OLG Nürnberg, Urteil vom 23.05.2014, Az. 2 U 2401/12

2. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5289

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Gegenstand

Persönliche Haftung des gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person aus § 826 BGB für Stromkosten bei vorsätzlicher Verletzung der Mitteilungspflicht über die Identität des Vertragspartners des Energieversorgungsunternehmens


Leitsatz

1. Ein Versorgungsunternehmen, das im Rahmen der Grundversorgung Elektrizität liefert, hat ein besonders schützenswertes rechtliches Interesse daran, zu erfahren, wer sein Kunde ist. Denn der Grundversorgungsvertrag kommt nicht durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande, sondern dadurch, dass die Realofferte des Versorgers durch sozialtypisches Verhalten (Entnahme von Strom) angenommen wird.

2. Nach § 826 BGB kann derjenige wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haften, der die erforderliche Mitteilung gegenüber dem Versorgungsunternehmen unterlässt, wer dessen Vertragspartner ist.

3. Ist Eigentümerin eines Grundstücks, das im Rahmen der Grundversorgung mit Elektrizität beliefert wird, eine juristische Person, trifft die Mitteilungspflicht deren gesetzlichen Vertreter.

4. Der gesetzliche Vertreter haftet jedenfalls dann persönlich, wenn er auch auf Nachfrage des Versorgungsunternehmens nicht für Aufklärung sorgt, wer dessen Vertragspartner ist, obwohl er hierzu aufgrund seiner Stellung ohne weiteres in der Lage wäre. Die unterlassene Aufklärung genügt in diesem Fall für die Annahme eines Schädigungsvorsatzes.

5. Kann das Versorgungsunternehmen seine berechtigten Ansprüche mangels Kenntnis seines Vertragspartners nicht durchsetzen, haftet der Mitteilungspflichtige persönlich in Höhe der angefallenen Stromkosten.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22.11.2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der Kläger der Beklagten einen Teilbetrag von 929,55 € gemäß der unter dem 02.08.2012 korrigierten Jahresrechnung der Beklagten zur Nummer ... vom 29.02.2012 (Anlagen [X.]/[X.] - in der Position "offene Beträge" über 3.000,50 € mit beinhaltet) nicht schuldet.

2. Hinsichtlich des weitergehenden Feststellungsausspruchs ist die Klage erledigt.

[X.] Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

I[X.] Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 5.007,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.08.2012 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 84 % und die Beklagte 16 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 68 % und die Beklagte 32 %.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

[X.]

1

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

2

Das [X.] hat mit Urteil vom 13.11.2014 festgestellt, dass zwischen den Parteien bezüglich der Verbrauchsstelle in [X.], [X.]aße ..., im Zeitraum vom 01.08.2010 bis zum 31.12.2011 kein Vertragsverhältnis bestand und der Kläger der [X.] weder aus dem bei der [X.] geführten [X.] ... noch aus einem anderen bei der [X.] geführten [X.] für den Zeitraum bis einschließlich 31.12.2011 € 5.937,28 für die Verbrauchsstelle in [X.], [X.]aße ..., schuldet.

3

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und zuletzt beantragt:

4

Das Endurteil des [X.] vom 13.11.2012, [X.]. 6 O 1498/12 (3) wird aufgehoben.

5

Die Klage wird abgewiesen.

6

Unter Erhebung einer Widerklage im Berufungsverfahren hat sie ferner beantragt:

7

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 5.007,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.936,78 € ab dem 17.08.2012 sowie aus 2.070,95 € ab dem 08.04.2011 zu bezahlen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

9

Die Berufung der [X.] wird zurückgewiesen.

10

Die Widerklage vom 24.01.2014 wird als unzulässig zurückgewiesen.

11

Hilfsweise hat der Kläger für den Fall, dass das Gericht die [X.] für sachdienlich erachtet, die Klage in Ziffer [X.] für teilweise erledigt erklärt und im Übrigen beantragt:

12

Das erstinstanzliche Urteil wird in Ziffer [X.] insoweit aufrechterhalten als festgestellt wird, dass der Kläger der [X.] weder aus dem bei der [X.] geführten [X.] ... noch aus einem anderen bei der [X.] geführten [X.] einen Teilbetrag von 929,55 € - der in der Korrektur der Jahresrechnung der [X.] zur Nummer ... vom 29.02.2012 (Anlagen [X.]/[X.]) in der Position "offene Beträge" über 3.000,50 € mit beinhaltet und bezüglich dem eine [X.] von der [X.] nicht erhoben worden ist - schuldet.

