt mithin unabhängig davon, welcher Laufbahn der Lehrer angehört. Ein Lehrer, der nach seinem Statusamt die Aufgabe hat, Kinder zu unterrichten, verliert das erforderliche Vertrauen von Dienstherr und Allgemeinheit und die nötige Autorität für die ihm obliegende Erziehungsaufgabe, wenn er in der dargelegten Schwere sich des [X.]esitzes kinderpornografischer Schriften schuldig gemacht hat. Daran ändert auch nichts, wenn im konkreten Fall ein - ggf. auch größerer - Teil der von dem Lehrer zu unterrichtenden Schüler bereits volljährig ist.

3. Auch ein Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist entgegen der Einschätzung der [X.]eschwerde nicht gegeben.

a) Zunächst liegt ein Verfahrensfehler nicht darin, dass das [X.]erufungsgericht der Klägerin gemäß § 55 [X.] - die Vorschriften des [X.]undesdisziplinargesetzes zum gerichtlichen Disziplinarverfahren (§§ 45 ff. [X.]) sind gemäß § 41 Abs. 1 Landesdisziplinargesetz [X.] für den dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterfallenden Personenkreis grundsätzlich anwendbar - aufgegeben hat, Mängel der Klageschrift zu beseitigen, statt die Klage durch Prozessurteil abzuweisen.

Nach § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.] kann das Gericht dem Dienstherrn zur [X.]eseitigung eines wesentlichen Mangels des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift eine Frist setzen. Wird der Mangel innerhalb der Frist nicht beseitigt, wird das Disziplinarverfahren gemäß § 55 Abs. 3 Satz 3 [X.] durch [X.]eschluss des Gerichts eingestellt. Ein Mangel der [X.]schrift und des behördlichen Disziplinarverfahrens ist dann wesentlich, wenn sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis dieses Verfahrens, d.h. auf die Entscheidung für die Erhebung der [X.] und das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, ausgewirkt hat (stRspr, vgl. nur [X.], Urteil vom 24. Juni 2010 - 2 [X.] 15.09 - [X.]E 137, 192 Rn. 19 [X.]. 14/4659 S. 49> und zuletzt [X.]eschluss vom 9. Februar 2016 - 2 [X.] 84.14 - [X.]uchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 41 Rn. 7).

Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 [X.] muss die Klageschrift den persönlichen und beruflichen Werdegang des [X.]eamten, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens, die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und [X.]eweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass sich der [X.]eamte gegen die gegen ihn erhobenen disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Zugleich werden durch eine den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 [X.] genügende Klageschrift Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festgelegt. Denn nach § 60 Abs. 2 Satz 1 [X.] dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem [X.]eamten in der Klage oder einer Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind ([X.], Urteile vom 25. Januar 2007 - 2 A 3.05 - [X.]uchholz 235.1 § 52 [X.] Nr. 4 Rn. 27 f. und vom 29. Juli 2010 - 2 A 4.09 - juris Rn. 146 f.; [X.]eschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 [X.] 69.10 - juris Rn. 6). Zwar ist es nicht erforderlich, dass die Klageschrift die angeschuldigten Sachverhalte disziplinarrechtlich zutreffend würdigt. Aufgrund des doppelten Zwecks der [X.]schrift muss der Dienstherr aber erkennen lassen, gegen welche Dienstpflichten das angeschuldigte Verhalten des [X.]eamten verstoßen soll und ob dem [X.]eamten Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird ([X.], [X.]eschluss vom 28. März 2011 - 2 [X.] 59.10 - juris Rn. 6 und Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - [X.], [X.]eamtR ES/[X.] II 1.1 Nr. 26 = juris Rn. 28).

Demgegenüber können neue Handlungen, die nicht Gegenstand einer anhängigen [X.] sind, nur durch Erhebung einer Nachtragsdisziplinarklage in das Disziplinarverfahren einbezogen werden (§ 53 Abs. 1 [X.]). Nach § 53 Abs. 2 [X.] hat der Dienstherr dem Gericht die konkreten Anhaltspunkte mitzuteilen, die den Verdacht eines (weiteren) Dienstvergehens rechtfertigen, wenn er dies für angezeigt hält. Das bedeutet ein erweitertes Ermessen des Dienstherrn. Das Gericht hat sodann - freilich nicht ausnahmslos - das Verfahren auszusetzen und eine Frist zu bestimmen, bis zu der die Nachtragsdisziplinarklage erhoben werden "kann" (§ 53 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Von einer Aussetzung (und Fristbestimmung) kann das Gericht gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 [X.] durch [X.]eschluss absehen, wenn die neuen Handlungen für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen oder ihre Einbeziehung das Disziplinarverfahren erheblich verzögern würde (vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 29. Juli 2009 - 2 [X.] 15.09 - [X.]uchholz 232 § 77 [X.][X.]G Nr. 29 Rn. 7).

