Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2002, Az. III ZR 201/01

III. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 208

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/01Verkündet am:12. Dezember 2002F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]:ja BGB § 839 Cb, Fe; [X.] § 1Die kommunale Rechtsaufsicht kann Amtspflichten der Aufsichtsbehörde auchgegenüber der zu beaufsichtigenden [X.] als einem geschützten Drittenbegründen. Schutzpflichten der Aufsicht gegenüber der [X.] [X.] bei begünstigenden Maßnahmen bestehen, also solchen, die von [X.] selbst angestrebt werden, etwa bei der Genehmigung eines von [X.] abgeschlossenen Rechtsgeschäfts. Verletzungen dieser Pflichtenkönnen Amts- oder Staatshaftungsansprüche der [X.] gegen die Auf-sichtsbehörde auslösen.[X.], Urteil vom 12. Dezember 2002 - [X.]/01 - [X.] - LG Görlitz- 3 -Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 12. Dezember 2002 durch [X.] [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11. Juli 2001 wird [X.].Der Beklagte hat die Kosten des [X.]es zu tragen.Von Rechts [X.] klagende [X.] ist Rechtsnachfolgerin der inzwischen in sieeingemeindeten ehemaligen [X.] [X.](im folgenden [X.] nur: die Klägerin). Diese beabsichtigte im Jahre 1992 den Neubau einergemeindlichen Sporthalle. Wegen fehlender Eigenmittel entschloß sie sich,den Neubau als [X.] zu realisieren, und zwar [X.] mit der [X.] Diese sollte die Sporthalle auf einem [X.] errichten und langfristig an die [X.] vermieten. Zu diesemZweck erwarb die [X.] mit Vertrag vom 20. Dezember 1996 das Erbbau-recht an dem Baugrundstück und veräußerte es mit Vertrag vom 27. [X.] -1996 für 100 DM an die [X.]weiter. Durch einen weiteren [X.] verpflichtete sich die [X.], die Sporthalle für 3,9 Mio. DMzu errichten und für 30 Jahre an die [X.] zu vermieten. Vorgesehen war,daß der Mietzins bis zum Ende der Vertragslaufzeit stetig anstieg. [X.] die [X.] das Ankaufsrecht nach Ablauf der Mietzeit erhalten.Schließlich gewährte die [X.] nach § 12 dieses Vertrages der [X.]ne-ben dem Mietzins ein Mieterdarlehen.Mit zwei Bescheiden vom 21. April 1997 erteilte der beklagte [X.] Antrag der Klägerin die für beide Verträge vom 27. Dezember 1996 erfor-derlichen kommunalaufsichtlichen Genehmigungen.Im Februar 1999 stellte der [X.] in einem Prüfbe-richt, betreffend das Objekt Sporthalle [X.], fest, daß die als Leasing-modell eingestufte Finanzierung der Sporthalle unwirtschaftlich und im [X.] zu einer Kreditfinanzierung zu teuer gewesen sei.Die Klägerin ist der Auffassung, daß der beklagte Landkreis unter die-sen Umständen das Vertragswerk nicht hätte genehmigen dürfen. Sie erblicktin den gleichwohl erteilten Genehmigungen eine Amtspflichtverletzung ihr ge-genüber und begehrt, gestützt auf Amtshaftung und Haftung nach dem [X.] der [X.], die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihrden Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden sei und in Zukunft ent-stehen werde, daß der Beklagte den Mietvertrag zwischen der [X.][X.] und der [X.], betreffend die Anmietung der Sporthalle, sowie [X.] genehmigt habe. Das [X.] hat [X.] abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben und die begehrte- 5 -Feststellung getroffen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageab-weisungsantrag weiter.[X.] Revision ist nicht begründet.Das Berufungsgericht hat den [X.] wegen der Erteilung der hier inRede stehenden Genehmigungen vom 21. April 1997 gegenüber der [X.] schadensersatzpflichtig gehalten. Die Anspruchsgrundlage hat es in § 1 [X.] der [X.] in der Fassung des [X.] ([X.] Sachgebiet B Abschnitt [X.], BGBl. [X.] 885, 1168) er-blickt, das zwar mittlerweile in [X.] durch Gesetz vom 17. April 1998(SächsGVBl. [X.]) aufgehoben worden ist, aber auf den Streitfall [X.] findet. Daneben hält das Berufungsgericht ersichtlich auch einenmit dem [X.] konkurrierenden Amtshaftungsanspruch(§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) für gegeben. Hiergegen wendet sich die [X.] ohne Erfolg.1.Im [X.] steht außer Streit, daß eine Finanzierung [X.] "Sporthalle [X.] " über Kommunalkredit für die Klägeringünstiger gewesen wäre als die hier gewählte Form eines Leasingmodells.Deswegen stellt auch die Revision nicht in