Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2015, Az. B 9 V 1/14 R

9. Senat | REWIS RS 2015, 2145

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Soziales Entschädigungsrecht - Opferentschädigung - sexueller Missbrauch in der ehemaligen DDR - missbrauchsbedingte Schwangerschaft - keine örtliche und zeitliche Konkretisierung des tätlichen Angriffs - Härteregelung - Schwerbeschädigung allein infolge dieser Schädigung - besondere berufliche Betroffenheit - Zusammentreffen von Opferentschädigungsansprüchen in verschiedenen Bundesländern - Leistungszuständigkeit für einheitliche Beschädigtenrente - anteilige Kostentragung - sozialgerichtliches Verfahren - freie Beweiswürdigung - Ausschluss des halluzinatorischen Erlebens der Schädigung - Verzicht auf Glaubhaftigkeitsgutachten - Amtsermittlungsgrundsatz - unstreitige Tatsachen


Leitsatz

1. Die Härtefallregelung des Opferentschädigungsgesetzes für Schwerbeschädigte "allein infolge dieser Schädigung" ist erfüllt, wenn sich die Schädigung im zeitlichen und räumlichen Erstreckungsbereich des Gesetzes auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in der Zeit vom 7.10.1949 bis zum 2.10.1990 ereignet und für sich allein betrachtet zu einer Schwerbeschädigung geführt hat.

2. Eine Erhöhung des Grads der Schädigungsfolgen wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ist auch im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes möglich (Bestätigung von BSG vom 24.7.2002 - B 9 VG 5/01 R und vom 12.6.2003 - B 9 VG 1/02 R = BSGE 91, 107 = SozR 4-3800 § 1 Nr 3).

3. Treffen Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz in verschiedenen Bundesländern zusammen, ist für die Festsetzung einer einheitlichen Rente das Land zuständig, das über die letzte Schädigung entscheidet.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über eine Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - [X.]) iVm dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des [X.] ([X.] - [X.]).

2

Die 1956 geborene Klägerin wuchs im heutigen [X.] auf. Im Alter von 20 Jahren wurde sie von ihrem Vater schwanger. Das Kind starb vier Wochen nach der Geburt. 1989 verzog die Klägerin in die "alten Bundesländer". Im Oktober 1994 wurde sie in [X.] von einem Unbekannten vergewaltigt. Am 29.12.2000 beantragte sie beim [X.] ([X.]) [X.] eine Versorgung nach dem [X.], zunächst allein wegen der im Jahre 1994 erlittenen Vergewaltigung, im Laufe des Verfahrens auch wegen des sexuellen Missbrauchs durch ihren Vater in der [X.] von 1960 bis 1979 in [X.]. Das [X.] [X.] leitete den Antrag auch dem [X.] zu und anerkannte nach Einholung eines versorgungsärztlichen Gutachtens mit Vorbehaltsbescheid vom [X.] eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 unter Gewährung einer entsprechenden Versorgungsrente ab dem 1.12.2000. Als [X.] stellte es "Posttraumatische Belastungsstörung, seelische Störung" im Sinne einer Verschlimmerung fest.

3

Das [X.] lehnte dagegen den Antrag der Klägerin ab. Zwar sei nach den glaubhaften Angaben der Klägerin davon auszugehen, dass sie im [X.]raum von 1960 bis 1979 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe geworden ist. Die bei der Klägerin zur Anwendung kommende Härtefallregelung des § 10a [X.] setze jedoch Gesundheitsstörung mit einer [X.] voraus, die mit einer MdE von wenigstens 50 zu bewerten sei; hieran fehle es (Bescheid vom [X.]). Das hiergegen geführte Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat die Klage ebenfalls mit der Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzungen des § 10a [X.] nicht erfüllt seien (Urteil vom 27.9.2005).

4

Im Berufungsverfahrens hat das Bayerische L[X.] ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt. Danach hat es keine Anhaltspunkte für ein halluzinatorisches Erleben des sexuellen Missbrauchs in der [X.] von 1960 bis 1979 gegeben; die MdE habe seit Ende 1994 80 betragen (zusammengesetzt aus einem Teil-MdE von 70 für die [X.] in [X.] und von 30 für die Retraumatisierung ). Auch sei eine besondere berufliche Betroffenheit festzustellen. In der mündlichen Verhandlung hat das beklagte [X.] erstmals Zweifel geäußert, ob die Klägerin in [X.] einen sexuellen Missbrauch erlitten habe.

5

Das L[X.] hat das Urteil des [X.] aufgehoben und den Beklagten unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, der Klägerin Versorgung nach einem Grad der [X.]n (GdS) von 80 zu gewähren. Der Klägerin stehe ein Anspruch gegen den Beklagten entsprechend dem [X.] Anteil am [X.] zu (Urteil vom 18.2.2014).

