Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2018, Az. IV ZR 304/16

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13585

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:210218UIV[X.].16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 304/16
Verkündet am:

21. Februar 2018

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 8 ([X.]: 21. Juli 1994); BGB § 346 Abs. 1, § 199 Abs. 1
Der Beginn der Verjährungsfrist für einen Rückabwicklungsanspruch nach einem Rücktritt gemäß § 8 [X.] a.[X.] war nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage hinausgeschoben.

[X.], Urteil vom 21. Februar 2018 -
IV ZR
304/16 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], den Richter [X.], die Richterinnen [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 21.
Februar 2018

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] -
12.
Zivilsenat
-
vom 29.
Septem-ber 2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert
für das Revisionsverfahren wird auf
bis 10.000

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die [X.]eite (Versicherungsnehmer, im Folgenden: d.
[X.]) macht gegen den beklagten Versicherer (im Folgenden: Versicherer) im Wege der Stufenklage Ansprüche aus zwei Rentenversicherungen und einer kapitalbildenden Lebensversicherung nach Rücktritt geltend.

Diese wurden jeweils aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
November bzw. zum 1.
Dezember 1997 nach dem so
genannten
Antragsmodell des §
8 [X.] in der seinerzeit gültigen [X.] vom 21.
Juli 1994 (im Folgenden: §
8 [X.] a.[X.]) abgeschlossen. D.
[X.] zahlte fortan die Versicherungsbeiträge.
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-

Mit Anwaltsschreiben vom 24.
September
und vom
25.
November 2010 erklärte er den "Widerspruch gem. §
5a [X.] a.[X.] bzw. nach §
8 [X.], bzw. den Widerruf nach §
355 BGB, höchstvorsorglich die Anfech-tung nach §
119 I BGB, hilfsweise die Kündigung".

Der Versicherer bestätigte die Kündigungen und zahlte d. [X.] die Rückkaufswerte aus. Mit der Ende
Dezember 2015
eingereichten und im Januar 2016 zugestellten Klage verlangt d. [X.] Auskunft über die Höhe des [X.] sowie der hieraus, aus dem Sparanteil und aus dem Risikoanteil gezogenen Nutzungen und die sich hieraus er-gebenden Zahlungen.

Nach Auffassung d. [X.] ist er wirksam von den Versicherungsver-trägen
zurückgetreten. Da er nicht ordnungsgemäß über sein Rücktritts-recht belehrt worden sei, habe er auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden -
§
8 Abs.
5 Satz
4 [X.] a.[X.] den Rücktritt noch erklären können.

Der Versicherer erhebt die Einrede der Verjährung.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerich-tete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

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4
-

I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung in [X.], 81 veröffentlicht ist, sind Ansprüche des
nicht ordnungsge-mäß über sein Rücktrittsrecht belehrten [X.] mit Ablauf des Jahres 2013 verjährt.
D. [X.] könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Be-ginn der Verjährung wegen einer unsicheren Rechtslage bis zur Vorlage-entscheidung des Senats vom 28.
März 2012 (IV
ZR
76/11, [X.], 281) oder der anschließenden Revisionsentscheidung in jener Sache vom 7.
Mai 2014 ([X.]Z 201, 101) hinausgeschoben gewesen sei. Zwar könne eine unsichere Rechtslage eine Partei von der Geltendmachung eines Anspruchs abhalten und zu einem Hinausschieben des Verjäh-rungsbeginns führen. So liege der Fall hier jedoch nicht. D. [X.] habe an-gesichts der ungeklärten Frage der Europarechtswidrigkeit der Regelun-gen in §§
5a, 8 [X.] a.[X.] mit der Ausübung des Rücktrittsrechts bis zur
höchstrichterlichen Klärung zuwarten können. Durch die Erklärung des Rücktritts
im Jahr 2010 habe d. [X.] die in §
199 Abs.
1 BGB vorausge-setzte Zumutbarkeitsschwelle als Voraussetzung für den Verjährungsbe-ginn überschritten und die Verjährungsfrist in Gang gesetzt.

