Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2012, Az. XII ZB 165/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9413

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/11

vom

8. Februar 2012

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§
233
B, [X.], 310 Abs.
1 Satz
1, 311 Abs.
2
a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Verkündungsmängel stehen dem wirk-samen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsich-tigt war oder von den [X.]en derart verstanden werden durfte und die [X.]en von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (im [X.] an [X.]Z [X.], 39, 44
ff.).
b) Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört zu den Aufgaben, die der Rechts-anwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das [X.] selbst sorgfältig zu überprüfen. Auch bei einem so wichtigen Vorgang darf der Rechtsanwalt aber einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persön-lich überprüfen muss. Dann müssen jedoch ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Übersen-dung eines zulässigen Rechtsmittels unterbleibt (im [X.] an den Senatsbe-schluss vom 25.
März 2009
XII
ZB
150/08
-
FamRZ 2009, 1132).
[X.], Beschluss vom 8. Februar 2012 -
XII [X.]/11 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
8. Februar 2012 durch die Vorsitzende [X.]in Dr.
Hahne und die [X.] Dose, Dr.
Klinkhammer, Dr.
Günter und Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3.
Senats für Familiensachen des [X.] vom 11.
März 2011 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.
[X.]: 14.229

Gründe:
I.
Die [X.]en streiten in dem seit dem 1.
August 2007 anhängigen Verfah-ren um Trennungsunterhalt. Mit Beschluss vom 1.
November 2010 hatte das Amtsgericht mit Zustimmung der [X.]en das schriftliche Verfahren angeordnet und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 29.
November 2010 bestimmt. Auf der Rückseite der letzten Seite des vom [X.] unter-zeichneten Urteils befindet sich der handschriftliche Zusatz:
"VT-Prot
Um 1110 erschien niemand.
Der Beschluss wurde verkündet"
1
-
3
-
Der Zusatz
ist vom
[X.]
mit
dem Datum
29/11 unterzeichnet. Unter dem Zusatz
befindet sich folgende Verfügung des Geschäftsstellenbeam-ten:
"1.) Beschl
ausf.
an [X.] Vertr. ./. [X.]
2.) Nach Rückkehr [X.] vollstreckbare Ausf. des Urteils
an [X.]. ./. [X.]"
Auf der ersten Seite trägt das Urteil zwei weitere von dem Geschäftsstel-lenbeamten unterschriebene Vermerke und zwar zum einen:
"Verkündet am:
29.11.2010"
und zum anderen
"Eingang auf der Geschäftsstelle
am 30. [X.]. 2010"
Eine Urteilsausfertigung
wurde dem Beklagtenvertreter am 6.
Dezember 2010, eine vollstreckbare Ausfertigung dem Klägervertreter am 10.
Dezember 2010 zugestellt.
Am 5.
Januar 2011 ging eine an das
Amtsgericht gerichtete "Beschwer-de"
"gegen das am 29.11.2010 verkündete Urteil" dort ein. Mit Verfügung vom 6.
Januar 2011 leitete das Amtsgericht den Schriftsatz an das zuständige Ober-landesgericht weiter, wo er am 11.
Januar 2011 einging.
Mit einem dem Beklagtenvertreter am 27.
Januar 2011 zugestellten Be-schluss wies das [X.] den Beklagten auf den verspäteten Ein-gang der Berufung hin. Mit einem am Montag, dem 7.
Februar 2011 eingegan-2
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5
6
-
4
-
genen Schriftsatz begründete der Beklagte seine Berufung. Mit einem weiteren, am 10.
Februar 2011
eingegangenen Schriftsatz beantragte
der Beklagte vor-sorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.
Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten verworfen. [X.] richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.
Für das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor [X.] Zeitpunkt eingeleitet worden ist (Senatsbeschluss vom 3.
November 2010 -
XII
ZB
179/10
-
FamRZ 2011, 100 Rn.
10).
Die nach §§
574 Abs.
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 ZPO [X.]e Rechtsbeschwerde des Beklagten ist nicht zulässig, weil die Vorausset-zungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Be-rufungsfrist gegen das Urteil vom 29.
November 2010 mit der Zustellung an den Beklagten am 6.
Dezember 2010 begonnen hat. Das angefochtene Urteil ist, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.
7
8
9
10
-
5
-
a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen pro-zessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein -
allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender
-
Entscheidungsentwurf vor ([X.]Z [X.], 39,
44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt [X.] öffentlich im [X.] an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§
310 Abs.
1 Satz
1, 311 Abs.
2 Satz
1 ZPO, §