Danach ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, dass das [X.]erufungsgericht die Klägerin gemäß § 55 [X.] zur Mängelbeseitigung aufgefordert hat statt die Klage durch Prozessurteil abzuweisen. Insbesondere bedurfte es keiner Nachtragsdisziplinarklage (§ 53 [X.]). Wie im [X.]erufungsurteil zutreffend ausgeführt wird, ist maßgeblich für die Abgrenzung dieser beiden Instrumente, ob noch nicht von der [X.]schrift erfasste und damit neue Handlungen in das Disziplinarverfahren einbezogen werden sollen. Nur dann bedarf es einer Nachtragsdisziplinarklage. Das war für den vorliegenden Fall zu verneinen. Denn der disziplinarrechtlich relevante Sachverhalt war mit dem [X.]esitz der auf dem [X.]omputer des [X.]eklagten aufgefundenen [X.]ild- und Videodateien bestimmt und begrenzt. Die Aufforderung nach § 55 [X.] diente lediglich der näheren [X.]ezeichnung und Einordnung dieses Materials innerhalb des in der [X.]schrift bestimmten Rahmens. Hierzu bedurfte es keiner Nachtragsdisziplinarklage nach § 53 [X.].

b) Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht in der [X.]eschränkung des Disziplinarverfahrens durch das [X.]erufungsgericht nach § 56 [X.] durch Ausscheiden der Posing-[X.]ilder und -Videos aus dem Disziplinarverfahren.

Die [X.]eschränkung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens auf einzelne Handlungen ist gemäß § 56 [X.] ausnahmsweise dann zulässig ist, wenn die Entscheidung zu keinem anderen Rechtsfolgeausspruch führen kann. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass bereits einzelne Handlungen die verhängte Maßnahme unzweifelhaft tragen ([X.], Urteil vom 21. April 2016 - 2 [X.] 4.15 - [X.]E 155, 6 Rn. 76). Dem Gericht soll die Möglichkeit eröffnet werden, Vorwürfe außer [X.]etracht zu lassen, die eine aufwändige [X.]eweisaufnahme erforderlich machen würden, die aber für das Ergebnis der [X.] nach gegenwärtigem Stand nicht erheblich sein werden. Das Disziplinarverfahren soll damit von überflüssigem [X.]allast befreit werden können, muss aber weiterhin die gebotene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des [X.]eamten ohne Abstriche ermöglichen. Dabei können aus Gründen der Verfahrensökonomie nur solche Tathandlungen ausgeschlossen werden, deren [X.]edeutung für die [X.]estimmung der Disziplinarmaßnahme bereits während des anhängigen Verfahrens nach jeder [X.]etrachtungsweise sicher ausgeschlossen werden kann ([X.], [X.]eschluss vom 6. Juni 2013 - 2 [X.] 50.12 - Z[X.]R 2013, 351 Rn. 13). Die Entscheidung, ob eine Tathandlung für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht oder voraussichtlich nicht ins Gewicht fällt, erfordert regelmäßig eine Prognose. Das Gericht hat nach dem aktuellen Stand des Verfahrens zu erwägen, wie die zu erwartende Disziplinarmaßnahme ausfiele, würde die Tathandlung entweder ausgeschieden oder würde sie mit in die [X.]emessung der Disziplinarmaßnahme einbezogen. Ergibt diese Prüfung hinsichtlich der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nach keiner [X.]etrachtungsweise einen Unterschied, steht es im Ermessen des Gerichts, die Tathandlung auszuscheiden ([X.], [X.]eschluss vom 20. August 2013 - 2 [X.] 8.13 - [X.]uchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 22 Rn. 6 ff.)

Das Ausscheiden der Posing-[X.]ilder und -Videos aus dem Disziplinarverfahren durch das [X.]erufungsgericht war nicht verfahrensfehlerhaft. Insbesondere war eine Relevanz der [X.] für die [X.]emessungsentscheidung ausgeschlossen. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, aus dem die Einbeziehung dieser Dateien für den [X.]eklagten hätte günstig sein können. Insbesondere berührt das Ausscheiden der [X.] nicht die - im Übrigen von der [X.]eschwerde nicht angegriffenen - tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts zu den der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Dateien mit - zum Teil überaus schwerwiegendem - kinderpornografischem Inhalt.

c) Schließlich liegt ein Verfahrensfehler nicht darin, dass das Gericht nicht alle bemessungsrelevanten Gesichtspunkte in seine [X.]emessungsentscheidung eingestellt hätte.

aa) Soweit die [X.]eschwerde rügt, das [X.]erufungsgericht habe rechtmäßiges Verteidigungsverhalten zu Lasten des [X.]eklagten gewertet, kann dem nicht gefolgt werden.

