Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2013, Az. VIII ZR 346/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1426

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 346/12
Verkündet am:

6. November 2013

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 558d Abs. 1, 3
Zu den Anforderungen an das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels ([X.] vom 21.
November 2012 -
VIII
ZR 46/12, [X.], 775).

[X.], Urteil vom 6. November 2013 -
VIII ZR 346/12 -
LG [X.]

AG [X.]-Mitte

-
2 -
Der VIII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 9. Oktober 2013
durch den Vorsitzenden [X.], [X.] Frellesen, die Richterinnen
Dr. Milger
und Dr. Fetzer sowie [X.] Bünger
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 5. Oktober 2012
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die
Beklagte ist Mieterin
einer Drei-Zimmer-Wohnung der Klägerin in [X.]. Die Nettokaltmiete belief sich seit (mindestens) Mai 2006
auf 413,17

Mit Schreiben vom 28. Januar 2010
forderte die Klägerin die
Beklagte unter Benennung von sechs
Vergleichswohnungen auf, der Erhöhung der Nettokalt-miete ab dem 1. April
2010 um 52,26

465,43

t-spricht einer Erhöhung der Nettokaltmiete
von 4,34

4,89

Das Schreiben enthielt auch Angaben für die Wohnung nach dem [X.]er Mietspiegel 2009. Die
Beklagte stimmte der Mieterhöhung nicht zu.
Die Klägerin nimmt die
Beklagte auf
Zustimmung zur Mieterhöhung ent-sprechend ihrem Erhöhungsverlangen vom 28. Januar 2010
in Anspruch. Die 1
2

-
3 -
Klage ist
in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der
vom Berufungsge-richt
zugelassenen Revision verfolgt
die Klägerin ihr Zustimmungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat
Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
-
soweit für das Revisionsverfahren von Interesse -
im Wesentlichen ausgeführt:
Das Erhöhungsverlangen der Klägerin sei zwar formell wirksam. Der Klägerin stehe aber nach §§ 558 ff. [X.] kein Anspruch gegen die
Beklagte auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete zu.
Da die
Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte Höhe der ver-meintlich ortsüblichen Vergleichsmiete in Abrede stelle, müsse die Berufungs-kammer die ortsübliche Vergleichsmiete eigenständig ermitteln. Hierbei sei sie nicht an das vom Vermieter in seinem Erhöhungsverlangen verwendete Be-gründungsmittel gebunden. Die Kammer dürfe vielmehr
den [X.]er Mietspie-gel 2009
verwenden, bei dem es sich um einen qualifizierten
Mietspiegel im Sinne des §
558d [X.] handele. Aufgrund der in § 558d Abs. 3 [X.] enthalte-nen Vermutung
sei davon auszugehen, dass die innerhalb der maßgeblichen
Spanne liegenden Mietwerte die ortsübliche Miete für die Wohnungen des [X.] [X.] widerspiegelten. Diese Vermutungswirkung könne nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden. Hierfür
sei ein substan-3
4
5
6

-
4 -
tieller Angriff gegen die Erstellung des Mietspiegels nach den anerkannten wis-senschaftlichen Grundsätzen erforderlich.
Einen solchen Angriff habe die Klägerin nicht geführt. Ihre Rüge,
die Ein-teilung der Wohnlagen im [X.]er Mietspiegel 2009 sei unzureichend, weil die-ser im Gegensatz zu anderen Großstädten nicht zusätzlich die
Kategorie "beste Wohnlage"
vorsehe, begründe nicht die Annahme, die Eingruppierung sei [X.] erfolgt. Die
Klägerin habe
bereits nicht dargelegt, inwiefern der repräsen-tative Charakter der Einordnung in Wohnlagen allein deshalb nicht gewahrt sein solle, weil in verschiedenen [X.] unterschiedliche Einordnungen exis-tierten. Fehlerhaft wäre die im [X.]er Mietspiegel 2009 vorgenommene Eintei-lung nur dann, wenn es lediglich eine einzige statistisch zutreffende Einteilung der Wohnlagen für alle Städte gebe oder gerade in [X.] die vermisste
Katego-rie "beste Wohnlage"
erforderlich sei. Dafür wiederum bedürfte es eines Ab-gleichs der in der Kategorie "gute Wohnlage"
erfassten
Wohnungen in [X.], der zu dem Ergebnis
führen müsste, dass sich in diesem Bestand eine statis-tisch relevante Menge von Wohnungen befinde, die sich in ihrem Marktpreis nicht nur unerheblich von den übrigen Wohnungen in guter Wohnlage [X.]. Dies sei ausweislich der im Endbericht über die Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel 2009
enthaltenen Angaben
nicht der Fall. Der [X.] der Wohnungen in guter Wohnlage, für die eine