13

Im Übrigen wird die Widerklage vom 24.01.2014 abgewiesen.

I[X.]

14

Die zulässige Berufung der [X.] ist unbegründet, soweit sich der [X.] nicht durch Erhebung der Widerklage erledigt hat.

15

1.

16

Die Berufung der [X.] war in Höhe von 929,55 € zurückzuweisen, da das Landgericht der negativen [X.]stellungsklage in dieser Höhe zu Recht stattgegeben hat. In Höhe dieses Betrags hat die Beklagte einen Anspruch gegenüber dem Kläger nicht schlüssig vorgetragen.

17

In der von der [X.] dem Kläger unter dem Datum 02.08.2012 übersandten korrigierten Jahresrechnung ([X.]/[X.]) sind bei der Zusammenstellung der offenen Beträge auf Seite 3 neben tatsächlich angefallenen Stromkosten Mahnkosten, Inkassokosten, Gerichts- und Anwaltskosten sowie Kosten der Entsperrung und Stromkosten in Höhe von insgesamt 929,55 € enthalten. Obwohl die Beklagte insoweit darlegungspflichtig war, hat sie nicht vorgetragen, aus welchem Rechtsgrund sie diese Kosten von dem Kläger verlangen kann und worauf diese Kosten beruhen. Bei der negativen [X.]stellungsklage muss der Kläger lediglich die Berühmung und das Vorliegen aller Prozessvoraussetzungen, der Beklagte dagegen die Berechtigung der Berühmung darlegen und beweisen. Der Beklagte muss daher Grund und Höhe des berühmten Anspruches beweisen, als wäre er Kläger. Ein unsubstantiiertes [X.] - wie hier - macht die negative [X.]stellungsklage begründet (Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage, § 256 Rn. 18; [X.], 3294).

18

2.

19

Die Parteien haben die negative [X.]stellungsklage des [X.] in Höhe von 5.007,73 € übereinstimmend für erledigt erklärt. Diesbezüglich erfolgt im Tenor lediglich eine deklaratorische [X.]stellung.

20

Der Kläger hat die Klage insoweit zwar nicht unbedingt, sondern nur hilfsweise für erledigt erklärt. Die innerprozessuale Bedingung (Zulässigkeit der Widerklage) ist aber eingetreten.

21

Die Beklagte hat zwar insoweit im Rahmen der Bezugnahme auf ihre schriftlichen Anträge keine ausdrückliche Erledigterklärung mehr abgegeben. Sie hat jedoch bereits vor Antragstellung erklärt, dass sie der Erledigterklärung zustimme; dies wurde im Protokoll lediglich nicht vermerkt.

II[X.]

22

Der Widerklage war in Höhe von 5.007,73 € stattzugeben.

23

1.

24

Die Widerklage der [X.] ist zum überwiegenden Teil zulässig. Sie ist in Höhe von 5.007,73 € und eines weiteren Teilbetrages von 132,00 € sachdienlich, da sie insoweit auf Tatsachen gestützt wird, die der [X.] seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung zugrunde zu legen hat, § 533 ZPO. Diese Beträge sind von dem negativen [X.]stellungsantrag des [X.] in vollem Umfang erfasst.

25

In Höhe eines Teilbetrages von 1.378,35 € (nämlich Stromrechnung gemäß Anlage [X.] für den Zeitraum vom 01.01. bis 07.06.2012 über 1.378,35 €) war die Widerklage als unzulässig abzuweisen. Die Beklagte hat die Widerklage in der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2014 zwar insoweit zurückgenommen; der Kläger hat der Rücknahme jedoch nicht zugestimmt. Die Widerklage ist insoweit nicht sachdienlich, da sie einen neuen Prozessstoff betrifft, der nicht Gegenstand der Klage war.

26

2.

27

Die Widerklage der [X.] ist im Übrigen bis auf einen Betrag von 132,00 € begründet.