6

Mit seiner Revision rügt das beklagte [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Der Beklagte sei bereits nicht passivlegitimiert. Weder sei er Schuldner des Versorgungsanspruchs noch zuständiger Versorgungsträger. Aufgrund des Wortlauts sei zu fordern, dass die Schädigung ausschließliche Alleinursache für die vorliegenden Gesundheitsschäden sei. Ferner müsse die Anwendung des § 30 Abs 2 [X.] auf das Recht der Kriegsopferversorgung beschränkt bleiben.

7

Daneben rügt das beklagte [X.] die Verletzung der §§ 128 Abs 1 und 103 [X.][X.] Die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung seien überschritten. Allein anhand der Beweismittel der gutachterlichen Stellungnahmen sei kein Vollbeweis dahingehend zu führen, dass die Klägerin zwischen 1960 und 1979 sexuell missbraucht worden sei. Entsprechend den Beweisanträgen in der mündlichen Verhandlung hätte das L[X.] die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin aufgrund der Variabilität ihrer Aussagen und gutachterlich festgestellter, lang andauernder Amnesie in der Vergangenheit überprüfen müssen.

8

Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des [X.] vom 18.2.2014 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 27.9.2005 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Der beigeladene [X.] hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 [X.]).

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Aufhebung des Ausgangs- und Widerspruchsbescheids sowie die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Da sich die Klage nicht nur auf eine isolierte Feststellung (Anerkennung) von Schädigungsfolgen richtet, scheidet eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage iS des § 54 Abs 1 S 1 [X.] als statthafte Klageart aus (zur Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Rahmen der Opferentschädigung siehe [X.] vom [X.] [X.] - [X.], 91 = [X.]-3800 § 1 [X.]). Bei einer Klage auf Erlass eines zuvor abgelehnten und sich nicht auf den Erlass als solchen erschöpfenden Verwaltungsakts ist statthafte Klage eine der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage subsidiäre kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iS des § 54 Abs 1 S 1, Abs 4 [X.] (zur Anfechtungs- und Leistungsklage im Rahmen der Opferentschädigung siehe [X.] vom 17.4.2013 - [X.] V 1/12 R - [X.]E 113, 205 = [X.]-3800 § 1 [X.] 20).

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat nach der Härtefallregelung des § 10a iVm § 1 [X.] Anspruch auf Opferentschädigung (dazu 2.). Die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür liegen vor; die Angriffe des beklagten [X.] gegen die insoweit vom [X.] getroffenen Feststellungen greifen nicht durch (dazu 3.). Die durch den sexuellen Missbrauch in [X.] zu [X.]en der ehemaligen [X.] verursachte MdE (bzw [X.]) der Klägerin beläuft sich auf 70 und ist aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit um 10 zu erhöhen. Die Versorgung beginnt mit der Antragstellung (dazu 4.). Der Anspruch richtet sich in dem Umfang gegen das beklagte Land [X.], als das Gesamtschadensbild seine Ursache in den in [X.] erfolgten Schädigungen hat (dazu 5.).

2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch aus einer auf dem Gebiet der ehemaligen [X.] vor dem 3.10.1990 begangenen rechtswidrigen Tat ist § 1 iVm § 10a [X.].

a) Nach § 1 [X.] erhält Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des [X.], wer im Geltungsbereich des [X.] infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Dem [X.] liegt die Erwägung zugrunde, dass den Staat eine besondere Verantwortung für Personen trifft, die durch einen solchen Angriff geschädigt werden (BT-Drucks 7/2506 S 7). Denn Aufgabe des Staates ist es, seine Bürger vor Gewalttätern zu schützen. Kann er diese Pflicht nicht erfüllen, muss er sich für die Entschädigung des Opfers verantwortlich fühlen. Die Geschädigten müssen von der Allgemeinheit in einem solchen Umfang schadlos gehalten werden, dass ein soziales Absinken der Betroffenen selbst, ihrer Familien und ihrer Hinterbliebenen vermieden wird (vgl BT-Drucks 7/2506 S 7).