pro Quadratmeter erzielt werde, liege unter 1 % und sei daher zu vernachlässigen. Eine -
wie die Klägerin meine -
"willkürliche Einteilung"
in Wohnlagen weise der [X.]er Mietspiegel 2009 damit nicht
auf.
Dass
die Klägerin ihr Erhöhungsverlangen zulässigerweise auf die bei den benannten Vergleichswohnungen gezahlten Mieten gestützt habe, hindere das Gericht nicht daran, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verzichten und stattdessen die ortsübliche Vergleichsmiete unter Verwen-7
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-
5 -
dung eines qualifizierten Mietspiegels zu bestimmen. Dabei könnten
bei Ein-ordnung der betroffenen Wohnung in die maßgebliche Spanne auch im Miet-spiegel enthaltene Orientierungshilfen
als Schätzungsgrundlage herangezogen werden.
Denn solche
-
auch im [X.]er Mietspiegel 2009 enthaltene -
Orientie-rungshilfen
seien
vom umfassenden Sachverstand der an der [X.] beteiligten Experten getragen.
Wenn auch bei Vorliegen eines qualifizier-ten Mietspiegels in der Regel ein Sachverständigengutachten zur Spannenein-ordnung eingeholt werden müsste, würde die Vermutungswirkung des
§
558d Abs. 3 [X.] weitgehend ihre verfahrensvereinfachende Funktion verlieren. Die Verwendung eines qualifizierten Mietspiegels nebst Schätzung der Spannen-einordnung
durch das Gericht gemäß § 287 ZPO garantiere im Interesse beider [X.]en eine rasche Entscheidung und vermeide den Anfall
von Gutachterkos-ten, die im Falle eines Teilunterliegens den Mieterhöhungsbetrag erheblich schmälern oder sogar aufzehren könnten.
In Anwendung des [X.]er Mietspiegels 2009 und
der dort für die [X.] Einordnung der Wohnung in die Spanne des [X.] "J 2"
vorge-sehenen Orientierungshilfen ergebe sich vorliegend eine ortsübliche Nettokalt-miete, die unterhalb
der von der Beklagten bereits gezahlten Miete liege. Dabei sei die als Orientierungshilfe dienende Merkmalgruppe 5 (Wohnumfeld) negativ zu bewerten; die in der T.

straße gelegene Wohnung befinde sich nicht in einer "bevorzugten Citylage", denn diese setze eine Lage in einem zentral gelegenen [X.] der Großstadt [X.] voraus, der sich durch eine besondere Dichte von Einkaufsmöglichkeiten, Kultureinrichtungen und Restaurants sowie
anderen Einrichtungen auszeichne, die eine über die typische Infrastruktur eines Wohn-gebiets hinausgehende Bedeutung und Anziehungskraft insbesondere auch für in-
und ausländische Besucher und Touristen habe.
9

