Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2018, Az. IV ZR 385/16

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13592

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:210218UIVZR385.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 385/16
Verkündet am:

21. Februar 2018

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 5a ([X.]: 21. Juli 1994); BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 199 Abs. 1
Der Beginn der Verjährungsfrist für einen Bereicherungsanspruch nach einem [X.] gemäß § 5a [X.] a.[X.] war nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage hinausgeschoben.

[X.], Urteil vom 21. Februar 2018 -
IV ZR 385/16 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], den Richter [X.], die Richterinnen [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 21.
Februar 2018

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] -
12.
Zivilsenat
-
vom 6.
Dezember 2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert
für das Revisionsverfahren wird auf
11.036,45

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin, im Folgenden: [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden: Versicherer) aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung geleisteter [X.] einer Rentenversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags [X.] mit [X.] zum 1.
Februar 1999 nach dem so
genannten
Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: §
5a [X.] a.[X.]) abgeschlossen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt [X.] keine Belehrung über das [X.] nach §
5a [X.] a.[X.]
1
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-

D. [X.] zahlte fortan die Versicherungsbeiträge. Im März 2007 kün-digte [X.] den Vertrag;
der Versicherer zahlte daraufhin den Rück-kaufswert aus. Mit Schreiben vom 28.
Mai 2010 erklärte [X.] "den [X.], den Widerruf bzw. die Anfechtung"
und zeigte die Abtretung der Rechte und Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem [X.] an die p.

AG an.

Mit der im Januar 2016 eingereichten und im März 2016 zugestell-ten Klage verlangt [X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], insgesamt 11.036,45

Nach Auffassung [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Da sie nicht ordnungsgemäß über ihr [X.]srecht belehrt worden sei, habe sie auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden -
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] den Widerspruch noch erklären können.

Der Versicherer erhebt die Einrede der Verjährung.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerich-tete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

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4
-

I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 176 veröffentlicht ist, hat die Aktivlegitimation der nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrten [X.] dahinstehen lassen. Nach seiner Ansicht ist ein etwaiger mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Jahr 2010 entstandener bereicherungsrechtlicher
Anspruch mit Ablauf des Jahres 2013 jedenfalls verjährt.
D. [X.] könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beginn der Verjährung wegen einer unsicheren Rechtslage bis zur Vorlageentscheidung des Senats vom 28.
März 2012 (IV
ZR
76/11, [X.], 281) oder der anschließenden Revisionsent-scheidung in jener Sache vom 7.
Mai 2014 ([X.]Z 201, 101) hinausge-schoben gewesen sei. Zwar könne eine unsichere Rechtslage eine Partei von der Geltendmachung eines Anspruchs abhalten und zu einem [X.] des [X.] führen. So liege der Fall hier [X.] nicht.
D. [X.] habe angesichts der ungeklärten Frage der Euro-parechtswidrigkeit der Regelungen in §§
5a, 8 [X.] a.[X.] mit der Aus-übung des Widerspruchsrechts bis zur höchstrichterlichen Klärung zu-warten können. Durch die Erklärung des Widerspruchs im Jahr
2010 ha-be [X.] die in §
199 Abs.
1 BGB vorausgesetzte Zumutbarkeitsschwelle als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn überschritten
und die Ver-jährungsfrist in Gang gesetzt.

II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Ein etwaiger [X.] aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB war bei Erhebung der Klage im März 2016 verjährt. Zu diesem Zeit-punkt war die maßgebliche (Art.
229 §
6 Abs.
1 Satz
1 EGBGB) regel-mäßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 BGB abgelaufen.
Die
Ver-jährung
begann mit dem Schluss des Jahres 2010 und lief Ende 2013 ab.

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-

1. Die Regelverjährung beginnt gemäß §
199 Abs.
1 BGB grund-sätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrläs-sigkeit erlangen müsste.

a) Der auf Rückgewähr der Prämien gerichtete [X.] entstand mit dem Widerspruch, den [X.] im Jahr 2010 erklärte. Die Widerspruchserklärung ist entscheidend für die Entstehung des [X.] im Sinne des §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB, wie der [X.] mit Urteil vom 8.
April 2015 (IV ZR
103/15, [X.], 700 Rn.
19
ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat.

b) Im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung
hatte [X.] auch im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegrün-denden Umständen
und der Person des Schuldners
(vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 aaO
Rn.
25).

aa) Der Gläubiger eines [X.] aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Um-ständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des [X.] ergibt
([X.], Urteil vom 26.
Septem-ber 2012 -
VIII ZR 279/11, [X.], 1077 Rn.
47 m.w.N.). Der [X.] setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden [X.] voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den [X.] aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverläs-12
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sig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den [X.]
([X.], Urteile vom 4.
Juli 2017 -
XI [X.], [X.], 1652 Rn.
94; [X.], [X.], 1643 Rn.
86; vom 16.
Juni 2016
-
I [X.], [X.], 1517 Rn.
42; vom 28.
Oktober 2014 -
XI [X.], [X.]Z 203, 115 Rn.
35; Beschluss vom 16.
Dezember 2015 -
XII ZB 516/14, [X.]Z 208, 210 Rn.
26;
jeweils m.w.N.; st.
Rspr.).

bb) D. [X.] war die Erhebung einer Klage nicht wegen einer unsi-cheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar, wie das Berufungsge-richt zu Recht angenommen hat. Entgegen der Auffassung der Revision war der Verjährungsbeginn
nicht bis zum Vorlagebeschluss des Senats vom 28.
März 2012 ([X.], [X.], 281), bis zur
Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 19.
Dezember 2013 (r+s 2014, 57) und deren Umsetzung in das [X.] Recht durch das [X.]surteil vom 7.
Mai 2014 (IV
ZR
76/11, [X.]Z 201, 101) oder
gar
bis zu dem Nichtannahmebeschluss des [X.] vom 23.
Mai 2016 ([X.], 1037) hinausgeschoben.