Abrede, daß die Genehmigungennicht hätten erteilt werden dürfen. Dabei sind die abgeschlossenen Einzelver-träge als Bestandteile eines einheitlichen Vertragswerks zu werten, so daß [X.] die haftungsrechtliche Würdigung einer Unterscheidung nach der Geneh-migung des Mietvertrages einerseits und derjenigen des [X.] andererseits nicht bedarf. Die Revision nimmt auch die weitere- 6 -Feststellung des Berufungsgerichts hin, daß der für die Erteilung verantwortli-che Amtsleiter des [X.] schuldhaft gehandelt hat und somit das für [X.], nicht dagegen für den [X.] geltende Ver-schuldenserfordernis erfüllt ist.2.Im Mittelpunkt der rechtlichen Würdigung des Falles stehen vielmehr die- auch für die staatshaftungsrechtliche Beurteilung entscheidenden (vgl. Se-natsurteil [X.]Z 142, 259, 273 m.w.[X.]) - Fragen, ob die bei der Erteilung [X.] wahrzunehmenden Amtspflichten des [X.] zugunstender Klägerin drittgerichtet waren und ob der entstandene Schaden in den sach-lichen Schutzbereich der verletzten Pflichten fällt. Beides ist - entgegen [X.] und in Übereinstimmung mit dem Berufungsurteil - zu bejahen.a) In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, daß "Dritter" im Sin-ne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB auch eine juristische Person des öffentlichenRechts sein kann. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der für die haftpflichtige Be-hörde tätig gewordene Beamte der geschädigten Körperschaft bei [X.] Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältniszwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger ande-rerseits charakteristisch ist. Wirken hingegen der Dienstherr des Beamten undeine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnengemeinsam übertragenen Aufgabe [X.] und nicht in Vertretung einan-der widerstreitender Interessen derart zusammen, daß sie im Rahmen dieserAufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, dann können [X.], die dem Beamten im Interesse der Förderung des gemeinsam ange-strebten Ziels obliegen, nicht als drittgerichtete Amtspflichten angesehen wer-den, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der [X.] -digten Körperschaft auslöst (st. Rspr., vgl. z.B. Senatsurteile [X.]Z 148, 139,147; 116, 312, 315 jew. m.w.[X.]).b) Im vorliegenden Fall war das Landratsamt als [X.] nach § 112 Abs. 1 Satz 1 [X.] tätig geworden. Das [X.] folgte aus § 82 Abs. 5 [X.], [X.] durch diesen Vertrag begründeten Zahlungsverpflichtungen unstreitig wirt-schaftlich einer Kreditaufnahme gleichkamen. Die Veräußerung des Erbbau-rechts war nach § 90 Abs. 3 Nr. 1 [X.] genehmigungspflichtig. Die beider Erteilung der Genehmigung einzuhaltenden Prüfungsmaßstäbe ergabensich aus den einschlägigen Vorschriften der [X.]ordnung in [X.] der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeri-ums der Finanzen und des [X.] zurkommunal- und haushaltsrechtlichen Beurteilung von Investorenvorhaben imkommunalen Bereich ([X.] vom 18. Dezember 1996, [X.] 1997 S. 74). Nach Nr. 3.1.4 durfte die Genehmigung nur erteilt wer-den, wenn der Vertragsschluß den Grundsätzen einer geordneten Haushalts-wirtschaft entsprach (§ 82 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 [X.]). Die Genehmi-gung setzte insbesondere voraus, daß die übernommenen Verpflichtungen mitder dauernden Leistungsfähigkeit des kommunalen [X.] in [X.] standen (§ 82 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 [X.]), das Investorenvorha-ben dem Grundsatz einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführungentsprach (§ 72 Abs. 2 [X.]) und die Aufgabenerfüllung seitens deskommunalen [X.] sichergestellt war. Außerdem war zu beachten,daß die [X.] Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollenWert veräußern durfte (§ 90 Abs. 1 Satz 2 [X.]).- 8 -c) Mit dieser Zielrichtung erlegt die Rechtsaufsicht der zuständigen Be-hörde Schutzfunktionen auch zugunsten der zu beaufsichtigenden [X.]auf. Dies hat in allgemeiner Form bereits das [X.] ausgesprochen:Die Beaufsichtigung der [X.] durch staatliche Behördensoll sicherstellen, daß die Verwaltung der [X.]angelegenheiten den Vor-schriften der Gesetze gemäß geführt wird und stets in geordnetem Gangebleibt. Trotz dieses Zweckes der [X.] haben die mit ihr betrautenBeamten bei ihrer Ausübung auch auf die Belange der [X.] die gebüh-rende Rücksicht zu nehmen und sie vor Schädigungen zu bewahren. Sie [X.], wenn sie es nicht tun, die ihnen den [X.]n gegenüber obliegendeAmtspflicht. Das gilt nicht bloß für Zwangsmaßnahmen im [X.], son-dern für jede Art von Betätigung der [X.]