Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.07.2014, Az. III S 1/13 (PKH)

3. Senat | REWIS RS 2014, 4018

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Gegenstand

Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung einer Anschlussrevision nur bei hinreichender Erfolgsaussicht - Zulässigkeit einer Anschlussrevision


Leitsatz

NV: Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung einer vom Antragsteller (Revisionsbeklagten) eingelegten --der Hauptrevision des Revisionsklägers nachfolgenden-- Anschlussrevision, mit welcher der Antragsteller die Änderung des FG-Urteils zu seinen Gunsten begehrt, setzt u.a. voraus, dass die Anschlussrevision nach § 114 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Tatbestand

1

I. Zwischen den [X.]eteiligten ist streitig, ob dem Kläger, Revisionsbeklagten und [X.]skläger (Antragsteller) [X.] für seine in [X.] lebenden Kinder [X.] und [X.] aus erster Ehe zusteht.

2

Der Antragsteller ist ein in der [X.] ([X.]) lebender [X.]. Seine geschiedene Ehefrau lebt mit den Kindern [X.] und [X.] aus erster Ehe in [X.]; sie übt dort eine [X.]eschäftigung aus. Sie erhält für [X.] und [X.] einen [X.] Familienzuschlag in Höhe von jeweils 22,59 €. Der Antragsteller hat mit seiner zweiten Ehefrau zwei weitere in [X.] lebende Kinder.

3

Im April 2010 beantragte der Antragsteller Kindergeld für seine vier Kinder. Die [X.]eklagte, Revisionsklägerin und [X.] (Familienkasse) lehnte dies für die in [X.] lebenden Kinder [X.] und [X.] ab. Im Einspruchsverfahren änderte die Familienkasse den angefochtenen [X.]escheid dahingehend ab, dass sie die Festsetzung des Kindergeldes erst ab Mai 2010 ablehnte. Im Übrigen hatte der Einspruch keinen Erfolg.

4

Die Klage, mit welcher der Kläger die Festsetzung des [X.]es für [X.] und [X.] ab Mai 2010 begehrte, war teilweise erfolgreich. Das Finanzgericht ([X.]) verpflichtete die Familienkasse unter Aufhebung der angegriffenen [X.]escheide, den Antragsteller unter [X.]eachtung der Rechtsauffassung des [X.] neu zu bescheiden. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur [X.]egründung führte es im Wesentlichen Folgendes aus: Für den Zeitraum ab September 2011 sei die Klage begründet, weil dem Antragsteller ab diesem Monat ein Anspruch auf [X.] zustehe. Die Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 des Europäischen [X.]arlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ([X.] 883/2004), der einen Anspruch auf [X.] ausschließe, seien ab September 2011 nicht mehr gegeben. Ebenso sei der Kindergeldanspruch nicht nach § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ausgeschlossen. Mangels [X.] sei der Antragsteller unter [X.]eachtung der Rechtsauffassung des [X.] neu zu bescheiden. Für den Zeitraum Mai 2010 bis August 2011 sei die Klage hingegen unbegründet, weil insoweit die Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der [X.] 883/2004 gegeben seien.

5

Gegen das [X.]-Urteil hat die Familienkasse die beim beschließenden Senat geführte Revision III R 36/12 eingelegt. Die Familienkasse wendet sich gegen das [X.]-Urteil, soweit sie verpflichtet wurde, den Antragsteller unter [X.]eachtung der Rechtsauffassung des [X.] neu zu bescheiden. Der Antragsteller ist dieser --den Zeitraum ab September 2011 betreffenden-- Revision der Familienkasse entgegengetreten. Darüber hinaus begehrt er im Wege der [X.], das den Zeitraum Mai 2010 bis August 2011 betreffende [X.]-Urteil aufzuheben und die Familienkasse insoweit zu verpflichten, ihn neu zu bescheiden.

6

Der Antragsteller beantragt, ihm [X.]rozesskostenhilfe ([X.]KH) unter [X.]eiordnung seines [X.]rozessbevollmächtigten zu bewilligen. Dem beschließenden Senat liegt eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers vor.

Entscheidungsgründe

7

II. Der Antrag auf [X.] hat teilweise Erfolg.

8

1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gelten für die [X.] im Finanzgerichtsverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die [X.] (§§ 114 ff. ZPO) sinngemäß. Da der Antragsteller seinen [X.] vor dem 1. Januar 2014 gestellt hat, sind im Streitfall die §§ 114 ff. ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden (vgl. § 40 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung).

9

2. Dem Antragsteller ist [X.] zu bewilligen, soweit er im Hauptsacheverfahren die Zurückweisung der Revision im Hinblick auf den Zeitraum ab September 2011 begehrt.