28

Hinsichtlich der Mahn- und Inkassokosten von 132,00 € (gemäß den ersten vier Positionen der Anlage [X.]/23, Aufstellung Seite 3) hat der Kläger der Widerklagerücknahme nicht zugestimmt. Wegen des fehlenden Sachvortrags der [X.] bezüglich dieser Positionen war die Widerklage als unbegründet abzuweisen.

29

Die Beklagte hat gegen den Kläger persönlich Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5.007,73 € (Stromentnahme im Zeitraum vom 01.08.2010 bis 31.12.2011 in dem Anwesen [X.], [X.]aße ...) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 [X.].

30

Der Kläger hatte als gesetzlicher Vertreter der Grundstückseigentümerin, der Firma [X.] mit Sitz in [X.], die Pflicht, der [X.] nach Beendigung des Vertrages mit der vorherigen Stromlieferantin unverzüglich in Textform mitzuteilen, dass die Elektrizität mit Wirkung ab 01.08.2010 im Rahmen der Grundversorgung entnommen wird, § 2 Abs. 2 Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV). Er hatte darüber hinaus die Pflicht, der [X.] als Grundversorgerin alle für den Vertragsschluss notwendigen Daten mitzuteilen (§ 2 Abs. 3 StromGVV). Dazu gehören insbesondere Angaben zum Kunden (bei Unternehmen: Firma, Registergericht, Registernummer, Adresse; bei Privatkunden: Familienname, Vorname, Anschrift). Der Kläger hat der [X.] gegenüber die erforderlichen Angaben zum Kunden bis heute nicht gemacht. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte bis heute keine Kenntnis davon hat, wer ihr Kunde während der Lieferzeit war. Die Beklagte kann somit ihre Ansprüche mangels Kenntnis ihres Vertragspartners nicht durchsetzen. Sie ist in Höhe ihrer berechtigten Vergütungsforderung geschädigt.

31

Die Haftung nach § 826 [X.] wird angenommen, wenn Umstände, die dem Vertragspartner unbekannt sind, nach [X.] und Glauben aber bekannt sein müssen, weil sein Verhalten bei Vertragsverhandlungen und die von ihm zu treffenden Entscheidungen davon wesentlich beeinflusst werden, sittenwidrig verschwiegen werden ([X.], [X.], 73. Auflage, § 826 Rn. 20). Auch bei [X.], die nicht Vertragspartner sind, kommt eine Haftung aus § 826 [X.] in Betracht, wenn diese das sittenwidrige Verhalten eines Vertragspartners bei Vertragsschluss bewusst unterstützen. [X.] ist das Verschweigen von Umständen dann, wenn ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem betroffenen Gläubiger, ein schwerwiegender Verstoß gegen das Anstandsgefühl vorliegt, der mit den Grundbedürfnissen loyaler Gesinnung unvereinbar ist. Das Verschweigen relevanter Umstände durch einen [X.] ist dann sittenwidrig, wenn er mit dem Schuldner gerade zur Vereitelung der Ansprüche des Vertragsgläubigers planmäßig zusammenwirkt ([X.], aaO., § 826 Rn. 23).

32

Die Voraussetzungen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung liegen nach Überzeugung des [X.]s im streitgegenständlichen Fall vor.

33

Nach der Rechtsprechung des [X.] nimmt derjenige, der aus dem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrags konkludent an; eine etwaige Erklärung, er wolle mit dem Unternehmen keinen Vertrag schließen, ist unbeachtlich, da dies in Widerspruch zu seinem eigenen tatsächlichen Verhalten steht, d.h. er nimmt die [X.] des Unternehmens durch sozialtypisches Verhalten an ([X.], 928; NJW-RR 2005, 639). Vertragspartner wird, wer auf Grund seiner Verfügungsmacht über den [X.] die Leistung entgegennimmt ([X.], 3131 ff. zur Wasserversorgung). Dies kann, muss aber nicht der Eigentümer sein.

34

Der Grundversorger hat, da der Vertragsschluss nicht durch übereinstimmende Willenserklärungen, sondern durch Annahme der [X.] erfolgt, ein besonders schützenswertes rechtliches Interesse daran, unaufgefordert und unverzüglich darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, wer sein Kunde ist. Nur wenn der Grundversorger die Person seines Vertragspartners kennt, kann er die mit dem Abschluss des [X.] verbundenen Entscheidungen sachgerecht treffen. So kann er zum Beispiel für den Elektrizitätsverbrauch eines Abrechnungszeitraums Vorauszahlungen verlangen, wenn er nach den konkreten Umständen Zahlungsausfall oder -verzögerung befürchten muss, § 14 Abs. 1 StromGVV.

