Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.10.2010, Az. 27 W (pat) 60/05

27. Senat | REWIS RS 2010, 2233

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Steckverbinder (international registrierte dreidimensionale Marke)" – kein Freihaltungsbedürfnis aber keine Unterscheidungskraft – Verkehrsdurchsetzung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die [X.] 798 106

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 19. Oktober 2010 durch [X.] [X.], [X.] und Richterin am Landgericht Werner

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 1. Februar 2005 wird aufgehoben.

Gründe

I

1

Die Markenstelle hat mit dem im Tenor genannten Beschluss der international für „[X.], connecteurs électriques, connecteurs pour fibres optiques“ am 18. Februar 2003 registrierten dreidimensionalen [X.] 798 106

Abbildung

2

nach Art. 6

3

Für eine Verkehrsdurchsetzung reichten die vorgelegten Unterlagen nicht aus.

4

Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 10. Februar 2005 zugestellt.

5

Dagegen richtet sich die Beschwerde, zu deren Begründung die [X.]ninhaberin ausführt, die Marke sei originär schutzfähig, weil die Grifffläche ihrer Waren, die sich ausschließlich an die Industrie richteten, das charakteristische „Schokoladenmuster“ aufweise, das nicht technisch bedingt sei. Nur [X.] würden die beanspruchten Stecker verwenden, z. B. an [X.], im [X.], in [X.] oder an Medizingeräten. Durchschnittsverbraucher kämen damit nicht in Berührung.

6

Mit der eidesstattlichen Versicherung ihres geschäftsführenden Gesellschafters hat die [X.]ninhaberin vorgetragen, unter der Marke würden jährlich in einem Umsatz von … bis [X.] Steckverbinder vertrieben. Der Gesamtmarkt liege bei [X.]; sie sei Marktführer. Hauptabnehmer für die hochwertigen Stecker seien die großen Automobilhersteller, Rundfunkanstalten und Universitätsinstitute.

7

Im [X.] 8 wurden 50 Schreiben von Firmen aus dem [X.] vorgelegt, die bestätigen, die Produkte der [X.]ninhaberin am Griffflächen-Design „Schokoladenmuster“ zu erkennen.

8

Im [X.] 9 hat die [X.]ninhaberin 25 Kataloge etc. der Konkurrenten vorgelegt und darauf hingewiesen, dass deren Produkte keine vergleichbaren Riffelungen aufwiesen.

9

Mit Schriftsatz vom 23. August 2010 hat sie eine Liste der Unternehmen vorgelegt, die überhaupt Bedarf an entsprechenden Hochleistungssteckverbindern hätten.

Die Inhaberin der [X.] beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 vom 1. Februar 2005 aufzuheben und dem Antrag auf der Basis des folgenden eingeschränkten Warenverzeichnis stattzugeben:

elektro-mechanische Steckverbindunger mit einer Push-Pull-Verriegelung als Hochtemperatur-Bauteile für einen [X.] von 250° C bis 2.500° C,

elektro-mechanische Steckverbindunger mit einer Push-Pull-Verriegelung als Hochspannungs-Bauteile für Hochspannungen bis 50 kV,

glasfiber-optische Steckverbinder mit einer Push-Pull-Verriegelung als mehrpolige Steckverbindungen für [X.] im Frequenzbereich bis 340 MHz,

glasfiber-optische Steckverbinder mit einer Push-Pull-Verriegelung als [X.] mit Hybridanordnung und Glasfaserferrulen für feinste Glasfasern mit einem Durchmesser von 125 μm.

II

1.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache nach Beschränkung des [X.] auf Steckverbinder, für die nur ein kleiner bestimmbarer Kreis an Abnehmern in Frage kommt, auf Grund von Verkehrsdurchsetzung Erfolg.

Die Marke ist nicht deshalb vom Markenschutz ausgeschlossen, weil sie ausschließlich aus einer Form besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Die auf dem einschlägigen Warensektor bestehende Formenvielfalt zeigt, dass die beanspruchte Form nicht das Ergebnis technischer Notwendigkeiten ist.

2.

Mit der Markenstelle geht der Senat davon aus, dass dem angemeldeten Zeichen von Haus aus die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) fehlt. Die von der Markenstelle dazu angeführte Begründung muss hier nicht wiederholt werden.