Da hinsichtlich des genannten Zeitraums die Familienkasse als Gegnerin des Antragstellers das Rechtsmittel eingelegt hat, ist nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO insoweit die Erfolgsaussicht der vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsverteidigung nicht zu prüfen.

Aus der von dem Antragsteller eingereichten Erklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ergibt sich, dass er nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (vgl. § 117 Abs. 2 ZPO). Die Beiordnung des Rechtsanwalts beruht auf § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO.

3. Der Antrag auf Bewilligung von [X.] ist abzulehnen, soweit er sich auf die vom Antragsteller eingelegte --den Zeitraum Mai 2010 bis August 2011 betreffende-- [X.] bezieht.

a) Im Streitfall hat der Antragsteller hinsichtlich des Zeitraums Mai 2010 bis August 2011 nicht --binnen eines Monats nach Zustellung des [X.] am 21. Juni 2012 (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO)-- Revision, sondern mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 eine --im Finanzgerichtsverfahren nach § 155 FGO i.V.m. § 554 ZPO statthafte-- [X.] eingelegt. Der Antragsteller strebt hiermit eine Änderung der Vorentscheidung zu seinen Gunsten an.

Soweit der Antragsteller eine [X.] eingelegt hat, ist § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht anwendbar. Diese Norm greift nur dann ein, wenn der Gegner des Antragstellers das Rechtsmittel eingelegt hat, d.h. der Antragsteller um die Aufrechterhaltung einer für ihn positiven Entscheidung der Vorinstanz streitet. Für eine vom Antragsteller (Revisionsbeklagten) eingelegte --der Hauptrevision des Revisionsklägers nachfolgende-- [X.], mit welcher der Antragsteller die Änderung der Vorentscheidung zu seinen Gunsten begehrt, verbleibt es daher bei der Prüfung des § 114 Satz 1 ZPO. Demnach setzt die Bewilligung von [X.] für die Durchführung einer [X.] u.a. voraus, dass dieses unselbständige Anschlussrechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. Beschlüsse des [X.] vom 30. Mai 1984 VIII ZR 298/83, [X.], 311; vom 12. Oktober 2006 IX ZR 27/06, juris).

b) Hieran fehlt es, weil die [X.] des Antragstellers --bei summarischer Prüfung-- unzulässig ist.

Die Zulässigkeit der [X.] setzt u.a. voraus, dass sie sich auf den Streitgegenstand der Hauptrevision bezieht (z.B. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 17. Oktober 1984 I R 22/79, [X.], 276, BStBl II 1985, 69, Rz 38; Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 120 FGO Rz 300; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 86 f.). Zudem muss sie innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung eingelegt und begründet werden (§ 155 FGO i.V.m. § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO; Senatsurteil vom 22. Dezember 2011 III R 93/10, [X.], 932, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 120 Rz 84). Diese Frist kann --anders als die Frist zur Erwiderung auf die [X.] nicht verlängert werden ([X.]-Urteil vom 19. März 2003 VI R 40/01, [X.] 2003, 1163; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 120 Rz 84).

Im Streitfall ist keine der genannten Voraussetzungen gegeben. In [X.] bildet grundsätzlich jeder Monat einen eigenen Streitgegenstand (im Ergebnis ebenso [X.], in: [X.][X.], EStG, § 63 Rz A 17; [X.], Urteil vom 16. Dezember 1998  2 K 6306/96, Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 389). Da die vom Antragsteller eingelegte [X.] (Mai 2010 bis August 2011) einen anderen Zeitraum als die Hauptrevision der Familienkasse (ab September 2011) betrifft, bezieht sie sich bereits nicht auf den Streitgegenstand der Hauptrevision. Im Übrigen hat der Antragsteller die [X.] nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der [X.] eingelegt. Dem Antragsteller wurde die [X.] der Familienkasse am 8. Oktober 2012 zugestellt. Die [X.] hat er hingegen erst am 10. Dezember 2012 beim [X.] eingelegt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) wegen der Versäumung dieser Frist kommt nicht in Betracht. Der Antragsteller hat weder einen Antrag gestellt noch sind nach Aktenlage Tatsachen ersichtlich, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten.

4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Meta

III S 1/13 (PKH)

16.07.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

§ 142 Abs 1 FGO, § 155 FGO, § 114 S 1 ZPO, § 119 Abs 1 S 2 ZPO, § 554 ZPO, § 120 FGO, § 554 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.07.2014, Az. III S 1/13 (PKH) (REWIS RS 2014, 4018)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4018

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