Es kann zu Gunsten des [X.]eamten berücksichtigt werden, wenn er die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat und eine erneute [X.]egehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist. Nicht zulässig ist es dagegen, das Ausbleiben solcher inneren Einsicht und Aufarbeitung der dem [X.]eamten vorgeworfenen Pflichtenverstöße zu seinen Lasten zu würdigen. Zulässiges Prozessverhalten, wozu auch das [X.]estreiten der Tat selbst und das Negieren oder Relativieren ihres [X.] gehört, darf grundsätzlich nicht zu Lasten des [X.]eamten gewertet werden ([X.], [X.]eschluss vom 5. Mai 2015 - 2 [X.] 32.14 - [X.]uchholz 235.1 § 13 [X.] Nr. 30 Rn. 30 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat das [X.]erufungsgericht jedoch zulässiges Verteidigungsverhalten nicht zu Lasten des [X.]eamten gewertet. Das [X.]erufungsgericht hat vielmehr im Rahmen der Prüfung entlastender Umstände geprüft, wie weit die Einräumung des Sachverhalts durch den [X.]eklagten zu seinen Gunsten ins Gewicht fällt. Dabei hat es u.a. auch darauf abgestellt, dass das Verhalten des [X.]eklagten hinsichtlich der Anzahl der kinderpornografischen Dateien [X.] aufweise. Damit hat es jedoch nur die entlastende Wirkung der Einräumung des Sachverhalts relativiert, nicht aber eine belastende Wirkung angenommen.

bb) Die [X.]eschwerde rügt zu Unrecht, dass das [X.]erufungsgericht nicht mildernd in die [X.]emessungsentscheidung einbezogen habe, dass für das dem [X.]eklagten angelastete Verhalten eine Sucht mit Krankheitswert ursächlich gewesen sei. Das [X.]erufungsgericht hat sich ausführlich ([X.]) mit der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des [X.]eklagten auseinandergesetzt, eine solche unter [X.]ezugnahme auf gutachterliche Äußerungen der in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht vernommenen Sachverständigen verneint und außerdem ebenfalls unter Heranziehung entsprechender sachverständiger Einschätzungen angenommen, dass der [X.]eklagte fähig war, sowohl das Unrecht der Tat einzusehen als auch nach dieser Einsicht zu handeln. Insofern drängte sich auch die Notwendigkeit einer weiteren sachverständigen [X.]egutachtung nicht auf, die vom anwaltlich vertretenen [X.]eklagten im Übrigen auch nicht beantragt worden ist.

cc) Schließlich ist es nicht verfahrensfehlerhaft, dass das [X.]erufungsurteil sich nicht mit der Tatsache auseinandersetzt, dass der [X.]eklagte im Strafbefehl lediglich mit einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen sanktioniert worden ist.

Zwar kommt eine Ausschöpfung des durch die gesetzliche Strafandrohung bestimmten [X.] nur in [X.]etracht, wenn dies dem [X.] des vom [X.]eamten begangenen Dienstvergehens entspricht, und kann für diese Einordnung - außer insbesondere auf Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße, die Umstände der Tatbegehung, Form und Gewicht der Schuld sowie die [X.]eweggründe des [X.]eamten - indiziell auf die von den Strafgerichten angesprochene Sanktion zurückgegriffen werden ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 [X.] 50.13 - [X.]uchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 39 Rn. 17 f.).

Im vorliegenden Fall war jedoch angesichts des im [X.]erufungsverfahren festgestellten erheblich größeren Gewichts des Dienstvergehens gegenüber dem Vorwurf im Strafverfahren - hinsichtlich der Anzahl und der Schwere der auf dem [X.]omputer des [X.]eklagten befindlichen [X.]ild- und Video-Dateien mit kinderpornografischen Inhalt - die strafrechtliche Sanktion für die disziplinarrechtliche Maßnahmebemessung ohne [X.]elang, so dass es ausnahmsweise keiner Ausführungen hierzu bedurfte.

4. [X.] beruht auf § 41 Abs. 1 [X.] [X.] i.V.m. § 77 [X.] und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren streitwertunabhängig Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 [X.] erhoben werden.

Meta

2 B 42/16

16.03.2017

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 14. März 2016, Az: 14 LB 8/13, Urteil

§ 13 Abs 1 S 2 BDG, § 13 Abs 1 S 3 BDG, § 13 Abs 1 S 4 BDG, § 55 BDG, § 184b Abs 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.03.2017, Az. 2 B 42/16 (REWIS RS 2017, 13942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13942

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