35

Der [X.] konnte nicht positiv feststellen, dass der Kläger die ihm als gesetzlichem Vertreter der Grundstückseigentümerin nach StromGVV obliegenden Mitteilungspflichten im Detail gekannt hat. Es gehört allerdings zum selbstverständlichen Allgemeinwissen, dass entnommener Strom bezahlt werden muss und dass derjenige, der den Strom liefert, die Person seines Vertragspartners kennen muss. Über dieses Allgemeinwissen verfügt nach Überzeugung des [X.]s auch der Kläger, der mit mehreren Firmen unternehmerisch tätig ist.

36

Der Kläger hat die erforderlichen Mitteilungen gegenüber der Beklagte nicht nur schlicht unterlassen, sondern es systematisch darauf angelegt, zu verschleiern, wer Kunde der [X.] im Rahmen der Grundversorgung im streitgegenständlichen Zeitraum war. Er handelte mit direktem Schädigungsvorsatz. Der Kläger hat die Schwierigkeiten der uninformierten [X.] als Grundversorgerin, herauszufinden, wer Entnehmer und damit ihr Vertragspartner ist, bewusst ausgenutzt. Aus Sicht der [X.] kamen als Kunden alle diejenigen in Betracht, die das Objekt nutzen und demzufolge Strom - über den einzigen Zähler des Anwesens - entnehmen. Als potentielle Kunden kamen neben dem Kläger in Betracht dessen in dem Anwesen wohnende Ehefrau als vormalige Grundstückseigentümerin, die Firma [X.] als Grundstückseigentümerin während der Bezugszeit oder eines der sonst in dem Anwesen ansässigen Unternehmen des [X.].

37

Seine Überzeugung, dass der Kläger die ihm obliegenden Mitteilungspflichten gegenüber der [X.] nicht etwa versehentlich, sondern mit direktem Schädigungsvorsatz verletzt hat, leitet der [X.] aus dem Gesamtverhalten des [X.] ab, wie es sich ausweislich des [X.] im vorliegenden Verfahren sowie in dem Verfahren vor dem Amtsgericht [X.], [X.]. 5 [X.] 977/11, darstellt:

38

Unstreitig hat die Beklagte den Kläger mehrmals aufgefordert, mitzuteilen, wer am streitgegenständlichen Objekt Strom entnimmt; diese Aufforderungen hat der Kläger nie beantwortet. Vielmehr hat sich der Kläger mit Schreiben vom 09.03.2012 (Anlage [X.]) dagegen verwahrt, dass ihm die Jahresabrechnung 2011 übersandt wurde und er als Kunde geführt wird. Anstatt entsprechend seiner Verpflichtung der [X.], wenn schon nicht zu Beginn des [X.], wenigstens jetzt mitzuteilen, wer Kunde im Rahmen der Grundversorgung ist (z.B. die von ihm gesetzlich vertretene Grundstückseigentümerin, die Fa. [X.]), zieht er sich dreist auf die Position zurück, weder Kunde noch Eigentümer des Objekts zu sein; er bezeichnet es als völlig unverständlich, wie die Beklagte diese Tatsache ignoriere. Zur Aufklärung hat der Kläger auch im vorliegenden Rechtsstreit nicht beigetragen; er zieht sich wiederum auf die formale Position zurück, selbst nicht Kunde und auch nicht Eigentümer des Objekts zu sein.

