Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.07.2010, Az. 27 W (pat) 232/09

27. Senat | REWIS RS 2010, 4410

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Steckverbinder (dreidimensionale Darstellung)" – erhebliche Abweichung von der üblichen Gestaltungsform - kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 30 2008 048 664.3

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juli 2010 durch [X.] [X.] und [X.] und Kruppa

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 vom 24. Juli 2009 wird aufgehoben, soweit die Markenstelle die Anmeldung für die Waren

zurückgewiesen hat.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 vom 24. Juli 2009 die Anmeldung der Darstellung

Abbildung

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als dreidimensionale Marke für die Waren und Dienstleistungen

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4

nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] als nicht unterscheidungskräftige Angabe mit der Begründung zurückgewiesen, der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher werde der angemeldeten Warenabbildung, nämlich der dreidimensionalen Darstellung eines Steckverbinders, für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen keinen Herkunftshinweis entnehmen; denn wegen der auf dem beanspruchten Warensektor herrschenden nahezu unerschöpflichen Formenvielfalt, wie sie den dem Beschluss beigefügten Anlagen entnommen werden könnten, und der bestehenden Kennzeichnungsgewohnheiten werde der Verkehr davon ausgehen, dass die Ware aus funktionellen oder ästhetischen Gründen die gewählte Form aufweise. Die angemeldete Ware weiche auch nicht erheblich von der branchenüblichen Norm ab. Die schwalbenschwanzförmigen Anschlussbereiche (vgl. z.B. Anlage Jack-plus-socket-switch), die Einkerbungen (vgl. z. B. [X.]) sowie die asymetrische Form des [X.] (z. B. Reisestecker, [X.]) seien vielmehr bekannte Gestaltungselemente im Bereich der beanspruchten Waren.

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Mit ihrer nicht begründeten Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die [X.] sei schutzfähig, weil die angemeldete Warenform für den angesprochenen Fachverkehr erkennbar aus ungewöhnlichen, von ihm nicht erwarteten Gestaltungselementen bestünde, welche nicht technisch bedingt seien.

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Die Anmelderin beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 vom 24. Juli 2009 aufzuheben.

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In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft. Dabei hat sie das Warenverzeichnis wie folgt eingeschränkt:

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II.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat nach der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Einschränkung des [X.] Erfolg. Nach dieser Einschränkung kann nicht mehr festgestellt werden, dass die angemeldete dreidimensionale Form für die beanspruchten Waren wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] oder wegen Bestehens eines [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen ist.

1. Die angemeldete Kennzeichnung ist - was, auch wenn die Markenstelle hierzu keine Ausführungen gemacht hat, vorrangig zu prüfen ist - nicht schon nach § 3 Abs. 2 [X.] vom Markenschutz ausgenommen. Zwar gibt sie einen Steckverbinder wieder, wobei ein Großteil der dargestellten Formteile, wie insbesondere die der Aufnahme von Zuleitungen dienenden Anschlüsse, rein technisch bedingt ist. Allerdings kann eine solche ausschließlich technische Funktion nicht allen Teilen zugewiesen werden. Hieran fehlt es nämlich bei der nasenförmigen Gestaltung der Seitenteile und bei der [X.] schmalen Verlängerung des [X.], bei dem lediglich die der Aufnahme eines Zuleitungskabels dienende Vertiefung eine technische Funktion innehat. Auch die im oberen Bereich zugefügten schmetterlingsflügelartigen Formteile dienen keiner technischen Aufgabe; soweit die Markenstelle gemeint hat, hierbei handele es sich um schwalbenschwanzförmigen Anschlussbereiche, vermag der Senat eine Vergleichbarkeit mit den vorhandenen Anschlussformen nicht zu entnehmen, zumal die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt hat, dass sich mittels dieser Gestaltungsteile an der ganz konkreten Stelle eine dauerhafte Verbindung mit einem Gegenstück des Steckers nicht herstellen lässt, sondern sie allein ein bloßes Designelement darstellt. Schließlich kann auch mit dem im obersten Bereich des Steckers aufgesetzten horizontalen Steg keine technische Funktion verbunden werden. Wegen der vorgenannten, ausschließlichen Designzwecken dienenden Formteilen kommt die angemeldete dreidimensionale Form somit abstrakt als Marke in Betracht.

2. Die angemeldete dreidimensionale Form ist nicht bereits wegen eines möglichen [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vom Schutz ausgenommen. Denn die nicht-technisch bedingten Bestandteile der angemeldeten Formmarke enthalten keine (technischen) Merkmale (einschließlich ihres möglichen Einsatzzweckes) der beanspruchten Waren und können diese damit nicht beschreiben. Damit lässt sich nicht feststellen, dass die angemeldete Formmarke ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestünde, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können und für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände angeben (vgl. hierzu [X.], 1093, 1094 – [X.]; [X.], 211, 232 – [X.]), die hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. [X.], 417, 419 – [X.]). Eine Schutzversagung kann damit nicht mit dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel begründet werden, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden können (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 – [X.]; [X.], 680, 681 Rn. 35, 36 – BIOMILD).