-
6 -
II.
Diese Beurteilung hält
rechtlicher Nachprüfung nicht
stand. Mit der vom Berufungsgericht
gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin nach §§ 558 ff. [X.] auf Zustimmung zu der von ihr verlangten Mieterhöhung nicht verneint werden.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht noch
angenommen, dass die Klägerin ihr Mieterhöhungsverlangen ordnungsgemäß nach §
558a [X.] begründet hat. Die Klägerin hat
sich zur Begründung der angestrebten
Mieter-höhung auf die Benennung von sechs
Vergleichswohnungen gestützt (§ 558a Abs. 2 Nr. 4 [X.]; vgl. auch Senatsurteil vom 28. März 2012 -
VIII ZR 79/11, NJW-RR 2012, 710 Rn. 10 f.) und -
seine Eignung als qualifizierter Mietspiegel
unterstellend -
zusätzlich die im [X.]er Mietspiegel 2009 vorgesehenen Anga-ben zur Wohnung mitgeteilt
(§ 558a Abs. 3 [X.]).
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur materiellen Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens sind hingegen von [X.] beeinflusst.
Der Senat hat -
nach Erlass des Berufungsurteils -
im Urteil vom 21. November 2012 ([X.], [X.], 775
ff.) in einer vergleichbaren Sachverhalts-gestaltung grundlegend zu
der Frage Stellung genommen, unter welchen [X.] ein qualifizierter Mietspiegel gegeben ist, der die Vermutungs-wirkung des §
558d Abs. 3 [X.] auslöst. Gemessen an diesen Maßstäben hätte das Berufungsgericht auch im Streitfall die ortsübliche Vergleichsmiete nicht allein unter Verweis auf die in §
558d Abs. 3 [X.] einem qualifizierten Mietspie-gel zugeschriebene Vermutung feststellen dürfen.
a) Bei der dem Tatrichter obliegenden Prüfung, ob die konkret vom [X.] verlangte Mieterhöhung nach § 558 [X.] tatsächlich
berechtigt ist, darf die ortsübliche Vergleichsmiete nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen 10
11
12
13

-
7 -
bestimmt werden, die die tatsächlich und üblicherweise gezahlten Mieten für vergleichbare Wohnungen in einer für die freie tatrichterliche Überzeugungsbil-dung

286 ZPO) hinreichenden Weise ermittelt haben (Senatsurteile
vom 16.
Juni 2010 -
VIII ZR 99/09, [X.], 665
Rn. 9; vom 21. November 2012 -
[X.], aaO Rn. 13; vgl. [X.] 37, 132, 143).
Dabei ist der Tatrichter im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung nicht auf das im Erhöhungsver-langen des Vermieters genannte [X.] im Sinne des §
558a Abs.
2 [X.] beschränkt. Existiert ein ordnungsgemäßer Mietspiegel
(§ 558c [X.], § 558d [X.]), der Angaben für die in Rede stehende Wohnung enthält, so darf dieser vom Tatrichter berücksichtigt werden.

b) Dabei kommt bei einem Mietspiegel, der nach anerkannten wissen-schaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von [X.] der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist (§ 558d Abs. 1 [X.]; qualifizierter Mietspiegel), die in § 558d Abs. 3 [X.] vorgesehene
Vermu-tungswirkung
zur Anwendung. Der Gesetzgeber misst einem solchen Mietspie-gel eine besondere Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität der in ihm enthal-tenen Daten und
breite Akzeptanz zu (BT-Drucks. 14/4553, [X.]). Aus diesen Gründen wird von Gesetzes wegen (§ 292 ZPO) vermutet, dass die in einem qualifizierten, die zeitlichen Vorgaben des § 558d Abs. 2 [X.] einhaltenden Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben
(Senatsurteil vom 21. November 2012 -
[X.], aaO Rn. 15).

c) Voraussetzung für das Eingreifen
der gesetzlichen Vermutung des §
558d Abs. 3 [X.] ist jedoch, dass der vom Tatrichter herangezogene Miet-spiegel die Tatbestandsmerkmale
des § 558d Abs. 1 [X.] unstreitig, offenkun-dig (§ 291 ZPO) oder nachweislich erfüllt
(Senatsurteil vom 21. November 2012 -
[X.], aaO Rn. 21 mwN). Auf eine Prüfung dieser Anforderungen kann nicht schon deswegen verzichtet werden, weil
der Mietspiegel von seinem Er-14
15