[X.]) Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügte es nicht, dass über die Richtlinienkonformität des §
5a [X.] a.[X.] ein Meinungs-streit bestand, über den der [X.] noch nicht abschließend entschieden hatte. Anders als die Revision meint, ist eine Rechtslage nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrich-terlich entschieden ist
(vgl. Senatsurteil vom 14.
Juli 2010 -
IV ZR 208/09, [X.], 364 Rn.
20; [X.], Urteil vom 7.
Dezember 2010 -
XI [X.], NJW 2011, 1278 Rn.
21). Bei einer solchen Konstellation ist dem Gläubiger die Erhebung einer Klage jedenfalls dann nicht unzumut-bar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entschei-16
17
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-

dung seinen
Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch selbst zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszu-gehen (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Juni 2009
-
EnZR 49/08, BeckRS 2009, 22099 Rn.
7; [X.] 149, 169 Rn.
37).
So liegt es hier. D. [X.] war die Klageerhebung trotz des zur
Zeit des Widerspruchs noch [X.] [X.] nicht unzumutbar, nachdem sie durch die Erklärung
des Widerspruchs und die Rückforderung der Prämien zu erkennen ge-geben hatte, dass sie von einem fortbestehenden Lösungsrecht und ei-nem Rückerstattungsanspruch ausging.

(2) Dass die obergerichtliche Rechtsprechung noch im Jahr 2010 nahezu einhellig davon ausging, die später vom Gerichtshof der [X.] in seinem Urteil vom 19.
Dezember 2013 (r+s 2014, 57) als richtlinienwidrig angesehene Bestimmung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] sei nicht zu beanstanden (vgl. beispielhaft [X.], 245), machte die Klageerhebung ebenfalls nicht ausnahmsweise unzu-mutbar.
Zwar kann eine entgegenstehende Rechtsprechung ausnahms-weise den kenntnisabhängigen Beginn der Verjährungsfrist hinausschie-ben. Dies setzt aber eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung voraus
(vgl. [X.], Urteile vom 28.
Oktober 2014 -
XI [X.], [X.]Z 203, 115 Rn.
35; vom 16.
September 2004 -
III ZR 346/03, [X.]Z 160, 216, 232
= juris Rn.
39; Beschluss vom 16.
Dezember 2015 -
XII ZB 516/14, [X.]Z 208, 210 Rn.
34). Eine solche existierte zu §
5a [X.] a.[X.] nicht.

2. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt auch das [X.] [X.] keine abweichende Beurteilung.

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist es mangels einer einschlägigen Unionsregelung Sache der Mit-18
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gliedstaaten, das Verfahren -
einschließlich der Verjährungsregelungen -
für die Klagen auszugestalten, die den
vollen
Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Dabei [X.] diese Verfahren allerdings nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grund-satz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsord-nung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder über-mäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. [X.] NVwZ 2014, 433 Rn.
23; Slg 2011, [X.] Rn.
32; Slg 2011, [X.] Rn.
16 m.w.N.; [X.] 2009, 334 Rn.
48). Die Festsetzung angemessener Ausschluss-fristen für die Rechtsverfolgung -
hier die nationale kenntnisabhängige Regelverjährungsfrist von drei Jahren
-
wahrt diese Grundsätze und führt nicht dazu, dass die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verlie-henen Rechte dadurch praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig er-schwert würde (vgl. [X.] NVwZ 2014, 433 Rn.
29; [X.] 2009, 334 Rn.
48), auch wenn ihr Ablauf naturgemäß die vollständige oder teilweise Abweisung der Klage zur Folge hat ([X.] Slg 2011, [X.] Rn.
36 m.w.N.).

b) Wenn die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der
Versicherungsnehmer
den Widerspruch erklärt hat, bedeutet dies entgegen der Ansicht der Revision nicht, dass der
Versicherungsnehmer in der Ausübung seines Lösungsrechts unzumutbar beschränkt wird. Durch die Entscheidung des Senats, nach der die Verjährung erst
nach
Erklärung des Widerspruchs beginnt und nicht schon -
wie seinerzeit ebenfalls vertreten wurde
-
mit den einzelnen Prämienzahlungen ([X.]surteil vom 8. April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 700 Rn.
18
ff.), ist dem
Versicherungsnehmer
für die
Lösung vom Vertrag eine [X.] eingeräumt. Es ist sichergestellt, dass der nicht oder nicht 21
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ordnungsgemäß über sein Lösungsrecht belehrte Versicherungsnehmer
von diesem Gebrauch machen kann und vorher die
Verjährung nicht ab-läuft. Durch das Hinausschieben des [X.]
bis zum Schluss des Jahres, in dem der
Versicherungsnehmer
sein Lösungsrecht ausübt, hat der Senat dem [X.] gerade Rechnung getragen.

[X.]

[X.]

[X.]

Dr.
Brockmöller

Dr.
Bußmann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.08.2016 -
8 [X.] -

O[X.], Entscheidung vom 06.12.2016 -
12 [X.] -

Meta

IV ZR 385/16

21.02.2018

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2018, Az. IV ZR 385/16 (REWIS RS 2018, 13592)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13592

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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