Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2004, Az. XI ZR 211/03

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1024

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 26. Oktober 2004 [X.], [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

BGB § 826 [X.]

Zum Vorsatz des Geschäftsführers einer [X.] ohne ausreichende Risikoaufklärung vermittelnden GmbH, Kapitalanleger in sittenwidriger Weise zu schädigen.

[X.], Urteil vom 26. Oktober 2004 - [X.] - OLG Hamm

LG Hagen - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 26. Oktober 2004 durch [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des [X.] vom 7. Mai 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an den 31. Zivilsenat des [X.] zurückver-wiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten im Urkundenprozeß auf Scha-densersatz für Verluste aus Terminoptionsgeschäften an [X.] Börsen in Anspruch.

Der Beklagte ist Mitgeschäftsführer einer GmbH, die [X.] vermittelt. Die Klägerin, eine Zahntechnikerin, - 3 - schloß mit der GmbH am 31. März 1994 einen [X.] und Betreuungsvertrag. Dieser enthielt eine Risikoaufklärung, die die Kläge-rin gesondert unterschrieb. Ferner erhielt sie die Broschüre "Grundlagen des Terminhandels". Bis zum 23. Juni 1994 zahlte die Klägerin der GmbH 90.000 DM, die an einen [X.] Broker weitergeleitet und für [X.] verwandt werden sollten. Hierbei hatte die Klä-gerin außer der Optionsprämie Gebühren der GmbH von bis zu 37,5% der Prämie und Kommissionen des Brokers in Höhe von 90 US-Dollar je Geschäft zu entrichten. Die [X.] endeten insgesamt verlust-reich.

Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe sie nicht ausrei-chend über die Risiken der Geschäfte aufgeklärt und durch den Abschluß einer Vielzahl von Geschäften Gebühren geschunden ("churning"). Der Beklagte behauptet, der Broker habe der Klägerin per Scheck 4.044,58 US-Dollar zurückgezahlt, und erhebt die Einrede der [X.].

Die Klage auf Zahlung von 90.000 DM nebst Zinsen ist in den [X.] erfolglos geblieben. Nachdem der erkennende Senat das Be-rufungsurteil aufgehoben hat ([X.], 1445 ff.), hat das Berufungsge-richt die Berufung erneut zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelasse-nen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

- 4 - Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefoch-tenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.

[X.]

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Ein vorsätzliches Handeln des Beklagten im Sinne des § 826 BGB sei nicht feststellbar. Aufgrund der Entscheidung, mit der der Senat das erste Berufungsurteil aufgehoben hat, sei zwar davon auszugehen, daß die Klägerin nicht ausreichend aufgeklärt worden sei, weil in dem schrift-lichen Aufklärungsmaterial der Hinweis fehle, daß der Aufschlag auf die Optionsprämie vor allem Anleger, die - wie die Klägerin - mehrere ver-schiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos mache. Dieser Hinweis sei jedoch erstmals im Ur-teil des [X.] vom 16. November 1993 ([X.] ZR 214/92, [X.], 149 ff.) gefordert worden, das unmittelbar vor Abschluß des Vertrages mit der Klägerin veröffentlicht worden sei. Der Beklagte habe hierzu un-widersprochen vorgetragen, die GmbH habe einen Rechtsanwalt [X.], die Aufklärungsbroschüre jeweils auf den neuesten Stand der Rechtsprechung zu bringen. Man könne darüber streiten, ob die seit Juli 1994 verwendete Neufassung der Broschüre den Anforderungen des Ur-teils des [X.] vom 16. November 1993 genüge. Jedenfalls könne dem - 5 - Geschäftsführer einer Options-Vermittlungs-GmbH nicht der Vorwurf [X.] vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemacht werden, wenn er einen Rechtsanwalt beauftragt habe, die Aufklärung den Anforderungen der Rechtsprechung anzupassen.

I[X.]

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Auffassung des [X.], ein vorsätzliches Handeln des Beklagten sei nicht feststellbar, unterliegt als Ergebnis tatrichterli-cher Würdigung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur einer einge-schränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Dieses kann ledig-lich prüfen, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Ver-stoß gegen Denk- oder Erfahrungssätze gewürdigt worden ist ([X.], Ur-teile vom 9. Juli 1999 - [X.], [X.], 1889, 1890 und vom 13. Juli 2004 - [X.], [X.], 1768, 1770; jeweils m.w.Nachw.). Solche Rechtsfehler liegen hier, wie die Revision zu Recht rügt, vor.