Das [X.] trat am 16.5.1976 in [X.]. Es galt zeitlich zunächst nur für Gewalttaten, die sich ab Inkrafttreten des Gesetzes ereigneten, also für Taten ab 16.5.1976 (zur Verfassungskonformität der Stichtagsregelung siehe [X.] Beschluss vom 3.10.1984 - 1 BvR 270/84 - [X.] 3800 § 10 [X.] 2). Räumlich galt es dort, wo der [X.] Staatsgewalt ausüben und daher für die Verhinderung von Gewalttaten verantwortlich gemacht werden konnte, dh im Gebiet der [X.] und West-Berlin.

b) 1984 wurde das [X.] geändert und zeitlich auch auf Gewalttaten erstreckt, die sich seit Inkrafttreten des [X.] am [X.] ereignet hatten (Gesetz vom 20.12.1984, [X.] 1723); allerdings wurde bei dieser rückwirkenden Erstreckung Entschädigung lediglich nach Maßgabe der Härtefallregelung des § 10a [X.] geleistet. Diese sieht Opferentschädigung nur vor, wenn drei Voraussetzungen vorliegen: 1. Die verletzte Person muss "allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt" sein; sie muss 2. bedürftig sein und muss 3. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des [X.] haben.

c) Seit dem Beitritt der ehemaligen [X.] zur [X.] gilt das [X.] auch in den neuen Bundesländern und kommt Versorgung bei Gewalttaten, die im Gebiet der ehemaligen [X.] vor dem 3.10.1990 begangen worden sind, ebenfalls nach der Härtefallregelung des § 10a [X.] in Betracht. Mit dem Vertrag zwischen der [X.] und der [X.] über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) trat das [X.] auch in den neuen Bundesländern ua mit der Maßgabe in [X.], dass § 10a [X.] in diesen Gebieten für eine Schädigung in der [X.] vom 7.10.1949 (Gründung der [X.]) bis 31.12.1990 gilt (Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III [X.] 18 Buchst c und d). Mit dem Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Vorschriften vom 20.6.2011 ([X.] 1114) wurde diese Übergangsregelung sodann in das [X.] übernommen (vgl § 10 [X.] [X.]). Dies bedeutet: Entschädigung wird für im Gebiet der ehemaligen [X.] vor dem 3.10.1990 erlittene Schädigungen aufgrund rechtswidriger tätlicher Angriffe nur dann gewährt, wenn die verletzte Person "allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt" und bedürftig ist sowie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des [X.] hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 1, 10a [X.] sind erfüllt. Die Feststellungen des [X.] halten einer revisionsrichterlichen Überprüfung Stand. Die vom beklagten Land [X.] gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung sind - soweit revisionsrichterlich überprüfbar - nicht zu beanstanden.

a) Nach § 1 Abs 1 S 1 [X.] erhält eine natürliche Person, die im Geltungsbereich des [X.] durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des [X.]. Die Klägerin ist im [X.]raum von 1960 bis 1979 in [X.] Opfer von vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffen geworden. Das [X.] ist vom Vorliegen der insoweit erforderlichen Tatsachen überzeugt, sodass dahingestellt bleiben kann, ob die Voraussetzungen von § 6 Abs 3 [X.] iVm § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (Herabsetzung des Beweismaßes auf Glaubhaftmachung) vorliegen, und eine Glaubhaftmachung insoweit ausreichend gewesen wäre.

Das [X.] hat seiner Überzeugungsbildung ein zutreffendes Begriffsverständnis vom Angriff in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern zugrunde gelegt (vgl hierzu zuletzt [X.] vom 17.4.2013 - [X.] V 1/12 R - [X.]E 113, 205 = [X.]-3800 § 1 [X.] 20; [X.] vom 17.4.2013 - [X.] V 3/12 R - abrufbar unter [X.], jeweils mwN). Der Annahme einer Schädigung iS des § 1 [X.] steht angesichts der missbrauchsbedingten Schwangerschaft hier nicht entgegen, dass die einzelnen Missbrauchshandlungen, die der Vater der Klägerin an dieser vorgenommen hat, im Übrigen zeitlich nicht mehr genau fixierbar waren und der [X.] nicht mehr bis ins Detail rekonstruiert werden konnte.

Einschränkungen auf der Rechtsfolgenseite ergeben sich durch diese Ausnahme nicht. An die Feststellung eines detaillierten Geschehensablaufs sind versorgungsrechtlich keine Rechtsfolgen geknüpft. Der [X.] bemisst sich nicht anhand des tätlichen Angriffs und dessen konkreter Ausgestaltung, sondern anhand der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung.

Das beklagte Land [X.] hat gegen die Feststellung des [X.], dass die Klägerin von ihrem Vater missbraucht worden ist, keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht. Das [X.] entscheidet gemäß § 128 Abs 1 S 1 [X.] nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; es ist in seiner Beweiswürdigung frei und lediglich an die Regeln der Logik und der Erfahrung gebunden. Das dem Gericht insofern eingeräumte Ermessen kann das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfen. Die Grenzen der freien Beweiswürdigung sind erst überschritten, wenn das [X.] gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt, aber auch, wenn es das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt (stRspr vgl zuletzt [X.] vom 11.8.2015 - [X.] SB 1/14 R - mwN). Solche Mängel liegen hier nicht vor.