-
8 -
steller als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet oder von der Gemeinde und/oder von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter als solcher aner-kannt und veröffentlicht worden ist. Denn diese Umstände beweisen noch nicht, dass die Anforderungen des §
558d Abs. 1 [X.] auch tatsächlich vorliegen, der Mietspiegel also nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist (Senatsurteil vom 21. November 2012 -
[X.], aaO Rn. 19 mwN).
Einwendungen gegen die Wissenschaftlichkeit der Datenerhebung und
-auswertung ist daher -
anders als das Berufungsgericht meint -
nicht erst im Rahmen der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 558d Abs. 3 [X.] nachzugehen, sondern schon bei Prüfung, ob die -
für das
Eingreifen der [X.] erforderlichen -
Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 [X.] gegeben sind.
aa) Von der [X.], die das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels in Abrede stellt, ist allerdings zu verlangen, dass sie im Rahmen des Möglichen substantiierte Angriffe gegen den Mietspiegel vorbringt, sofern die Erstellung des Mietspiegels in allgemein zugänglichen Quellen dokumentiert ist (Senatsur-teil vom 21. November 2012 -
[X.], aaO Rn. 22 mwN). Hierbei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber
des Mietrechtsreformgesetzes bei Einführung des qualifizierten Mietspiegels davon ausgegangen ist, dass dessen Erstellung dokumentiert wird (BT-Drucks. 14/4553, [X.]). Informationen, die sich aus [X.] derartigen Dokumentation ergeben, kann die [X.], die den qualifizierten Mietspiegel nicht anerkennen will, nicht mehr mit Nichtwissen bestreiten. Sie muss sich vielmehr mit dem Inhalt der Dokumentation substantiiert auseinan-dersetzen, soweit dies ohne Fachkenntnisse -
etwa auf dem Gebiet der Statis-tik
-
möglich ist (Senatsurteil vom 21. November 2012 -
[X.], aaO Rn.
23).

16

-
9 -
bb) Im Falle eines substantiierten Bestreitens der Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 [X.] ist über deren Vorliegen -
soweit diese nicht offenkundig sind -
nach allgemein gültigen Regeln Beweis zu erheben.
(1) Anders als die
Revisionserwiderung meint, kann hierbei
nicht
schon unter Hinweis auf die Beweiskraftwirkung des § 418 Abs. 1 ZPO von einer (wei-teren) Prüfung der Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 [X.] abgesehen wer-den.
Die Revisionserwiderung macht insoweit geltend,
der
[X.]er Mietspiegel 2009 erbringe als "verkörperte Gedankenerklärung in Form einer statistischen Datenauswertung und Interpretation", die die Stadt [X.] als Ausstellerin er-kennen lasse, gemäß §
418 Abs.
1 ZPO vollen Beweis dafür, dass es sich um einen qualifizierten Mietspiegel handele.
Es ist bereits fraglich, ob der
[X.]er Mietspiegel 2009 eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO darstellt. Dies kann letztlich
offen blei-ben. Denn die Stadt [X.] hat die im Mietspiegel enthaltenen Daten weder er-hoben noch ausgewertet, sondern lediglich die darin getroffenen Aussagen als zutreffend anerkannt
(Amtsblatt für [X.] 2009, S. 1409). Die Beweiskraftwir-kung des § 418 Abs. 1 ZPO reicht aber nur so weit, wie gewährleistet ist, dass die zur Beurkundung berufene Amtsperson die Tatsachen selbst verwirklicht oder aufgrund eigener Wahrnehmungen zuverlässig festgestellt hat ([X.], NJW-RR 1992, 1084, 1085; [X.], Beschluss vom 6. Mai 2004 -
IX ZB 43/03, NJW 2004, 2386 unter [X.]). Eine eventuelle
Beweiskraft des [X.]er Miet-spiegels 2009 könnte sich damit nur
auf den Umstand
erstrecken, dass die Stadt [X.] ihn als einen nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Mietspiegel akzeptiert
hat.
Dass der Mietspiegel tatsächlich unter Be-achtung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Methoden erstellt worden ist, wäre dagegen von einer möglichen Beweiskraftwirkung des § 418 Abs. 1 ZPO nicht umfasst.

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18
19

-
10 -
(2) Wird
das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels, also dessen Ausrichtung an anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen, substantiiert be-stritten, muss das Gericht daher
-
gegebenenfalls unter
Einholung amtlicher Auskünfte gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 oder § 358a Nr. 2 ZPO -
über das Vorlie-gen der in §
558d Abs.
1 [X.] genannten Voraussetzungen Beweis erheben.
Die Einhaltung/Nichteinhaltung
anerkannter
wissenschaftlicher
Grundsätze wird sich, sofern sie sich nicht bereits -
etwa aufgrund der im Mietspiegel oder den hierzu veröffentlichten
Erläuterungen enthaltenen (aussagekräftigen) Angaben zum Verfahren der Datengewinnung und -auswertung sowie zu den einzelnen Bewertungsschritten -
als offenkundig darstellt oder vom
Gericht in eigener Sachkunde beurteilt werden kann
-
häufig nur durch ein Sachverständigengut-achten klären
lassen (vgl. Senatsurteil vom 21. November 2012 -
[X.], aaO Rn. 19 mwN).
Es wird aber durchaus auch Fälle geben, in denen eine ausreichende Klärung aufgrund ergiebiger Erläuterungen im Mietspiegel und ergänzend ein-geholter amtlicher Auskünfte, durch Anhörung sachverständiger
Zeugen (§
414 ZPO) -
etwa von Experten, die an der Erstellung des Mietspiegels maßgeblich beteiligt waren -
oder kraft eigener Sachkunde des Gerichts erreicht werden kann
(Senatsurteil vom
21. November 2012 -
[X.], aaO Rn.
19, 24).