Ein Freihaltungsbedürfnis im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] besteht hingegen nicht, da nicht ersichtlich ist, warum Konkurrenten gerade auf eine Riffelung, die einer Schokoladetafel gleicht, angewiesen sein sollten. Der mögliche Formenschatz erfährt durch den Schutz des angemeldeten Zeichens keine die Allgemeinheit beeinträchtigende Beschränkung. Die Möglichkeiten, die Produktgestaltung zu variieren, sind nicht beschränkt, was dafür sprechen würde, jede mögliche Form im Interesse der Allgemeinheit freizuhalten ([X.], 502, 505 - Gabelstapler II; [X.], 329, 331 - Käse in Blütenform). Bei der beanspruchten Form handelt es sich auch nicht um eine beliebige Kombination üblicher Gestaltungselemente. Da auf dem [X.] eine nahezu unübersehbar große Zahl von Gestaltungsmöglichkeiten besteht, ist nicht von einem überwiegenden Interesse der Allgemeinheit an der Freihaltung der beanspruchten Form auszugehen ([X.]. 2008, 65 - Rado-Uhr III).

3.

Das zunächst bestehende Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft ist dadurch überwunden worden, dass sich die Marke als Hinweis auf die Herkunft der von der [X.]ninhaberin vertriebenen Steckverbinder durchgesetzt hat (§ 8 Abs. 3 [X.]).

Dies kann aufgrund einer Gesamtschau der Gesichtspunkte festgestellt werden, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, die in Rede stehende Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware damit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden ([X.] GRUR 1999, 723 [X.]. 54 - [X.]). Es ist dem nationalen Verfahrensrecht überlassen, welche Erkenntnisse in welchem Umfang zur Bewertung der Verkehrsgeltung im Einzelfall herangezogen und bewertet werden (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, 727 [X.]. 53 - [X.]; [X.], 804, 808 [X.]. 65 - [X.]). Dazu gehören u. a. alle Maßnahmen, eine Bezeichnung auf dem Markt zur Geltung zu bringen, der Marktanteil, die mit der Marke erzielten Umsätze, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Bezeichnung, der Werbeaufwand dafür usw. (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, 727 [X.]. 54 - [X.], [X.], 760 - Lotto).

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen geht der Senat davon aus, dass sich die Riffelung im [X.] als Hinweis auf die Herkunft der Steckverbinder aus dem Unternehmen der Beschwerdeführerin entwickelt hat. Dies gilt seit dem Eintragungszeitpunkt.

Die zu berücksichtigenden Marktteilnehmer bestimmen sich nach den beanspruchten Waren und deren üblicher bestimmungsgemäßer Verwendung. Nach Einschränkung des [X.] kommen als Abnehmer nur die Angehörigen eines überschaubaren Kreises in Betracht. Dazu gehören ausschließlich hochspezialisierte Anwender einer hochentwickelten Technik mit sehr hohen Anforderungen an die Funktionalität der Steckverbinder. Nachdem die Anmelderin bereits vor Beschränkung des [X.] Stellungnahmen von 50 Betrieben aus diesem Kreis vorgelegt hat, die bestätigen, die angemeldete Form der Anmelderin kennzeichnend zuzuordnen, war es nicht notwendig, innerhalb der mit Schriftsatz vom 23. August 2010 benannten Unternehmen, die den [X.] bilden, eine beschränkte Verbraucherbefragung durchzuführen, zumal die Beschwerdeführerin durch eidesstattliche Versicherung einen hohen Marktanteil belegt hat.

4.

Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr besteht kein Anlass, da die Beschränkung des [X.] erst im Beschwerdeverfahren erfolgt ist.

Meta

27 W (pat) 60/05

19.10.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.10.2010, Az. 27 W (pat) 60/05 (REWIS RS 2010, 2233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2233

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

30 W (pat) 537/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "MC4 (IR-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


27 W (pat) 232/09 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Steckverbinder (dreidimensionale Darstellung)" – erhebliche Abweichung von der üblichen Gestaltungsform - …


30 W (pat) 536/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "MC3 (IR-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


30 W (pat) 506/18 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "FLAT TUMMY TEA (IR-Marke)" – fehlende Unterscheidungskraft – keine Verkehrsdurchsetzung


33 W (pat) 540/12 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "SUNSYS (IR-Marke)" – keine Unterscheidungskraft – keine Verkehrsdurchsetzung


Referenzen
Wird zitiert von

27 W (pat) 154/10

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.