Das beklagte Land stützt seine Rüge einer Überschreitung der Grenzen freier Beweiswürdigung ausschließlich darauf, anhand der gutachterlichen Stellungnahmen sei kein Vollbeweis dahingehend zu führen, dass die Klägerin zwischen 1960 und 1979 sexuell missbraucht worden sei, insbesondere mit Blick darauf, dass diese Hypothese weder gemäß Gutachtensauftrag hinterfragt werden sollte, noch ernstlich durch die Gutachter hinterfragt und verifiziert worden sei. Damit zeigt das beklagte Land [X.] nicht auf, zu welchem Ergebnis die Beweiswürdigung des [X.] hätte führen müssen. Auch hat es weder eine Verletzung von allgemeinen [X.] oder Denkgesetzen dargelegt noch ausgeführt, aus welchen Gründen das [X.] das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt haben soll. Das [X.] hat sich eingehend mit dem Sachverhalt, den Ergebnissen der eingeholten Sachverständigengutachten und den Aussagen der Gutachter in der mündlichen Verhandlung auseinandergesetzt. Es hat sich frei von [X.] davon überzeugt, dass die Klägerin Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe iS des § 1 [X.] geworden ist. Dabei hat es den angewandten Beweismaßstab des [X.] unter Zugrundelegung der von ihm dargelegten Definition rechtlich zutreffend erkannt.

Die weiterhin erhobene Rüge des beklagten [X.] [X.], das [X.] habe seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 [X.]) verletzt, ist zulässig, aber unbegründet. Zwar bezeichnet das beklagte Land [X.] Tatsachen, die den Mangel einer unterlassenen Aufklärung ergeben können; es benennt konkrete Beweismittel und legt zumindest ansatzweise dar, zu welchem Ergebnis nach seiner Auffassung die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten (§ 164 Abs 2 [X.] [X.]). Eine Verletzung des § 103 [X.] liegt jedoch nur vor, wenn das [X.] Ermittlungen unterlässt, obwohl es sich ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr vgl [X.] vom 10.6.1975 - 9 RV 124/74 - [X.]E 40, 49 = [X.] 3100 § 30 [X.] 7; [X.] Beschluss vom 14.11.2013 - [X.] V 33/13 B - abrufbar unter [X.] mwN). Daran fehlt es hier. Seit der Antragstellung im Dezember 2000 ist die Klägerin von insgesamt vier Sachverständigen begutachtet worden. Keiner der Gutachter hegte Zweifel an den von der Klägerin vorgetragenen Ereignissen in [X.] und [X.]. Hinsichtlich dieser Tatsachen stimmen alle Gutachter überein. Allein schon aus diesem Grunde und wegen der Tatsache, dass die Klägerin von ihrem Vater ein Kind bekommen hat, musste sich das [X.] ausgehend von seiner Rechtsauffassung nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen.

Das beklagte Land hat überdies seine Zweifel an den streitbefangenen Vergewaltigungen und den daran anknüpfenden Beweisantrag auch nicht innerhalb eines angemessenen [X.]raums vorgebracht. Die Beteiligten haben ihre Prozessführung entsprechend der Prozesslage an der Förderung des Verfahrens auszurichten. Diesem Gedanken trägt § 411 Abs 4 S 1 ZPO (iVm § 202 [X.]) Rechnung, indem er den Beteiligten auch im sozialgerichtlichen Verfahren vorgibt, Einwendungen, Anträge und Fragen an Sachverständige rechtzeitig anzubringen (BT-Drucks 11/3621 [X.]). Dies gilt unabhängig davon, ob das Gericht hierfür eine Frist gesetzt hat (§ 411 Abs 4 S 2 ZPO). Dementsprechend sind auch bei fehlender Fristsetzung rechtsmissbräuchlich gestellte Anträge auf Befragung bereits beauftragter Sachverständiger unerheblich ([X.] [X.]-1500 § 116 [X.] 2). Nicht anders verhält es sich in Bezug auf weitere Sachverständigengutachten. Das beklagte Land kam seiner Verpflichtung, Beweisanträge innerhalb angemessener [X.] zu stellen, nicht nach; erst nach mehr als zwölfjähriger Verfahrensdauer und mehrmaliger Erörterung und Verhandlung hegte es erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung am 18.2.2014 Zweifel am gesamten Geschehensablauf. Es setzte sich durch dieses späte Vorbringen auch in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten. Denn sowohl im Ablehnungsbescheid als auch im Widerspruchsbescheid hat das beklagte Land selbst zum Ausdruck gebracht, es sei glaubhaft, dass die Klägerin im [X.]raum von 1960 bis 1979 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe iS des § 1 [X.] geworden ist. Diese Tatsachen sind "unstreitig" gestellt worden. Zwar gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz. Die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen besteht jedoch nicht unbegrenzt. Tragen die Beteiligten übereinstimmend Tatsachen vor, die plausibel sind, müssen diese nicht zwingend vom Gericht angezweifelt und überprüft werden, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen. Ohne diese Beschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes wäre eine rationelle Erledigung des Verfahrens nicht möglich ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 103 Rd[X.] 7a). Demnach kann das Vorbringen der Beteiligten sogar allein Entscheidungsgrundlage sein, etwa dann, wenn eine von einem Beteiligten mehrfach vorgetragene Tatsache vom anderen während des Verfahrens nicht bestritten wird (vgl [X.] vom 3.6.2004 - B 11 AL 71/03 R -; [X.], aaO, § 103 Rd[X.] 7a; siehe hierzu ebenfalls [X.] Beschluss vom 15.8.1960 - 4 RJ 291/59 - [X.] [X.] 56 zu § 128 [X.]).