3. Für die nach der Einschränkung des [X.] noch beanspruchten Fachwaren kann der angemeldeten dreidimensionalen Form auch nicht die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] erforderliche (konkrete) Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.], welche nach Art. 234 EGV, Art. 101 [X.] für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der [X.] zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ([X.]. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen Normen dem [X.] als [X.] vorbehalten ist, ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – [X.]/[X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 23] - [X.]. 2; [X.], 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. [X.] [X.], 943, 944 [Rz. 26] - [X.]. 2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] - [X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 24] – [X.]. 2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - [X.]/[X.]; [X.] 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; [X.] 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit).

b) Bei dreidimensionalen Formen ist die danach für eine Schutzfähigkeit erforderliche Eignung als Unterscheidungsmittel nach der Rechtsprechung des [X.] nur dann zu bejahen, wenn die angemeldete Form, welche die beanspruchten Waren oder ihre Verpackung wiedergibt, erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit für die abgebildete Warenform oder -verpackung abweicht (vgl. [X.] [X.] 2004, 224, 229 [Rz. 39] - [X.]; [X.] 2004, 231, 236 [Rz 37] - Quadratische [X.]; [X.] 2005, 102, 107 [Rz. 57] - Bonbonverpackung; [X.] 2006, 19, 21 [Rz. 31] - Standbeutel; [X.] 2006, 322, 325 [Rz. 26] - [X.] [Form eines Bonbons]; [X.] 2006, 329, 331 [Rz. 28] - [X.] [Darstellung eines Bonbons]; [X.] [X.] 2007, 475 - Develey-Flasche).

c) Eine solche erhebliche Abweichung von der üblichen Gestaltungsform ist der streitgegenständlichen Formmarke infolge der bereits eingangs geschilderten nicht-technischen Gestaltungselemente zuzubilligen.

Dabei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass die [X.] nach der Einschränkung des [X.] nur noch für spezielle Steckverbinder beansprucht wird, die sich allein an einen Fachverkehr richten; denn die nur noch im eingeschränkten Warenverzeichnis erfassten [X.] dürfen dem allgemeinen Handel nicht zugänglich gemacht werden und werden zudem nur in einem ausschließlich industriellen Marktsegment - was sich aus der Angabe ihres speziellen Einsatzgebietes, auch wenn hierdurch eine weitere Einschränkung des [X.] nicht bewirkt wird (vgl. [X.] [X.], 674, 679 [Rz. 114 f.] - Postkantoor), ergibt - vertrieben. Das mit diesen hochspezialisierten Waren konfrontierte Fachpublikum, das insbesondere aus in der Industrie tätigen Facheinkäufern besteht, ist aber daran gewöhnt, den Unterschied zwischen den rein technisch bedingten Formteilen und solchen ausschließlich der schnellen Herstellerorientierung dienenden Designbestandteilen ohne Mühe zu erkennen und damit gleichzeitig die Herkunft der einzelnen Spezialwaren aus einem bestimmten Unternehmen anhand letzterer zu identifizieren. Damit vermag das angesprochene Fachpublikum bereits solchen ihm ins Auge fallenden Gestaltungsmerkmalen einen Herkunftshinweis zu entnehmen, welche als nicht-technisch bedingte Formbestandteile einem allgemeinen Publikum erst gar nicht auffallen würden. Aus diesem Grund ist die für einen Schutz der Formmarke erforderliche Erheblichkeitsschwelle bei solchen Spezialwaren niedriger anzusetzen als bei sich an das allgemeine Publikum richtenden Produkten. Dass die hierdurch gegebene Erleichterung bei der Erlangung eines Markenschutzes mit einer gegenüber allgemeinen Waren einhergehenden deutlichen Einschränkung des Schutzumfangs der angemeldeten Formmarke - die sich in der Regel auf deren sog. „Eigenprägung“ beschränkt - verbunden ist, weil das Fachpublikum zugleich auch die Abweichungen der Gestaltungsteile bei konkurrierenden Produkten sehr viel leichter erkennt als das allgemeine Publikum und damit die mit der streitgegenständlichen Formmarke gekennzeichneten Produkte sehr viel müheloser von konkurrierenden Produkten mit ähnlicher Grundform, aber abweichenden herkunftshinweisenden Bestandteilen unterscheiden kann, ist dabei seitens der Anmelderin hinzunehmen.

4. Da die von der Markenstelle - aus ihrer Sicht noch zutreffende - Versagung des Schutzes der angemeldeten Formmarke nach der vorgenommenen Einschränkung des [X.] nicht mehr mit der Begründung eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aufrechterhalten werden kann, war auf die Beschwerde der Anmelderin der Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Meta

27 W (pat) 232/09

27.07.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.07.2010, Az. 27 W (pat) 232/09 (REWIS RS 2010, 4410)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4410

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

29 W (pat) 505/13

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