Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.02.2015, Az. 1 StR 335/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 15672

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Gegenstand

Verständigung im Strafverfahren: Umfang der Mitteilungspflicht des Vorsitzenden über Verständigungsgespräche außerhalb der Hauptverhandlung


Tenor

Die Revision des Angeklagten [X.]         gegen das Urteil des [X.] vom 27. November 2013 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Die Revision beanstandet u.a., die Vorsitzende habe ihrer Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht genügt, als sie am 13. Hauptverhandlungstag über eine im [X.] an den davor liegenden Verhandlungstag stattgefundene Erörterung mit dem Ziel einer Verständigung berichtet habe. So hätten die Argumente der Verteidigung und die Frage, von wem die Initiative zu dem Gespräch ausgegangen sei, sowie die vom Gericht geäußerten Vorstellungen dokumentiert werden müssen. Die [X.] hat keinen Erfolg.

a) Soweit sie sich dagegen richtet, dass die Mitteilung nicht die Information darüber umfasst habe, dass die Initiative zu dem Gespräch mit dem Ziel einer Verständigung von der Verteidigung ausgegangen sei, ist die [X.] jedenfalls unbegründet. Eine dahingehende Mitteilungspflicht besteht nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - 1 [X.]/14).

b) Soweit die Revision beanstandet, die Argumente der Verteidigung seien nicht mitgeteilt worden, ist - ungeachtet der Zulässigkeit der [X.] - ebenfalls kein durchgreifender Rechtsfehler aufgezeigt. Aus der Mitteilung ergibt sich, dass Gegenstand der Erörterungen war, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen eine bewährungsfähige Strafe in Betracht kommt, auch die ablehnende Position der Staatsanwaltschaft ist detailliert enthalten. Dem kann sowohl durch den Angeklagten als auch durch die Öffentlichkeit ohne weiteres entnommen werden, dass die Verteidigung für eine bewährungsfähige Strafe eingetreten ist. Weitergehende Mitteilungspflichten, etwa im Hinblick auf die von der Verteidigung in dem Gespräch im Einzelnen angeführten Strafzumessungsaspekte, bestehen nicht.

[X.] sind die von den [X.] vertretenen Standpunkte ([X.] 133, 168, 217 Rn. 86 mwN). Eine bis in Einzelheiten der Argumentation für den jeweiligen "Standpunkt" reichende Mitteilungspflicht ist damit nicht verbunden. Die Anforderungen an den Inhalt der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 StPO ergeben sich aus den mit der Mitteilung verfolgten Zwecken, nämlich vor allem die Eröffnung einer Kontrollmöglichkeit von Verfahrensabsprachen durch die Öffentlichkeit sowie die Sicherstellung einer umfassenden Information des Angeklagten, um diesem eine autonome Entscheidung über die Beteiligung an der Verständigung zu ermöglichen (vgl. zusammenfassend nochmals [X.], [X.], 170). Keiner der beiden Zwecke erfordert Mitteilungen über die Argumentation von Gesprächsbeteiligten in Details.

Jedenfalls aber kann angesichts der Besonderheiten des [X.] ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf der unterbliebenen ausdrücklichen Mitteilung sowohl über die Äußerung des Verteidigers, aus seiner Sicht könne "bei einer geständigen Einlassung ... auch zu diesem relativ späten Zeitpunkt eine bewährungsfähige Strafe durchaus in Betracht kommen", als auch über die hierfür angeführten Argumente beruht. Denn die Vorsitzende hat offen gelegt, dass ein Gespräch stattgefunden hat, in dem die Möglichkeit einer bewährungsfähigen Strafe erörtert und eine Einigung nicht erzielt worden ist. Die Details des von der Verteidigung vertretenen Standpunkts und ihre Rolle bei dem [X.] lassen sich der Revisionsbegründung entnehmen. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass der Inhalt des Gesprächs nicht auf eine inhaltlich unzulässige Absprache gerichtet war, die auch von der Verteidigung nicht behauptet wird und nach dem Verfahrensgang (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13, [X.]St 59, 21, 24 ff.) ohnehin fernliegt. Vor diesem Hintergrund wäre das Unterlassen einer solchen Mitteilung nach Art und Schwere als untergeordnet im Hinblick auf den Zweck der Transparenz- und Dokumentationspflichten - der Verhinderung gesetzeswidriger Absprachen - anzusehen (vgl. hierzu [X.], [X.], 170, 172.). Dass das Verteidigungsverhalten des Angeklagten beeinflusst worden sein könnte, ist angesichts dieser Besonderheiten ebenfalls auszuschließen.

c) Die auf die Unterlassung der Mitteilung der vom Gericht geäußerten Vorstellungen gerichtete Beanstandung belegt keinen Rechtsfehler. Der Vortrag der Revision, das Gericht habe bei dem Gespräch "im Wesentlichen die Position der Staatsanwaltschaft" geteilt, ist nicht bewiesen. Da die [X.] dem schon im Rahmen der Gegenerklärung entgegen getreten war, hat der Senat im Wege des [X.] die anderen an dem Gespräch teilnehmenden Personen hierzu befragt. Die beteiligten [X.] haben substantiiert und sich schlüssig in die Verfahrenslage einfügend dargelegt, zum Standpunkt der Staatsanwaltschaft keine Äußerung abgegeben zu haben. Dies deckt sich mit den Angaben der [X.]; auch die [X.] haben keine Erinnerung an eine Stellungnahme zu [X.] durch das Gericht. Damit ist der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt, weitere Erkenntnismöglichkeiten standen nicht zur Verfügung. Danach und im Hinblick auf den unkonkret bleibenden Vortrag der Revision zur behaupteten Äußerung des Gerichts, hat der Senat keinen Zweifel, dass das Gericht sich nicht zu [X.] geäußert hat.

2. Die [X.], die Mitteilung sei nicht gemäß § 273 Abs. 3 StPO vorgelesen und genehmigt worden, hat ebenfalls keinen Erfolg. Dies gilt schon deswegen, weil das Urteil hierauf nicht beruhen kann (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 10. Februar 1993 - 3 [X.]; [X.]/[X.], [X.]., § 273 Rn. 67).

Graf     

Cirener     

     [X.]

Rin[X.] Dr. [X.] ist wegen
Urlaubsabwesenheit an der
Unterschriftsleistung gehindert.

[X.]     

Graf

Graf                             Cirener                       [X.]

                                     Rin[X.] Dr. [X.] ist wegen

                                     Urlaubsabwesenheit an der

                                     Unterschriftsleistung gehindert.

                          [X.]

Meta

1 StR 335/14

11.02.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 14. Januar 2015, Az: 1 StR 335/14, Beschluss

§ 243 Abs 4 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.02.2015, Az. 1 StR 335/14 (REWIS RS 2015, 15672)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15672


Verfahrensgang

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Az. 1 StR 335/14

Bundesgerichtshof, 1 StR 335/14, 11.02.2015.


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5 StR 255/15

5 StR 255/15

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