173 Abs.
1 [X.]). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach §
128 Abs.
2 Satz
2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden ([X.] Urteil vom 12.
März 2004 -
XII
ZR
37/03
-
FamRZ 2004, 1187
f.).
Nach §
165 Satz
1 ZPO kann die Beachtung der für die mündliche Ver-handlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Zu diesen Förmlichkeiten gehört gemäß §
160 Abs.
3 Nr.
7 ZPO auch die Verkündung des Urteils. Diese
erfolgt nach §
311 Abs.
2 Satz
1 ZPO durch Vorlesung der Urteilsformel, die durch Bezugnahme auf die Urteilsformel ersetzt werden kann, wenn bei der Verkündung keine der [X.]en anwesend ist (§
311 Abs.
2 Satz
2 ZPO). Die Angabe, welche dieser beiden Arten der Verkündung erfolgt ist, schreibt das Gesetz nicht vor. Dem Erfordernis des §
160 Abs.
3 Nr.
7 ZPO ist deshalb Genüge getan, wenn der [X.] lediglich protokolliert, dass die anliegende Entscheidung verkündet worden ist, selbst wenn dies zu Zweifeln über die gewählte Form der Verlautbarung Anlass geben könnte ([X.] Urteile
vom 16.
Oktober 1984 -
VI
ZR
205/83
-
NJW 1985, 1782, 1783
und
[X.]Z 10, 327, 329).
Auch im Übrigen stehen Verkündungsmängel nach ständiger Rechtspre-chung des [X.] dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entge-gen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende [X.] verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechts-11
12
13
-
6
-
sinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht ([X.]Z [X.], 39, 44 ff.; [X.] Urteil vom 16.
Oktober 1984 -
VI
ZR
205/83 -
NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beab-sichtigt war oder von den [X.]en derart verstanden werden durfte und die [X.] von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden ([X.] Urteil vom 12.
März 2004 -
V
ZR
37/03
-
FamRZ 2004, 1187, 1188 mwN).
b) Nach diesen Grundsätzen liegt hier ein wirksames Urteil vor. [X.] von den im Einzelnen gerügten Verstößen gegen den notwendigen In-halt des [X.] nach §
160 ZPO liegt hier zweifelsfrei eine Ver-lautbarung des Gerichts vor.
Dies musste
von den [X.]en auch so verstanden werden. Das Amtsge-richt hatte mit Verfügung vom 1.
November 2010 ein schriftliches Verfahren an-geordnet und [X.] auf den 29.
November 2010 bestimmt. Das vorliegende Urteil ist vom [X.] unterzeichnet und ausweislich [X.] am 29.
November 2010 verkündet worden. Weil
sich der Ver-merk auf der Rückseite des [X.] befindet, kann trotz der falschen Be-zeichnung als Beschluss auch kein Zweifel aufkommen, welche Entscheidung verkündet worden ist. Entsprechend hat auch die Geschäftsstelle die Verkün-dung des Urteils am 29.
November 2010 vermerkt. Auf der Grundlage dieser Verkündung hat die Geschäftsstelle die Zustellung des Urteils an die [X.] verfügt. Dem Beklagtenvertreter ist das "Urteil vom 29.11.2010" sodann am 6.
Dezember 2010 zugestellt worden. Die Zustellung des Urteils hat
er mit [X.] bestätigt.
14
15
-
7
-
Danach konnte für den Beklagten kein Zweifel daran bestehen, dass am 29.
November 2010 -
wie im Beschluss vom 1.
November 2010 angekündigt
-
das Urteil verkündet worden war, das ihm am 6.
Dezember 2010 zugestellt wurde. Die weiteren Verkündungsmängel sind mit der Verlautbarung der Ent-scheidung nicht unvereinbar und stehen einem wirksamen Urteil deswegen nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 19.
Oktober 2011 -
XII
ZB 250/11
-
NJW-RR 2012, 1 Rn.
14; [X.] Urteile
vom 12.
März 2004 -
V
ZR
37/03
-
FamRZ
2004, 1187, 1188
und
vom 16.
Oktober 1984 -
VI
ZR
205/83
-
NJW 1985, 1782, 1783;
[X.]Z [X.], 39, 44 ff.; [X.], 514).
c) Weil somit nach der Verkündung ein wirksames
Urteil vorlag, kommt es auf die Frage einer Verlautbarung durch Zustellung des Urteils an Verkün-dungs
statt nach §
310 Abs.
3 ZPO nicht an. Nur in diesen Fällen, in denen die Verlautbarung der Entscheidung durch Zustellung erfolgt, beginnt die [X.] erst mit der Zustellung an alle [X.]en (Senatsbeschluss vom 5.
Oktober 1994 -
XII
ZB
90/94
-
NJW 1994, 3359, 3360). Wird hingegen -
wie hier
-
ein bereits durch Verkündung verlautbartes Urteil zugestellt, beginnt die Rechtsmittelfrist für jede [X.] mit der Zustellung an sie. Weil das Urteil dem Beklagten am 6.
Dezember 2010 zugestellt wurde, lief die einmonatige Beru-fungsfrist des §
517 ZPO mithin am 6.
Januar 2011 ab.
2. Zutreffend sind auch die weiteren Ausführungen des Berufungsge-richts, wonach das Rechtsmittel des Beklagten vom 4.
Januar 2011 nicht [X.] beim Rechtsmittelgericht eingegangen ist.
a) Weil für das Verfahren weiterhin das frühere Prozessrecht galt, war die Berufung nach §
519 Abs.
1 ZPO durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht, hier also bei dem [X.]