Ob im Bestreitensfall ein Sachverständigengutachten erforderlich ist, hängt vorrangig von der Art der gegen den Mietspiegel vorgebrachten Einwen-dungen, der Aussagekraft der vorhandenen und zugänglichen Dokumentation
der Datenerhebung und Datenauswertung,
dem Inhalt der Erläuterungen zu der im Mietspiegel angewandten Methodik und der eigenen Sachkunde des Ge-richts
ab
(Senatsurteil vom 21. November 2012 -
[X.], aaO
Rn. 19). In den Fällen, in denen
für eine ausreichende Klärung der Streitfragen die [X.] eines Sachverständigen unumgänglich ist, wird unter Umständen die 20
21
22

-
11 -
Möglichkeit bestehen, auf bereits existierende Gutachten zurückzugreifen. Ein in einem anderen Verfahren über die Frage der Einhaltung anerkannter wissen-schaftlicher Methoden erhobenes Gutachten kann gegebenenfalls entweder nach §
411a ZPO als [X.] oder nach §§
415 ff. ZPO als [X.] verwertet werden (Senatsurteil vom 21. November 2012
-
[X.], aaO Rn. 25).
[X.]) Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen hätte das [X.] die ortsübliche Vergleichsmiete nicht allein unter [X.] der in
§ 558d Abs. 3 [X.] einem qualifizierten Mietspiegel zugeschriebe-nen
Vermutungswirkung
feststellen dürfen, sondern hätte dem Einwand der Klägerin nachgehen müssen, der
Mietspiegel 2009 der Stadt [X.] sei nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden.
Dieses [X.] war -
unabhängig von der Frage, ob der
vom Berufungsgericht heran-gezogene Endbericht über die Grundlagendaten für den Mietspiegel 2009
nicht, so die Rüge der Revision, allgemein zugänglich ist -
auch hinreichend substan-tiiert. Die Klägerin hat moniert, die Einordnung der Wohngebiete
im [X.]er Mietspiegel 2009 beruhe nicht auf überprüfbaren anerkannten wissenschaftli-chen Erkenntnissen und Erhebungen, sondern auf einer willkürlichen und reali-tätsfremden, nicht am tatsächlichen Mietniveau orientierten
Einteilung einzelner Straßen und Gebiete in die
drei
Wohnlagen "einfach", "mittel"
und "gut", wobei die im [X.] Mietspiegel vorgesehene Kategorie "beste Wohnlage"
gar nicht vorgesehen sei.
Hierbei hat sie insbesondere die Einordnung der streitge-genständlichen Wohnung in die Kategorie
"einfache Wohnlage"
bemängelt und dazu vorgetragen, die Wohnung liege in einem
-
vor allem wegen seiner
Infra-struktur -
besonders beliebten Innenstadtgebiet
([X.]-Mitte), in dem
deutlich über dem einschlägigen Höchstwert des [X.]er Mietspiegels 2009 gezahlte Mieten
erzielt würden. Dies werde exemplarisch dadurch belegt, dass von 42
Wohnungen im Bestand der Klägerin
(T.

straße

und

) nur vier
innerhalb 23

-
12 -
der im einschlägigen Mietspiegelfeld ausgewiesenen Spanne lägen. Dass für Wohnungen in der T.