Vor diesem Hintergrund hält auch die Vorgehensweise des [X.], kein psychologisches Glaubhaftigkeitsgutachten einzuholen, einer revisionsrichterlichen Überprüfung Stand. Hinsichtlich der vom [X.] festgestellten und in der Sitzungsniederschrift vom 18.2.2014 im Einzelnen aufgeführten Schädigungen und Schädigungsfolgen (das [X.] spricht auch von Gesundheitsstörungen) sind zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht erhoben worden. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen den schädigenden Ereignissen in [X.] und den gesundheitlichen Schädigungen (haftungsbegründende Kausalität) und den daraus resultierenden Schädigungsfolgen bzw Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) liegt nach den Feststellungen des [X.] ebenfalls vor. Das [X.] hat die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität über den Bedingungszusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne hinaus zutreffend an der Theorie der wesentlichen Bedingung (siehe hierzu [X.] vom 16.12.2014 - [X.] V 6/13 R - [X.]-7945 § 3 [X.] 1) orientiert. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge des beklagten [X.] [X.], das [X.] habe seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 [X.]) dadurch verletzt, dass es [X.] für die psychischen Leiden der Klägerin nicht in Erwägung gezogen und entsprechend geprüft habe, greift nicht durch. Denn auch diesbezüglich musste sich das [X.] nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen.

b) Ebenso liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Härtefallregelung des § 10a Abs 1 [X.] vor. Danach erhalten Personen, die in der [X.] vom 7.10.1949 bis 2.10.1990 in den neuen Bundesländern geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie (1.) allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt, (2.) bedürftig sind und (3.) im Geltungsbereich des [X.] ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies ist hier der Fall.

Die Klägerin ist, wie das [X.] bindend festgestellt hat, bedürftig iS des § 10a Abs 1 S 1 [X.] 2 [X.]. Sie hatte ihren Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt iS des § 10a Abs 1 S 1 [X.] 3 [X.] im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Auch ist sie allein aufgrund des im Gebiet der ehemaligen [X.] ihr gegenüber verübten Angriffs schwerbeschädigt.

Das Tatbestandsmerkmal "allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt" ist erfüllt, wenn sich die zu einer Schwerbeschädigung führende Schädigung im zeitlichen und räumlichen Erstreckungsbereich des [X.] auf dem Gebiet der ehemaligen [X.] in der [X.] vom 7.10.1949 bis zum 2.10.1990 ereignet hat und diese schädigenden Ereignisse für sich betrachtet einen Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50 und damit die "[X.]eigenschaft" (§ 1 Abs 1 S 1 [X.] iVm § 31 Abs 2 [X.]) erreichen.