119 Abs.
1 Nr.
1
a [X.]), einzulegen. Der Beklagtenvertreter hatte sein Rechtsmittel, das 16
17
18
19
-
8
-
unzutreffend
auch als Beschwerde bezeichnet war, hingegen an das nach dem
hier noch anwendbaren früheren Recht unzuständige Amtsgericht geschickt. Beim zuständigen [X.] ist das Rechtsmittel nach Weiterleitung durch das Amtsgericht erst am 11.
Januar 2011 und somit verspätet eingegan-gen.
b) Indem das Amtsgericht die Berufung des Beklagten lediglich im or-dentlichen Geschäftsgang
an das zuständige [X.] weitergeleitet hat, hat es keine
Verfahrensrechte des Beklagten verletzt.
Der [X.] ist einerseits aufgrund des Anspruchs auf ein faires Verfah-ren zur Rücksichtnahme auf die [X.]en verpflichtet. Andererseits muss auch die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung ge-schützt werden ([X.] NJW 2006, 1579). Eine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmittelbegründung unzuständigen Gerichts, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern, besteht deswegen nicht (vgl. [X.] Beschluss vom 24.
Juni 2010 -
V
ZB
170/09
-
WuM 2010, 592 Rn.
7). Geht eine fristgebundene Rechtsmittel-begründung oder ein entsprechender Verlängerungsantrag statt beim [X.]gericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses grundsätzlich le-diglich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten.
Geht der Schriftsatz so rechtzeitig ein, dass die fristgerechte Weiterlei-tung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die [X.] darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Kommt das angerufene [X.] dem nicht nach, wirkt sich das Verschulden der [X.] oder ihrer [X.] nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vori-20
21
22
-
9
-
gen Stand zu gewähren ist. Die eine Wiedereinsetzung begehrende [X.] hat jedoch darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ihr
Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgerecht an das zuständige Rechtsmittel-gericht hätte weitergeleitet werden können (Senatsbeschlüsse
vom 15.
Juni 2011 -
XII
ZB
468/10
-
FamRZ 2011, 371 Rn.
12
und vom 17.
August 2011 -
XII
ZB
50/11
-
FamRZ 2011, 1649 Rn.
20 ff.). Weil das Rechtsmittel des [X.] hier erst einen Tag vor Fristablauf beim unzuständigen Gericht einge-gangen ist, ist es den Gerichten nicht anzulasten, dass die
Weiterleitung im or-dentlichen Geschäftsgang nicht zum rechtzeitigen Eingang
beim Oberlandesge-richt geführt hat.
c) Der Beklagte war auch nicht ausnahmsweise berechtigt, sein [X.] nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung auch beim Amtsgericht ein-zulegen.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] greift der [X.] in Fällen, in denen das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung gewählt hat. Dann steht den
[X.]en auch das-jenige Rechtsmittel
zu, welches nach Art der ergangenen Entscheidung [X.] ist. Daneben bleibt das Rechtsmittel zulässig, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung statthaft
gewesen wäre. Das [X.] stellt damit eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Grunds-ätze der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und des Vertrauensschutzes dar. Über die Fälle einer inkorrekten
Entscheidung hinaus kommt es daher auch dann zur Anwendung, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit
über
das einzulegende Rechtsmittel besteht, sofern diese auf einem Fehler oder [X.] beruht (Senatsbeschluss vom 17.