39

Nach Überzeugung des [X.]s steht der Kläger bei der gebotenen Gesamtschau jedenfalls in einem derartigen Näheverhältnis zu dem Entnehmer, dass er verpflichtet war, der [X.] mitzuteilen, wer [X.] ist. Er ist der tatsächlich wirtschaftlich Handelnde, derjenige, der "die Fäden in der Hand hält". Das besondere Näheverhältnis des [X.] zum [X.] und die [X.]keit seines Handelns ergeben sich im Einzelnen aus folgenden Umständen:

40

(1)

41

Die Beklagte hat das Anwesen ab dem 01.08.2008 im Rahmen der Grundversorgung nach StromGVV mit Strom versorgt. Zuvor hatte hinsichtlich des Anwesens ein Stromlieferungsvertrag mit ... Strom bestanden. Es konnte im Prozess nicht geklärt werden, mit wem dieser Stromlieferungsvertrag bestand und wann und von wem er gekündigt wurde. Die Zeugin [X.]. H. hat im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Einvernahme durch das [X.] am 02.10.2012 hierzu ausgeführt, dass ... Strom ihr gegenüber - im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Stromlieferung im Rahmen der Grundversorgung am 01.08.2010 - als [X.] den Kläger persönlich gemeldet habe. Der Kläger hingegen hat vorgetragen, dass das Vertragsverhältnis mit der Firma ... Strom bereits mit Schreiben seiner Ehefrau vom 10.10.2008 gekündigt worden sei. Da beide Parteien ihren Vortrag nicht durch schriftliche Unterlagen belegen konnten, bleibt offen, ob der Kläger entsprechend der Behauptung der [X.] tatsächlich bis unmittelbar vor Beginn der Grundversorgung Vertragspartner der vorherigen Stromlieferantin war.

42

(2)

43

Nach Beendigung der Grundversorgung, ab dem 08.06.2012, bestand unstreitig hinsichtlich des Anwesens ein Stromversorgungsvertrag zwischen der [X.] und der Firma [X.] [X.]onsulting. Als Ansprechpartner ist gemäß der Auftragseingangsbestätigung der Kläger persönlich benannt (Anlage [X.]). Die Zeugin H. hat bestätigt, dass sich der Kläger persönlich nach Trennung der Anlage durch die Beklagte vom Netz bei der [X.] gemeldet und mitgeteilt habe, "welche Firma für die Stromentnahme dort zuständig" sei.

44

Hieraus lässt sich ersehen, dass sich der Kläger persönlich nach Beendigung des Grundversorgungsverhältnisses um den [X.] gekümmert hat und dass er nicht die Eigentümerin des Grundstücks, sondern eine andere seiner Firmen als Kundin benannt hat.

45

(3)

46

Eigentümer des Grundstücks war zunächst die Ehefrau des [X.] Dr. [X.] [X.]. Gemäß Zuschlagsbeschluss vom 26.08.2008 erwarb die [X.], Zweigniederlassung [X.], das Eigentum an dem Anwesen. Mit Beschluss des [X.] - Vollstreckungsgericht - wurde das Grundstück nach § 94 [X.] in gerichtliche Verwaltung genommen (Anlage [X.]). Gesetzlicher Vertreter der [X.], Zweigniederlassung [X.], war bis 18.06.2013, also während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums, der Kläger. Der Kläger hat, obwohl ihm die Umstände bekannt sein mussten, weder zur Dauer der Zwangsverwaltung noch dazu vorgetragen, wer während der [X.] Stromlieferant und wer Abnehmer war.

47

Hieraus lässt sich ersehen, dass der Kläger nicht nur gezielt verschwiegen hat, wer [X.] im Rahmen der Grundversorgung ist, sondern dass er auch sein Wissen nicht offenbart, wer zuvor Stromlieferant und Entnehmer war.

48

(4)

49

Unter der streitgegenständlichen Anschrift sind bzw. waren in dem streitgegenständlichen Zeitraum folgende Firmen gemeldet, deren gesetzlicher Vertreter der Kläger ist bzw. war:

50

- [X.], Zweigniederlassung, Anmeldung am [X.], Abmeldung 31.12.2011; gesetzlicher Vertreter: Kläger (Anlage [X.])

51

- [X.] [X.]onsulting [X.] & Associates Limited, Zweigniederlassung, Anmeldung am 10.09.2007; gesetzlicher Vertreter: Kläger (Anlage [X.])

52

- [X.], Hauptniederlassung; Anmeldung am 1.12.1992, Abmeldung am 31.12.2011; geschäftsführende Gesellschafter: [X.] und Kläger (Anlage [X.])

53

- KX ...-GmbH, Hauptniederlassung; Anmeldung am 1.4.1996; gesetzlicher Vertreter: Kläger (Anlage [X.]); durch Beschluss vom 04.09.2007 Insolvenzeröffnung abgelehnt, Gesellschaft aufgelöst; Liquidator: Kläger (Anlage B 8)

54

- [X.], Zweigniederlassung; Anmeldung am 23.08.2007; gesetzlicher Vertreter: Kläger (Anlage [X.])

