Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.03.2019, Az. 4 StR 45/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 8770

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige: Vorsätzliches Handeln bei Abgabe an eine dritte Person als "Bote"; Berücksichtigung von Härten bei der Einziehungsanordnung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Oktober 2018 jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) in den Fällen II. 19 bis 33 der Urteilsgründe,

b) im Strafausspruch in den Fällen [X.] und 16 der Urteilsgründe,

c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,

d) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit diese einen Betrag von 220 [X.] übersteigt.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 19 Fällen, wegen Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige in zwei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des [X.] vom 4. Mai 2018 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

2

Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

1. Die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in den Fällen [X.] bis 33 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

4

a) Nach den Feststellungen „erwarb“ die Zeugin [X.]     vom Angeklagten für den 16 bzw. 17 Jahre alten    S.       an 15 im Einzelnen nicht mehr konkretisierbaren Tagen im Zeitraum von November 2016 bis Mai 2017 jeweils 1 Gramm Marihuana zum Preis von 10 [X.]. Dabei übergab sie das von    S.       unmittelbar zuvor erhaltene Geld an den Angeklagten und erhielt dafür im Gegenzug das Rauschgift, das sie sodann dem Minderjährigen aushändigte. In zwei Fällen bestand zwischen dem Angeklagten und dem Minderjährigen, dessen Alter der Angeklagte kannte, ein „persönlicher Verkaufskontakt“.

5

b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte vorsätzlich Betäubungsmittel an einen Minderjährigen abgegeben hat. Ihnen kann nicht entnommen werden, dass der Angeklagte wusste oder jedenfalls damit rechnete, dass die der Zeugin [X.]     übergebenen Betäubungsmittel für den minderjährigen    S.       bestimmt waren und sie nur als „Botin“ tätig war (vgl. [X.], Beschluss vom 14. April 2015 – 5 [X.], [X.], 218). Ein persönlicher Kontakt ist nur für zwei Fälle belegt, ohne dass sich den Feststellungen und Beweiserwägungen Näheres zum Zeitpunkt, zur Art und zum Ausmaß des Kontakts entnehmen ließe.

6

2. Darüber hinaus halten die [X.] in den Fällen [X.] und 16 der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.

7

Das [X.] hat die beiden Taten im [X.] sowie in der rechtlichen Würdigung zutreffend als „Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige“ gewertet und ist, weil es gewerbsmäßiges Handeln nicht festzustellen vermochte, nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den [X.] des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt hat. Gleichwohl hat das [X.] – ersichtlich aufgrund eines Versehens – der Strafzumessung in diesen beiden Fällen den [X.] des § 30 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt, der das Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige umfasst, wenn es gewerbsmäßig erfolgt. Ungeachtet des Umstands, dass die [X.] unter Berücksichtigung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG von einem minder schweren Fall ausgegangen ist, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die [X.] auf diesem Rechtsfehler beruhen.

8

3. Die Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand, soweit sie sich auf die von der Aufhebung umfassten Verurteilungen in den Fällen [X.] bis 33 der Urteilsgründe bezieht. Die Einziehung ist daher aufzuheben, soweit sie einen Betrag in Höhe von 220 [X.] übersteigt.

9

Im Übrigen sieht der Senat im Hinblick auf die vom [X.] bewilligte, jedoch nicht näher begründete Ratenzahlung Anlass zu folgendem Hinweis:

Das [X.] hat die „Einziehung von [X.]“ in Höhe von 370 [X.] angeordnet und dem Angeklagten Ratenzahlung bewilligt. Hierfür fehlt es seit der Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung durch das zum 1. Juli 2017 in [X.] getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 ([X.] I 2017, [X.]) an einer Rechtsgrundlage.

§ 73c Abs. 2 StGB aF, der ausdrücklich auf § 42 StGB verwies und damit die Möglichkeit der Bewilligung von Zahlungserleichterungen im Erkenntnisverfahren eröffnete, ist ersatzlos weggefallen. Etwaige Härten sind nunmehr gemäß § 459g Abs. 5 StPO ausschließlich im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 8. Mai 2019 – 5 [X.]; [X.], [X.], 497, 500). Für eine entsprechende Anwendung des § 42 StGB ist in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum.

Der Angeklagte ist durch den hierin liegenden Rechtsfehler jedoch nicht beschwert. Sollte im Vollstreckungsverfahren die Entreicherung des Angeklagten oder sonst festgestellt werden, dass die Vollstreckung der Einziehung des Wertes von Taterträgen unverhältnismäßig ist, so hat die Vollstreckung der [X.] zwingend zu unterbleiben (vgl. [X.], Urteile vom 8. Mai 2019 – 5 [X.] und vom 27. September 2018 – 4 [X.], NStZ-RR 2019, 22, 23; Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17, [X.], 427).

Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

[X.]     

      

Roggenbuck     

      

Bender

      

Feilcke     

      

Bartel     

      

Meta

4 StR 45/19

28.03.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 26. Oktober 2018, Az: 10a KLs 10/18

§ 29a Abs 1 Nr 1 Alt 1 BtMG, § 42 StGB, § 73c Abs 2 StGB vom 13.11.1998, § 459g Abs 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.03.2019, Az. 4 StR 45/19 (REWIS RS 2019, 8770)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8770

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 61/15 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Bildung einer Bewertungseinheit bei zahlreichen Einzelabgaben von Betäubungsmitteln bei möglichem Vorliegen …


3 StR 497/22 (Bundesgerichtshof)


3 StR 194/19 (Bundesgerichtshof)

(Einziehung des Wertes erlangter Erlöse aus Betäubungsmittelhandel bei Handelsketten)


4 StR 568/17 (Bundesgerichtshof)

Strafrechtliche Vermögensabschöpfung: Entscheidung über die Anordnung des Verfalls und des Verfalls von Wertersatz im Sinne …


6 StR 252/21 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Konkurrenzverhältnis zwischen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.