Dezember 2008 -
XII
ZB
125/06
-
GuT 2009, 209 Rn.
17; [X.]Z 152, 213 = 23
24
-
10
-
NJW-RR 2003, 277 Rn.
46 und [X.] Beschluss vom 21.
Oktober 1993 -
V
ZB
45/93
-
WM 1994, 180).
Mit der gleichen Begründung
findet der Grundsatz der Meistbegünsti-gung Anwendung, wenn das Gericht
für sein Verfahren
zwar die Entschei-dungsform
zutreffend gewählt, inhaltlich aber ein unzutreffendes
Verfahrens-recht angewandt hat. Denn auch in diesen Fällen ist das Vertrauen der Beteilig-ten auf das angewandte Verfahrensrecht schutzwürdig (Senatsbeschlüsse vom 6.
April 2011 -
XII
ZB
553/10
-
FamRZ
2011, 966 Rn.
13 und vom 6.
Juli 2011 -
XII
ZB
100/11
-
FamRZ 2011, 1575 Rn.
12
f.).
Diese Voraussetzungen liegen hier allerdings nicht vor. Das Amtsgericht hat das bereits seit August 2007 anhängige Verfahren zutreffend weiter
nach dem
früheren Prozessrecht betrieben, ein schriftliches Verfahren nach §
128 Abs.
2 ZPO angeordnet
und durch Urteil entschieden. Die [X.]en sind -
wie es dem früheren Prozessrecht entspricht
-
als Klägerin und Beklagter bezeichnet. Entsprechend enthält die Entscheidung auch keine Rechtsmittelbelehrung. Die Entscheidung ist auch bei der Zustellung zutreffend als Urteil bezeichnet. Für die [X.]en bestand im Zeitpunkt der Zustellung deswegen kein Zweifel daran, dass das Amtsgericht zutreffend nach dem früheren
Prozessrecht entschieden hatte und deswegen das Rechtsmittel der Berufung beim [X.] einzulegen war.
3. Schließlich hat das [X.] dem Beklagten auch zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte [X.] versagt.
a) Die Prüfung der
notwendigen Formalien für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist Aufgabe des Rechtsmittelführers. Ihm obliegt es deswegen auch, dafür Sorge zu tragen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittel-25
26
27
28
-
11
-
frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschluss vom 15.
Juni 2011 -
XII
ZB
468/10
-
FamRZ 2011, 371 Rn.
8 und [X.] Beschluss vom 4.
Dezember 1991 -
VIII
ZB
34/91
-
VersR 1992, 1023 f.). Unter Verstoß gegen diese Anforderungen hat der Beklagtenvertreter das Rechtsmittel nicht an das zuständige [X.], sondern an das Amtsgericht gesandt, weswegen es schließlich verspätet beim zuständigen [X.] eingegangen ist.
b) Ein Rechtsanwalt darf allerdings grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine [X.] befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (Se-natsbeschlüsse vom 21.
April 2010 -
XII
ZB
64/09
-
FamRZ
2010, 1067 Rn.
11 und vom 9.
Dezember 2009 -
XII
ZB
154/09
-
VersR 2011, 89 Rn.
16; [X.] Be-schluss vom 2.
November 1995 -
VII
ZB
13/95 -
VersR 1996, 779).
Zwar gehört die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht
übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen ([X.] Beschlüsse vom 25.
Juni 1986 -
IV
a ZB
8/86
-
VersR 1986, 1209 und vom 29.
April 1982 -
I
ZB
2/82
-
VersR 1982, 769 f.). Sie
darf in einem so gewichtigen Teil wie der Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts auch gut geschultem
und erfahrenem Büropersonal eines Rechtsanwalts nicht eigenverantwortlich überlassen wer-den. Der Prozessbevollmächtigte einer [X.] muss die Rechtsmittelschrift [X.] vor der Unterzeichnung auf die Vollständigkeit, darunter auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts, überprüfen (Senatsbeschluss vom 1.
Februar 2012 -
XII
ZB 298/11
-