straße das gleiche Mietniveau gelten solle wie für [X.] in den Randgebieten [X.]s -
etwa dem [X.], [X.] oder [X.] -, die ebenfalls der einfachen Wohnlage zugeordnet würden, sei auch deswegen lebensfremd, weil in diesen Stadtteilen andere Mie-ter-
und Infrastrukturen
sowie eine gänzliche andere Bauweise (keine Altbau-ten) vorhanden seien und auch ansonsten andere Verhältnisse herrschten.
Die Klägerin hat damit die Richtigkeit und
Repräsentativität des
dem Mietspiegel zugrunde
gelegten Datenmaterials
substantiiert in Frage gestellt. Mit diesen Einwänden hat sich das Berufungsgericht in seinen Urteilsgründen nicht hinrei-chend befasst. Es ist lediglich auf die Rüge der Klägerin eingegangen, der Ber-liner Mietspiegel
2009 sehe nicht die Kategorie "beste Wohnlage"
vor. Dass das Berufungsgericht sämtliche Einwendungen der Klägerin aus eigener Sachkunde und ausschließlich unter Verwertung ordnungsgemäß in den Prozess eingeführ-ter Unterlagen hätte
widerlegen können, ist weder dem Berufungsurteil zu [X.] noch sonst ersichtlich.
Das Berufungsgericht hätte daher den [X.]er Mietspiegel 2009 nicht ohne Durchführung einer Beweisaufnahme als qualifi-zierten Mietspiegel im Sinne des §
558d [X.] bewerten dürfen.
3.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
a) Zwar hätte das Erhöhungsbegehren der Klägerin nach ihrem bisheri-gen Vortrag
auch dann keinen Erfolg gehabt, wenn das Berufungsgericht nicht oder jedenfalls nicht unter Heranziehung der Vermutungswirkung des §
558d Abs. 3 [X.] auf den [X.]er Mietspiegel 2009 zurückgegriffen hätte. Denn die Klägerin hat für ihre von der
Beklagten in Abrede gestellte
Behauptung, die [X.] Miete von 4,89

pro Quadratmeter sei ortsüblich, keinen Beweis ange-boten. Sie hat sich insofern lediglich auf die bereits im Erhöhungsverlangen ge-24
25

-
13 -
nannten sechs
Vergleichswohnungen bezogen. Abgesehen davon, dass die
Beklagte die Vergleichbarkeit der benannten Wohnungen bestritten hat, stellen sechs
Wohnungen im Regelfall eine zu geringe Datengrundlage dar, um im Prozess die ortsübliche Vergleichsmiete zu beweisen (vgl. Senatsurteil vom 21.
November 2012 -
[X.], aaO Rn. 28 [zu vier Vergleichswohnungen]
mwN);
dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt,
dass sie alle aus dem [X.] der Klägerin stammen (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 2013 -
VIII ZR 354/12, [X.], 2963 Rn. 22).

b) Allerdings hat dieser Gesichtspunkt im bisherigen Prozessverlauf [X.] Rolle gespielt, weswegen -
falls das Berufungsgericht im weiteren Verfahren diesen Weg wählen wollte -
der Klägerin gegebenenfalls Gelegenheit zu geben wäre, einen entsprechenden Beweisantritt nachzuholen (vgl. Senatsurteil vom 21.
November 2012 -
[X.], aaO Rn. 28). Bei der Würdigung eines zur Ortsüblichkeit der verlangten Miete eingeholten Sachverständigengutachtens wird der Tatrichter aber zu berücksichtigen haben, dass in den Fällen, in denen ein qualifizierter Mietspiegel für das betroffene Wohngebiet vorliegt, diesem ei-ne besondere Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität der in ihm enthaltenen Daten zukommt (vgl. BT-Drucks. 14/4553, [X.]; Senatsurteil vom 21.
November 2012 -
[X.], aaO Rn. 29).
26

-
14 -
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif
ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die [X.]en ihren Vortrag ergänzen können und das Berufungsgericht die
da-nach
gegebenenfalls
erforderlichen Feststellungen treffen kann
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ball
[X.]
Dr. Milger

Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG [X.]-Mitte, Entscheidung vom 15.12.2011 -
12 [X.]/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 05.10.2012 -
63 S 36/12 -

27

Meta

VIII ZR 346/12

06.11.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2013, Az. VIII ZR 346/12 (REWIS RS 2013, 1426)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1426

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 346/12

VIII ZR 79/11

VIII ZR 46/12

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