Der Rechtsansicht des beklagten [X.] [X.], wonach die Schädigung ausschließliche Ursache für die vorliegenden Gesundheitsschäden sein müsse, ist nicht zu folgen. Denn Folge dieses engen [X.] wäre, dass an sich der Härtefallregelung unterfallende Schädigungen in Nachhinein wieder ausgeschlossen wären, die durch weitere Schädigungen nach dem Stichtag überlagert und beeinflusst werden (hier die in [X.] erlittene Vergewaltigung). Eine derart restriktive Auslegung ist mit dem Sinn und Zweck der Härtefallregelung des § 10a [X.] nicht vereinbar. Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt der Härtefallregelung des § 10a [X.] die Erwägung zugrunde, dass bei [X.] in Anbetracht der Schwere ihrer Gesundheitsstörungen der Ausschluss von der Versorgung, wie es eine strikte Anwendung der Stichtagsregelung des § 10 S 1 [X.] zur Folge hätte, unbillig erscheint (BT-Drucks 10/2103 [X.]). Diesem Gesetzeszweck liefe es zuwider, wenn Schwerbeschädigte, deren Schädigungen durch weitere Schädigungen nach dem Stichtag überlagert und beeinflusst werden, allein aus diesem Grunde wieder aus der Härtefallregelung des § 10a [X.] und damit aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herauszunehmen wären. Ist schon nach dem Willen des Gesetzgebers die mit der Stichtagsregelung des § 10 S 1 [X.] verbundene Herausnahme von [X.] aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes an sich unbillig, so gilt dies erst recht, wenn zu den bereits vorhandenen Schädigungen des [X.] noch weitere Schädigungen hinzutreten, gleichgültig ob diese nun zu einer Überlagerung der bereits vorhandenen Schädigungen führen oder nicht. Die Rechtsansicht des beklagten [X.] [X.] würde demgegenüber zu einer nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung dieses Personenkreises führen.

4. Die Klägerin hat Anspruch auf Versorgung nach einem [X.] von 80. Nach der Feststellung des [X.] beläuft sich der durch den sexuellen Missbrauch in [X.] verursachte [X.] der Klägerin unmittelbar vor der Vergewaltigung in [X.] bereits auf 70. Damit ist die Klägerin schwerbeschädigt iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] iVm § 31 Abs 2 [X.]. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 163 [X.]). Zulässige und begründete Verfahrensrügen sind gegen sie nicht erhoben worden.

Dass das [X.] im Rahmen dieser Feststellung aus Vereinfachungsgründen ausschließlich den Begriff [X.] verwendet, ist unerheblich. Durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 führte der Gesetzgeber ua in dem hier maßgeblichen § 30 Abs 1 [X.] den Begriff [X.] ein und ersetzte damit die traditionelle Beschreibung MdE zum 21.12.2007 ([X.] 2904). Hätte das [X.] demnach in zutreffender Weise bis zum 20.12.2007 den Begriff MdE verwendet, wäre das Urteil inhaltlich nicht anders ausgefallen.

Darüber hinaus liegt bei der Klägerin eine besondere berufliche Betroffenheit iS des § 30 Abs 2 [X.] vor, dessen Ausmaß mit einem [X.] von 10 zu bewerten ist. Diese Norm ist im [X.] entsprechend anwendbar.

Auf der Rechtsfolgenseite bestimmt § 1 Abs 1 S 1 [X.], dass wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des [X.] zu leisten ist. Dieser Verweis umfasst auch eine Erhöhung des [X.] wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs 2 [X.]; eine Ausklammerung der Norm aus diesem Verweis bringt das Gesetz an keiner Stelle zum Ausdruck (dies als gegeben vorausgesetzt [X.] vom 24.7.2002 - [X.] [X.] - abrufbar unter [X.]; [X.] vom 12.6.2003 - [X.] [X.] - [X.]E 91, 107 = [X.]-3800 § 1 [X.] 3; noch Bedenken hegend [X.] vom 18.10.1995 - 9 RV 18/94 - [X.] 3-3100 § 30 [X.] 14; sich ebenso für eine Anwendbarkeit der Norm aussprechend Gelhausen/[X.], [X.], 6. Aufl 2015, § 10a Rd[X.] 2; Rademacker in [X.], Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, § 10a [X.] Rd[X.] 5; [X.], [X.], 2007, § 10a Rd[X.] 9). Soweit nach Ansicht des beklagten [X.] [X.] die Vorschrift des § 30 Abs 2 [X.] bereits an sich auf das Recht der Kriegsopferversorgung beschränkt bleiben müsse, findet diese einschränkende Auslegung im geltenden Recht keine Stütze. Eine Erhöhung des [X.] wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs 2 [X.] ist auch im Rahmen des [X.] möglich.

Eine andere Ansicht lässt sich - entgegen der Auffassung des beklagten [X.] - auch nicht aus der Gesetzesbegründung zur Härtefallregelung des § 10a [X.] ableiten. Das Gegenteil ist der Fall. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung ist die Härtefallregelung des § 10a [X.] "auf Schwerbeschädigte (§ 30 Abs. 1 und 2 [X.]) und Hinterbliebene beschränkt" (BT-Drucks 10/2103 [X.]). Für die Bestimmung eines [X.] im Rahmen des § 10a [X.], einer Regelung aus dem [X.], nimmt der Gesetzgeber im Klammertext selbst auf § 30 Abs 2 [X.] Bezug. Konsequenterweise ist die besondere berufliche Betroffenheit iS des § 30 Abs 2 [X.] dann auch nicht in den Ausnahmetatbestand des § 10a Abs 5 [X.] mit aufgenommen worden, obgleich der Gesetzgeber inzwischen mehrfach die Gelegenheit hierzu hatte.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Versorgung ab dem 1.12.2000. Dies folgt aus § 60 Abs 1 S 1 [X.], der entsprechend über § 1 Abs 1 S 1 [X.] anwendbar ist. Demnach beginnt die Beschädigtenversorgung mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind (also am [X.]), frühestens mit dem Antragsmonat.