II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Etwaige [X.] aus §
346 Abs.
1 BGB, deren Durchsetzung mit der Stufenklage vorbereitet werden soll, waren bei [X.] der Klage im Januar 2016 verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche (Art.
229 §
6 Abs.
1 Satz
1 EGBGB) regelmäßige dreijähri-ge Verjährungsfrist des §
195 BGB
abgelaufen.
Die
Verjährung
begann mit dem Schluss des Jahres 2010 und lief Ende 2013 ab.

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1. Die Regelverjährung beginnt gemäß §
199 Abs.
1 BGB grund-sätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrläs-sigkeit erlangen müsste.

a) Die
[X.]
entstanden jeweils
mit den
Rücktrittserklärungen
im Jahr 2010 (vgl. Senatsurteile vom 17.
Dezem-ber 2014 -
[X.], [X.], 60 Rn.
34; vom 8.
April 2015

IV
ZR
103/15, [X.], 700 Rn.
24; [X.], Urteil vom 15.
November 2006 -
VIII
ZR
3/06, [X.]Z 170, 31 Rn.
37).

b) Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärungen
hatte d. [X.] auch im [X.] von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründen-den Umständen und der Person des Schuldners
(vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 [X.]O Rn.
25).

[X.]) Der Verjährungsbeginn setzt gemäß §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus.
Nicht er-forderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vor-liegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschät-zen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageer-hebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn ([X.], Urteile vom 4.
Juli 2017 -
XI [X.], [X.], 1652 Rn.
94; XI
ZR 562/15, [X.], 1643 Rn.
86; vom 16.
Juni 2016 -
I [X.], 12
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WRP 2016, 1517 Rn.
42; vom 28.
Oktober 2014 -
XI [X.], [X.]Z 203, 115 Rn.
35; Beschluss vom 16.
Dezember 2015 -
XII ZB 516/14, [X.]Z 208, 210 Rn.
26;
jeweils m.w.N.; st. Rspr.).

bb) D. [X.] war die Erhebung einer Klage nicht wegen einer unsi-cheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar, wie das Berufungsge-richt zu Recht angenommen hat. Entgegen der Auffassung der Revision war der Verjährungsbeginn nicht bis zum Vorlagebeschluss des Senats vom 28.
März 2012 ([X.], [X.], 281), bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 19.
Dezember 2013 (r+s 2014, 57) und deren Umsetzung in das [X.] Recht durch die
Se-natsurteile
vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.]Z 201, 101) und vom 17.
Dezember 2014 ([X.], [X.], 60 Rn.
34) oder bis zu dem Nichtannahmebeschluss des [X.] vom 23.
Mai 2016 ([X.], 1037) hinausgeschoben.

[X.]) Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügte es nicht, dass über die Richtlinienkonformität des §
5a [X.] a.[X.] ein im Jahr 2010 noch nicht geklärter Meinungsstreit bestand, der sich, wie die Revision geltend macht, gleichermaßen auf §
8 Abs. 5 Satz 4 [X.] a.[X.] übertra-gen ließ. Anders als die Revision meint, ist eine Rechtslage nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich ent-schieden ist (vgl. Senatsurteil vom 14.
Juli 2010 -
IV ZR 208/09, [X.], 364 Rn.
20; [X.], Urteil vom 7.
Dezember 2010 -
XI [X.], NJW 2011, 1278 Rn.
21). Bei einer solchen Konstellation ist dem [X.] die Erhebung einer Klage jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen [X.] gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch selbst zu 16
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7
-

erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen (vgl. [X.], [X.] vom 23.
Juni 2009 -
EnZR 49/08, BeckRS 2009, 22099 Rn.
7; [X.] 149, 169 Rn.
37). So liegt es hier. D. [X.] war die Klageerhebung trotz des zur
Zeit des Rücktritts noch bestehenden Meinungsstreits nicht unzumutbar, nachdem er
durch die Erklärung des Rücktritts und die
Gel-tendmachung von [X.] zu erkennen gegeben hatte, dass er von einem fortbestehenden Lösungsrecht und einem Rückerstat-tungsanspruch ausging.