1. Bereits der rechtliche Ausgangspunkt des [X.] ist fehlerhaft. Dieses ist zu Unrecht davon ausgegangen, der Hinweis, daß Erwerber mehrerer verschiedener Optionen aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos seien, sei erstmals in dem Urteil des [X.] vom 16. November 1993 ([X.]Z 124, 151, 155 f. = [X.], 149, 150) gefordert worden. Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat, vom Berufungsgericht übersehen, schon in einem Urteil vom - 6 - 11. Januar 1988 ([X.], [X.], 291, 293) entschieden, daß Anleger darüber aufzuklären sind, daß der [X.] auf die Optionsprämie eine Gewinnerwartung praktisch ausgrenzt. Diese Aufklä-rung, die mit dem vom Senat geforderten Hinweis auf die praktische [X.]hancenlosigkeit des Anlegers inhaltlich gleichbedeutend ist, fehlt in dem der Klägerin ausgehändigten Informationsmaterial. Dieses erweckt vielmehr, wie der Senat in seinem ersten Revisionsurteil im einzelnen ausgeführt hat, durch zahlreiche Formulierungen den falschen Eindruck realistischer Gewinnchancen. Auch angesichts dieser irreführenden [X.] kann der Vorsatz des Beklagten nicht mit der Begründung ver-neint werden, er habe die Erforderlichkeit des Hinweises auf die prakti-sche [X.]hancenlosigkeit bei Abschluß des Vertrages mit der Klägerin noch nicht kennen können.

2. Auch die Würdigung der Bemühung des Beklagten, das Informa-tionsmaterial mit Hilfe eines Rechtsanwalts den Anforderungen der Rechtsprechung anzupassen, ist rechtfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat die Ambivalenz dieses Verhaltens verkannt (vgl. hierzu: [X.], Urteil vom 22. Januar 1991 - [X.], NJW 1991, 1894, 1895 f.). Der [X.] muß bei seiner Bemühung nicht das Ziel verfolgt haben, die [X.] sachgerecht aufzuklären. Er könnte ebensogut die Absicht gehabt haben, durch die - unvollständige - Zitierung einschlägiger Gerichtsent-scheidungen, so etwa auf Seite 7 der seit Juli 1994 verwendeten Neu-fassung der [X.] "Kurzgefaßte Einführung in die Grundsätze des Termingeschäfts", Haftungsrisiken zu verringern, ohne die Anleger sachgerecht aufzuklären. Dafür spricht, daß auch diese Neu-fassung, wie der Senat in seinem in anderer Sache gegen den Beklagten ergangenen Urteil vom 21. Oktober 2003 ([X.] ZR 453/02, [X.], 2242, - 7 - 2245 f.) näher ausgeführt hat, nicht klar genug zum Ausdruck bringt, daß der [X.] Erwerber mehrerer verschiedener Optionen aller Wahrscheinlichkeit nach praktisch chancenlos macht.

Hinzu kommt, daß Formulierungen in Entscheidungen des [X.] ohnehin nicht dazu dienen, den Text festzulegen, mit dem unerfahrene Optionsinteressenten ausreichend aufgeklärt werden könnten (Senat, [X.]Z 124, 151, 155), und daß auch ein nach anwaltlicher Beratung fort-bestehender Irrtum über die Reichweite der Aufklärungspflicht vorsätzli-ches Handeln nicht ausschließt (Senat, [X.]Z 124, 151, 163; Urteile vom 17. Mai 1994 - [X.] ZR 144/93, [X.], 1746, 1747 und vom 16. Oktober 2001 - [X.] ZR 25/01, [X.], 2313, 2315).

- 8 - II[X.]

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglich-keit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

[X.] [X.]

Joeres

Wassermann

[X.]

Meta

XI ZR 211/03

26.10.2004

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2004, Az. XI ZR 211/03 (REWIS RS 2004, 1024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1024

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