Aus der Antragstellung beim beigeladenen Freistaat [X.] am 29.12.2000 folgt ein Versorgungsbeginn ab dem 1.12.2000. Da die Klägerin keine rückwirkende Leistungsgewährung begehrt, kann eine weitere Prüfung des § 60 Abs 1 S 2 und [X.] [X.] dahinstehen. Soweit im Tenor des angefochtenen Urteils eine Beschädigtenversorgung bereits ab Oktober 2000 ausgesprochen ist, ist diese Rechtsfolge materiell-rechtlich zwar nicht von § 60 Abs 1 S 1 [X.] gedeckt; aufgrund einer von der Klägerin abgegebenen Verzichtserklärung für die Monate Oktober und November 2000 ist sie jedoch obsolet.

5. Das beklagte Land [X.] ist gemäß § 4 Abs 1 S 1 [X.] Schuldner des Versorgungsanspruchs und damit als materiell-rechtlich [X.] passivlegitimiert. Dabei ist das beklagte Land [X.] für die Anerkennung und Feststellung der Schädigungsfolgen aus den Ereignissen in [X.] im Außenverhältnis zuständig und im Innenverhältnis Kostenträger (dazu a). Der erkennende Senat weist ergänzend darauf hin, dass der beigeladene Freistaat [X.] im [X.] an diesen Rechtsstreit unter Berücksichtigung der Ereignisse in [X.] eine einheitliche Rente festzusetzen und dabei den für den Erstschaden in [X.] festgestellten [X.] ohne erneute Prüfung seiner Beurteilung zugrunde zu legen hat (dazu b).

a) Nach § 4 Abs 1 S 1 [X.] ist zur Gewährung der Versorgung das Land verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist. Der [X.] des § 4 [X.] ist ein Doppelter. Zum einen enthält die Norm entsprechend ihrer gesetzlichen Überschrift "Kostenträger" eine Regelung hinsichtlich der Kostenträgerschaft im Innenverhältnis als Aufteilung von finanziellen Lasten. Zum anderen enthält sie eine Regelung hinsichtlich der Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen (BT-Drucks 7/2506 S 16), also eine das Außenverhältnis betreffende Regelung der Verbandszuständigkeit. Das beklagte Land, in dem die Schädigung eingetreten ist, soll den Anspruch dem Grunde wie der Höhe nach verwaltungsmäßig feststellen und den Berechtigten in den Genuss der festgestellten Leistungen bringen, und zwar zu eigenen Lasten ([X.] vom 12.2.2003 - [X.] [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 1). Damit ist das beklagte Land [X.] zur Gewährung der vorliegend im Streit stehenden Versorgung verpflichtet.

b) Für die Anerkennung und Feststellung der aus der ersten Schädigung resultierenden Schädigungsfolgen ist das Land im Außenverhältnis zuständig und im Innenverhältnis Kostenträger, in dem die Erstschädigung eingetreten ist, hier das beklagte Land [X.]. Zuständig für die Festsetzung einer einheitlichen Rente ist das Land, das über die letzte Schädigung entscheidet, hier also der beigeladene Freistaat [X.]. Dieses Land hat den für den Erstschaden festgestellten [X.] ohne erneute Prüfung seiner Beurteilung zugrunde zu legen. Dies folgt aus einer analogen Anwendung von § 4 Abs 4 [X.] iVm § 3 Abs 1, § 4 Abs 1 S 1 [X.].

Für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen nach dem [X.] aus verschiedenen Ländern kann eine Zuständigkeit nicht schon aus der unmittelbaren, wohl aber aus einer analogen Anwendung des § 4 Abs 4 [X.] iVm § 3 Abs 1, § 4 Abs 1 S 1 [X.] abgeleitet werden.