. Eine bloße Ratertei-lung an eine [X.], eine ihr erteilte Genehmigung, Maßnahmen, die [X.] Entschließung der [X.]n von erheblichem Einfluß zu sein pflegen,können schon eine Amtspflichtverletzung ihnen gegenüber enthalten ([X.], 94, 99). Auch der Senat hat, wenn auch - wie der Revision zuzugeben ist -eher beiläufig, darauf hingewiesen, daß die [X.] des Staates den[X.]n gegenüber Amtspflichten zur sachgemäßen Ausübung der [X.], weil dadurch auch die Interessen der [X.]n gefördert odergeschützt werden sollen ([X.]Z 35, 44, 50).d) Entgegen der Auffassung der Revision gilt dies nicht nur für [X.] Maßnahmen der Aufsicht, die von der [X.] mit verwaltungsrechtlichenoder verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfen angegriffen werden könnten undbei denen daher die Drittgerichtetheit der verletzten Amtspflicht bereits nachdem im Senatsurteil [X.]Z 125, 258 niedergelegten Grundsatz bejaht [X.], daß sie in der Regel mit der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zu-- 9 -sammenfällt. Besondere Schutzpflichten der Aufsicht gegenüber der [X.]können vielmehr auch bei begünstigenden Maßnahmen bestehen, also sol-chen, die von der [X.] selbst angestrebt werden, wie bei der hier in [X.] eines Rechtsgeschäfts. Auch insoweit obliegt es der[X.], die [X.] vor möglichen [X.] zu be-wahren. Dabei ergeben sich Berührungspunkte mit der staatlichen Stiftungs-aufsicht, bei der ebenfalls anerkannt ist, daß sie Amtspflichten auch gegenüberder Stiftung selbst begründen kann, die insbesondere den Inhalt haben [X.], die Stiftung vor ihren eigenen Organen zu schützen (Senatsurteil [X.]Z68, 142, 146; [X.] 1990, 264). Der Revision kann nicht gefolgt werden,wenn sie dem Senatsurteil [X.]Z 148, 139 entnehmen will, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft könne nur dann geschützter "Dritter" sein, wenn [X.] das schädigende Verwaltungshandeln in einer Weise betroffen werde,die der eines einzelnen Bürgers entspreche. Vielmehr kommt es auch im amts-haftungsrechtlichen Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaftenuntereinander entscheidend auf den Schutzzweck der jeweils wahrzunehmen-den Amtspflicht an.e) Der Einbeziehung des durch die hier in Rede stehenden Genehmi-gungen verursachten Schadens in den Schutzbereich der [X.] steht insbesondere nicht entgegen, daß das genehmigte [X.] der [X.] in den Bereich kommunaler Selbstverwaltung fiel. [X.] in diesem Bereich war die Klägerin verpflichtet, ihre finanziellen [X.] an den vorstehend wiedergegebenen Rechts- und Verwaltungsgrund-sätzen einer sparsamen Haushaltsführung und der Einhaltung ihrer wirtschaft-lichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Die Mißachtung dieser Grenzen be-gründete daher in besonderem Maße die Gefahr von [X.] im- 10 -vorbezeichneten Sinne. Deswegen hatte die Rechtsaufsicht auch den Zweck,die [X.] in diesem Bereich vor vermeidbaren Schädigungen zu bewah-ren. Das entspricht auch einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung (z.[X.], DVBl. 1996, 1230; [X.], [X.], 406; [X.], [X.] Verwaltungsrecht 11. Aufl. [X.] Rn. 49; jeweils m.w.[X.]).3.Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Form eines Anspruchs gegenden ehemaligen Bürgermeister, die zum Nichtentstehen des Amtshaftungsan-spruchs nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB und des [X.]s nach§ 3 Abs. 3 [X.] hätte führen können, ist vom Berufungsgericht mit zu-treffender Begründung verneint worden und wird von der Revision auch nichtmehr geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat ferner eine - vom Ansatz herin Betracht zu ziehende - Anspruchskürzung wegen mitwirkenden Verschul-dens nach den Besonderheiten des Falles rechtsfehlerfrei verneint.[X.]

Meta

III ZR 201/01

12.12.2002

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2002, Az. III ZR 201/01 (REWIS RS 2002, 208)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 208

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