(2) Dass die obergerichtliche Rechtsprechung noch im Jahr 2010 nahezu einhellig davon ausging, die später vom Gerichtshof der [X.] in seinem Urteil vom 19.
Dezember 2013 (r+s 2014, 57) als richtlinienwidrig angesehene Bestimmung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] sei nicht zu beanstanden (vgl. beispielhaft [X.], 245; vgl. [X.], Urteil vom 21.
März 2012 -
20
U 189/11, juris Rn.
11 zu §
8 Abs.
5 Satz
4 [X.] a.[X.]), machte die Klageerhebung [X.] nicht ausnahmsweise unzumutbar. Zwar kann eine [X.] Rechtsprechung ausnahmsweise den kenntnisabhängigen Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben. Dies setzt aber eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung voraus (vgl. [X.], Urteile vom 28.
Ok-tober 2014 -
XI [X.], [X.]Z 203, 115 Rn.
35; vom 16.
September 2004 -
III
ZR 346/03, [X.]Z 160, 216, 232
= juris Rn.
39; Beschluss vom 16.
Dezember 2015 -
XII ZB 516/14, [X.]Z 208, 210 Rn.
34). Eine sol-che existierte zu §
5a [X.] a.[X.] ebenso wie zu §
8 Abs.
5 Satz
4 [X.] a.[X.] nicht.

2. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt auch das [X.] [X.] keine abweichende Beurteilung.

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8
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist es mangels einer einschlägigen Unionsregelung Sache der Mit-gliedst[X.]ten, das Verfahren -
einschließlich der Verjährungsregelungen -
für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Dabei [X.] diese Verfahren allerdings nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerst[X.]tliches Recht betreffen (Grund-satz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsord-nung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder über-mäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. [X.] NVwZ 2014, 433 Rn.
23; Slg 2011, [X.] Rn.
32; Slg 2011, [X.] Rn.
16 m.w.N.; [X.] 2009, 334 Rn.
48). Die Festsetzung angemessener Ausschluss-fristen für die Rechtsverfolgung -
hier die nationale kenntnisabhängige Regelverjährungsfrist von drei Jahren
-
wahrt diese Grundsätze und führt nicht dazu, dass die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verlie-henen Rechte dadurch praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig er-schwert würde (vgl. [X.] NVwZ 2014, 433 Rn.
29; [X.] 2009, 334 Rn.
48), auch wenn ihr Ablauf naturgemäß die vollständige oder teilweise Abweisung der Klage zur Folge hat ([X.] Slg 2011, [X.] Rn.
36 m.w.N.).

b) Wenn die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der
Versicherungsnehmer
den Rücktritt erklärt hat, bedeutet dies entge-gen der Ansicht der Revision nicht, dass der
Versicherungsnehmer in der Ausübung seines Lösungsrechts unzumutbar beschränkt wird. Dadurch, dass die Verjährung erst nach Erklärung des Rücktritts beginnt (Senats-urteil vom 17.
Dezember 2014
-
[X.], [X.], 60 Rn.
34), ist dem
Versicherungsnehmer
für die Lösung vom Vertrag eine [X.] eingeräumt. Es ist sichergestellt, dass der nicht oder nicht ord-20
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nungsgemäß über sein Lösungsrecht belehrte Versicherungsnehmer
von diesem Gebrauch machen kann und vorher
die Verjährung nicht abläuft. Durch das Hinausschieben des [X.] bis zum Schluss des Jahres, in dem der
Versicherungsnehmer
sein Lösungsrecht ausübt, hat der Senat dem [X.] gerade Rechnung getragen.

3. Da die Ansprüche, die mit der Stufenklage im Ergebnis verfolgt werden, jedenfalls nicht durchsetzbar sind, war die Stufenklage insge-samt abzuweisen (vgl. Senatsurteil vom 24.
März 2010 -
IV
ZR
69/08, [X.], 801 Rn.
25).

[X.]

[X.]

[X.]

[X.]

[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.05.2016 -
18 O 38/15 -

O[X.], Entscheidung vom 29.09.2016 -
12 [X.] -

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Meta

IV ZR 304/16

21.02.2018

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2018, Az. IV ZR 304/16 (REWIS RS 2018, 13585)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13585

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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