Nach § 4 Abs 4 [X.] sind in den Fällen des § 3 Abs 1 [X.] die Kosten, die durch das Hinzutreten der weiteren Schädigung verursacht werden, von dem Leistungsträger zu übernehmen, der für die Versorgung wegen der weiteren Schädigung zuständig ist. Dessen Zuständigkeit folgt aus den vorhergehenden Absätzen, also grundsätzlich aus § 4 Abs 1 S 1 [X.], womit das Land verpflichtet ist, in dem die Schädigung eingetreten ist. Diese Zuständigkeitsregelung muss dann in Zusammenschau mit § 3 Abs 1 [X.] gelesen werden. Damit hat das für die weitere Schädigung zuständige Land im Ergebnis eine einheitliche Rente festzusetzen, die Kosten hierfür aber wegen § 4 Abs 4 [X.] nur anteilig zu tragen.

Die in der Literatur vertretene abweichende Ansicht, aus § 4 Abs 4 [X.] ergebe sich, dass das Land, in dem die weitere Schädigung eingetreten ist, nur über die Anerkennung und Feststellung der Schädigungsfolgen der weiteren Schädigung entscheide, dagegen für die Festsetzung der einheitlichen Rente das bisher zuständige Land zuständig bleibe ([X.] in [X.], Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl 1992, § 4 [X.] Rd[X.] 3), ist abzulehnen. Dagegen spricht schon der Wortlaut des § 4 Abs 4 [X.], wonach die Kosten, die durch das Hinzutreten der weiteren Schädigung verursacht werden, von dem Leistungsträger zu übernehmen sind, der für die Versorgung wegen der weiteren Schädigung zuständig "ist". Zudem widerspricht diese Aufteilung der Zuständigkeiten dem Sinn und Zweck des § 3 Abs 1 [X.]. Danach dient die Bildung einer einheitlichen Rente dem Ziel, eine sachgemäße, auf den Einzelfall zugeschnittene Ausgestaltung der Versorgungsleistungen zu erreichen. Diese individuelle Ausgestaltung lässt sich am besten erreichen, wenn das Land, in dem die weitere Schädigung eingetreten ist, auch für die Festsetzung der einheitlichen Rente zuständig ist. Hierfür spricht zum einen dessen Sachnähe und zum anderen die Tatsache, dass hinsichtlich der ersten Schädigung regelmäßig bereits eine Beschädigtenversorgung durch das zuständige Land rechtskräftig festgestellt wurde. Damit ist nur eine (Gesamt-)Entscheidung zu treffen, die die Anerkennung und Feststellung der Schädigungsfolgen der weiteren Schädigung beinhaltet. Soweit - wie im vorliegenden Fall - hinsichtlich der Erstschädigung ausnahmsweise noch keine Beschädigtenversorgung festgestellt wurde, rechtfertigt dies keine Durchbrechung der Zuständigkeiten im Einzelfall.

Für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen nach dem [X.] kann § 4 Abs 4 [X.] allerdings nicht direkt angewendet werden. Die Norm bezieht sich nur auf den in § 3 Abs 1 [X.] unmittelbar geregelten Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen aus unterschiedlichen Gesetzen. Entsprechend seines eindeutigen und einer anderweitigen Auslegung nicht zugänglichen Wortlauts regelt § 3 Abs 1 [X.] unmittelbar nur das Zusammentreffen von Ansprüchen aus unterschiedlichen Gesetzen. Für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen nach dem [X.] aufgrund von mehreren Schädigungen in verschiedenen Bundesländern ist § 3 Abs 1 [X.] jedoch analog anzuwenden. Es besteht eine planwidrige Gesetzeslücke und vergleichbare Interessenlage mit dem Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen aus unterschiedlichen Gesetzen. Die im Rahmen des § 3 Abs 1 [X.] insoweit bestehende planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts führt zu einer solchen im Rahmen des sich hieran anknüpfenden § 4 Abs 4 [X.]. Damit zieht die analoge Anwendung des § 3 Abs 1 [X.] konsequenterweise eine analoge Anwendung des § 4 Abs 4 [X.] nach sich (vgl hierzu insgesamt Rademacker, aaO, § 3 [X.] Rd[X.] 4; offenbar auch Schoreit/[X.], [X.], 1977, § 3 Rd[X.] 2).

6. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 9 V 1/14 R

18.11.2015

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: V

vorgehend SG München, 27. September 2005, Az: S 30 VG 25/02, Urteil

§ 1 Abs 1 S 1 OEG, § 3 Abs 1 OEG, § 4 Abs 1 S 1 OEG, § 4 Abs 4 OEG, § 6 Abs 3 OEG, § 10 S 1 OEG, § 10a Abs 1 S 1 OEG, § 15 KOVVfG, § 30 Abs 1 BVG, § 30 Abs 2 BVG, § 31 Abs 2 BVG, § 60 Abs 1 S 1 BVG, § 103 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 411 Abs 4 S 1 ZPO, § 177 StGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2015, Az. B 9 V 1/14 R (REWIS RS 2015, 2145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2145

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