zur Veröffentlichung bestimmt; [X.] Be-schluss vom 8.
Dezember 1992 -
VI
ZB 33/92
-
VersR 1993, 1381 f.).
29
30
-
12
-
Auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer [X.]schrift darf der Rechtsanwalt aber
einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss
([X.] Beschluss vom 30.
Oktober 2008 -
III
ZB 54/08
-
FamRZ 2009, 109 Rn.
9
f.). Das gilt insbesondere dann, wenn die weitere allgemeine Büroanweisung besteht, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen. Denn in einem solchen Fall stellt die im Einzelfall erteilte zusätzliche Weisung, den Auftrag sofort und vor allen anderen Aufgaben auszuführen, grundsätzlich eine ausreichende Vorkehrung dagegen dar, dass die Eintragung der Frist in Vergessenheit gerät (Senatsbeschlüsse vom 19.
November 2008 -
XII
ZB
102/08
-
FamRZ 2009, 217 Rn.
14 und vom 2.
April 2008 -
XII
ZB
190/07
-
FuR 2008, 344 Rn.
12 ff.). Betrifft die Anweisung des Rechtsanwalts einen so wichtigen Vorgang wie die Erstellung einer Rechtsmittelschrift
und wird sie nur mündlich
erteilt, müssen ausreichende [X.] dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung in [X.] und die Übersendung eines zulässigen Rechtsmittels unter-bleibt (Senatsbeschlüsse vom 21.
April 2010 -
XII
ZB
64/09
-
FamRZ 2010, 1067 Rn.
11; vom 25.
März 2009 -
XII
ZB
150/08
-
FamRZ 2009, 1132 Rn.
19 ff. und vom 13.
September 2006 -
XII
ZB
103/06
-
FamRZ 2006, 1663 Rn.
9).
c) Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das [X.] zu Recht ein Organisationsverschulden des Beklagtenvertreters angenommen.
Er
hat in seinem Wiedereinsetzungsgesuch darauf hingewiesen, dass die zuständige Kanzleiangestellte aufgrund des stattgefundenen [X.], der hiermit verbundenen
zahlreichen Aufgaben und der starken Frequentierung der Kanzlei durch diverse Lieferanten, technische Dienstleister und sonstigen Publikumsverkehr überlastet gewesen
und die Anweisung zur Änderung der falsch erstellten Rechtsmittelschrift
darüber in Vergessenheit geraten sei. In 31
32
33
-
13
-
einer solchen Situation, in der die unverzügliche Korrektur nicht sichergestellt war, durfte der Prozessbevollmächtigte sich nicht allein auf die [X.] verlassen, sondern hätte die unverzügliche Korrektur der einseitigen Rechtsmittelschrift verlangen müssen und diese erst danach
unterzeichnen [X.], um eine vorzeitige Löschung der Rechtsmittelfrist zu verhindern. Einen so wichtigen Vorgang wie das Absenden einer Rechtsmittelschrift durfte der Rechtsanwalt seiner in der konkreten Situation ersichtlich überforderten Mitar-beiterin nicht allein überlassen. Das sich daraus ergebende
Organisationsver-schulden des Beklagtenvertreters ist dem Beklagten nach §
85 Abs.
2 ZPO zu-zurechnen.
-
14
-
4. Weil der Beklagte die Berufungsfrist nicht schuldlos versäumt hat, hat das [X.] ihm die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §
233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Berufung nach §
522 Abs.
1 Satz
2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.

Hahne

Dose

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.11.2010 -
2 F 154/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 11.03.2011 -
3 UF 9/11 -

34

Meta

XII ZB 165/11

08.02.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2012, Az. XII ZB 165/11 (REWIS RS 2012, 9413)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9413

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