55

- [X.], ... Einzelunternehmen; erste Meldung 1.1.1991 (Anlage [X.])

56

Hinsichtlich der in dem Anwesen gemeldeten Firmen [X.] und [X.], Einzelunternehmen, kann offen bleiben, ob diese Firmen in dem relevanten Zeitraum tatsächlich eine Geschäftstätigkeit entfaltet haben; insoweit hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2012 ([X.]) angegeben, dass beide Firmen in dem Zeitraum ab 01.08.2010 keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltet hätten. Aus der beigezogenen Akte des Amtsgerichts [X.] kann ergänzend entnommen werden, dass mit der [X.] in dem streitgegenständlichen Anwesen eine weitere Gesellschaft eine Zweigniederlassung hatte, deren gesetzlicher Vertreter der Kläger war (vgl. AG [X.] [X.]. 5 [X.] 977/11, [X.]. 73 d.A.). Hauptsitz der [X.], [X.], [X.] [X.]onsulting [X.] & Associates Limited und [X.] ist jeweils ..., [X.], ...

57

Hieraus lässt sich ersehen, dass der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum von dem Anwesen in [X.] aus erhebliche geschäftliche Aktivitäten betrieben hat. Dennoch hat er zur konkreten Nutzung des Objekts keinerlei Angaben gemacht; er offenbart auch insoweit sein Wissen nicht. [X.] steht, dass eines seiner Unternehmen Eigentümerin des Objektes ist; fest steht auch, dass sich ein weiteres seiner Unternehmen als neue [X.]in gemeldet hat.

58

(5)

59

Ungeklärt bleibt, wo der Kläger tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt hat. Nähere Angaben hierzu hat der Kläger nicht gemacht. Seine Behauptung, dass er seinen Wohnsitz nicht mehr in dem Anwesen, sondern vielmehr in [X.] habe, erscheint fragwürdig. Die vom Kläger vorgelegte Abmeldebestätigung der Stadt [X.] vom 11.12.2007 mit Auszugsdatum 15.12.2007 (Anlage [X.]), belegt nicht, dass der Kläger tatsächlich seinen Wohnsitz verlegt hat. Vielmehr bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in dem streitgegenständlichen Anwesen - zumindest zeitweise - aufhält und gegen seine Behauptung eines Wohnsitzes in [X.].

60

Nach einem von der [X.] vorgelegten Rückschein hat der Kläger am 21.05.2012 für seine Ehefrau in dem streitgegenständlichen Anwesen eine Sendung entgegengenommen und den Empfang bestätigt (Anlage [X.] a). Nach der von der [X.] vorgelegten Meldeauskunft der Gemeinde [X.] vom 30.10.2012 hat der Kläger unter der Anschrift [X.], [X.], lediglich einen Nebenwohnsitz (Anlage B, vorgelegt zu [X.]. 53 ff.). Die Ladung des [X.] zu der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2012 im streitgegenständlichen Verfahren, die an die Anschrift [X.], [X.], versandt wurde, kam mit dem Vermerk "verzogen" zurück (vgl. Anlage zu [X.]. 18 d.A).

61

Aus der beigezogenen Akte des Amtsgerichts [X.] (5 [X.] 977/11) ergibt sich, dass mehrfach [X.], die an den Kläger mit [X.] an die [X.] Anschrift versandt worden war, zurückkam. Bis zum 28.12.2011 bestand ein Nachsendeauftrag an "[X.]. X, [X.]. ..., [X.]"; die dort niedergelegte [X.]sendung wurde nicht abgeholt. Mit Schreiben vom 04.12.2011 gab Frau [X.]. X, Tochter des [X.], eine weitere [X.]sendung in dem Verfahren des Amtsgerichts [X.], mit der ihr unmittelbar das gegen den Kläger ergangene Versäumnisurteil zugestellt werden sollte, zurück mit dem Bemerken: "beiliegendes Schreiben an [X.] kann über [X.] nicht zugestellt werden. Ich sende daher das Schreiben zu meiner Entlastung zurück." Ein weiterer Zustellungsversuch unter der [X.]n Anschrift (Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 22.12.2011 gemäß Anschreiben vom 17.01.2012) kam mit dem Vermerk "Nachsendung bis 15.04.2012 c/o [X.]. X, [X.]. ..., [X.]" zurück.

62

Hieraus lässt sich ersehen, dass der Kläger nicht nur seine tatsächlichen Wohnverhältnisse verschweigt, sondern darüber hinaus gezielt versucht, [X.] an sich zu unterlaufen.

63

(6)

64

Die Zeugin [X.]. H. hat im Rahmen ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 02.10.2012 glaubwürdig ausgesagt, dass im März 2012 ein Termin wegen der Anlagenüberprüfung vor Ort mit dem Gerichtsvollzieher und einem der Außendienstmitarbeiter stattgefunden habe. Dort sei Frau Dr. [X.] angetroffen worden, die in diesem Objekt wohne. Diese habe gesagt, dass sie im Auftrag ihres Ehemanns niemanden aufs Anwesen lassen dürfe. Der Gerichtsvollzieher habe dann mittels Polizei und Schlosser die Anlage geöffnet und den Zählerstand und die Zählernummer festgestellt, woraufhin die Rechnung erstellt worden sei. Es seien an den Kläger und seine Ehefrau Anfragen geschickt worden, wer für diesen Zähler verantwortlich sei. Sie hätten keine Antwort erhalten.

65

Hieraus lässt sich ersehen, dass - auch nach Angaben seiner Ehefrau - der Kläger in dem Objekt das Sagen hat und dass er versucht hat, durch Hinweis auf sein Hausrecht, ein Betreten des Objekts und eine [X.]stellung des Zählerstands zu verhindern.

66

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Verhalten des [X.] nach Überzeugung des [X.]s darauf ausgerichtet war, der [X.] gerade nicht mitzuteilen, wer [X.] und damit Vertragspartner der [X.] ist. Sein Verhalten war auch darauf ausgerichtet, der [X.] die Durchsetzung ihrer berechtigen Ansprüche in jeder erdenklichen Hinsicht zu erschweren bzw. unmöglich zu machen. Wäre der Kläger seinen Mitteilungspflichten zu Beginn des Grundversorgungszeitraums, spätestens aber nach Erhalt der Rechnung vom März 2011, nachgekommen, hätte die Beklagte prüfen können, zu welchen Bedingungen sie die Grundversorgung erbringt, zum Beispiel ob und in welcher Höhe sie Vorauszahlungen verlangt. Gerade im Hinblick darauf, dass Eigentümerin ein Unternehmen mit beschränkter Haftung mit Sitz in [X.] ist, wäre die Forderung von Vorauszahlungen naheliegend gewesen. Erst recht hätte sich dies in Bezug auf die Person des [X.] aufgedrängt. Seiner Behauptung zufolge hatte er einen Wohnsitz in [X.]. [X.] konnte ihm dort aber nicht zugestellt werden. Es existierte vielmehr ein Nachsendeauftrag, wonach die [X.] an seine Tochter im Anwesen in [X.] übermittelt werden sollte. Auch die Zustellung per Nachsendeauftrag scheiterte jedoch wegen fehlender Annahmebereitschaft seiner Tochter.

67

Der Kläger ist daher verpflichtet, im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 826 [X.] die für den genannten Zeitraum entstandenen Stromkosten der [X.] zu erstatten.

68

Die Zinsen waren jedenfalls ab 17.08.2012 zuzusprechen, den Zugang einer früheren Rechnung als der vom 02.08.2012 hat die Beklagte nicht dargelegt.

IV.

69

1.

70

[X.] beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO.

71

2.

72

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

73

3.

74

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da Gegenstand der Entscheidung ein konkreter Einzelfall ist, der keine grundsätzliche Bedeutung hat. Der [X.] hat vorliegend unter Würdigung der hier vorliegenden besonderen Umstände eine Einzelfallentscheidung getroffen. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des [X.]. Dem Antrag des [X.] auf Zulassung der Revision war daher nicht stattzugeben.

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2 U 2401/12

23.05.2014

OLG Nürnberg 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: OLG Nürnberg, Urteil vom 23.05.2014, Az. 2 U 2401/12 (REWIS RS 2014, 5289)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5289

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